Titel: Fake for your life!

Warnings: AU; teils heiter, teils wolkig; etwas Nyotalia; Essstörungen in all ihrer Hässlichkeit, neurotische Charakterzüge, Zwänge, SVV, Mobbing, Missbrauchserfahrungen, Depressionen (die Dinge werden teils mehr, teils weniger direkt thematisiert; Updates in den Warnings können noch folgen).

Auch slash wird am Rande vorkommen. Diese Fanfiction konzentriert sich jedoch nicht primär auf Liebe, sondern es soll eher um Schicksal, Charakterentwicklung, Freundschaft, Heilung und so was gehen.

Disclaimer: Die Charaktere gehören nicht mir. Ich hab sie nur entwendet, um sie in diese Fanfic zu packen.

Charaktere: Amerika, Norditalien, England, Russland, Frankreich, Finnland, Ukraine, Liechtenstein, Spanien, Weißrussland, Belgien und noch einige mehr... immer mit ihren menschlichen Namen ^^ Sofern keine 'offiziellen' Namen vergeben wurden, hab ich meist auf Fandom-bekannte Namen zurück gegriffen. Aber ihr werdet schon merken, wen ihr vor euch habt, wenn es so weit ist.

Author's Note: Mal wieder so ein Geistesblitz, den ich sofort anfangen musste niederzuschreiben. Mal gucken, wie weit ich damit komme. Auf jeden Fall freu ich mich über alle, die mitlesen und noch mehr über jene, die die Story kommentieren und/oder zu ihren Favoriten hinzufügen! :-)


{ 01. Welcome to Sunny State }

Mit einem entrüsteten Seufzen griff der junge Amerikaner nach seinen neuen Sneakers, die bis eben noch unspektakulär in seiner Reisetasche gelegen hatte. Jetzt, nach Begegnung mit einer Schwester, standen sie schräg daneben und wirkten wie zwei herzlos ausgeweidete Schweine.

„Nicht mal Schnürsenkel?! Kann doch nich' wahr sein...!" Mehr fiel Alfred beim besten Willen nicht dazu ein. Teils fassungslos, teils wütend ließ er die Schuhe in dem kleinen Schrank verschwinden, der ihm zugeteilt worden war. Er musste hier raus. Er hatte keine Lust auf Leute, die die Schnürsenkel aus seinen Schuhen pulten und während er pinkelte vor der Klotüre patrouillierten! Wie konnten seine verdammten Eltern ihm das nur antun? Einfach unglaublich...!

Hitzig Flüche murmelnd, stopfte Alfred den Rest seiner Sachen in den hohen, schmalen Schrank mit der Holztüre. Im Raum war es gefühlte zehn Grad zu warm für seinen Geschmack; er spürte bereits, wie ihm Schweiß auf die Stirn trat. Womöglich wollten sie hier sein Fett nach dem Saunaprinzip schmelzen lassen.

Energischen Schrittes ging er durch das spärlich eingerichtete Zimmer und bekam gleich darauf den Fenstergriff zu fassen. Der Spätsommernachmittag zeigte sich von einer untangiert grauen Seite und hatte weder Sonne noch Regen im Gepäck. Alfred konnte das Fenster lediglich auf kipp öffnen. Mehr schien durch eine Sicherung unmöglich. Zusätzlich räkelten sich einige Stäbe vor dem Fenster und waren draußen in die Wand eingelassen. Es war ironisch ihm zu unterstellen, durch den schmalen Fensterspalt zu passen. Vielleicht sollte ihn das Fenster ja motivieren..?

Eine erste Brise schlich in den Raum, in dem abgestandene Heizungsluft und der widerliche Geruch von Desinfektionsmittel sowie der Dunst von altem Kantinenessen offenbar schon seit geraumer Zeit vor sich hin vegetierten. Den Luftzug genießend, ließ Alfred kurz die Augen zufallen. Er hatte sich fest vorgenommen, optimistisch zu bleiben. So wie er eben immer versuchte, die Dinge möglichst optimistisch anzupacken. Nur erwies sich dies als schwer, wenn einen die eigenen Eltern in so ein Loch steckten, weil sie der Ansicht waren, ihr Sohn habe ein Problem.

Problem.

Wie das schon klang! Alfred hatte gewiss kein Problem – oder zumindest keines, was man all zu ernst nehmen musste. Er hatte nur irgendwie nicht gut genug aufgepasst. Sonst hätten seine Eltern nie etwas gemerkt, so wie er es sie all die Zeit zuvor eben nie hatte merken lassen. Er hatte keine Probleme. Allein schon aus dem Grund, weil in seiner Familie kein Platz für Probleme seinerseits vorgesehen war...

„Ve...?"

Alfreds Augen sprangen auf, als er die fremde Stimme hinter sich vernahm. Den Fenstergriff noch in der rechten Hand, wandte er sich zur Zimmertüre herum, wo er einen anderen Jungen erblickte. Alfred hatte es befürchtet – er hatte einen Mitbewohner. Allein schon die Tatsache, dass auf einem der Betten ein kleines Kissen und einige ordentlich gefaltete Kleidungsstücke lagen, hatten ihm dies verraten. Die Frage war nur, mit was für einem Typen er sich das Zweibettzimmer teilen musste. In jedem Falle galt: Angriff war die beste Verteidigung!
„Hi!", drehte er sich deshalb breit grinsend ganz zu dem anderen Jungen herum und ging, ihm die Hand zur Begrüßung entgegen haltend, schnurstracks auf ihn zu. Die verdutzten Augen des anderen begannen daraufhin regelrecht zu leuchten.

„Ich hab einen neuen Mitbewohner!", platzte die Freude samt eines fidelen Lächelns aus ihm heraus. Seinen Worten haftete ein freundlich warmer italienischer Akzent an.

Eigentlich war Alfred davon ausgegangen, derjenige zu sein, der den meisten Enthusiasmus in diesem Gebäude besaß – immerhin war er schon immer gut darin gewesen Energie, Begeisterung und Tatendrang zu versprühen –, doch sein Gegenüber schien ihm dahingehend in nichts nachzustehen. Alfred wusste gar nicht, wie ihm geschah, so rasch wurde seine Hand geschüttelt.

„Sie haben mir gar nicht gesagt, dass wieder jemand her kommt, ve~! Ich bin Feliciano. Hast du schon deinen Schrank eingeräumt? Und die Station gesehen? Sie ist klein, eigentlich winzig, aber die meisten hier sind sehr nett und abends dürfen wir sogar im Gemeinschaftsraum fern sehen. Wie heißt du?"

Alfred war ein bisschen schwindelig, was daran liegen musste, dass Feliciano beim Reden munter durchs ganze Zimmer marschiert war. Einmal um Alfred zu umkreisen, einmal um in dessen Schrank zu spähen – und sich somit die Frage nach dem Einräumen selbst zu beantworten –, und letztlich um zum Fenster hinüber zu gehen und dieses wieder zuzumachen.

Etwas perplex fiel Alfred nicht all zu viel dazu ein:
„Äh... ja, nein, also... Ich bin Alfred. Und eigentlich hab ich das Fenster gerade erst aufgemacht..."

Seine letzte Anmerkung prallte an Felicianos strahlendem Gesicht ab und fiel tot zu Boden. Zusätzlich machte der Braunhaarige eine abwinkende Handbewegung.
„Das ist so aufregend, dass jetzt wieder jemand mit mir das Zimmer teilt! Wenn ich alleine bin, ist das hier so gruselig nachts. Siehst du den Baum da?!" Ohne sich umzudrehen, deutete Feliciano hinter sich aus dem Fenster. „Wenn der Wind zu stark ist, kratzen seine Äste ständig am Fenster. Das klingt schaurig! Aber wenn du hier bist, muss ich mich ja nicht mehr fürchten, ve~!"

„Ha! Wer sich mit mir ein Zimmer teilt, muss garantiert keine Angst haben. Also, wie läuft'n das hier alles so?" Alfred hatte nicht den Hauch einer Ahnung, warum dieser andere Junge hier war. Feliciano wirkte nicht nur aufgeschlossen und freundlich, sondern sah auch völlig normal aus in seinem gemütlichen, weiten Pulli, unter dem er ein T-Shirt trug. Seine Frisur sagte „gekonnt ungewollt", sein schmales Gesicht beherbergte lebendige Züge und seine agile Art war genau der richtige Umgang, den Alfred hier drin zu brauchen glaubte. Mit Feliciano im Raum schien selbst die Luft aufgeregt zu vibrieren.

Womöglich war Feliciano nicht mal halb so abgefuckt wie Alfred und stand schon kurz vor seiner Entlassung.

„Sie lassen uns hier um 6 Uhr morgens aufstehen!"

Alfred glaubte, plötzlich ein tränennahes Glänzen in Felicianos Augen zu entdecken, während es ihm selbst eiskalt den Rücken runterlief.

„6 Uhr?", echote er verschreckt. Felicianos Augen glänzten gleich noch mehr.

„Ja, es ist total schrecklich! Ich bin doch jeden Morgen so müde! Wie soll ein normaler Mensch bitte um 6 Uhr morgens nicht müde sein?!"

Das war Alfred auch ein Rätsel. Er liebte und brauchte seinen wohl verdienten Schlaf.
„Warum scheuchen die uns in aller Herrgottsfrühe aus dem Bett? Das ist doch menschenverachtend! Haben wir hier drin keine Rechte? Das Recht auf Ausschlafen zum Beispiel?!"

Feliciano blinzelte betroffen, seine Miene wirkte für geschätzte zwei Sekunden leer. Dann kehrte sein munteres Lächeln zurück. Ihnen war beiden aufgegangen, dass Alfred sich nicht besonders gut über die Einrichtung informiert hatte. Sämtliche Worte seiner Eltern hatte er gewissenhaft ignoriert; sie waren durchs eine Ohr rein und durchs andere wieder raus gegangen. Als feststand, dass man ihn zur Klinik verurteilte, hatte er nur eines getan: sich eine Strategie überlegt, wie er möglichst schnell wieder hier raus spazieren konnte. Die Strategie hatte sogar einen Namen: Operation fake for your life!

„Man muss uns doch..." Felicianos Blick sprang einmal nervös von einer Ecke in die andere, bevor er wieder auf dem Neuzugang landete. Blitzartig kam er dann auf Alfred zu, schnappte ihn am Ärmel und flüsterte ein gedämpftes „wiegen!". Das Wort schien ihm unangenehm zu sein. Und nicht nur ihm – auch Alfred bekam umgehend hochrote Ohren, sodass er reflexartig gegen die Hitze auf seinem Gesicht anschlucken musste. Doch seine Kehle wirkte mit einem Male wie ausgetrocknet, derweil er sich von seinem Zimmernachbarn mitziehen ließ.

Wiegen hallte es in seinem Kopf wider.

Tägliches Wiegen morgens um 6 Uhr.

Das war doch pure Schikane!

Alfred holperte hinter Feliciano her und kam sich ungelenk vor. Zum einen, weil er ihn um ein ganzes Stück überragte. Zum anderen, weil nun auch in sein Bewusstsein sickerte, deutlich breiter gebaut zu sein als der feingliedrige Italiener. Dabei hielt sich Alfreds Gewicht in Grenzen; es kratzte nur dezent am Übergewicht. Trotzdem kam er sich gerade unendlich plump vor und versuchte erneut, die beklemmende Röte loszuwerden.

Feliciano indes führte ihn unter kontinuierlichem Geplapper über den stechend beleuchteten Gang, vorbei am Schwesternzimmer, dem gegenüber ein großer Aufenthaltsraum lag. Der verhältnismäßig kurze Flur beherbergte nur wenige Zimmer, deren Türen allesamt geschlossen waren. Alfred konnte nicht abschätzen, wie viele andere „Inhaftierte" hier einsaßen.

Schließlich blieb Feliciano vor einer Türe stehen. Das Schildchen an der Wand informierte Alfred darüber, dass dies der Raum mit der Waage war. Also der Raum, der ihm ab jetzt tagtäglich die Laune verderben würde.