Disclaimer: Das Hogwarts-Universum und seine Figuren sind geistiges Eigentum von J.K. Rowling. Ich habs mir nur ein bißchen ausgeliehen.
A/N: Auch dieser Beitrag entstand für den Adventskalender der Schreiberlinge. Tausend Dank an artis magica fürs Betalesen!
Advent
von Alcina vom Steinsberg
Mit gewohnt grimmigem Blick trat Severus Snape in die große Halle und begab sich zu seinem Platz. Ohne seine Kollegen auch nur eines Blickes zu würdigen, griff er nach der Teekanne, die strategisch günstig vor seinem Platz stand, und schenkte sich einen großen Becher des heißen, aromatischen Getränks ein. Während das köstliche Aroma seine schlechte Laune in Mikroschritten erhellte, sinnierte er – wie jeden Morgen – über die Ungerechtigkeiten des Lebens nach.
Daß er seinen Lebensunterhalt als Lehrer verdienen mußte, gut. Nein, nicht gut, aber nicht zu ändern.
Daß er als junger Mann eine so hanebüchene Fehlentscheidung getroffen hatte, die sein Leben bis heute prägte, war ebenfalls nicht gut, aber eine Tatsache, die er nicht mehr ändern konnte und mit der er leben mußte. Folglich blieben ihm als Tränkemeister mit dubioser Vergangenheit nur sehr wenige Möglichkeiten, weshalb er für den Lehrerjob wirklich dankbar war. Kinder waren nicht sein Ding, aber er konnte immerhin seine schlechte Lauen an ihnen auslassen. Und ein so schlechter Lehrer konnte er nicht sein, nicht mit so vielen ausgezeichneten Examensergebnissen...
Daß Dumbledore aber einfach nicht begriff, was für eine Qual es für ihn bedeutete, jeden Morgen zum Frühstück erscheinen und bereits in aller Herrgottsfrühe mit anderen Menschen interagieren zu müssen, das ging nicht in seinen Schädel. Der Mann hatte doch angeblich so eine glänzende Beobachtungsgabe! Severus schnaubte. Wenigstens hatten seine Kollegen schnell genug gelernt, daß mit ihm vor Unterrichtsbeginn nicht zu spaßen war, und ließen ihn in Ruhe. Und gingen – um des eigenen Morgenfriedens willen – sogar so weit, ihm eine Teekanne mit seiner persönlichen Lieblingsmischung direkt vor der Nase zu plazieren. Er war dankbar dafür, aber am Morgen nicht dazu aufgelegt, das zu äußern, und später am Tag hatte er es wieder vergessen.
Tage wie dieser waren allerdings der Gipfel der Unerträglichkeit. Severus schenkte sich Tee nach. Schlimmer war nur noch der Valentinstag. Aber der heutige erste Sonntag der Adventszeit stand diesem kaum nach. Ganz Hogwarts war grellbunt und hysterisch-fröhlich dekoriert, jedermann grinste dümmlich und summte kitschige Melodien, überall glitterte und flitterte es und roch unangenehm nach Harz, und auf dem Tisch brannten sogar rote KERZEN! Pah!
Als der zweite Becher geleert war, starrte er unschlüssig seine Teekanne an. Ertrug er das Brimborium noch für einen weiteren Becher Tee? Seine Augenbrauen hoben sich indigniert, als eine Hand in seinem Blickfeld auftauchte. Die Hand ragte aus einem tartangemusterten Ärmel. Sie würde es doch nicht etwa wagen, aus SEINER Kanne?
Severus fuhr auf, ein böses Wort auf den Lippen, und begegnete Minervas Blick. Begegnete einem sehr verkniffenen Blick in einem überraschend blassen Gesicht.
„Darf ich?" fragte sie kläglich und schaute auf seine Teekanne. Severus nickte überrascht, während sich Minerva einschenkte. Was war mit ihr los? Sie sah zwar immer mehr oder weniger streng aus, aber so wie heute hatte er sie noch nie erlebt. Seine üble Laune und sein Groll gegen alles und jeden waren vergessen.
„Geht es dir nicht gut?", wollte er leise wissen.
Sie schüttelte behutsam den Kopf. „Nein. Rasende Kopfschmerzen. Und dieser unsägliche Weihnachtskram macht mich wahnsinnig."
Severus war platt. Er wäre nie im Traum auf die Idee gekommen, daß nicht nur er alleine mit Dumbledores Feier-, Fest- und Dekorationswahn ein Problem haben könnte... und dann ausgerechnet Minerva. Die doch sonst Dumbledores Fähnlein stets hochhielt... wieder musterte er sie. Seine Hand fuhr in die Tasche seiner Robe und kramte darin herum. Dann fand er, was er suchte.
„Hier." Er schob Minerva eine kleine Phiole zu. Sie hob den müden Blick und sah ihn erstaunt an.
„Was ist das?"
„Ein Kopfschmerzmittel. Nicht zur regelmäßigen Einnahme gedacht, aber schnell und effektiv. Fünf Tropfen in den Tee."
Sie gehorchte dankbar. Kurz darauf stieß sie einen Seufzer aus und hob den Kopf.
„Wunderbar, Severus. Wie weggeblasen. Ich danke Dir."
Ein feines Lächeln, das man äußerst selten auf seinen Zügen sah, erhellte Severus' Gesicht. „Gern geschehen."
oOoOo