Deutsch: Diese Geschichte ist zweisprachig und ein Experiment auf so ziemlich jeder Ebene. Ich schreibe sie auf Deutsch und übersetze sie anschließend mit Hilfe von Alicia (Arkevil) auf Englisch. Die Kapitel sind in einen a und einen b Teil aufgeteilt: Für jeden deutschen Teil (a), der gepostet wird, folgt die englische Übersetzung (b).
Hinweis: Da ich den Manga auf Englisch lese, bin ich nicht vertraut mit der Standardübersetzung bestimmter Begriffe - es kann also Abweichungen geben.
Vorwissen: Eren hat seine Titanen Kräfte nicht. (Die kann von mir aus jemand anders haben.) Er überlebt die Schlacht von Trost, ist aber verwundet.
Engish: This story is bilingual and an experiment on pretty much every level. I write it in German and then translate it into English with the help of Alicia (Arkevil). The chapters are separated into a part a and a part b: For every German part (a) being posted follows the English translation (b).
Note: I'm sticking close to the original with lots of incomplete sentences. It's a thing you can totally do in German. I don't know how common it is in English, but I don't care.
Previous Knowledge: Eren doesn't have his titan powers. (Someone else can have them, for all I care.) He survives the battle of Trost, but is injured.
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Schatten von Träumen
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.: 01a :.
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Wir waren jung und naiv und dachten wir könnten alles erreichen.
Der Kampf gegen die Titanen war ein Kinderspiel. Wir hatten hart genug dafür gearbeitet. Wir waren bereit, es mit ihnen allen aufzunehmen. Wir würden es ihnen schon zeigen.
So dachten wir.
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Der Schmerz in meinem Bein ist unerträglich. Ich würde ihn als höllisch beschreiben, wäre ich nicht gerade direkt aus der Hölle gekommen. Die klaffende Wunde unterhalb meines Knies, wo heute Morgen noch meine Wade anschloss, ist nichts gegen die grausamen Bilder, die sich für immer in mein Gehirn eingebrannt haben.
Sie sagen, ich bin der einzige Überlebende von meiner Truppe. Sie sagen, ich habe Glück überhaupt noch am Leben zu sein. Sie sagen, jemand hat mich gefunden und sich um meine Verletzung gekümmert. Sie sagen, ich wäre fast verblutet. Ich schreie nur vor Schmerz, bis das Morphium Wirkung zeigt.
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In meinem Kopf schwimmt alles. Ich weiß nicht, ob ich wach bin oder träume. Schreckliche Erinnerungen vermischen sich mit grauenhaften Fantasiebildern. Es ist, als würde ich alles noch einmal durchleben – nur viel schlimmer. Blut und lange Reihen gefletschter Zähne überall. Und ein Meer von Körpern. Die Gesichter meiner Kammeraden verzerrt in Angst und Schmerz.
Tomas, Mina… Armin. Ich konnte keinen von ihnen retten. Ich konnte nicht einmal mich selbst retten. Wieso? Haben wir uns nicht drei Jahre lang für diesen Kampf vorbereitet? Wofür war das ganze harte Training, wenn wir am Ende doch der Grausamkeit der Titanen zum Opfer fielen?
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Kühle Hände auf meiner Haut, die vom Fieber glüht. Zierliche Finger streichen sanft über meine Stirn und meinen Haaransatz. Lippen, die meine Schläfe liebkosen. Ich muss träumen. Vielleicht sucht mich die Erinnerung an meine Mutter heim. Diese Welt hat keine solche Zärtlichkeit für mich übrig. Nicht mehr.
„Du hitzköpfiger Idiot."
Die Stimme ist ein Flüstern in meinem Ohr. Ich kenne sie und doch ist sie fremd. Dieser Tonfall – so rau und leise mit der Andeutung eines Lächelns – ist etwas, in der ich sie noch nie sprechen gehört habe. Es gelingt mir nicht, der Stimme ein Gesicht zuzuordnen.
„Hast du dich mal wieder Hals über Kopf in den Kampf gestürzt?"
Warmer Atem streicht über mein Ohr. Zwei Finger ziehen Linien über die Haut an meiner Schläfe. Ich kämpfe gegen die Trägheit meiner Lider an. Ich muss sehen wer es ist. Aber gleichzeitig fürchte ich, dass es nur ein Traum ist, der verschwindet, sobald ich die Augen öffne.
Ich tue es trotzdem.
Zuerst ist alles verschwommen. Ein schemenhafter, dunkler Umriss vor blendendem Licht. Er wird klarer. Blondes Haar, das ihr ins Gesicht fällt. Blaue Augen, die mich durch zerzauste Strähnen hindurch ansehen.
„Annie?"
Ich blinzle. Was macht sie hier? Was macht sie?
Ihre Hand streicht immer noch über mein verschwitztes Gesicht, durch mein wirres Haar.
Es muss ein Traum sein. So kenne ich Annie Leonhard überhaupt nicht. Wenn sie für eines bekannt ist – neben ihrem stetigen Desinteresse an so ziemlich allem um sie herum – dann ist es ihre abgebrühte Grobheit. Ich habe sie oft genug am eigenen Körper erfahren während unseres Nahkampftrainings.
„Sieht so aus, als wäre unsere Ausbildungszeit eindeutig vorbei."
Was sie sagt ergibt keinen Sinn für mich. Was sie tut noch viel weniger. Ein Daumen streicht über den unteren Rand meiner Lippen. Das Morphium betäubt meinen Körper immer noch. Ich kann kaum einen klaren Gedanken fassen.
Als nächstes presst ihr Mund gegen meinen. Sie bewegt ihre Lippen rhythmisch über meine und ich weiß nicht, wie mir geschieht. Ich kann ihre Hände jetzt auf meiner Brust spüren und wie sie langsam tiefer wandern.
Benebelt wie ich bin, fällt mir nicht viel ein, was ich tun könnte, wie ich auf sie reagieren könnte. Die Augen zu schließen scheint fürs Erste eine gute Idee zu sein. Also tue ich genau das. Und schon kann ich sie viel besser spüren: ihre Lippen auf meinem Mund; ihre Hände, die über mein Hemd gleiten.
Irgendwie beginnen meine Lippen ihren seltsamen Tanz mitzumachen, sich dem Rhythmus ihrer Bewegungen anzupassen. Viel darüber nachdenken kann ich sowieso nicht, dafür bin ich zu benommen. Also agiere ich instinktiv, vollführe wiederholt die gleiche Bewegung mit meinem Mund bis ihre Lippen aus meiner Reichweite verschwinden.
Meine Lider sind so schwer, ich glaube nicht, dass ich meine Augen so bald wieder öffnen kann. Doch ihr Gesicht ist immer noch ganz nah. Ich spüre ihren warmen Atem auf meiner Haut. Es dringt kein rötlicher Schimmer durch meine geschlossen Augenlider, vermutlich weil ihr Kopf das Licht blockiert.
„Leb' wohl, Eren."
Wieder streicht sie mir sanft über die Stirn. Dann legt sie ihre Lippen noch einmal auf meine, ein zärtlicher Kuss. Das letzte was ich von Annie Leonhard je sehen, oder vielmehr fühlen werde.
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Als ich das nächste Mal die Augen öffne ist sie längst verschwunden. Mein verletztes Bein beklagt schmerzhaft den Verlust seiner unteren Hälfte und ich stöhne gequält auf. Wieder ist jemand da, um mich von meinem Leiden zu erlösen – zumindest vorübergehen.
Ich sinke zurück in die surreale Welt des Morphiums, frei von Schmerzen aber voller grauenhafter Visionen und Bilder.
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Armin.
Wir wollten doch zusammen das Meer sehen.
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Wir waren jung und naiv und dachten wir könnten alles erreichen. Aber das Schicksal hat uns ein grausames Schnippchen geschlagen.
Wir haben noch nicht gelebt – wussten nicht einmal, was das wirklich bedeutet – bevor es die meisten von uns kalt erwischt hat.
Tot oder verkrüppelt – ich weiß nicht, was schlimmer ist.
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Ich werde nie wieder die Dreidimensionale Manöverausrüstung bedienen. Ein Holzbein reicht nicht aus für den Militärdienst – egal um welche Sparte es sich handelt. Damit sind meine Pläne zunichte gemacht.
Vermutlich kann ich jetzt alt und grau werden. Verbittert bin ich schon.
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Das Meer ist nichts weiter als ein Wunschtraum, die Welt außerhalb der Mauern eine fixe Idee, die ich mir aus dem Kopf schlagen muss.
Auch wenn Mikasa mir gut zuredet, dass es nicht so ist – und vermutlich hat sie recht, denn dass sie atmet und nach wie vor an meiner Seite ist, sollte Beweis genug sein – für mich fühlt es sich so an als sei mir nichts mehr geblieben.
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Einen Wunsch habe ich noch.
Ich möchte Annie Leonhards Lippen auf meinen spüren.
Nur noch einmal.
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