Vielleicht wäre alles so gekommen, wenn es keinen Voldemort, keinen Auserwählten und keinen Krieg gegeben hätte?!
Der neue Schüler
Die Kerkertür flog mitten im Unterricht auf und die Schüler der siebten Jahrgangsstufe erstarrten zu Salzsäulen. Nur ihre Augen schielten zu ihrem Professor, der sich drohend am Pult aufgebaut hatte und einen Blick auf den Neuankömmling gerichtet hatte, den nicht einmal ein Marsmensch als freundlich hätte missverstehen können.
Herein kam ein junger Mann mit einem breiten Lächeln im Gesicht, aber im blieb nicht die Zeit, den Mund aufzumachen und irgendetwas zu sagen, da war die Schulsprecherin schon aufgesprungen und setzte zu einer Erklärung an:
"Professor Snape, das ist Jeremy Michelson. Er kommt aus den USA und..." - weiter kam Hermine gar nicht mehr, denn sie wurde barsch unterbrochen:
"Setzen, Granger!"
Das Lächeln gefror auf dem Gesicht von Jeremy und er wurde ein bisschen blass, als sich Snape ihm zuwandte:
"Soso, Jeremy Michelson, der Sohn des Botschafters. Natürlich hält der Herr es nicht für angebracht, pünktlich zu erscheinen. Ich gehe mal davon aus, dass es unter seiner Würde erschien, mit den anderen Schülern den Raum zu betreten?!"
Empörung kroch über Jeremys Gesicht: "Nein, Sir, es ist nur..."
"Ruhe!", schnauzte Snape. "Fünf Punkte Abzug für Ravenclaw wegen Unpünktlichkeit. Und wenn Sie sich nicht bald setzen und zu arbeiten anfangen, werden es deutlich mehr."
Verschreckt ließ sich Jeremy auf den freien Platz neben Hermine fallen und starrte sie einfach nur geschockt an.
"Ach, Miss Granger, das ist jetzt das 3 Mal in einer Woche, dass Sie ungefragt Ihre Meinung kundtun. Das sind dann auch fünf Punkte von Gryffindor..." Snape kräuselte die Lippen und wartete auf Widerspruch, aber Hermine hatte gelernt, dass es nichts nütze. Innerlich warf sie ihm alle Nettigkeiten, die ihr einfielen, an den Kopf, aber äußerlich wirkte sie fast teilnahmslos.
Snape gestattete sich ein fieses Grinsen; Miss Granger wurde durchaus kreativ in ihren Beleidigungen und die äußere Ruhe war bemerkenswert. Ohne einen Ton von sich zu geben, gab er zwei Punkte an Gryffindor.
Jeremy schien anscheinend die Totenstille im Kerker nicht aufzufallen und so drehte er sich bald zu Hermine um, um sie zu fragen, was er eigentlich genau tun sollte. Aber er hatte kaum angesetzt, als ihm bewusst wurde, dass Snape hinter ihm stand und ihn bösartig taxierte.
"Sie wissen nicht, was Sie tun sollen, Michelson?", fragte er betont liebenswürdig.
"Ja, Sir..."
"Tja, ich würde sagen, dass Sie es wüssten, wenn Sie pünktlich gekommen wären. Sie werden also sicher verstehen, dass ich es nicht zulassen kann, dass Sie die Arbeit Ihrer Mitschüler unterbrechen - besonders nicht Miss Granger, denn Ihre Tränke sind zwar die besten der Klasse, aber trotzdem nur passabel."
Snape wusste nur zu gut, dass er Hermine am wahrscheinlichsten mit einer Beleidigung über ihre Arbeit aus der Reserve locken konnte, aber es kam keine Reaktion von ihr. Sie hatte lautlos einen Taubheitszauber über sich gelegt, damit sie nicht auf die Kommentare ihres Lehrers hören musste. Den Trank konnte sie ohnehin schon in der zweiten Klasse brauen, also machte sie sich auch nicht die Mühe, auf ihn zu hören, sondern verbesserte während dem Arbeiten das alte Rezept, um es effizienter zu machen.
Ron, der auf ihrer anderen Seite saß, konnte allerdings nicht tatenlos zusehen, wie Hermine beleidigt wurde und er fuhr auf: "Hören Sie auf, Sie wissen ganz genau, dass Hermine genial ist - vielleicht sogar besser als Sie!"
Dieses Mal war die Stille im Kerker greifbar und Ron wurde bewusst, was er gesagt hatte. Stotternd versuchte er, sich irgendwie zu retten; Snape ließ ihn eine kleine Weile reden und unterbrach ihn dann:
"Hm, Weasley, ich denke, das gibt zwei Wochen Nachsitzen bei mir und 25 Punkte Abzug von Gryffindor". Ron wurde sofort still und starrte Harry entsetzt an, der aber nur den Finger an die Lippen legte und den Kopf schüttelte.
"Sehr weise, Potter", kommentierte Snape hämisch.
Die Stunde ging in eisigem Schweigen zu Ende, das Resultat waren eine Strafarbeit, 28 Punkte von Gryffindor, fünf von Ravenclaw, 14 mehr oder minder misslungene Tränke, ein perfekter (Hermines) und eine leere Phiole (Jeremys).
Beim Mittagessen hatten Harry, Ron und Hermine keine Gelegenheit mit Jeremy zu sprechen, aber dafür fragte Ron, wie Hermine denn nur so ruhig bleiben konnte.
Sie lächelte ein bisschen überlegen und erklärte, was sie getan hatte.
"Oh Mann, Mine, hättest Du das nicht irgendwann mal sagen können. Ich habe mich um Kopf und Kragen geredet wegen Dir"
"Echt? ich habe doch nichts gehört - was genau ist denn passiert?"
Harry übernahm die Schilderung der Ereignisse und Hermine hörte interessiert zu, um sich dann an Ron zu wenden:
"Hör zu, es gibt keinen Grund für mich den Helden zu spielen. Ich komme mit Snape schon irgendwie klar, also misch Dich nicht immer ein, Du siehst ja, was passiert..."
Damit stand sie vom Tisch auf, drehte sich aber noch einmal um: "Ron? Trotzdem danke!" und damit war sie verschwunden, sodass sie nicht mehr bemerkte, dass Ron plötzlich sehr vergnügt dreinsah.
Hermine ging zu Jeremy am Tisch der Ravenclaw hinüber, um sich kurz mit ihm zu unterhalten. Bald waren sie allerdings in ein angeregtes Gespräch verstrickt und keiner von beiden bemerkte, dass Snape sie belauschte.
Nicht zum ersten Mal wunderte der Professor sich, woher Hermine die Zeit nahm, auch noch die Muggelklassiker der Weltliteratur zu lesen, denn jetzt gerade diskutierte sie mit Michelson darüber, wie Canterville Chase, wo The Canterville Ghost von Oscar Wilde spielte, so war.
Michelson lachte gerade auf eine übelkeiterregende Weise und sagte: "Jaja, mein Vater hat einen skurrilen Sinn für Humor - er fand es einfach komisch, als amerikanischer Botschafter der Hexen und Zauberer in Canterville Chase einzuziehen, so wie im Buch. Wusstest Du, dass man vermutet, Wilde wäre ein Zauberer oder zumindest ein Squib gewesen?"
Snape klinkte sich aus dem Gespräch aus und widmete sich seinem Mittagessen.
In der nächsten Woche fiel es ihm unangenehm auf, Hermine einfach viel zu oft mit diesem Michelson zu sehen. Natürlich konnte er nichts dagegen unternehmen, denn er erwischte sie nicht nach der Sperrstunde und sie taten nichts anderes als reden, teilweise über Dinge, bei denen Snape nur den Kopf schütteln konnte. Aber ihm waren auch die fachlichen Diskussionen, die sie auf sehr hohem Niveau führten, nicht entgangen. Er war geradezu überrascht, als er ein Gespräch über die Wirkung von Florfliegen im Vielsafttrank mitanhörte.
Was ihm auch nicht entging, war die Tatsache, dass Mr Weasley den Botschaftersohn offensichtlich nicht ausstehen konnte.
"Die erste und einzige Gemeinsamkeit zwischen uns", dachte Snape säuerlich.
Er konnte noch nicht einmal genau ausmachen, woran es lag, dass er Michelson nicht mochte, aber er war einfach immer viel zu gut gelaunt, viel zu gut informiert, sein breites Amerikanisch und sein sonnengebräuntes Grinsen waren Snape einfach zuwider und das ließ er ihn auch spüren.
In einer Zaubertrankstunde, in der Michelson selbst nerviger war als Granger, platzte Snape der Kragen:
"Michelson, es ist ja schön, dass Sie alles über alles wissen, aber wir alle wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie nur auf die gestellte Frage antworten würden und nicht gleich das halbe Buch daherbeten würden. Sie sind ja schlimmer als Miss Granger und das will wirklich etwas heißen!"
Hermine wurde blass und knabberte an ihrer Unterlippe, aber sie sagte nichts.
Als die Stunde endlich beendet war und Snape nun nicht einen, sondern zwei perfekte Tränke auf seinem Pult stehen hatte, und die Schüler gerade den Raum verlassen wollten, rief Snape Hermine zurück.
Sie überlegte rasch, was sie ausgefressen haben könnte, als sie zurück in den Raum trottete, aber sie war sich nicht ganz klar, was es sein sollte. Als sie schließlich vor ihrem Professor stand, versuchte sie, seinen Gesichtsausdruck zu enträtseln, aber auch das misslang.
"Nun, Miss Granger, so wie es aussieht, haben Sie endlich Ihren männlichen Gegenpart gefunden?!"
Verwirrt starrte sie ihn an: "Sir?!"
"Ist Mr. Michelson etwa nicht nach Ihrem Geschmack?"
"Ich wüsste nicht, was Sie das angehen sollte, Sir!"
Amüsiert betrachtete er sie, wie sie sich empört vor ihm aufgepflanzt hatte. Sie ging ihm gerade bis unters Kinn, aber das hinderte sie nicht daran, ihn wütend anzustarren, weil sie wusste, dass er dieses Mal wirklich zu weit ging.
"Sie haben vollkommen Recht, Miss Granger, mich geht es gar nichts an", erklärte er gleichmütig, "aber mir wäre eine Jahrgangsbeste Hermine Granger einfach lieber als ein Jahrgangsbester Jeremy Michelson - ich hoffe, Sie sehen die Herausforderung. Das war alles!"
Hermine starrte ihren Professor an - er war doch ein wandelndes Rätsel. Snape hatte sich abgewandt, um seine Unterlagen wegzuräumen und als er sich umdrehte, stand sie immer noch da, offensichtlich vollkommen in Gedanken versunken.
"Miss Granger, sind Sie angewachsen oder schon süchtig nach meiner Gesellschaft, dass Sie immer noch hier sind?!"
"Sir? Ich frage mich nur, warum Sie mich zurückbehalten haben, um mich das zu fragen?"
"Ich fürchte, da müssen Sie Ihr kluges Köpfchen rauchen lassen - es gibt keinen Grund. Sie wissen doch, ich bin parteiisch..."
"Aber doch nicht für Gryffindor!"
"Nein, aber für Sie. Im Übrigen gehen Sie meine Beweggründe gar nichts an - also RAUS!"
Das letzte Wort brüllte er und Hermine macht einen Satz und drehte sich dann um, um davonzulaufen.
Snape starrte ihr nach - was hatte er bloß angerichtet? Eigentlich wollte er sie nur ein bisschen triezen, denn er hatte das Gefühl, dass ihr Lerneifer nachließ, seit Michelson an der Schule war; sie schien lieber mit ihm hochtrabende Gespräche zu führen, anstatt ihre Nase in die Bücher zu stecken. Aber was er diesmal so alles von sich gegeben hatte - da konnte er nur den Kopf schütteln. Hoffentlich verstand sie es so, wie er es gemeint hatte und fing nicht an, irgendetwas darin zu lesen, was nicht da war.
Während Snape beschloss, das Mittagessen heute ausfallen zu lassen und sich lieber den Aufsätzen der Drittklässler zu widmen, bei denen er sich so richtig austoben konnte, trabte eine verwirrte Hermine zum Mittagessen.
Sie ließ sich ziemlich ungraziös zwischen Harry und Ron plumpsen, von denen aber nur Harry aufsah - Ron war schließlich am Essen.
"Mine, was ist denn los? Du siehst aus, als wäre Dir Luna mit einer ihrer lustigen Brillen über den Weg gelaufen"
Hermine lächelte müde über Harrys gut gemeinten, aber lahmen Scherz und schüttelte nur den Kopf, aber Harry gab sich nicht zufrieden und bohrte weiter:
"Also wenn es nicht Luna war, was war es dann und wo warst Du noch so lange?"
Eine Ausrede, Hermine, schnell, dachte sie und kam auf das Thema zurück, bei dem sich die Jungs grundsätzlich entsetzt bis gelangweilt abwandten.
"Ach, ich habe darüber nachgedacht, wie wir dieses Jahr die Wiederholungen organisieren. Du weißt ja, die Prüfungen sind extrem wichtig, also sollten wir so bald wie möglich anfangen und ich..."
"Ist gut, ist gut", Harry hob in einer ergebenen Geste die Hände und damit war das Thema dann eigentlich auch beendet. Aber gerade in diesem Moment tauchte Jeremy auf, was Ron mit einem genervten Stöhnen quittierte.
"Hey Hermine, ich habe Dich gerade von Wiederholungen sprechen hören und ich dachte, ich kann Dich sicher fragen, was ihr so ab Jahr fünf gemacht habe und vielleicht können wir ja zusammen lernen?"
Hermine dachte an Snape und wusste nicht recht, wie sie sich gegenüber Jeremy verhalten sollte, deshalb reagierte sie ein bisschen zurückhaltend:
"Ähm, ich mache Dir eine Liste mit den wichtigsten Themen aus Jahr fünf und sechs, aber ich lerne lieber alleine."
Jeremy war ein bisschen enttäuscht abgezogen, als Ron aus seinem Wackelpudding auftauchte: "Wow, Mine, das war das erste Mal, dass Du diesem Kerl eine Abfuhr verpasst hast - was ist los?"
"Ich weiß auch nicht, Ron, aber ich habe das Gefühl, dass ich irgendwie schlechtere Leistungen bringe..."
Harry und Ron fingen an zu lachen, aber plötzlich gefroren ihre Gesichter, als sie bemerkten, dass Snape, der seine Aufsätze durchgesehen hatte, hinter ihnen stand.
Er ignorierte die beiden allerdings und wandte sich an Hermine:
"Sehr gut, Miss Granger, ich bin froh, dass Sie meine Warnung nicht in den Wind geschlagen haben. Fünf Punkte für Gryffindor."
Die drei starrten ihrem Zaubertrankprofessor nach - Harry und Ron fassungslos und Hermine irgendwie stolz.
Zuerst hatte sich Harry gefasst: "Ähm, hat er Dir gerade fünf Punkte für Gryffindor gegeben, weil Du Jeremy eine Absage erteilt hast?!"
"Sieht so aus", bemerkte Hermine trocken und wollte das Thema am liebsten fallen lassen, aber Harry spann den Gedanken weiter:
"Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass Snape eifersüchtig auf Jeremy ist"
Bei diesen Worten gab Ron ein würgendes Geräusch von sich; er hatte sich vor Entsetzen an einem Keks verschluckt. Hermine war ganz dankbar für diesen Zwischenfall, weil sie dachte, dass das Thema sich damit erledigt hatte, aber Harry konnte sehr hartnäckig sein; nachdem Ron sich erholt hatte, schaute er seine beste Freundin fragend an:
"Also, was ist, Mine, ist Snape eifersüchtig?"
"Harry, erzähl keinen solchen Unsinn! Er hat mich nur darauf aufmerksam gemacht, dass ich in meinen Leistungen nachlasse, weil ich zu viel Zeit mit Jeremy verbringe" - den Rest der Unterhaltung behielt sie dann lieber für sich.
"Na dann...", brachte Ron hervor, "auf in die Bibliothek, meinst Du nicht auch?"
"Du hast Recht - wollt ihr mitkommen?"
Die Jungs hatten plötzlich noch furchtbar viel vor und Hermine rief ihnen ein "Bis später" zu und war verschwunden.