Disclaimer: Die Charaktere und Handlungsorte gehören SM. Die Geschichte gehört EdwardsBloodType und wird mit freundlicher Genehmigung der Autorin aus dem Englischen übersetzt. Die Originalstory kann hier abgerufen werden: .net/s/5222490/

Warnung: Diese Geschichte beinhaltet den Drogenkonsum Minderjähriger, Obszönitäten, Erwähnung von Vergewaltigungen und explizite sexuelle Handlungen. Wer so etwas nicht lesen möchte, möge bitte wieder auf den Zurück-Button klicken.


High Anxiety

Kapitel 1

Wieder zu Hause


Well I'm going home,

Back to the place where I belong,

And where your love has always been enough for me.

I'm not running from.

No, I think you got me all wrong.

I don't regret this life I chose for me.

But these places and these faces are getting old,

So I'm going home.

Well I'm going home.

Home – Daughtry


~Bella~

Wir fuhren die Auffahrt hoch, der fein asphaltierte Weg erzeugte kein Geräusch unter den Reifen des Trucks. Alles sah noch so aus wie früher, aber wirkte gleichzeitig ganz anders. Das Haus sah noch genau gleich aus wie damals, als ich vor fünf Jahren weggezogen war, aber nun war es creme-beige gestrichen. Burgunderfarbene Rollläden wirkten als Akzente, genauso wie die neu gebaute Veranda aus Holz. Der Garten war neu gestaltet, sauber gestutzte Sträucher und Büsche waren liebevoll neben dem saftig grünen Rasen platziert. Angesichts der Tatsache, dass er nun schon so lange ein Junggeselle war, hätte ich erwartet, dass das Haus mittlerweile total heruntergekommen aussehen musste. Es war eine angenehme Überraschung, das komplette Gegenteil zu erleben.

„Dad, bitte verausgabe dich nicht. Ich kann die Koffer tragen", bettelte ich, als ich meinem Vater zusah, wie er die vollgepackten Koffer aus seinem Truck räumte.

Er warf mir einen Seitenblick zu und ignorierte meine Besorgnis. Charlie war schon immer der männliche Typ gewesen. Er akzeptierte niemals Hilfe oder Mitgefühl, besonders nicht von einer Frau. Er hatte vor kurzem die Polizei von Forks verlassen und war in Pension gegangen, nachdem er während eines Überfalls verletzt worden war, und sein verwundetes Bein machte ihm meistens Schwierigkeiten, eine längere Zeit über zu stehen. Als Resultat daraus hatte er beschlossen, seine eigene Privatdetektei mit der Zentrale in Seattle zu eröffnen. Sie lief ziemlich gut und versprach ihm eine lukrative Karriere, denn anscheinend gab es ausreichend Männer und Frauen, die von deren Partnern betrogen wurden.

Ich bemerkte, dass er leicht hinkte, aber es fiel mir nur auf, weil ich besonders darauf achtete. Sein Haar war schon dabei, grau zu werden, da schon einige ergraute Strähnen in seinem sonst so dunklen, gewellten Haar zu sehen waren. Sein Gesicht zeigte immer noch, dass er jung und stark war. Als ich noch klein war, hatte ich immer gedacht, dass er der bestaussehendste Mann auf der ganzen Welt wäre und dass ich ihn sicherlich eines Tages heiraten würde. Er war immer noch einer der tollsten Männer, die ich je gesehen hatte, aber meine dummen, kindischen Wünsche, meinen Vater einmal zu heiraten, existierten natürlich nicht mehr.

„Bella, willst du mich mit all dem Gepäck veräppeln?" Charlie schaute mich böse an, als er Koffer um Koffer mürrisch aus dem Wagen räumte. Er grunzte und murmelte leise. Ich lächelte ihn verlegen an, bevor ich zusammenzuckte. Der schwerste Koffer, der komplett mit Schuhen angefüllt war, kam als letztes dran.

„Dad, ich bin ein sechzehn Jahre altes Mädchen, das Leben und die ständigen Erwartungen der sozialen Gesellschaft verwirren mich, und ich versuche einfach nur, mir meinen Weg in dieser verwirrenden Welt zu bahnen, während ich mich selbst finden und versuchen muss, ein gesundes Selbstbewusstsein zu entwickeln. Eine große Auswahl an Kleidung und Schuhen hilft mir, nach meinem wahren Ich zu suchen, während ich damit zugleich meine Gefühle ausdrücken und kreativ sein kann." Ich kicherte kindisch und schlang einen großen, knallpinken Kleidersack über meine Schulter. „Außerdem möchte ich gern süß aussehen."

„Das klingt komisch, Bells. Hast du das im Flugzeug einstudiert? Sei nicht so eine Klugscheißerin", schimpfte er. Ich rollte mit meinen Augen und er ließ den letzten meiner Koffer im Vorraum auf den Boden fallen. Er schlang seinen Arm um meine Schulter und küsste mich auf die Stirn. „Ich bin froh, dass du wieder zu Hause bist, Honey. Ich habe dich vermisst."

„Ich hab dich auch vermisst, Dad. Das Haus sieht großartig aus. Es war schon höchste Zeit, dass du es etwas verschönerst." In den fünf Jahren meiner Abwesenheit, nachdem er und meine Mutter sich hatten scheiden lassen, hatte Charlie das ganze Haus umgebaut. Die Küche war komplett erneuert und modernisiert worden. Ein riesiges, zusätzliches Wohnzimmer war im Erdgeschoß angebaut worden und durch den Ausbau des oberen Stockwerks gab es nun zwei weitere Schlafzimmer und zwei weitere Badezimmer. Es war zwar immer noch mein Zuhause ... aber gleichzeitig war es das auch nicht mehr. Ich liebte es, dass das Haus sauber und alles neu war, aber es gefiel mir nicht, dass es nicht länger das Haus war, in dem ich aufgewachsen war.

„Tja, naja, Esme hat mich davon überzeugt, dass es an der Zeit war, etwas Neues zu machen. Auf lange Sicht ist es sicher ein gutes Investment."

„Esme?", fragte ich mit einer erhobenen Augenbraue. Ich blieb mitten auf den Stufen nach oben stehen.

Er deutete mit dem Daumen in die Richtung eines der Nachbarhäuser die Straße hinab. Das monströse, prunkvolle Haus, das gar nicht zwischen die kleinen Häuschen in der Nachbarschaft passte, war vor etwa einem Jahr erbaut und von der Cullen Familie bezogen worden.

Die kurze Straße, in der Charlie wohnte, war eine von Bäumen gesäumte Sackgasse mit nur zwei Häusern. Alice Brandon und ihre Mutter wohnten gegenüber in einem Haus, das so ähnlich wie dieses aussah. Aber diese neu erbaute Augenweide am anderen Ende der Straße, das hinter ein paar Bäumen verborgen war, ließen die beiden älteren Häuschen im Vergleich wie kleine, erbärmliche Hütten aussehen. Es war größer als das Haus, in das wir mit Phil gezogen waren, und davon hatte ich schon gedacht, es sei riesig. Es war ein schönes Zuhause, aber es passte überhaupt nicht in die kleine Stadt namens Forks.

Gemeinsam mit weiteren neuen Gerüchten und Ereignissen in der Stadt, hatte Charlie mich auf auf der Heimfahrt vom Flughafen auf dem Laufenden gehalten, was die Veränderungen in der Nachbarschaft betraf. Er gab mir jedoch keine genauen Details, was die Cullens selbst betraf.

„Ich nehme an, sie ist hübsch?" Ich wackelte neckisch mit den Augenbrauen und nervte Charlie damit, dass er keiner tollen Frau und ihren Verführungskünsten widerstehen könnte.

„Ja, Esme ist attraktiv und äußerst glücklich verheiratet. Sie ist einfach außergewöhnlich überzeugend und macht ihre Arbeit gut, das ist alles." Offensichtlich hatte Esme Cullen in Chicago ihr eigenes Innenausstatter-Unternehmen besessen, bevor sie umgezogen sind.

Wie auch immer, Dad. Eine schöne Frau kommt auf dich zu und du beginnst sofort zu sabbern und neu zu dekorieren.

Typisch Männer.

Ich blieb auf der obersten Stufe kurz stehen und ging dann direkt in mein altes/neues Zimmer. Die Wände waren in einer hübschen, sanft grünen Farbe gestrichen, welche eine beruhigende Atmosphäre ausströmte und hinter den strahlend weißen Gardinen einfach gut aussah. Es gab ein großes Fenster zur Straße hinaus und ein weiteres, durch das ich den seitlichen Teil des Gartens mit dem teilweise versteckten Herrenhaus der Cullens dahinter sehen konnte. Ich ließ den Kleidersack auf die nackte Matratze auf dem riesigen, schwarzen Metallbettgestell fallen und öffnete den Kleiderschrank. Er war groß, aber nicht annähernd groß genug, um all die Kleider und Schuhe unterzubringen, die ich mitgebracht hatte.

Es war aber nicht einmal meine Schuld, ehrlich. Ich gab meiner Mutter und meinen Freunden in Kalifornien die Schuld an allem. Das äußere Erscheinungsbild war der Schlüssel zu sozialem Status und offen gesagt, war es mir langweilig geworden, irgendwo im Hintergrund in meinen hässlichen, unauffälligen Kleidern herumzusitzen und meine Nase in ein Buch zu stecken. Ich wurde neidisch auf die Mädchen, die hübsche Kleider trugen und immer aussahen, als hätten sie gerade viel Spaß. Und da meine Mutter gerade ihre zweite, überteuerte Boutique in Los Angeles eröffnete, bekam ich sämtliche Modestücke, die ich brauchte, umsonst. Außerdem mochte ich es sehr, eine große Auswahl zu haben. Es war so, als würde man sich jeden Tag in Schale werfen und genau so zu werden, wie ich mich gerade fühlte, wenn ich morgens erwachte. Ich mochte es sehr, nicht an einen bestimmten Stil gebunden zu sein, also kleidete ich mich sehr spontan gewählt, wie meine Mutter es immer ausdrückte.

Ich öffnete die oberste Schublade meines neu erstandenen schwarzen Schreibtisches, um sie leer vorzufinden, genauso wie all die anderen Schubladen meiner Kommoden. Ich fragte mich, was Charlie mit all meinen alten Möbeln gemacht hatte und mit all den Sachen, die ich hier zurückgelassen hatte, als meine Mutter in ihrer Hast beschlossen hatte, aus den Fesseln der Ehe mit Charlie Swan zu fliehen ...

Um die Wahrheit zu sagen, war es seltsam, wieder hier zu sein, fast so als wäre ich in einem alternativen Universum gefangen. Ich hatte mein ganzes Leben lang in Forks gelebt, bis meine Mom es schließlich nicht mehr ausgehalten hat, in dieser winzigen Stadt quasi erstickt zu werden, und sie beschloss, dass sie „sich selbst finden" musste. Wir zogen durch fünf Bundesstaaten, ich ging auf fünf verschiedene Schulen, sie hatte drei verschiedene Beziehungen und ich baute mir fünf verschiedene Freundeskreise auf, bevor sie sich endlich in Kalifornien niederließ.

Dort traf sie dann ihren jetzigen Ehemann Phil. Er hatte vor kurzem bei den L.A. Dodgers unterschrieben und mit seinem Einstieg hatte er plötzlich auch um einiges mehr Geld, also zogen wir zum letzten Mal um und ich landete innerhalb von fünf Jahren in meiner fünften Schule. Die beiden kauften ein riesengroßes Haus mitten in einer schicken, exklusiven Nachbarschaft, wo jedes Haus einen Swimmingpool im riesengroßen Garten hatte. Meine Mutter machte fast in die Hosen, als sie das große Elternschlafzimmer mit dem begehbaren Kleiderschrank zum ersten Mal sah. Geld verändert die Leute, aber meine Mutter konnte anscheinend bodenständig bleiben, denn sie wollte mit ihren Boutiquen ihr eigenes Geld verdienen. Ich wurde nie durch Phils gutes Einkommen verzogen, aber gelegentlich verhätschelte er mich mit zum Beispiel einem iPod oder meinem Auto.

Auf der anderen Seite der Straße, in der sich unser Haus befand, wohnte Bree Fields, meine dumme, ehemalige beste Freundin, die zu meiner schlimmsten Feindin geworden war. Die Schlampe ruinierte mein Leben und zwang mich dazu, zurück zu meinem Dad zu ziehen. Dieses dumme Miststück. Allein der Gedanke an sie ließ meine Haut unangenehm kribbeln. Jeden Morgen, wenn ich aufwachte, wünschte ich ihr, dass sie den Tag mit einem furchtbaren Brechdurchfall auf der Toilette verbringt. Ich konnte derzeit nicht einmal an sie denken, da ich nicht wollte, dass sie noch eine weitere Sekunde meines Lebens ruinierte.

Die Ironie dieser Situation, die dafür sorgte, dass ich zurück nach Forks zog, an den selben Ort, an dem sich meine Mutter so eingeengt gefühlt hatte, aber an dem ich zum ersten Mal seit langem wieder frei atmen konnte. Ich dachte nicht einmal an die Angstattacken, die mich geplagt hatten, und ich fühlte mich auch nie nervös oder irritiert, wenn ich hier war. Ich dachte im Stillen, dass es unter diesen Umständen wahrscheinlich das Beste für mich gewesen war, das ich tun konnte. Vielleicht wirkten der graue Himmel und das sanfte Geräusch des Regens so beruhigend auf mich. Egal. Sobald ich erneut einen furchteinflößenden ersten Tag in einer neuen Schule hinter mich gebracht hatte, zählte ich darauf, dass es von da an simpel und einfach für mich weitergehen würde.

Charlie räusperte sich, als er den letzten Koffer in mein Zimmer brachte. Einige einfache, braune Übersiedelungskartons standen am anderen Ende der Wand, genau zwischen der schwarzen Frisierkommode und dem passenden Schrank. Ich sah Charlie fragend an.

„Deine Mutter hat dir das geschickt", sagte er und zuckte augenrollend mit den Schultern. „Sag es mir, wenn du Hilfe brauchst. Oh, so nebenbei", Charlie blieb in der Tür stehen. „Alice ist richtig aufgeregt, weil du wieder nach Hause gekommen bist, Bells. Sie hat ... gekreischt ... als ich es ihr gesagt habe." Ich musste laut auflachen, weil Alice wahrscheinlich die fröhlichste Person war, mit der ich je befreundet gewesen war, und ich konnte mir richtig gut vorstellen, wie sie herumkreischte. Charlie verschwand den Gang entlang und ließ mich allein.

Ich dankte ihm und begann, die Kartons zu öffnen. Offensichtlich hatte Renée vorausgedacht und neues Bettzeug, einen Bettvorleger und diverse dekorative Accessoires für mein Zimmer besorgt. Die Tagesdecke war weiß und hatte überall lavendelfarbene und hellgrüne Blumen aufgedruckt, und ich nehme an, sie hatte zuvor mit Charlie über die Farbe der Wände konferiert, bevor überhaupt erst gemalt worden ist. Ich fand außerdem einen Bilderrahmen, in dem ein Foto von ihr und mir steckte, was mich irgendwie traurig machte. Aber Heimweh hatte ich eigentlich nicht.

Nachdem ich die Kisten ausgepackt hatte, habe ich den Rest des Nachmittags damit verbracht, mein neues Zimmer zu dekorieren und meinen Computer aufzubauen.

Sobald ich all meine Sachen irgendwo in meinem Zimmer untergebracht hatte, ging ich in die Küche und entdeckte, dass es praktisch überhaupt keine Lebensmittel im Kühlschrank gab. Charlie hatte gesagt, wir würden zum Abendessen eine Pizza bestellen, aber ich beschloss dennoch, zum Supermarkt zu fahren und mich darum zu kümmern, dass ich das nächste Jahr über nicht ebenfalls die typische Junggesellen-Diät voller Tiefkühlmahlzeiten und Diät-Cola mitmachen müsste.

Charlie überreichte mir mit finsterem Blick meine Schlüssel und ich lächelte auf den hübschen, kleinen Schlüsselanhänger hinab, an dem der Schlüssel zu meinem hübschen kleinen Auto hing. Ich hatte mich so gefreut, als ich bei meiner Ankunft in Forks gesehen hatte, dass mein glänzendes, rotes Cabrio vor mir angekommen war und bereits in der Auffahrt parkte. Ich wusste jedoch, dass Charlie dies wie Salz in seinen Wunden auffassen würde, also sagte ich nicht viel dazu.

„Das ist lächerlich", sagte er mit einem Schnauben. Er war schon immer der praktische Typ gewesen und hatte nichts für Mode übrig. „Geschenk von Phil?" Charlie spuckte den Namen meines Stiefvaters quasi aus. Dass meine Mutter wieder geheiratet hatte, stellte für meinen Vater einen großen Konfliktpunkt dar.

Ich zuckte mit den Schultern. „Das war ein Geburtstagsgeschenk – er und Mom haben ihn ausgesucht. Ich hatte nicht angenommen, dass ich bald wieder in der regenreichsten Stadt Amerikas wohnen würde, sonst hätte ich auf einem passenderen Fahrzeug bestanden ... wie zum Beispiel einem Jet Ski", kicherte ich und Charlie lachte mit.

Ich hatte Phil immer Bewunderung und Respekt entgegengebracht. Es war nicht gerade Liebe, aber so viel Zuneigung, wie ein sechzehn Jahre altes Mädchen eben ihrem zweiunddreißig Jahre alten Stiefvater entgegenbringen konnte. Aber trotz der Taten meiner Mutter würde niemals jemand Charlies Platz in meinem Herzen einnehmen können.

„Du weißt schon, dass das Dach des Cabrios bei all dem Regen kaputt gehen wird. Wahrscheinlich bekommt es Löcher und fängt an zu schimmeln und ..."

„Danke, Dad. Ich habe vor, mir einen Job zu suchen, damit ich das Dach austauschen kann oder so und mich selbst um meine Sachen kümmern kann." Ich sagte dies ein wenig empörter, als notwendig gewesen wäre. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass unsere neue Lebenssituation sein Leben einengen würde und ich konnte nur hoffen, dass er mir meine unerwartete Ankunft nicht übel nehmen würde.

Charlies Büro war drei Autostunden entfernt in Seattle. Er hatte auch eine Freundin, die dort wohnte. Er sprach zwar selten von ihr, aber ich wusste trotzdem Bescheid. Als meine Mom ihn um Erlaubnis fragte, damit ich wieder hier wohnen konnte, gab Charlie widerwillig zu, dass er öfters mehrere Tage hintereinander nicht in Forks war. Sie versicherte ihm, dass ich erwachsen genug war und auf mich selbst aufpassen konnte. Um ehrlich zu sein, war dieses Arrangement auch für mich ideal.

„Das habe ich nicht gemeint, Bella. Wenn du irgendetwas brauchst, dann frag einfach. Du weißt, dass ich einen Großteil der Zeit nicht für dich da sein kann, und deine Mom hat gesagt, dass du für dein Alter schon ziemlich unabhängig und reif bist, aber ich bin immer noch dein Vater und wenn du etwas brauchst, kommst du zu mir, hast du verstanden?" Ich nickte und war irgendwie wie betäubt von dem warmen und kribbelnden Gefühl, das der Beschützerinstinkt meines Vaters auslöste. „Ich äh ... habe einen Freund, der dir einen Job anbieten würde, wenn du Interesse hast." Er zog eine kleine, gelbe Visitenkarte aus der Tasche seiner Jeans und gab sie mir.

„Big Billys Partyspaß? Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich wohl dabei fühle, bei einem minderjährigen Stripperprogramm mitzumachen", sagte ich kichernd, während ich die Karte in meiner Hand umdrehte. Ich sah einen Clown, der eine Hand voll Luftballons festhielt.

„Bella, bitte", schimpfte er und blickte mich böse an. „Kannst du dich an meinen Freund Billy Black erinnern? Tja, seine Firma arrangiert Kindergeburtstage. Du verkleidest dich als Prinzessin, geht's für 'ne Stunde auf diese Party und wirst in bar bezahlt."

„Was muss ich auf dieser Party machen?", fragte ich mit erhobenen Augenbrauen. Ich fragte mich, ob ich dort wohl singen oder etwas dergleichen machen musste. Ich konnte ziemlich gut tanzen und dank all der Gymnastikstunden, die ich als Kind gehabt hatte, konnte ich einen Handstand und eine Brücke. Aber eine Unterhalterin war ich nicht gerade. All diese Sachen erforderten Eleganz und Grazie. Ich war jedoch immer noch ein supergroßer Tollpatsch.

„Ich weiß nicht, Honey. Was tun Prinzessinnen so?", murmelte er und warf mir einen Seitenblick zu.

„In Ordnung, ich rufe ihn morgen an und werde fragen, was ich machen muss", sagte ich und steckte die Visitenkarte in meine Geldbörse. Er nickte und war damit anscheinend zufrieden.


Als ich vom Einkaufen nach Hause kam, hörte ich eine sehr vertraute Stimme, die in der Küche aufgeregt mit Charlie in einer Konversation vertieft war.

„Bella ... du bist wieder da!", schrie Alice und warf ihre dünnen Arme um mich. Wir umarmten uns aufgeregt und wiegten uns vor und zurück.

„Hey Alice, ich habe dich vermisst", antwortete ich warm und strich ihr über ihre seidenen, dunklen Haare, die in etwa hüftlang waren. Sie sah genauso aus wie früher, als wir noch zwölf waren ... tja außer der Tatsache, dass sie nun viel größere Brüste hatte.

„Ich, ich hab dich auch vermisst!", sagte sie und klatschte aufgeregt mit den Händen.

„Bella, was zur Hölle ist mit deinem Gesicht passiert?", unterbrach uns Charlie. Automatisch griff ich mit meinen Fingern an den Ansatz meiner Nase, auf dem ich offenbar einen Bluterguss bekommen hatte.

„Ich bin in gegen ein Holzteil gelaufen, das über die Laderampe eines Pickup Trucks ragte", antwortete ich mit einem bösen Blick. Ich zuckte mit den Schultern und rollte meine Augen, als ob es keine große Sache wäre. So etwas passierte mir ständig. Ich konnte elegant in High Heels mit acht Zentimeter hohen Absätzen laufen, aber knallte gleichzeitig dauernd in bewegungslose Objekte und schaffte es immer, dass mir irgendwelche Gegenstände auf den Kopf fielen. Charlie öffnete das Gefrierfach und gab mir eine alte Schachtel Erbsen, während er bestürzt seinen Kopf schüttelte. Dann entschuldigte er sich mit einem Winken seiner Hände und der Ankündigung, dass er zu Billy fuhr und dass er zum Abendessen wieder zu Hause sein würde.

„Du hast dich so verändert! Dein Haar ist so lang." Alice schnappte sich eine Strähne meines Haares und zog daran. „Wow, ich bin so froh, dass du wieder hier bist. Alle freuen sich schon so, dich zu sehen! Freust du dich schon auf die Schule morgen?"

„Ich bin aufgeregt und nervös. Du weißt schon, die Angst vor dem ersten Tag. Hey, hängen du und Rosalie immer noch mit Jess und Lauren rum?"

„Iiiihh, Gott nein. Die sind jetzt viel zu zickig und solche Schlampen. Tja, Rosalie ist auch irgendwie eine Schlampe, aber sag ihr nie, dass ich das gesagt habe", kicherte sie. Ihr Lachen war ansteckend, ich musste sofort mit ihr mitlachen.

„Was soll ich bloß sagen, ‚Oh hey Rose, wir haben uns seit fünf Jahren nicht gesehen, du siehst gut aus, aber ich hab gehört, du bist eine Schlampe?'", fragte ich sie und kicherte. Es war keine große Überraschung für mich zu hören, dass Rose so geworden war. Sie hatte schon immer großartig ausgesehen. Sie war groß, schlank und hatte große Brüste. Ihr langes, blondes Haar trug sie wie ein Supermodel. Schon in der ersten Klasse gafften ihr die Jungs nach. Ich kann mich noch erinnern, wie unser Sportlehrer in der Junior High School ihr immer auf den Oberkörper starrte, wenn sie Basketball spielte, und sie vergaß immer „absichtlich", einen BH unter ihrem T-Shirt anzuziehen. Rose war schon immer gern im Mittelpunkt gestanden.

„Dein Auto ist der Wahnsinn! Es ist eines der tollsten Autos, die ich je gesehen habe! Ich kann es kaum erwarten, bis endlich einmal die Sonne scheint und wir mit offenem Verdeck herumfahren können, so wie in den Kinofilmen. Wie heißt dieser Film nochmal? Oh! Thelma und Louise! Nur das wir keine Kriminellen sind ... Aber damit könnten wir uns einen heißen Kerl aufreißen, so einen wie Brad Pitt. Ich hab noch immer kein Auto. Mein Dad sagt, ich bin noch nicht bereit zu fahren, weil ich auf der Straße nicht aufmerksam genug bin, aber er liegt komplett falsch. Egal, ich hab noch nicht genug Geld gespart, um mir den Wagen zu kaufen, den ich gern hätte, und ich fahre sicher nicht in jedem x-beliebigen Auto herum", sagte sie mit großen Augen, während sie mir dabei half, die Einkaufstüten auf den Küchentisch zu stellen.

Ich stand stockstill und hatte meine Augenbrauen hochgezogen. Ich hatte absolut keine Ahnung, wovon sie gerade sprach, aber offensichtlich war sie noch genauso irre wie immer. Seit wir klein waren, quatschte Alice so nervös herum, wenn sie aufgeregt war. Das war manchmal nervig, aber sie war so süß, dass die meisten Leute es einfach so hinnahmen. Ich hatte komplett vergessen, wie ... lebhaft sie war.

„Glaubst du, könntest du mich mit dem Auto zur Schule mitnehmen? Rosalie nimmt mich immer mit, aber sie beschwert sich ständig, dass sie einen Umweg von einer Million Meilen machen muss, um mich abzuholen. Und dann nehmen mich manchmal Edward und Jasper mit, aber ich hasse es, mit ihnen mitzufahren, weil Edward viel zu schnell fährt und mir damit manchmal Angst macht, aber es stört mich nicht so sehr, wenn Jasper fährt, weil ich ihn soooooooooo gerne ansehe, aber ich glaube, er weiß nicht einmal, dass es mich überhaupt gibt." Sie sprach so schnell, dass ich die ganze Zeit darauf wartete, bis sie endlich einmal ordentlich Luft holte, was sie aber nicht tat. Irgendwie schaffte sie es, dass sich in meinem Kopf alles ein bisschen zu drehen anfing.

„Sicher, Alice, du kannst mit mir mitfahren. Wer sind Edward und Justin?", fragte ich.

„Edward und Jas-per", korrigierte sie mich. Sie deutete mit dem Daumen in Richtung des großen Hauses aus Ziegelsteinen, das am anderen Ende der Straße stand, genauso wie Charlie es vorhin gemacht hatte. „Jasper und Edward Cullen. Sie sind Stiefbrüder, und sie leben bei Carlisle und Esme Cullen. Oh, und Emmett gibt es auch noch. Er ist der ältere Bruder.

„Also warum kriegst du bei Edward Angst?", fragte ich nebenbei, während ich den Kühlschrank öffnete, um einen Karton mit Eiern in ein Fach zu schieben. Charlie hatte den Kühlschrank seit ungefähr, äh, fünf Jahren nicht mehr geputzt. Es sah eklig aus und roch nach stinkigen Füßen.

Sie rollte mit den Augen und sagte im Flüsterton: „Er ist so komisch. Ich persönlich glaube ja, dass er ein Psychopath sein könnte. Er spricht kaum mit jemandem und er hängt nur mit Jasper und Emmett und ein paar anderen Jungs aus der Schule herum. Er trifft sich auch nie mit einem Mädchen. Es gibt da so ein paar Gerüchte, dass er vielleicht ... schwul sein könnte." Alice schenkte mir mit weiten Augen ein wissendes Nicken. Ihr seidenes Haar fiel ihr über die Schultern.

„Also nur, weil er ruhig und schwul ist, bedeutet das, er ist ein Psychopath?", flüsterte ich verwirrt zurück. Diese These schien mir weit hergeholt zu sein.

„Nein, er ist nur ... er ist einfach Edward. Du wirst es verstehen, wenn du ihn mal triffst. Und da er mit keinem einzigen Mädchen hier spricht, wird automatisch angenommen, dass er vom anderen Ufer ist. Obwohl einige der Mädchen denken, dass er nur ein reicher Snob ist, der glaubt, zu gut für jemanden aus Forks zu sein, aber das macht ihn umso liebenswerter, weißt du? Er ist nämlich trotz allem Blickfang. Du wirst es schon sehen."

„Also sind Jordan und Ernest auch schüchterne, schwule Psychopathen?", fragte ich sarkastisch.

„Jas-per und Em-mett", sagte sie deutlich. Ihr Tonfall klang ein wenig genervt. „Stimmt irgendwas mit deinem Kurzzeitgedächtnis nicht?" Sie reichte mir einen Laib Brot, der am Tisch lag. Eigentlich bewirkte das Fluctin, das ich wegen meiner Panikattacken nahm, manchmal, dass ich die Dinge nur benebelt wahrnahm, aber dieses Stückchen Information wollte ich nicht preisgeben, wenn es nicht absolut notwendig ist. Wenn die Leute wissen, dass du wegen deiner ständigen Angstzustände Antidepressiva nimmst, ist das nicht gerade der beste Weg, um neue Freundschaften zu schließen.

Ich rollte wieder lebhaft mit meinen Augen. „Entschuldige. Jas-per und Em-mett." Ich sprach es absichtlich so deutlich nach. „Sind sie alle so komisch oder ist nur Ed-ward so?"

Was waren das überhaupt für Namen?

Sie kicherte und rollte ebenfalls mit den Augen. „Nein, die sind sehr normal. Jasper ist so süß und auch irgendwie still, aber nicht so verfahren wie Edward. Jasper trifft sich manchmal mit Mädchen, aber nicht oft. Er ist eher ein guter Flirt. Emmett ist sehr beliebt und er ist in jeder Sportart gut, die es so gibt. Rosalie ist wahnsinnig in ihn verknallt. Sie schmiedet definitiv Pläne, damit er bis spätestens Thanksgiving offiziell ihr Freund ist."

„Das ist sehr ambitioniert von ihr. Hey, möchtest du mit uns zu Abend essen? Wir bestellen uns 'ne Pizza", fragte ich sie.

Ihr Lächeln schwand und sie guckte böse. „Danke, aber ich muss zur Arbeit. Ich habe heute die Abendschicht im Diner. Aber wir sehen uns morgen um sieben, okay?" Zur Verabschiedung umarmte sie mich wieder. „Hey Bella? Willkommen daheim!"

Ich beobachtete sie, wie sie die Straße überquerte und in ihrem kleinen, blauen Haus verschwand. Dann holte ich tief Luft und seufzte. Alice in großen Dosen erforderte einiges an Anpassungsfähigkeit. Ich kannte sie schon den Großteil meines Lebens lang und es sah so aus, als wäre mit ihrem Alter auch ihre Hyperaktivität gestiegen. Ihre Überschwänglichkeit in Bezog auf meine Ängstlichkeit würde ihren Tribut fordern, es sei denn, sie würde sich ein wenig einbremsen.

Sobald ich mein Abendessen gegessen hatte, lief ich nach oben, um meine Mutter anzurufen. Ich dankte ihr für die Dekosachen für mein Zimmer und sie beratschlagte mit mir, welches Outfit ich morgen anziehen sollte. Ich wusste nur zu gut, dass der erste Eindruck den Ton für das ganze folgende Jahr angeben würde. Ich verglich süße und sexy Outfits mit klug wirkenden, reifen und weltmännischen Kleidungsstücken und eine Stunde später sah mein Zimmer aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Dass ich vorhin so schön aufgeräumt hatte, war nun völlig zunichte gemacht.

Schließlich fixierte ich mich auf meine dunklen, engen Lieblingsjeans, eine maßgeschneiderte weiße Bluse, über der ich meinen braunen, alt aussehenden Gürtel tragen wollte, sowie meine braunen, hochhackigen Stiefeln, die vorne spitz zu liefen. Stylish, süß, und nicht zu konservativ.

Ich zog meinen Pyjama an, schaltete meinen Laptop ein und dann kontrollierte ich meine Nase im Spiegel. Die Schwellung war zurückgegangen und ich konnte den Bluterguss leicht mit einem Concealer abdecken. Ich lief quer durch das Zimmer zum Fenster, um die Jalousien zu schließen, und fingerte an den neuen, dünnen, seidigen Vorhängen herum, die ich durch meine Finger gleiten ließ. Meine Mutter versuchte, mir meinen Umzug so angenehm wie möglich zu machen, indem sie mir ein neues Bettzeug besorgt hatte, und ich war ihr sehr dankbar für ihre Mühe.

Von meinem Zimmer aus konnte ich die Vorderseite und einen Seitenteil des riesigen Hauses der Cullens sehen, von dem etwas Licht durch die Bäume strahlte. Das Haus stand hinter einigen Bäumen verborgen, sodass es bei Nacht noch größer und noch pompöser aussah.

Ich zog mich aus, befreite mich von meinem Top und meiner Jeans, indem ich sie in den Wäschekorb warf. Ich stand vor dem riesigen Spiegel, der sich an der Innenseite meiner Schranktüre befand, bloß in meinem BH und meinem Slip. Ich betrachtete mein Spiegelbild und fragte mich, was ich zur Hölle mit mir machen würde. Morgen würde mein neues Leben hier in Forks beginnen ... eine ganz neue Zukunft lag vor mir. Ein Neuanfang, ein weißes Blatt Papier, eine unbeschriebene Schiefertafel.

Lieber Gott!

Bitte mach, dass ich ein gutes Jahr hier in Forks verbringe. Bitte sorge dafür, dass ich keine Panikattacken bekomme, und lass mich nicht mitten in der Cafeteria und vor den Augen meiner ganzen Klasse stolpern und hinfallen, sodass ich mir Soße auf meine neuen Stiefel kleckere. Danke übrigens für meine neuen Stiefel. Oh, und segne all die armen Leute und die kranken Kinder und meine Mom und Dad und Phil und Alice und sag Jesus viele Grüße von mir.

Amen.


~Edward~

„Wie geht es dir heute, Edward?", fragte sie, ohne hochzusehen und ohne Augenkontakt mit mir herzustellen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie den Augenkontakt als Vorsichtsmaßnahme vermeidet. So als würde man einem Löwen in die Augen blicken, spürte ich, dass ich dafür sorgte, dass sie sich unbehaglich fühlte. Ich wusste es und ich tat es trotzdem.

Yeah, ich bin halt manchmal ein Scheißkerl, na und?

Sie saß vor mir in einem hellbraunen Rock und Blaizer, die Beine hatte sie übereinander geschlagen, sodass sie dachte, mir würde die offensichtliche Laufmasche in ihrem Strumpf nicht auffallen. Sie hatte ihr Schreibblock auf ihrem Schoß, einen zweihundert Dollar teuren Mont Blanc Füller zwischen ihren Fingern und wartete darauf, dass ich etwas wahnsinnig tiefgründiges oder etwas extrem diskriminierendes sagte, sodass sie es aufschreiben, analysieren und mich anschließend heilen ... oder mich einsperren konnte. Ich glaube eigentlich, dass zweiteres ihr einzig wahres Ziel war.

Heute würde sie höchst enttäuscht sein, so wie jeden Dienstag, wenn ich in ihrem Büro saß und versuchte, die fünfzig Minuten lange Therapiestunde mit minimalsten, aber doch zufriedenstellenden Antworten auf ihre banalen Fragen mit so wenig Anstrengung oder Details wie möglich hinter mich zu bringen. Sie wusste, dass ich ihr nicht mein Herz ausschütten würde. Sie wusste gut genug, dass ich ein gelangweilter, genervter Typ war, der aufgebracht und verbittert und wütend auf die ganze Welt war, weil mir all die Dinge genommen worden sind, die mir am allerwichtigsten gewesen waren.

Und es blieb mir nicht verborgen, dass sie mir nie vormachte, dass sie dachte, ich wäre unschuldig. Jedes einzelne Mal versuchte sie mit subtilen und obskuren Vergleichen zu bewirken, dass ich mir meine Schuld eingestehen würde. Ich hasste diese verdammte Person dafür. So wie ich schon die letzten beiden Therapeuten gehasst hatte, die genauso gewesen waren.

„Mir geht's gut, danke. Und Ihnen?", fragte ich. Gruselige Höflichkeit schwang in meinen Worten mit.

„Sehr gut. Also, wie war die Schule diese Woche?" Sie machte sich nicht die Mühe, von ihrem Block aufzusehen, während sie sich Notizen machte.

Was in Gottes Namen schrieb sie da wohl gerade auf?

„Die Schule war genauso wie immer."

„Möchtest du dies näher ausführen?" Sie hatte noch immer nicht hochgesehen.

„Eigentlich nicht", antwortete ich trocken. Weil ehrlich, was sonst hätte ich sagen sollen? Dass die Forks High School nicht herausfordernd und ein Witz von einer Bildungseinrichtung war? Dass ich mehr wusste als die miserablen Lehrer, die extrem unterbezahlt waren und sich darüber ärgerten, reiche, verzogene kleine Trottel wie mich zu unterrichten, die ein Leben voller Privilegien lebten, während sie selbst jeden Tag in einem unbefriedigenden Klassenzimmer verbrachten?

Schön, Dr. Kate, da ich mich langweile, werde ich mit dem Köder ein wenig herumwedeln, nur um wenigstens ein bisschen unterhalten zu werden.

Mit einem Lächeln in meiner Stimme sagte ich vorsichtig: „Ein neues Mädchen ist gerade in meine Straße gezogen. Sie soll diese Woche mit der Schule anfangen."

Ah, hier ist er ... der Blickkontakt.

Treffer!

Abrupt blickte sie hoch, traf meinen Blick, schaute schnell wieder weg und dann zurück auf ihren Block. „Hast du sie schon getroffen?"

„Noch nicht. Aber was ich so gehört habe, soll sie sehr hübsch sein. Ich bin mir sicher, dass mindestens die halbe männliche Population der Schule sie für sich beanspruchen wird, noch bevor sie ihr Klassenzimmer erreicht", sagte ich und kicherte vorlaut. Die Jungs in der Forks High School lechzten nach neuen Mädchen, da sie schon seit Ewigkeiten nichts Neues oder Aufregendes gesehen hatten. Das neue Mädchen war schon die letzten beiden Tage das einzige Gesprächsthema gewesen.

„Und du? Möchtest du sie auch für dich beanspruchen?"

Und weiter geht's ...

Ich zog meine Augenbrauen verwirrt zusammen und fragte: „Und wie könnte ich das tun? Ich fürchte, ich verstehe die Frage nicht, Dr. Kate. Was fragen Sie mich da?"

„Edward, warum hast du beschlossen, mir von ihr zu erzählen? Du hättest auch über jedes andere Ereignis in deiner Woche sprechen können, stattdessen hast du beschlossen, das neue Mädchen zu erwähnen. Warum?"

„Weil sie das Einzige ist, das nicht genau gleich wie vorige Woche war, als Sie mir genau die selbe Frage gestellt hatten."

Sie seufzte und war eindeutig frustriert wegen meinem frechen Verhalten und meiner mangelnden Kooperation. „Du bist nun schon seit fünfzehn Wochen mein Patient, Edward. Und jede Woche, in der du zu mir kommst, sitzt du fünfzig Minuten lang da und sagst absolut gar nichts. Mir ist klar, dass du nicht aus freiem Willen hier bist, aber du könntest es zumindest für uns beide lohnenswert machen, wenn du schon zu unserer Sitzung kommst."

„Was genau erwarten Sie von mir?", fragte ich und fixierte ihr Gesicht.

Sie hob ihre Hand auf eine besänftigende Art. „Ich will, dass du dich mir öffnest. Gib mir etwas, mit dem ich arbeiten kann. Sprich mit mir."

„Ich habe nichts zu sagen. Mein Leben ist total langweilig. Es ist frei von jeglicher Aufregung, Unterhaltung oder echtem Vergnügen für mich. Ich existiere einfach. Ich gehe zur Schule, hänge danach mit meinen Brüdern herum, spiele ein paar Videospiele und mache die Hausaufgaben ... vielleicht lese ich ein Buch und dann gehe ich zu Bett. Das ist alles. So sieht mein Tag aus. Wollen Sie wissen, was ich zum Frühstück esse, oder ...?"

Sie schnaubte verärgert und nickte resigniert. „Hast du schon mal darüber nachgedacht, im Frühling Baseball zu spielen?"

Ohhh, jetzt fängt sie wieder mit dem an? Scheißeeeee.

„Äh, nein. Ich habe mit Baseball abgeschlossen", antwortete ich knapp und ließ sie wissen, dass dieses Thema nicht zur Diskussion stand. Nicht dass irgendein anderes Thema zur Diskussion stand, aber dieses eine ging sie schon mal überhaupt nichts an.

„Weshalb, wenn ich fragen darf?"

Nein, du darfst nicht fragen, dumme, neugierige Schlampe.

Ich schüttelte den Kopf und stützte meine Ellenbogen auf meine Knie.

Thema beendet.

„Edward, ich denke, dies ist etwas Wichtiges, über das wir reden sollten. Es wäre aufschlussreich, wenn ..."

Ich unterbrach sie harsch und brachte meine Gefühle auf den Punkt. „Das bin ich nicht. Ich bin nicht länger diese Person, in Ordnung? Jesus ..."

Der beliebte, typisch amerikanische, Baseball spielende, brave Junge von nebenan, bei dem jedes Mädchen davon träumte, ihn mit nach Hause zu seiner Mutter zu bringen, starb in jener Nacht, in der ich bei ihr gewesen war.

Fertig. Erledigt. Geschichte.

Eddie Mason ist verdammt noch mal tot.

Also begreif es endlich und wechsle das Thema, bevor ich dir das Bild von deinem hässlichen Kind an den Schädel schmeiße und dieses Büro hier verlasse.

„Wie geht es deinen Panikattacken?", sagte sie leise und änderte somit das Thema. Ich nehme an, die zunehmende Feindlichkeit in meiner Stimme und meine offensichtlich angespannte Haltung riefen Unbehagen in ihr hervor. Ich wusste, ich konnte manchmal einschüchternd sein. Ich glaube, das ist auch der Grund dafür, warum ich überhaupt erst in dieses verfluchte Dilemma gekommen bin.

„Gut. Ich habe schon seit sechs Monaten keine mehr gehabt."

„Hast du daran gedacht, wieder deine Medikamente zu nehmen?"

„Warum sollte ich das? Ich brauche sie nicht mehr."

Verfluchter Jesus Christus. Diese Frau ...

„Tja, ich glaube, dass sie vielleicht deiner Wut ein wenig helfen könnten, um dich in eine Richtung zu führen, damit du in den Dingen wieder eine Perspektive siehst."

Vor lauter Frust ließ ich meinen Kopf in meine Hand fallen und fuhr mir mit den Fingern abwesend durch mein Haar. Ich wollte wirklich dringend eine Zigarette, eine Tasse Kaffe und weg von hier. „Nein, ich will die Zoloft nicht mehr. Es ist nur wie eine Krücke, und die brauche ich nicht mehr."

Außerdem habe ich ausreichend Gras, um meine Nerven sowieso zu beruhigen.

Ich brauchte ihr nicht zu sagen, dass der Hauptgrund, warum ich mit den Medikamenten aufhörte, der gewesen war, dass die Mischung von Alkohol mit Antidepressiva definitiv keine gute Mischung war. Ich wollte nicht auch noch, dass meine Wochenenden versaut waren.

„Also dann keine Medikamente ... Wenn ich das Thema zurück auf deine neue Nachbarin lenken dürfte? Hast du vor, dich mit ihr anzufreunden?", fragte sie. Offensichtlich wollte sie einen Einblick in meine verfluchte, verkorkste Psyche bekommen und herausfinden, warum ich Frauen im Allgemeinen verachtete.

Also wieder zurück zu dem Mädchen?

„Sicher. Ich glaube, es wäre nett, eine süße, junge Lady kennen zu lernen, ihr dann zu erklären, warum ich so abwesend bin, nur damit sie dann schreiend vor mir davonläuft", antwortete ich mit vor Sarkasmus triefender Stimme.

„Edward, du brauchst nicht mit einem Menschen körperlichen Kontakt zu haben, nur um eine Beziehung mit ihm aufzubauen. Es gibt viele Arten, mit einer Frau intim zu sein, ohne sich zu berühren. Man braucht mit einem Freund keinen Körperkontakt zu haben."

Am liebsten würde ich mir mein Haar in Büscheln ausreißen.

Stürz dich nicht über den Kaffeetisch auf sie. Tu es nicht.

Ich nahm einen beruhigenden Atemzug, meine Fäuste waren geballt. „Verstehen Sie? Dies ... genau dies hier ist das, worüber ich spreche. Was Sie mir im Wesentlichen sagen, ist: ‚Edward, du kannst mit einem Mädchen Sex haben, ohne dich ihr aufzuzwingen.' Sie wollen meine Reaktion darauf sehen. Sie warten darauf, dass ich wütend werde, also was soll ich tun? Etwas zugeben, das nicht wahr ist?" Ich stand auf, trat gegen das Bein meines Stuhls und schrie: „Ich bin fertig mit dieser Scheiße hier."

Ich warf die Tür hinter mir zu. Meine Brust hob sich vor Erregung und Wut und ich brauchte nicht mal zurückzublicken, um ihr geschocktes Gesicht zu sehen. Ich frage mich, wie sie damit umgehen wird. Carlisle würde definitiv einen Anruf bekommen.

Mit dem Aufzug fuhr ich drei Stöcke nach unten bis in die Lobby, während ich meinem Bruder Jasper eine SMS schrieb. Er schrieb zurück, dass er bei Starbucks auf der anderen Seite der Straße war, also ging ich dort hin und schaute ihn böse an, während ich einen doppelten Espresso bestellte. Ich lehnte mich gegen die Mauer, betrachtete mein Auto und wartete mit einer Zigarette draußen auf ihn, während er an seinem Tisch eine Unterhaltung mit einer großen, vollbusigen Blondine zu Ende führte.

Als er sich schließlich meinem Wagen näherte, öffnete ich ihm mit der Fernbedienung und blieb stehen. Ich starrte missbilligend auf den Becher in seiner Hand. Ohne ein Wort zu sagen, warf er ihn in den Mülleimer. Als ich von der Bordsteinkante wegfuhr, fragte er: „Hast du Papiere mit?"

Ich deutete nickend auf das Handschuhfach, wo er eine Packung Zigarettenpapier hervorholte und anschließend begann, den Inhalt einer kleinen Plastiktüte auf das bereitgelegte Stück Papier zu leeren.

„Alles okay, Bro?", fragte er. Ich nickte zweimal und war noch immer extrem wütend. Er wusste, wann ich mit ihm reden wollte und wann nicht. Meine Brüder, Jasper und Emmett, waren die einzigen Menschen, die mich wirklich kannten. Meine Eltern kannten die jugendfreie Version von Edward Cullen, und soweit es mich betraf, war meine Mom die einzige Frau auf der Welt, der ich vertrauen konnte. Ich hasste dieses Gefühl, aber ich hatte diesbezüglich sowieso keine Wahl.

Sobald wir in die kleine Stadt Forks kamen und Port Angeles weit hinter uns lag, hatte ich mich beruhigt und diese scheiß Therapiesitzung wieder vergessen, die sich eine halbe Stunde zuvor ereignet hatte. Ich war voll darauf fixiert, den Joint zu rauchen, den Jasper gerollt hatte. Er stellte sich ziemlich ungeschickt damit an, aber ich konnte nicht gleichzeitig fahren und einen Joint drehen, und ich wäre verdammt, wenn ich ihn mit meinem Auto fahren lassen würde.

Wir warteten an einer roten Ampel, also wanderte mein Blick umher und blieb an einer süßen, kleinen Brünetten hängen, die gerade die Straße hinab lief und einen Arsch hatte, den ich am liebsten festhalten und ein Stück davon abbeißen würde. Jasper bemerkte sie auch, aber keiner von uns sagte etwas. Sie blickte abgelenkt nach unten, hatte ihre Augen komplett auf ihr Handy gerichtet, als ich bemerkte, dass sie geradewegs von der Bordsteinkante hinunter und auf ein riesen Holzstamm zulief, der von der Ladefläche eines uralten, roten Pickup Trucks hervorragte.

„Sie wird geradewegs dagegen laufen", sagte ich knapp.

„Yeah?", konterte er. „Fünfzig Dollar, dass sie ihn in letzter Sekunde bemerkt." Ich wollte instinktiv hupen, um sie zu erschrecken, damit sie endlich hoch blickte, aber ich wollte nicht, dass sie oder sonst jemand dachte, ich würde sie anhupen, nur weil sie hübsch war. Eine Anzeige wegen sexueller Belästigung war das letzte, das ich brauchte.

„Ooooohhhh Scheiße!", schrien wir gleichzeitig, als sie sich an dem Holzstamm genau mit ihrer Nase anstieß und buchstäblich ein paar Schritte zurückstolperte. Das Handy fiel ihr aus der Hand, der Akku löste sich und hüpfte über den Gehsteig.

„So schön, aber kein Hirn", kommentierte ich knapp.

„Das ist schade, wirklich", sagte er lachend, während er in seiner Tasche nach den Rechnungen suchte. „Aber gut für sie, dass sie so einen tollen Arsch hat."

„Nein, ich glaube, das ist gut für uns, Bro."

Sobald wir daheim waren, rauchten wir den Joint aus, aßen mit Mom ein spätes Abendessen, und dann lief ich hoch auf mein Zimmer. Ich bemerkte, dass der Regen aufgehört hatte, gegen die Glastüren meines Zimmers zu schlagen, also nützte ich die Gelegenheit, um noch eine zu rauchen. Ich holte eine Zigarette aus der Packung und betrat den langen Balkon, der die drei Schlafzimmer im oberen Stockwerk miteinander verband. Die September-Nachtluft war schon etwas kühl, aber es war nicht zu schlimm – es war noch warm genug, um ohne Jacke raus zu gehen. Ich machte einen tiefen Zug, genoss die köstliche Benommenheit und atmete wieder aus. Die dampfende Luft beschwerte die Rauchschwade. Das Gras von vorhin hatte gerade seine Wirkung verloren und ich war zum Umfallen müde.

Ich mochte es, nachts ein paar Minuten lang draußen zu sein, unter dem Überhang des Daches, um einfach die Einsamkeit zu genießen. Irgendjemand plauderte immer gerade, und ich bekam nur selten einen stillen Moment in meinem eigenen Kopf. Ich rutschte die Ziegelwand hinab, zog die Knie nah an mein Gesicht und stütze die Ellenbogen darauf ab.

Zum ersten Mal seit fast einem Jahr, in dem ich nun schon in diesem Haus lebte, bemerkte ich Licht in einem der oberen Fenster in dem Haus am anderen Ende des Blocks. Muss das Zimmer des neuen Mädchens sein, schlussfolgerte ich. Ich konnte schwach ihr Bild hinter dem Fenster sehen, ohne Gesichtszüge, das Haar hatte sie auf ihrem Kopf aufgetürmt. Sie blickte eine Weile lang aus dem Fenster und dann verschwand sie wieder hinter ihr im Zimmer.

Als ich die Zigarette auf dem Holzboden des Balkons ausdämpfte, bemerkte ich, dass sie wieder im Fenster auftauchte. Diesmal war es nicht wirklich sie, sondern nur ihr Spiegelbild an der Innenseite einer Türe. Ich schnappte nach Luft und grinste, als ich bemerkte, dass sie dort stand und nur ihren BH und ihr Höschen trug. Ihre weiblichen Kurven waren durch die zarten Vorhänge im Spiegelbild gut zu erkennen.

Oh bitte, zieh dich aus, Süße. Bitte.

Komm schon ... sei eine gute neue Nachbarin.

Ich biss mir auf die Lippe, befahl ihr still, den Rest auszuziehen, während ich mit mir debattierte, ob ich Jazz und Emmett holen sollten, damit sie auch die Show genießen konnten.

Jasper würde das hier lieben.

Langsam, so als wäre sie in einem Traum gefangen, zog sie ihren BH aus und zog sich zu meiner Bestürztheit schnell ein Shirt über ihren nackten Oberkörper. Ich konnte nicht wirklich viele Details erkennen, aber was ich sehen konnte, hatte sie zwei tolle Brüste, normal groß, straff, geschwollen und sehr fraulich.

Sie war einfach wunderschön.

Ich sollte diese Show schon teilen, oder?

Egal, ich erkannte, dass meine Brüder nachts mein Zimmer nie verlassen würden, wenn ich ihnen meine neu entdeckte Show zeigen würde. Außerdem beschloss ich, aus Respekt vor Charlie Swan nicht länger als notwendig in die Privatsphäre des Mädchens einzudringen, denn der Polizeichef war ein guter Mann und immer nett zu meiner Familie gewesen. Ich wollte sicher nicht auf der Liste der meistgehassten Personen des Polizeichefs stehen, ob er nun pensioniert war oder nicht.

Ich wartete noch ein paar Minuten lang, bevor ich zurück ins Haus ging. Ich schaltete die Lichter aus und hatte das neue Mädchen bereits kennen gelernt, noch bevor wir einander ordentlich vorgestellt worden waren.


Ü/N: Wie gefällt euch das erste Kapitel? Extrem lang war es, würde ich meinen. Habt ihr trotzdem Lust auf mehr? Sagt es mir doch in einem kleinen Kommi... :-)

Wenn ihr übrigens wissen wollt, wie Bellas und Edwards Fahrzeuge aussehen ... ihr findet die Links zu den Fotos in meinem Profil!