1 So, jetzt ist mein erster Fanfic endlich fertig! Jeder, der ihn lesen will, sollte sich vergewissern, dass er in nächster Zeit keine Termine hat, er ist nämlich ziemlich lang geworden. Alle Rechte an den verwendeten Figuren liegen bei Square. Wenn ihr Rechtschreibfehler entdeckt habt, Morddrohungen übermitteln wollt oder konstruktive Kritik habt, mailt sie mir ruhig unter

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3 P.S.: Wenn jemand einen eigenen FF-Fanfic hat, ich bin gern bereit, ihn zu lesen.

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5 Der Vater aller Monster – Teil 1

5.1 Prolog

Die Kapsel rauchte noch. Die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne berührten sie schon, nachdem sie eine lange Nacht hier in der Abadan-Ebene gelegen und langsam abgekühlt war, aber dennoch war sie noch nicht kalt. Die Luft, die sie auf ihrer Reise durchquert hatte, hatte sie so stark aufgeheizt, dass jedes noch so stabile Gefährt verglüht wäre, aber die Kapsel hatte dem ungeheuren Druck der Elemente standgehalten.

Die schlanke, trotz der nahenden Sonne immer noch in den Schatten verborgene Gestalt senkte bedauernd den Kopf. Diese Raumkapsel war ein Meisterwerk gewesen, ein fast vollkommenes Raumschiff. Undurchdringlich für Meteore und herumfliegendes Eis, strahlungsabweisend und so hitzebeständig, wie man ein solches Gefährt nur bauen konnte... Es war äußerst schade, dass niemand außer ihm die beeindruckende Leistung mitbekommen hatte, die diese Kapsel geschafft hatte.

Die Gestalt hob den Kopf hinauf zum Himmel, wo der Mond noch immer in einem dämonischen Rot glühte. Die sogenannte „Träne des Mondes", das mit Abstand gefährlichste kosmische Ereignis, das die Erde jemals heimgesucht hatte, war bereits seit mehreren Stunden zu Ende, aber die Spuren konnte man dem Erdtrabanten noch immer ablesen. Allerdings war er vermutlich der einzige, der momentan zum Mond aufsah, denn die Folgen dieses höchst interessanten Phänomens waren auf der Erde sicher noch viel weitreichender als dort oben.

Er fragte sich, was die „Träne des Mondes" überhaupt ausgelöst hatte. Soweit er gehört hatte, konnte die Monsterschwemme nur dann stattfinden, wenn die Lunatic Pandora zu einem gewissen Zeitpunkt an einem gewissen Ort stand. Das war seit fast 20 Jahren nicht mehr der Fall gewesen, genauer gesagt, seit man einen jungen und damals naiven Wissenschaftler aus Esthar auf dem Mond ausgesetzt hatte.

Esthar...

Seine Heimatstadt, die ihn und seine Arbeit verraten hatte. Er hätte ihr die absolute Weltmacht bringen können, aber diese verdammte Hexe Adell hatte seine bahnbrechenden Forschungen zurückgewiesen und ihn im wahrsten Sinne des Wortes zum Mann im Mond gemacht. Nun, das war aber auch größtenteils seine Schuld. Er hatte auf die Grausamkeit und den Machthunger dieser Xanthippe gesetzt, als er ihr seinen Plan vorgetragen hatte, aber sie hatte in ihm vermutlich jemanden gesehen, der ihr irgendwann einmal gefährlich werden konnte. Womit sie zweifellos Recht gehabt hatte, auch wenn er damals weit entfernt von einer Machtübernahme gewesen war.

Heute war er es nicht mehr. Er hatte die Zeit auf dem weißen Himmelsgestirn genutzt, sinnvoll genutzt. Er hatte seine Forschungen zu Ende geführt und damit klammheimlich die größte Armee aufgebaut, die jemals auf dieser Erde marschiert war. Jetzt musste er sie nur noch finden...

Hinter dem Mann stapfte auf muskelbepackten, lila Pfoten etwas heran, das für die meisten Menschen dieser Erde einen großen Schrecken und bald darauffolgenden Tod bedeutet hätte. Ihn ließ der Auftritt des Behemoth kalt. Das riesige und äußerst gefährliche Monster kam näher an ihn heran, ließ ein dumpfes Knurren aus der Kehle erklingen und sah den Störenfried, der sein neues Revier so unverfroren betreten hatte, mordlüstern an. Ein einfacher Mensch wagte es, einfach so ruhig vor ihm zu stehen und sich nicht einmal umzusehen? Untolerierbar! Der Behemoth brüllte wütend.

Der Mensch tat so, als hätte er nichts gehört, was das Monster fast zur Weisglut brachte, dann drehte er sich langsam herum. Das violette Tier spannte die Muskeln, riss das Maul auf und – erstarrte. Dieser Mensch, der ohne Waffe und Verteidigungsmöglichkeit vor ihm stand, der sogar die Hände nicht aus den Hosentaschen nahm, war nicht irgend jemand. Er war etwas Besonderes. Er hatte eine sonderbare Gabe. Er –

Auf einmal begann im kleinen, unterentwickelten Gehirn des Monsters etwas zu ticken, etwas, das seit seiner Geburt da gewesen war, ohne dass es beachtet worden wäre. Ein Instinkt, der den entfernten Ahnen des Behemoth eingepflanzt worden war, um sich ihres unbedingten Gehorsams zu versichern. Eine Sekunde lang versuchte die Kreatur dem unglaublichen geistigen Druck zu widerstehen, aber das war nicht möglich. Langsam ging das Monster in die Knie und blieb vor dem Menschen im Staub liegen. In seinen Gedanken war nur noch Platz für ein Wort: Herr.

Die dunkle Gestalt lachte. „Sehr gut", flüsterte sie, mehr zu sich selbst als zu dem Monster vor ihm. „Sehr gut. Du erkennst mich also noch. Und wenn du mir so ohne Schwierigkeiten folgst, dann werden deine Artgenossen das auch tun." Er setzte sich langsam in Bewegung und begann die Flanke des Ungeheuers zu ersteigen. Jeder, der dieses Schauspiel verfolgt hätte, wäre von anderen Menschen in die nächste Irrenanstalt eingeliefert worden, wenn er erzählt hätte, dass jemand einen Behemoth als Reittier benutzte.

Dennoch, der sonderbare Mann saß oben, machte eine Handbewegung und hielt sich fest, als das Monster sich vorsichtig erhob. „Und jetzt", verkündete er triumphierend, „suchen wir deine Brüder und Schwestern, auf dass auch sie sich uns anschließen. Und danach die anderen Monstergattungen. Alle Ungeheuer dieser Welt!"

Bei diesen Worten setzte sich der Behemoth in Bewegung. Der Wind trug noch einige Zeit ein grimmiges Lachen heran, dann erstarb jedes Geräusch. Die Kapsel hatte aufgehört zu rauchen.

5.2 Kapitel 1

Der Morbol stieß ein markgefrierendes Geräusch aus, das jeden normalen Menschen sofort aus den Socken gehauen hätte, die Dreiergruppe vor ihm jedoch herzlich wenig ausmachte. Die Riesenpflanze begann sich langsam mit seinem kleinen Verstand zu fragen, ob es wirklich so klug gewesen war, sich mit diesen jungen Menschen einzulassen. Der überwiegende Teil seines Denkens, der Teil, der sich von dem Schwerthieb, den ihm der mittlere Junge verpasst hatte, beleidigt fühlte, schrie nach seinem Tod, aber die Vernunft sagte ihm, dass es die Flucht ergreifen sollte, solange es noch in der Lage dazu war.

Nicht, dass Vernunft das animalische Denken eines solchen Ungeheuers beeinträchtigen konnte. Die blonde junge Frau, die auf den Namen Quistis Trepe hörte, blinzelte einmal, holte eine Mega-Pille aus einer ihrer Taschen und warf sie auf sich. Ihre beiden Kollegen, ein schlanker Gunblade- Kämpfer und ein kräftig gebauter Faustkämpfer, hatten momentan mit den Zuständen zu kämpfen, die der Kampf mit einem solchen Vieh unweigerlich einbrachte und waren ihr somit nicht unbedingt eine große Hilfe. Auch gut, musste sie eben eine Weile ohne sie auskommen.

Sie wartete, bis sie sich wieder imstande fühlte, etwas zu tun, dann sprach sie Medica auf den Faustkämpfer, der gleich darauf begann, Alexander, die heilige G.F. zu beschwören. Währenddessen griff die mutierte Pflanze den Gunblade-Krieger mit ihrer Säureattacke an, was ihn sofort aufweckte und (dank Kontern) gleich zurückschlagen ließ. Quistis hielt sich nicht damit auf, auch ihn wieder zu klarem Verstand zu bringen, der Junge konnte mehr einstecken, als man vermutete, wenn man ihn ansah.

Stattdessen schwang sie ihre Peitsche und hieb damit auf das Monster ein, das gequält zuckte. Gleich darauf erschien Alexander, der ihm mit seinen heiligen Lichtstrahlen mächtig einheizte und im nächsten Moment konnte der braunhaarige Schwertkämpfer, obwohl beeinträchtigt, wieder angreifen. Er schwächte das Monster um weitere wichtige Lebenspunkte, aber nicht genug, um diesen Alptraum eines Floristen umzubringen. Das bedurfte schon etwas mehr. Der blonde Boxer grinste grimmig und sprach den Aura-Zauber auf sich, der ihn zu ungeahnten Leistungen befähigte. Quistis nickte kurz und konzentrierte sich ihrerseits.

„Meteor!"

Der mächtige Zauberspruch ließ unzählige Meteore auf das Monster einschlagen, welches schon gar nicht mehr wusste, wie ihm geschah. Der Junge neben ihr mit der Narbe auf der Stirn hatte anscheinend genug davon, darauf zu warten, dass ihn jemand von den üblen Nachwirkungen des Mundgeruches der Pflanze heilte und nahm eine Hand von der Gunblade. Er hielt sie vor sich und behandelte sich selbst, bis er wieder über seine vollen Kräfte gebot. Wütend sah er den Morbol an. Er würde es bereuen, ihnen über den Weg gelaufen zu sein, das versprach sein Blick.

Der blonde Faustkämpfer spürte nun anscheinend die Wirkung des Aura- Zaubers, denn um ihn herum schossen plötzlich gelbe Flammen aus dem Boden und er sammelte seine Kraft. Dann stieß er sich ab, rannte auf das Monster zu und bearbeitete es mit einer Folge von Fußkicks und Fausthieben, dass die Lebenskraft nur so strömte. Am Ende, als man schon denken könnte, er wäre fertig, trat plötzlich noch einmal ein seltsamer Glanz in seine Augen und er vollführte einen „Different Beat".

Quistis analysierte den Morbol und stellte erleichtert fest, dass die furchtbare Attacke des Draufgängers ihm beinahe seine letzten Lebenspunkte abgezogen hatte. Sie holte wiederum mit ihrer Peitsche aus und versetzte dem Monster einen Hieb, der es zurückschleuderte. Aber es war noch nicht tot. Noch einmal schleuderte es seine Säureattacke, diesmal auf sie selbst. Sie spürte, dass die ätzende Flüssigkeit ihr lebensgefährlich schadete, aber jetzt hatte sie keine Zeit zum Heilen.

Auch dem Jungen neben ihr schien der Kampf zu lang zu dauern. Er vollführte einen solch kräftigen Schlag mit seiner Revolver-Schwert-Mischlingswaffe, dass das Monster beinahe zweigeteilt wurde und nur noch wenige hundert Lebenspunkte übrig blieben. Der andere Junge lachte auf und versetzte dem Morbol mit einem Uppercut den Todesstoß. Die riesige Pflanze bäumte sich noch einmal auf, sank aber dann zusammen und verschwand, als hätte es sie nie gegeben.

Quistis nahm ihre traditionelle Siegespose ein, strich sich ihr gelbes Haar aus dem Gesicht und drehte sich lächelnd zu ihren Gefährten um. Ein Morbol, zwei Rumbrum-Drachen, ein Grendel und eine Drachen-Isolde. Keine schlechte Bilanz, fürwahr. „Ihr habt eure Zustandskopplungen nicht gerade optimal gewählt", meinte sie tadelnd. „Wenn ich dir nicht geholfen hätte, dann wärst du bis in alle Ewigkeit versteinert gewesen, Xell. Und du hättest auch noch länger weitergeschlafen, wenn das Vieh dich nicht selbst aufgeweckt hätte, Squall."

„Sei mal nicht so vorlaut, Frau Allesweiß!" begehrte der Faustkämpfer auf. „Wenn ich nicht beim letzten Rumbrum-Drachen eine Phönix-Feder auf dich geworfen hätte, dann wärst du bis in alle Ewigkeit tot gewesen. Wo war denn deine Resistenz gegen Feuer, als er uns angehaucht hat, häh?"

Quistis wollte gerade etwas entgegnen, als sie beide in ihrem Streit unterbrochen wurden, von einer ruhigen, aber nichtsdestotrotz drohend scharfen Stimme.

„Aufhören! Alle beide! Dreht euch sofort zu mir um!"

Die Stimme war so befehlend, dass sie sich auch umgedreht hätten, wenn sie nicht gewusst hätten, dass die Stimme von Squall kam. Squall, die lebende Legende. Der Hexen-Ritter. Der unbesiegbare Gunblade-Kämpfer. Und außerdem der Schulsprecher ihres Gardens. Und im Moment sah er nicht sehr freundlich aus. Nein, nicht wütend, eher irritiert. Es schien, als ob ihm nicht aufgefallen wäre, dass Xell leicht zu reizen war und Quistis selten einem Wortduell aus dem Weg ging.

„Was ist denn in euch gefahren?" fuhr er sie an. „Ich kann niemanden in meinem Team gebrauchen, der versucht, auf Teufel-komm-raus der Beste zu sein, auch wenn seine Freunde dabei drauf gehen! Wenn ihr jetzt glaubt, dass ihr im nächsten Kampf so eine Art Duell austragen könnt, dann glaubt nicht, dass ich euch wiederbeleben werde. Ich kämpfe mit niemandem, der einen Kampf nicht ernst nimmt! Glaubt ihr etwa, wir hätten Artemisia besiegen können, wenn ihr euch so idiotisch benommen hättet wie jetzt?"

Artemisia...

Die Hexe aus der Zukunft, die die Zeit hatte verschmelzen wollen und es auch beinahe geschafft hätte. Die ihren ehemaligen Mitschüler Cifer unter ihre Kontrolle gebracht hatte und ihn dazu gebracht hatte, einen Monsterregen über Esthar niedergehen zu lassen. Die ein ganzes Schiff voller SEEDs umgebracht hatte. Nur mit vereinbarten Kräften war es ihnen damals mit Hilfe ihrer Freunde Irvine, dem galbadianischen Scharfschützen, Selphie, der ziemlich kindischen Nunchaku-Kämpferin, und Rinoa, Squalls großer Liebe gelungen, sie zu besiegen. Niemand hätte es allein vermocht, diese übermächtige Hexe mitsamt ihrer ebenfalls äußerst starken G.F. Griever zu besiegen.

„Ist ja schon gut", brummte Xell verlegen und kratzte sich am Kopf. „Reg dich doch nicht so auf, es war doch nicht so gemeint. Tut mir Leid, dass ich dich angeschnauzt habe, Quistie."

Die Angesprochene lächelte, als sie ihren Kosenamen hörte. „Mir tut's auch Leid, Xell. Kannst du mir noch mal verzeihen?" Dabei lehnte sie sich an seine Schulter und sah ihn so flehentlich an wie ein verwundetes Reh.

Der beinharte Faustkämpfer wurde ein bisschen rot und lachte dann verlegen. „Lass das", protestierte er, „wann werdet ihr endlich damit aufhören, mich zu veralbern?"

Quistis kam nicht zum Antworten, denn im selben Moment begann das Funkgerät, das Squall in seiner Jackentasche trug, zu summen. Er murmelte irgendetwas von Dank und den Technikern Esthars, die etwas erfunden hatten, das wirklich Sinn machte, während er es hervorkramte. Er schaltete es ein und hielt es ans Ohr – um es gleich darauf wieder so weit wie möglich von sich weg zu halten.

Kein Wunder, denn aus dem Verstärker tönte Selphies ewigfröhliche Stimme, die es nebenbei bemerkt ohne Schwierigkeiten mit einem Nebelhorn aufnehmen konnte. Kaum jemand schaffte es, ihr 10 Minuten zuzuhören, ohne einen mittelschweren Gehörschaden davonzutragen. Allerdings musste man sagen, dass sie dank ihrer Stimme bei einer Schulveranstaltung auch keine Mikrofone mehr benötigten. Alles hatte eben sein Gutes.

„Haaaaallo, Leute", krähte das Mädchen am anderen Ende der Leitung. „Ich will ja nicht stöööören, aber ihr solltet euch beeilen und sofort hier antanzen. Direktor Cid hat angerufen, wir sollen uns auf der Stelle bei ihm im Garden meeeelden. Die Betonung lag auf soooofort!"

„Was?" wunderte sich Xell. „Was kann so wichtig sein, dass man uns unseren ersten Urlaub seit guten vier Wochen absoluten Stresses nicht gönnt? Schließlich haben wir ein paar Dutzend Feiern und Ehrungen wegen Artemisias Niederlage hinter uns. Das kann uns der Direktor doch nicht antun!"

„Eeeer kann! Ich wiederhol' ja nur, was er gesagt hat. Übrigens, Squall", fuhr sie fort, nun plötzlich etwas leiser, „du solltest dich beeilen, zurückzukommen. Rinoa rennt hier schon rum wie ein eingesperrter Tiger und sehnt sich nach dir-" An dieser Stelle hörte man ein dumpfes Krachen. Die drei sahen sich verwundert an, bis Selphie weitersprach: „... so sehr, dass sie schon damit beginnt, Dinge nach mir zu werfen. Beeeeeeil dich also, wenn du willst, dass ich noch in der Lage bin, uns nach Hause zu fliegen. Ende!"

Squall rieb sich bedeutungsvoll das linke Ohr, als er das Funkgerät wieder verstaute. Dann erst bemerkte er, dass Quistis und Xell ihn schon beinahe unverschämt angrinsten. „Was habt ihr denn?" wollte er wissen. „Ihr wisst doch, wie Selphie ist. Das dürfte euch doch kein müdes Lächeln mehr entlocken."

„Oh, wir denken dabei nicht an Selphie", meinte Xell betont unschuldig drein sehend. „Ich dachte nur gerade daran, wie viel Zeit schon vergangen ist, seit wir die Ragnarok verlassen haben. Ganze dreißig Minuten. Wahnsinn! Wo er und Rinoa doch schon meistens nach der Hälfte dieser Zeit ganz zappelig werden, wenn der andere nicht in der Nähe ist. Erstaunliche Leistung, nicht wahr, Quistie?"

„Er überrascht mich wirklich." Die junge Frau lächelte verschmitzt. „Ich dachte schon vor dem Morbol, dass er irgendwie fahrig wirkte, aber er hat's noch ausgehalten. Das ist neuer Rekord."

„Ganz meine Meinung", schloss Xell sich an. „Kein Wunder, dass Rinoa schon gewalttätig wird."

Einen Moment lang sah sich Squall versucht, seinen Freunden mit der Gunblade etwas Hirn einzuhämmern, aber er entschied sich aus Rücksicht auf seine Waffe anders. Schließlich war sie einzigartig, eine der mächtigsten Waffen der Gegenwart: die Löwenherz. Dann jedoch drehte sich nach einem kurzen Stirnrunzeln herum und marschierte in Richtung Ragnarok davon.

„...Lasst mich doch", meinte er lediglich. Und als er merkte, dass sich seine sogenannten Freunde schon wieder das Lachen verbeißen mussten, fügte er hinzu: „Und wenn ich auch nur ein unterdrücktes Kichern höre, bis wir die Ragnarok erreichen, beschwöre ich Doomtrain, verstanden? Und jetzt Abmarsch!"

Endlich kam die Ragnarok in Sicht, das ehemalige Raumschiff, das Squall und Rinoa im Weltraum treibend entdeckt hatten, als er sie gerade zu retten versuchte. Früher war es dazu bestimmt gewesen, die Esthar-Hexe Adell weit weg von der Erde zu bringen, an einen Ort, wo man ihre Kräfte nicht mehr fürchten musste, heute diente es der Gruppe, die diese Hexe getötet hatte, als Transportmittel, um von einer Ehrung zur nächsten zu gelangen.

Anscheinend waren sie auch schon vom Schiff gesichtet worden, denn kaum hatten sie das Schiff erspäht, sahen sie schon eine Gestalt im blauen Kleid, begleitet von einer vierbeinigen Silhouette auf sich zurennen. Ein paar Momente später fiel das blaue Etwas auch schon über Squall her, um ihn mit den Armen zu umfangen und wehrlos zu machen und danach heftig zu küssen!

Einen Augenblick lang gestattete sich Squall auch, Rinoas Kuss zu genießen, aber dann schob er das geliebte Mädchen mit den samtweichen schwarzen Haaren von sich. Ihre Hündin Angel, die neben ihr stand, sah das mit Genugtuung, denn auch, wenn sie eine sehr intelligente Wegbegleiterin war, die verstand, was Squall ihrer Herrin bedeutete, war sie doch etwas eifersüchtig auf ihn. Momentan schien es ihr jedoch unangebracht, die beiden zu stören, also ließ sie sich von Xell und Quistis kraulen.

„Sag' mal, bist du denn völlig übergeschnappt?" fragte Squall sein Gegenüber, das ihn immer noch strahlend ansah. „Du hast doch keine Kopplungen! Was fällt dir ein, auf dieser monsterverseuchten Insel aus der Ragnarok zu gehen? Du hättest getötet werden können, Rinoa! Auch deine Hexenkräfte sind nicht mächtig genug, um dich gegen die Monster hier zu verteidigen, das muss dir doch klar sein!"

Rinoa, die diese Predigt hingenommen hatte, verschloss ihrem Geliebten mit dem Zeigefinger den Mund. „Hättest du es denn zugelassen, dass mich ein Ungeheuer angreift, mein edler Hexen-Ritter?" fragte sie flüsternd. „Wärst du mir nicht viel mehr zu Hilfe geeilt und hättest diese bösartige Kreatur in das Loch zurückgeschickt, aus dem es mich angriff?"

Squall musste hilflos lächeln. Dieses Mädchen schaffte es, ihn, den Bezwinger der schrecklichsten Monster und Kämpfer dieser Erde, in die Knie zu zwingen. Wenn die Schüler im Garden das wüssten, wären sie entsetzt. Squall Leonhart, gefeierter Held und unschlagbarer Krieger, konnte sich nicht gegen ein Mädchen wehren.

„Natürlich, meine Gebieterin", flüsterte er zurück, wohlweislich so leise, dass die anderen es nicht hören konnten. Dann, um wenigstens einen Schein von Herrschaft zu wahren, griff er nach Rinoas Kinn und hob ihren Mund auf seinen. Und dieses Mal unterbrach er den Kuss nicht, sondern genoss dieses Gefühl der Verbindung, der Zufriedenheit, das er früher, vor Rinoa, immer in Kämpfen zu finden versucht, aber nie gefunden hatte. Auch sie schlang ihre Arme wieder um seinen Hals und genoss seine sanfte und dennoch fordernde Berührung, die sie in letzter Zeit so oft erfahren hatte, und von der sie dennoch niemals genug bekommen konnte.

Sie lösten sich erst wieder von einander, als jemand Squall ungeduldig auf die Schulter klopfte. Unwillig drehte sich dieser um und gewahrte Xell, der auf seine Uhr sah und halblaut vor sich hinzählte. „2 Minuten 43, 2 Minuten 44, 2 Minuten 45... ah, du bist ja wieder in der Welt der Lebenden. Ich wundere mich immer wieder, wie ihr es so lange aushalten könnt, ohne einmal Luft holen zu müssen. Gibt's da irgendein Geheimnis?"

Während Squall noch überlegte, was er sagen konnte, um seine Würde zu bewahren, kam ihm Rinoa zuvor. „Wieso?" wollte sie wissen. „Willst du es an jemandem ausprobieren? An jemandem, den wir kennen?" Sie zwinkerte Xell schelmisch zu.

Dieser wurde ein bisschen rot und drehte sich rasch weg, um Angel zu streicheln. „Ach, ich meinte ja nur... Ich möchte schließlich auch nicht der sein, der die Frage beantworten muss, welches Monster dem berühmtesten Liebespaar des Gardens so lange die Luft abgeschnürt hat, bis sie erstickten!"

„Falls es euch noch nicht aufgefallen ist", ließ Quistis vernehmen, „Selphie hat offenbar schon die Motoren heißlaufen lassen. Ich schätze, sie will so schnell wie möglich losfliegen. Und ich schließe mich ihr an. Langsam bekomme ich genug von diesen Stufe-100-Monstern!"

Damit marschierte sie Richtung Raumschiff davon und nach einigen Augenblicken schlossen sich die anderen an. Die Ragnarok war wirklich gewaltig, und so richtig merkte man das erst, wenn man sah, wie groß sie beim Herangehen wurde. Squall wunderte sich immer wieder, wie die Esthar- Techniker so etwas schon vor Jahren schaffen hatten können, während die anderen Völker noch nicht mal dran dachten, irgendwann ins All hinauszukommen. Wahrscheinlich war es ebendiese Größe, die ihn fast die Gestalt übersehen ließ, die betont lässig an der roten Außenhülle des Fluggefährts lehnte. Er beschleunigte seine Schritte, um Irvine den Scharfschützen als erster zu erreichen. Dieser grinste ihm entgegen.

„Na, wie war's? Habt ihr euch gut amüsiert, oder sind die Monster inzwischen stärker geworden?" wollte er wissen.

Squall ignorierte die Fragen und kam sofort zur Sache: „Irvine Kinneas, wieso hast du Rinoa ungekoppelt rausgehen lassen? Ich habe dir aufgetragen, darauf zu achten, dass niemand in Gefahr gerät, während ich weg bin. Hast du meinen Befehl nicht verstanden?"

Irvine blinzelte und hob dann abwehrend die Hände. „Wie? Du verlangst von mir, Rinoa aufzuhalten, wenn sie dich nach einer halben Stunde herannahen sieht? Himmel bewahre, da könnte ich ja gleich ungekoppelt und allein gegen Ultima Weapon antreten, das wäre einfacher und ungefährlicher! Nein, nein, keine Sorge", beschwichtigte er, als er sah, dass Squalls Miene sich zu verdüstern begann, „ich hab' sie keine Sekunde aus den Augen gelassen. Wenn irgendein böses Monster unsere Prinzessin angegriffen hätte, hätte ich mich sofort drauf gestürzt und es Mores gelehrt."

Zum Beweis zog er die Exetor, sein Monster von einer Schusswaffe hervor und lud sie probeweise. Dabei grinste er Squall beruhigend an. „Mein Maschinchen hier kann auch ohne Kopplungen ganz schönen Schaden anrichten!"

„Heeeee, ihr da unten!" tönte eine Stimme aus dem Schiffsinneren, als Squall gerade zu einer Antwort ansetzte. „Beeilt euch gefälligst ein bisschen! Ich bin schon sooooo gespannt darauf, was Direktor Cid uns zu sagen hat! Zum Reden habt ihr auch hier drinnen noch genug Zeit, also steigt endlich ein, ich will loooos!"

Irvine verdrehte selig die Augen und murmelte etwas, das sich wie „Sie ist so süß", drehte sich um und schrie: „Wir kommen schon, wir kommen schon! Aber lass uns noch einsteigen, bevor du abhebst, ja?"

Dann rannte er die Einstiegsrampe hoch und auf die Brücke zu. Manchmal fragte Squall sich, ob Irvine es überhaupt merkte, dass er der einzige war, der es so lange in Selphies Nähe aushielt. Nicht, dass das Mädchen die Leute vorsätzlich nervte, aber ihre eigenwillige Art konnten selbst sie, ihre engsten Freunde nur bedingt lange ertragen. Auch er, dem man nachsagen konnte, dass er sich von nichts und niemandem stören und beeinflussen ließ, war es lieber, wenn er ein paar Minuten aus dem Raum zu gehen und die Ruhe der Einsamkeit genießen zu können.

Er hielt sich jedoch nicht lang mit diesen Überlegungen auf, sondern bedeutete den anderen, einzusteigen. Selphie hatte Recht, man sollte Direktor Cid lieber nicht zu lange warten lassen. Ganz besonders nicht, wenn er einen im wohlverdienten Urlaub störte. Wenn man dem Direktor etwas nachsagen konnte, dann, dass er einem seine Freiheit mehr als alles andere gönnte. Und wenn er seine Musterschüler nach so stressigen Wochen an ihrem ersten freien Tag störte, dann musste das einen triftigen Grund haben.

Er stieg als letzter ein, schloss die Rampe und machte sich auf den Weg zur Brücke. Auf dem Weg spürte er das Zittern, dass beim Start der Triebwerke immer durchs Schiff lief und hielt sich instinktiv irgendwo fest. Selphie hatte es ja mächtig eilig. Er beeilte sich, zu seinem Sitzplatz zu kommen, bevor das Mädchen auf Höchstgeschwindigkeit beschleunigte.

5.3 Kapitel 2

Squall fühlte sich wohl, ein in letzter Zeit sehr selten gekanntes Gefühl, und das nicht nur deshalb, weil Rinoa an seinem Arm hing und auch nicht gedachte, ihn so schnell wieder loszulassen. Auch die Atmosphäre des Balamb- Garden, die Bewunderung der Schüler (besonders der SchülerINNEN) und sogar der Garden-Ausbilder, machte ihn stolz. Dass er nicht bereits so eingebildet wie sein ehemaliger Konkurrent Cifer Almasy geworden war, verdankte er einzig und allein seinen Freunden, die ihm nicht immer mit freundlichen Worten klar gemacht hatten, dass er auch als größter Held des ganzen Kontinents nicht besser war als jeder andere Schüler der Kampfschule.

„Squall?" erklang Xells zur Abwechslung verlegen klingende Stimme hinter ihm. Der Kampfsportler überholte Rinoa und ihn, kratzte sich am Kopf und meinte: „Squall..., brauchst du mich unbedingt, wenn du zum Direktor gehst? Weißt du, ich hab' ein Buch im Zimmer rumliegen, das ich ziemlich dringend wieder..."

Squall spürte an seinem Arm, dass Rinoa innerlich kicherte. Es war ein offenes Geheimnis, dass Xell und eine der Bibliothekarinnen der Garden- Bücherei beinahe mehr Zeit zusammen verbrachten als Rinoa und er (aber nur FAST!) Trotzdem schienen sie noch nicht gemerkt zu haben, dass bereits jeder ihrer Freunde um diese Liaison wusste. Typisch Xell!

„Ist schon gut", meinte Squall, ohne eine Miene zu verziehen, was außer ihm wohl niemandem gelungen wäre. „Geh ruhig und... bring dein Buch zurück. Ich werde dich bei Direktor Cid entschuldigen."

Rinoa entschlüpfte ein Lacher, den sie erfolglos als Husten zu tarnen versuchte. Xell sah sie einen Moment misstrauisch an und zuckte dann mit den Schultern. Spielerisch salutierte er vor seinem Anführer, dann drehte er sich um und rannte mit erstaunlicher Geschwindigkeit auf die Quartiere zu. Wo die Bücherei doch erst in 20 Minuten aufmachte. Er musste sein Buch wohl verlegt haben, oder gab es sonst einen Grund, warum er sich so beeilen musste?

Nachdem er ihm kurz nachgesehen hatte, wandte sich Squall an Irvine, der gerade versuchte, seinen Mantel vor Selphies Händen in Sicherheit zu bringen, die anscheinend unbedingt einen Ärmel haben wollten: „Irvine, was ist mit dir? Kommt ihr, du und Selphie, mit?"

„Niiiiichts da!" rief das Mädchen aufgekratzt. „Irvie hat mir versprochen, Karten zu spielen, und das werden wir jetzt gefälligst auch tun! Wenn ich gegen ihn spiele, gewinne ich komischerweise so oft. Viel Spaaaaaß noch!"

Das letzte, was er von Irvine sah, bevor er von seiner Freundin um die Ecke gezerrt wurde, war ein verschwörerisches Blinzeln. Plötzlich glaubte Squall zu wissen, wieso Selphie gegen den Scharfschützen solches Glück im Spiel hatte...

„Und was ist mit dir, Quistis?" fragte Rinoa inzwischen die verbliebene junge Frau. „Kommst du mit?"

Einen Moment lang wirkte die Angesprochene irritiert (sie hatte die letzten Sekunden Irvine und Selphie hinterhergestarrt), aber dann nickte sie rasch. „Klar!" meinte sie. „Ich hab' ja auch sonst nichts zu tun..." Irrte er sich, oder hatte er da einen traurigen Tonfall aus Quistis' Antwort herausgehört? Squall beschloss, das für den Moment zu ignorieren. Man sollte seinen Direktor nicht allzu lange warten lassen.

„Also los. Und vergiss den SEED-Gruß nicht, wenn wir die Direktion betreten, Rinoa."

„Ah, da sind Sie ja endlich", wurden sie von dem etwas älteren, dicklichen Mann begrüßt, der vor langen Jahren einmal diesen Garden gegründet hatte. Früher einmal, noch bevor Squall selbst seiner Ziehmutter Edea die Idee mit den Kampfschulen in den Kopf gesetzt hatte, hatte ebendieser Cid mit ihr ein Waisenhaus geführt, in dem nicht nur Squall, Quistis, Selphie, Xell und Irvine gelebt hatten, sondern auch Ellione und Cifer. Erstaunlich, was sie alles herausgefunden hatten, während sie der Hexe Artemisia hinterhergejagt hatten...

Squall, Rinoa und Quistis salutierten, dann machte der Anführer der Truppe einen Schritt nach vorn und fragte: „Wieso haben Sie uns rufen lassen, Direktor?" Kein Vorwurf, dass er sie aus dem wohlverdienten Urlaub zurückgeholt hatte. Die Ausbildung zum SEED lehrte einen als erstes, unnötige Fragen einfach hinunterzuschlucken.

„Tja, Squall, zuerst möchte ich Sie fragen, ob Sie wirklich zur Erholung zu dieser Monsterinsel rausfliegen müssen?" entgegnete Cid mit zweifelndem Blick. „Können Sie nicht einfach eine Stadt besichtigen oder so was? Nein? Na ja, ich hoffe, dass Sie nicht eines Tages durch diese Erholung mal draufgehen. Aber zur Sache: Ich habe heute ziemlich... ungewöhnlichen Besuch bekommen, der ausdrücklich Sie verlangt hat."

„Sie meinen wohl eher „unerwünschten Besuch", oder, Direktor Cid?" erklang plötzlich eine wohlbekannte und arrogante Stimme hinter der Truppe. Alle drei fuhren so schnell herum, dass man sie nicht mehr sah, bis sie kampfbereit und mit gezogenen Waffen dastanden und den blonden jungen Mann ansahen, der diese Worte ausgesprochen hatte. Er hielt eine Gunblade in Händen und sah seine ehemaligen Kollegen herablassend an.

„Cifer", stieß Rinoa schließlich hervor, nachdem sie sich von dieser Überraschung erholt hatte. „Was zum Kuckuck machst du denn hier? Hast du im Garden nicht Hausverbot?"

Cifer würdigte sie keines Blickes. „Lange nicht gesehen, Squall", begrüßte er seinen einzigen ebenbürtigen Gegner im Zweikampf. „Klammerst du dich immer noch an deinen G.F. fest, oder hast du inzwischen gelernt, selbst zu kämpfen?"

Squall ließ sich nicht provozieren. „Und hast du inzwischen gelernt, dich nicht mit Leuten einzulassen, die dich ausnutzen und dann fallen lassen?" entgegnete er. Er registrierte mit nicht unbeträchtlicher Freude, dass sein Gegner die Gunblade fester packte und die Augenbrauen zusammenzog. Sein Stolz war die größte, um nicht zu sagen einzige Schwachstelle des Jungen.

Dennoch beherrschte er sich besser als früher und griff ihn nicht sofort an. Statt dessen traten zwei weitere Gestalten aus seinem Schatten. Fu-Jin und Rai-Jin, Cifers einzige wirkliche Freunde und der ehemalige Ordnungsdienst des Gardens. Sie hatten ebenfalls an der Seite der Hexe gekämpft, aber nur wegen Cifer. Und sie waren nicht zu unterschätzende Gegner. Squall und seine Freunde hatten einige Male gegen sie antreten müssen, und als ehemalige Schüler des Gardens hatten sie ihnen erhebliche Schwierigkeiten bereitet.

„Steckt eure Waffen mal weg, Leute!" versuchte Rai-Jin, ein großer, muskelbepackter Junge mit einem nicht zu überhörenden Sprachfehler die Situation zu beruhigen. „Wir sind mal nicht hier, um mit euch zu kämpfen."

„Direktor Cid! Erklärung!" fügte seine Partnerin, eine grauhaarige, junge Frau mit Augenklappe hinzu. Ihr roboterhafter Ton betonte ihre Befehle, die sogar Rai-Jin befolgte, obwohl er sehr viel kräftiger aussah als sie.

„Squall, Rinoa, Quistis! Stecken Sie ihre Waffen weg! Cifer und seine Freunde sind heute ganz offiziell am Garden-Tor erschienen und haben um eine Anhörung gebeten. Sie sind nicht gewaltsam hier eingedrungen", bestätigte der Direktor Rai-Jins Worte, obwohl man merkte, dass auch er sich in der Nähe der drei Kämpfer nicht wohlfühlte. „Hören Sie sie bitte an!"

Squall entspannte sich, schob seine Gunblade, die mächtige Löwenherz, aber nur zögernd wieder an ihren angestammten Platz an seinem Gürtel. Cifer – und hier um eine Audienz ansuchen? Eher würde ein Rumbrum-Drache sich als Haustier anbieten! Zumindest hatte er das bis jetzt gedacht...

„Du hast hier Einlass begehrt wie ein ganz normaler Kunde, Cifer?" fragte er zweifelnd. „Das klingt nicht sehr nach dir. Hast du so viel Angst vor uns oder ist dir dein Leben doch etwas wert?" Früher hätte er den blonden Schwertkämpfer nicht so sehr gereizt, da dieser jede Gelegenheit zu einem Übungskampf freudig begrüßte. Und seine Übungskämpfe gingen fast immer mit Verletzten zu Ende. Aber Cifer und seine Freunde hatten so viel Unheil gestiftet, dass er ihnen das ein bisschen heimzahlen musste. Und sei es auch nur mit Worten.

In den blauen Augen seines Gegenübers blitzte es gefährlich auf. Der Garden- Schüler Cifer hätte sich sofort auf ihn gestürzt, Direktor Cids Anwesenheit hin oder her, aber der ehemalige Hexen-Ritter Cifer war beherrschter. Er wusste, wenn er hier einen Kampf anfing, würde er gefangengenommen und den Esthar-Behörden übergeben werden, die ihn immer noch suchten, weil er die „Träne des Mondes" ausgelöst hatte. Wenn ihn die Verwandten der Opfer in die Finger bekamen, dann würde ihm Esthars pazifistische Haltung in den letzten Jahren überhaupt nichts nutzen. Sie würden ihn exekutieren, egal, was dann geschah.

„Gib nur nicht so an, weil du durch diese Mauern hier geschützt bist!" zischte er wütend. Rai-Jin und Fu-Jin legten zur Sicherheit ihre Hände auf seine Schultern, damit er es sich nicht noch anders überlegte und seine von Artemisia verliehenen Kräfte zur Anwendung brachte. „Wenn es nach mir gegangen wäre, dann hätten wir dieses Gebäude im Sturm genommen und hätten eine Anhörung ERZWUNGEN! Aber leider geht es nicht nach mir. Wir haben einen Kunden, der uns dieses Vorgehen verbot. Leider."

„Einen Kunden?" Quistis wurde langsam neugierig. „Welchen Kunden? Seid ihr etwa unter die Söldner gegangen?"

Auch sie beachtete Cifer nicht. Statt dessen streifte er die Hände seiner Freunde ab und trat beiseite, damit man seinen Kunden sehen konnte. Kein Wunder, dass man ihn bis jetzt nicht gesehen hatte. Immerhin war er nicht größer als Angel, Rinoas Hund und schwebte außerdem über dem Boden, auch wenn er in einer Einkaufsstraße durchaus damit Eindruck schinden würde.

„Koyo-Koyo!" riefen Squall, Rinoa und Quistis gleichzeitig aus. Tatsächlich, das kugelförmige Ding, das langsam auf sie zuschwebte, war wirklich das UFO des kleinen Außerirdischen, dem die drei Freunde schon einige Male begegnet waren. Das Alien zeigte sich sehr interessiert an der irdischen Kultur und hatte ihnen für ihre Hilfe eine einzigartige Triple- Triad-Karte überlassen.

Ja, antwortete es, als es vor Squall angekommen war. Ich bin zurückgekommen, weil ich euch gesucht habe. Vor einiger Zeit brauchte ich eure Hilfe. Jetzt braucht ihr meine.

Ein paar Sekunden lang starrten sie das kleine blaue Wesen an, bis sich Direktor Cid räusperte. Natürlich, er kannte das Alien ja nicht. „Squall, ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir erklären könnten, mit wem ich es hier zu tun habe. Ich glaube nicht, dass ich diesem... Wesen bereits begegnet bin. Und Sie, Cifer", wandte er sich an seinen ehemaligen Schüler, „Sie sollten diesen Raum und am besten auch diesen Garden jetzt verlassen, bevor sich jemand hier nicht mehr beherrschen kann!" Das war unmissverständlich als Befehl gemeint.

Ärgerlich schürzte dieser die Lippen, aber er hatte sich auch jetzt noch in der Gewalt. „Nicht, bevor wir bezahlt worden sind!", presste er hervor. „Als wir diesen komischen Kerl begegnet sind, hätte ich ihn fast zweigeteilt, als er eine Menge Gil fallen ließ. Weiß der Geier, wo er es her hat, aber er hat versprochen, uns angemessen zu bezahlen, wenn wir ihn zum Garden eskortieren. Und ohne dieses Honorar werden wir diesen Raum nicht verlassen!"

Koyo-Koyo, der offensichtlich bestrebt war, die Situation friedlich beizulegen, wendete sein Sternenschiff und hielt auf Cifer und seine Freunde zu. Dann erschien sein seltsamer Traktorstrahl, in dem eine Menge Gil erschien, mit der man in Galbadia ein mittleres Haus kaufen konnte. Rai- Jin sog erstaunt Luft ein, und auch Fu-Jin schien erstaunt über die Menge des Geldes zu sein. Dennoch zögerten sie nicht, sondern sammelten den Reichtum ein.

Ich hoffe, das reicht als angemessene Bezahlung, ließ Koyo-Koyo vernehme. Ich verstehe leider nichts von dieser Währung, aber es dürfte genügen. Mehr habe ich nicht dabei.

Squall musste unwillkürlich lächeln. Wie viele Taschen das kleine Alien wohl gelehrt haben musste, bis es diesen Haufen Gil beisammen hatte? Es musste sie wirklich verzweifelt gesucht haben.

„Das reicht durchaus, Koyo-Koyo", versicherte ihm Quistis, bevor Cifer etwas Gegenteiliges behaupten konnte. Der Junge warf ihr dafür einen eisigen Blick zu, sagte jedoch nichts, sondern drehte sich abrupt um und verließ beinahe rennend den Raum. Offenbar hatte auch ihm die Atmosphäre des Gesprächs nicht zugesagt. Rai-Jin und Fu-Jin beeilten sich, ihm mit vollen Taschen zu folgen. Die Tür wurde zugeworfen, dann waren die drei verschwunden.

Direktor Cid hob wieder an: „Wenn Sie nun die Güte hätten, mir zu sagen, wer uns um Hilfe gebeten hat. Langsam bekomme ich das Gefühl, dass ich hier vollkommen überflüssig bin."

Squall wollte antworten, aber Rinoa kam ihm zuvor: „Dieses Wesen, Direktor Cid, ist ein Außerirdischer, dem wir auf der Suche nach Artemisia begegnet sind. Er stiehlt gerne Dinge von der Erde, um sie als Andenken zu behalten und ist verrückt nach Elixieren. Er hat uns im Tausch dafür seine Triple- Triad-Karte überlassen."

„Danke, Miss Heartilly", bemerkte Cid trocken, „doch ich würde es begrüßen, wenn Sie von nun an dem Truppenführer das Wort überlassen würden."

Rinoa wurde etwas rot und trat einen Schritt zurück. Man merkte ihr noch immer an, dass sie früher eine Widerstandstruppe geleitet hatte und deshalb gewohnt war, Berichte vorzutragen.

„Nun, Squall", fuhr der Direktor fort, „haben Sie irgendeine Ahnung, wieso Herr... Koyo zu uns gekommen sein könnte? Irgendwas?"

Der Angesprochene zuckte mit den Schultern. „Ich denke, das sollten wir Koyo-Koyo selbst fragen. Ich dachte bisher, er sei schon längst zu seinem Planeten zurückgekehrt."

Wie aufs Stichwort kam das UFO des Außerirdischen zwischen die zwei geschwebt und verharrte dort. Koyo-Koyo war es offenbar nicht gewohnt, Berichte anzuhören, und deshalb wunderte er sich, warum ihn keiner ansprach.

Ich bin hierher zurückgekommen, weil sich eure Erde in Gefahr befindet. In sehr großer Gefahr. Ich habe sie bemerkt, als ich eben in meine Heimat zurückkehren wollte.

Quistis spitzte die Ohren. „Etwa eine Gefahr aus dem Weltraum? Ein Meteor oder andere Außerirdische?"

Das blaue Alien schüttelte den Kopf, so gut es das ohne Hals vermochte. Nein, meinte es, nichts aus dem Schwarzraum. Die Gefahr befindet sich bereits auf eurem Planeten. Sie kam schon damals, bei dem großen Himmelstunnel.

„Ich muss ehrlich sagen, dass ich kein Wort davon verstehe", bekannte Rinoa. Sie hockte sich vor dem UFO hin und lächelte es an. „Erzähl uns bitte alles von Anfang an, Koyo-Koyo. Wir verstehen einige deiner Begriffe nicht."

Ich versuche es, sagte das Wesen. Damals, als ihr mir geholfen habt, meine Energie zurückzugewinnen, habe ich sofort damit begonnen, mein Schiff zu reparieren. Ich hatte vorläufig genug von eurer Heimat und wollte wieder zurückfliegen, musste aber ein paar Tage lang die Teile des Schiffs suchen und wieder einbauen. Schließlich wagte ich einen Testflug bis zu einer sehr seltsamen Skulptur. Sie war über einem Steinkreis und schien auf irgendetwas zu warten. Und dann kam von einem Moment auf den anderen der rote Himmelstunnel.

„Einen Moment", unterbrach der Direktor. „Kann das einmal jemand übersetzen? Ich komme nicht mehr ganz mit. Was meint er mit „Himmelstunnel"?"

„Ich vermute, er meint mit der „Skulptur über dem Steinkreis" die Lunatic Pandora, die zu dieser Zeit über dem Tears Point in Esthar schwebte. Sie war es, die die „Träne des Mondes" auslöste, und wahrscheinlich bezeichnet Koyo-Koyo die Monsterschwemme als „Himmelstunnel"", warf Squall ein.

„Klingt plausibel", bestätigte Rinoa. „Fahr fort, Koyo-Koyo."

Ich flog hinaus in den Schwarzraum, um nach der Ursache des Himmelstunnels zu suchen. Der Außerirdische war etwas verwirrt, nachdem er diese ganzen Begriffe gehört hatte, erzählte jedoch weiter. Dort sah ich den weißen Begleiter eurer Erde, der auf einmal ein Teil des Himmelstunnels geworden war.

„Das bestätigt Ihre Geschichte, Squall!" Cid nickte anerkennend.

Ich wollte den Tunnel genauer untersuchen, als ich bemerkte, dass ihr das auch schon versuchtet, fuhr Koyo-Koyo unbeirrt fort. Mehrere Objekte waren im Schwarzraum, die dem Himmelstunnel sehr nahe waren, und ich wollte nicht von ihnen entdeckt werden, also wollte ich weiterfliegen. Aber auf einmal war im Tunnel selbst ein Ding, das zu euch hinab wollte. Ich wurde neugierig und folgte ihm. Es war sehr schnell, schneller als die anderen Metallobjekte, aber ich blieb dicht hinter ihm und sah seinen Absturz in den Erdwölbungen nahe den hohen Türmen. Es war anscheinend nicht sehr beschädigt.

„Wie?" entfuhr es Quistis. „Er hat etwas IN der Monstersuppe schwimmen sehen? Bist du dir sicher, dass du nicht die Esthar-Station meinst, die von der Träne mitgerissen und zerstört wurde, Koyo-Koyo?" Dieser verneinte jedoch.

„Und was ist mit dieser Kapsel, die Sie in Ihrem Bericht erwähnten, Quistis?" ließ Cid vernehmen. „Die, in der Sie, Ellione und die Esthar- Techniker zur Erde zurückkamen? Könnte Herr Koyo nicht die meinen?"

Wieder verneinte das Alien. Nein, das Objekt war direkt im Tunnel und trennte sich erst kurz vor dem Boden davon. Und dann kam ein Mensch hervor. Er blieb ein paar Minuten stehen, bis ein violettes Tier kam, das ihn nicht mochte. Es wollte ihn angreifen, dann drehte er sich um und es fiel vor ihm auf die Knie. Er machte ein komisches Geräusch, dann setzte er sich auf das große Tier und ritt auf ihm weg. Das komische Geräusch folgte ihm.

Squall packte Rinoa am Arm. „Rinoa", stieß er hervor. „Sag mir, dass er keinen Behemoth beschreibt! Sag mir, dass er nicht gerade behauptet hat, dass jemand auf einem Behemoth geritten ist!"

Auch Rinoa war erschrocken, und Cids Gesichtszüge verrieten echtes Entsetzen. Er hatte noch nie ein solches Ungetüm gesehen, aber er wusste, wie gefährlich diese Kraftprotze waren. Nur Quistis blieb einigermaßen beherrscht und holte den Laptop des Direktors, tippte einige Male auf der Tastatur und zeigte dem Alien den Bildschirm, auf dem ein Bild eines Behemoths erschienen war.

„War das das Tier, auf dem dieser Mensch weggeritten sein soll?" fragte sie ihn.

Ja, bestätigte Koyo-Koyo, und er IST darauf weggeritten. Ich kann euch zu der Stelle führen, wo das Objekt abgestürzt ist, wenn ihr mir nichts glaubt.

„Das halte ich für eine sehr gute Idee", meinte Quistis nickend. „Was meinen Sie dazu, Direktor? Sollen wir die Geschichte einmal überprüfen?"

Cid, der versuchte, das Gefühl zu verdrängen, dass ihm die ganze Sache allmählich über den Kopf wüchse, nickte schnell. „Ja, fliegen Sie mit Selphie, Irvine und Xell hin. Und wenn Sie einen konkreten Hinweis erhalten, wo sich dieser... Monsterbeschwörer aufhalten könnte, dann zögern Sie nicht, sie zu verfolgen! Sie haben in dieser Sache absolute Handlungsfreiheit!"

Squall nickte. „Quistis!" wandte er sich an das blonde Mädchen. „Versuch, Xell aus der Bücherei zu holen, ohne dass er Amok läuft und Selphie und Irvine dazu zu überreden, ihr Kartenspiel zu einem anderen Zeitpunkt fortzusetzen! Rinoa und ich werden in der Zwischenzeit zur Ragnarok gehen und mit Koyo-Koyo einen Kurs berechnen. Komm so schnell du kannst wieder!"

Quistis nickte und wandte sich zur Tür. Squall glaubte allerdings einen traurig-wütenden Blick zu sehen, der in seine und Rinoas Richtung ging. Sie drehte sich allerdings gleich wieder weg und lief zum Aufzug. Er beschloss, die Sache momentan auf sich beruhen zu lassen. Wenn jemand in seinem Team Probleme hatte, dann meldete er sie vor dem Beginn einer Mission, so hatte er befohlen. Nicht auszudenken, was passieren könnte, wenn jemand erst im Kampf feststellen musste, dass er Fieber hatte!

„Ich denke aber nicht, dass Koyo-Koyo mit unseren Landkarten zurecht kommen wird", flüsterte ihm Rinoa augenblinzelnd zu. „Glaubst du wirklich, er wird an Bord der Ragnarok etwas ausrichten können?"

„Um ehrlich zu sein", entgegnete er schelmisch grinsend, „hatte ich vor, auf gut Glück loszufliegen. Aber man kann die verbleibende Zeit doch auch anders nützen, oder?"

„Aber nur, wenn du mich kriegen kannst! Wenn du mich bis zur Ragnarok einholen kannst, kriegst du eine kleine Belohnung, wenn nicht..." Mit diesen Worten rannte sie los. Einen Moment lang war Squall sprachlos über diese vertraute Szene vor Direktor Cids Augen, dann warf er diesem einen verzeihungsheischenden Blick zu – und rannte seiner Freundin nach, als wäre Omega Weapon hinter ihm her!

Koyo-Koyo war sehr verwundert. Diese Menschen scheinen mir die Sache nicht sehr ernst zu nehmen, wandte er sich an den Direktor, der den beiden lächelnd nachsah. Ich bekomme Zweifel, die richtigen Leute gewarnt zu haben.

„Sie sind vollkommen unbegründet", entgegnete Cid, „denn so sind junge Menschen nun einmal. Sie können sich darauf verlassen: Wenn irgendjemand auf dieser Welt es mit diesem Raumfahrer aufnehmen kann, dann sind sie es! Aber damit tragen sie auch eine schwere Verantwortung, und die versuchen sie eben zu überspielen."

Koyo-Koyo wirkte ziemlich verwirrt, aber er fragte nicht weiter, sondern wendete sein UFO und schwebte den beiden hinterher. Direktor Cid schloss die Augen. Es fiel ihm immer wieder schwer, diese jungen Leute, die Edea und er aufgezogen hatten, in den Kampf zu schicken. Aber es war das Leben, für das sie ausgebildet worden waren und – was noch wichtiger war – das sie leben wollten!

„Na, war das nicht eine gute Idee, an dem komischen UFO mal einen Sender anzubringen?" fragte Rai-Jin, stolz auf seine Idee. „Jetzt wissen wir, was diese seltsame Blechbüchse war!"

Fu-Jin nickte ihm lediglich knapp zu, Cifer jedoch meinte: „Ja, das war eine grandiose Idee. Bis heute dachte ich, dieses Stück Weltraumschrott wäre ein völliger Fehlschlag gewesen, aber jetzt..."

Mit diesen Worten stieß er sich von der Wand ab, an der er lehnte und zog er einen abgerissenen Computerausdruck aus der Tasche seines Mantels. „... jetzt weiß ich, dass wir auf eine Goldmine gestoßen sind! Mit diesem Monsterbeschwörer als Verbündeten wird es uns endlich möglich sein, Rache an Squall und seiner Truppe zu nehmen! Endlich!" Er schwenkte ihn triumphierend über seinem Kopf. „Der rote Punkt in den Bergen nördlich von Esthar... das muss ein Versteck sein, in das sich unser künftiger Auftraggeber zurückgezogen hat. Wir werden ihn suchen und finden!"

„Bist du mal sicher, dass du dich an Squall rächen willst, Cifer? Immerhin hatte er Recht, Artemisia hat dich mal wirklich benutzt, um an ihr Ziel zu gelangen", warf Rai-Jin ein.

„Stolz?" fragte Fu-Jin auf ihre roboterhafte Weise, was sie irgendwie kalt wirken ließ.

„Stimmt", pflichtete ihr Cifer bei. „Ich will mich nicht rächen, weil die SEEDs Artemisia besiegt haben, das war schließlich ihr Job. Ich hätte ihn genauso gemacht, wäre ich nicht ihr Hexen-Ritter gewesen. Nein, ich will mich rächen, weil sie mich besiegt haben, sogar mehrere Male! Mich! Ich will, dass sie zugeben, dass sie mich nur dank ihrer verdammten G.F. besiegen konnten!" Er ballte die Faust und steckte das Papier ruckartig wieder in seine Tasche. Dann begann er wieder zu lächeln, allerdings unheilversprechend. „So, was haltet ihr davon, wenn wir uns sofort auf den Weg machen? Squall und seine Bande werden sicher bald losfliegen und die Zeit, die sie verlieren werden, um die Kapsel zu untersuchen, gibt uns nicht gerade viel Vorsprung! Dieses verrückte Alien hat uns ja zum Glück genug Reserven überlassen, um die ganze Weltbahn zu kaufen, warum mieten wir uns also kein Abteil?" Er klimperte grimmig lächelnd mit den Münzen in seiner Tasche.

„Weit!" warf Fu-Jin auf ihre unnachahmliche Art ein.

Rai-Jin stimmte ihr zu. „Ja, wir müssen mal einen großen Umweg über Fisherman's Horizon machen. Wir sollten schleunigst los, sonst kommen uns die SEEDs mal zuvor!"

Cifer nickte und wandte sich um. „Dann nichts auf wie nach Balamb zum Bahnhof! Und dann unserem Schicksal entgegen!"

5.4 Kapitel 3

Die Berge südlich der Weltstadt Esthar kamen schnell näher, sehr schnell sogar. Die Geschwindigkeit, die von einer Rakete verlangt wurde, wirkte auf der Erde wirklich unglaublich. Vor allem, wenn man im Cockpit saß. Squall stand in der Mitte des Raumes und hatte die Hände verschränkt. Er hatte es sich angewöhnt, vor einer Mission seine Freunde heimlich zu beobachten. Rinoa saß an der linken Waffenkanzel und hatte sich entspannt zurückgelehnt. Selphie plapperte angeregt mit Koyo-Koyo, der dies augenscheinlich zu begrüßen schien, was das kleine Alien Squall noch fremdartiger erscheinen ließ. Nun ja, vielleicht erwartete es sich Informationen, was es als nächstes als Souvenir mit nach Hause nehmen konnte...

Da das gelbgekleidete Mädchen gleichzeitig auch noch fliegen musste, stand Irvine hinter ihr, um sie zu warnen, wenn etwas, das groß genug war, um die Ragnarok zu beschädigen, in ihre Flugrichtung kam. Eine mittlere Bergkette zum Beispiel. Irvine machte sich nichts vor. Er wusste genau, dass alle anderen wussten, dass er Selphie sehr mochte, und deswegen machte es ihm auch nichts aus, dass sie die bewundernden Blicke sahen, die er seiner früheren liebsten Spielkameradin im Waisenhaus zuwarf. Leider war er sich bei dem Mädchen selbst nicht sicher, ob sie seine Gefühle erwiderte, deshalb beobachtete er sie nur verstohlen.

Squall schüttelte kurz den Kopf. Er selbst war froh, dass diese Phase der aufkeimenden Liebe bei Rinoa und ihm bereits vorbei war. Es war einfach lächerlich, mit ansehen zu müssen, wie die zwei füreinander schwärmten, Selphie mit ihrer kindlichen Unschuld, Irvine mit einer für ihn absolut untypischen Scheu, und sie nicht merkten, dass der andere genau so empfand. Nun ja, andererseits hatte Selphie nie offensichtlich tiefergehende Gefühle als Freundschaft für den Scharfschützen gezeigt, vielleicht verunsicherte ihn das. Liebe war so kompliziert!

Weiter im Text. Xell stand hinter Squall und verdrehte gerade die Augen, während er anklagend die Hände gen Himmel hob. Er war bei weitem nicht der einzige, der Selphies Sprachtalent nicht zu schätzen wusste, eigentlich gab's da außer Irvine fast niemanden, aber sie machte das bei den meisten durch ihr fröhliches Wesen mehr als wett. Bei Xell nicht. Aber auch er mochte das Mädchen, auch wenn er es nicht offen zeigte. Aber vielleicht war das auch nur die Frustration, weil er bei seiner Lektüre gestört worden war, die er zufälligerweise neben einer gewissen Bibliothekarin sitzend gelesen hatte. Squall gestattete sich ein amüsiertes Schnauben, dann sah er weiter.

Als letztes fiel sein Blick auf Quistis. Die ehemalige Ausbilderin des Gardens hatte sich in den letzten Tagen ziemlich seltsam verhalten. Immer wieder warf sie kurze Blicke auf Rinoa und ihn, aber auch auf Selphie und Irvine, die teils traurig, teils anklagend waren. Er wurde daraus nicht schlau, oder besser, er wollte es nicht werden. Wahrscheinlich war er für diese Sache auch nicht der richtige Gesprächspartner. Sein Blick wandte sich Rinoa zu. Das war wohl eher ein Job für das Mädchen, das es selbst jetzt noch schaffte, den großen Helden und Hexenbezwinger Squall Leonhart aus der Fassung zu bringen.

Er machte einen Schritt auf seine Freundin zu und flüsterte ihr zu: „Rinoa, sieh jetzt nicht hin, aber ist dir schon aufgefallen, dass Quistis in letzter Zeit sehr... deprimiert wirkt? Und zwar immer dann, wenn sie uns zusammen über den Weg lief?"

Rinoa sah ihn überrascht an, dann begann sie zu strahlen. Sie flüsterte zurück: „Ja, das ist mir auch aufgefallen, aber ich hab's nicht so ernst genommen. Ich freue mich allerdings, dass es dir aufgefallen ist. Das zeugt von einem guten Anführer. Soll ich mal mit ihr reden?"

Squall nickte und richtete sich wieder auf. „Quistis, Rinoa!" rief er. „Ihr beide seht euch mal die Verteidigungssysteme an. Ich hoffe nicht, dass wir von jemandem angegriffen werden, aber man kann nie wissen."

Xell sah ihn überrascht an. „Aber Squall", protestierte er. „Du weißt doch genau, dass ich die Systeme gestern erst..."

Sein Truppenführer schnitt ihm mit einer Geste das Wort ab und versuchte, ihn anzublinzeln, ohne dass es jemand anders sah. Er wusste allerdings nicht, ob Xell das Zeichen verstehen würde. Anscheinend ja, denn er widersprach nicht mehr. „Ich finde es aber trotzdem besser, wenn die beiden es noch einmal überprüfen. Wenn dir langweilig ist, halte ich dich nicht auf, die Waffenkontrollen zu checken, Xell!"

Einen Moment lang war der Faustkämpfer völlig perplex ob des scharfen Tons, den Squall angeschlagen hatte, dann zuckte er mit den Schultern. „Soll mir Recht sein", entgegnete er. „Immer noch besser, als hier drinnen taub zu werden. Tschüss, ruft mich, wenn wir landen!" Dann verschwand er mit dem Aufzug.

Rinoa stand auf und trat ebenfalls vor die Lücke, die der davonfahrende Aufzug hinterlassen hatte. Quistis wirkte zwar nicht sonderlich begeistert, erhob sich aber trotzdem und ging zu Rinoa hin. Eine Minute später fuhren auch sie hinunter. Squall nickte und sah wieder nach vorn. Irvine blickte ihn an, lächelte und gab ihm das O.K.-Zeichen. Dann wandte er sich wieder seiner Arbeit oder eher Selphie zu. Squall war beruhigt. Er war sich selbst nicht sicher gewesen, ob es eine gute Idee war, mit Quistis über ihr Problem zu reden. Dass Irvine, der doch schon die eine oder andere Erfahrung mit Frauen hatte (ach was, er war mit Abstand der Junge im Garden, der am meisten über die weiblichen Bewohner der Kampfschule wusste!) seine Entscheidung billigte, stimmte ihn fröhlicher, auch wenn man es ihm wie üblich nicht ansah. Außerdem zeigte es ihm, dass der Scharfschütze trotz gewisser ablenkender Faktoren noch immer auf seine Umgebung konzentriert war.

„Cheeeef!" drängte sich Selphie in seine Gedanken. „Was haaaat Xell eigentlich mit taub werden gemeint?"

Diesmal musste sich Squall beherrschen, um nicht zu grinsen. Es gelang ihm nicht ganz.

Rinoa stapfte hinter Quistis her, die wirklich ein beeindruckendes Tempo vorlegte. Es wirkte, als ob sie vor irgendwas weglaufen wollte. „Quistis, warte!" rief sie ihrer Freundin nach. „Ich möchte mit dir reden."

Die Angesprochene verharrte, dann drehte sie sich betont langsam herum und fragte beinahe feindselig: „Reden? Über was denn? Ich denke, unser Auftrag ist völlig klar!"

Rinoa war beinahe schockiert, aber ihr Widerstandsgeist, von der Zeit als Anführerin der Waldeulen bestens geschult, half ihr zu sagen: „Es geht nicht über den Auftrag. Es geht um dich selbst, Quistis, und du weißt auch warum!" Sie holte einmal tief Luft und fuhr dann fort: „Du kannst niemandem von uns verheimlichen, dass du dich unwohl fühlst, wenn wir zusammen sind. Aber wir können uns trotzdem nicht denken, warum das so ist. Hat dir irgendjemand von uns etwas getan, Quistis, oder etwas gesagt, was dich verletzt hat? Bitte sag es mir, damit ich dir helfen kann."

„Wieso?" fragte die blonde Frau, Rinoas Blick bewusst ausweichend, aber nicht mehr so kalt wie vorher. „Hast du dich etwa um den Posten des Psychiaters beworben? Mir geht's gut genug, danke! Ich werde diese Mission schon durchziehen, wenn es das ist, wovor Squall sich fürchtet."

Rinoa wurde es langsam zu dumm. Wenn ihr Quistis dauernd auswich, dann hatte sie keine Chance, etwas über ihr Problem zu erfahren. Aber die junge Frau musste darüber reden, das spürte sie, auch wenn es ihr Stolz nicht erlaubte. Sie ergriff Quistis' Arm und hielt ihn so fest, dass diese erstaunt zu ihr aufsah. „Jetzt hör mir mal zu!" brauste sie auf. „Niemand kann dir helfen, wenn du dich in ein Schneckenhaus zurückziehst! Irgendwann musst du mit jemandem über den Problem, was es auch immer ist, reden, und warum soll das nicht ich sein? Ich bin deine Freundin, Quistis, und die anderen auf diesem Schiff auch! Oder ist es etwa wegen Squall und mir? Liebst du ihn immer noch?"

Quistis versuchte, ihr zu entkommen, aber Rinoa packte auch noch ihren anderen Armen und zwang sie zu bleiben. „Nein", gab sie zu, nun plötzlich mit brüchiger Stimme, „ich liebe ihn nur noch wie einen Bruder. Aber irgendwie... seid ihr trotzdem Schuld, und das macht es so schwer, darüber zu reden. Bitte lass mich los, ich... will nicht darüber sprechen!"

„Warum?" bohrte Rinoa weiter. „Quistis, du siehst doch selbst, wie sehr es dir zu schaffen macht. Du musst mit mir darüber reden, oder du wirst dich nicht mehr auf die Mission konzentrieren können. So etwas kann dich das Leben kosten! Komm, lass uns dir helfen, du weißt doch, dass wir deine Freunde sind, wieso weigerst du dich auf einmal, mit uns zu reden?"

Einen Moment lang konnte ihr Gegenüber die Fassade noch aufrechterhalten, dann sprudelten ihr die Worte förmlich aus dem Mund. Und Rinoa bemerkte auch, dass Quistis, die stolze Quistis, Tränen in den Augen hatte. „Ja, ihr seid meine Freunde. Aber jedes Mal, wenn ich euch sehe, werde ich daran erinnert, dass es in euren Leben auch noch andere Menschen gibt, die euch viel bedeuten. Squall und du, ihr seid zum Leidwesen vieler Schülerinnen das Traumpaar der Schule, Irvine und Selphie sind einander vollkommen verfallen, auch wenn sie's nicht zugeben können, und sogar Xell hat eine Bewunderin gefunden, wegen der er sich schon eine halbe Stunde, bevor die Bibliothek öffnet, auf die Lauer legt! Und ich? Ich habe niemanden, der mich liebt. Und ich werde nie jemanden haben..."

Voll ungläubigem Staunen sah Rinoa, dass die Peitschenkämpferin auf dem Boden sank und ihr Körper von stummen Schluchzern geschüttelt wurde. Einen Moment lang war sie so erschrocken, dass sie nichts tun konnte, als Quistis anzustarren, aber dann löste sich der Bann und sie ging ebenfalls in die Knie. Sie zog (wenn sie das im Garden erzählen würde, würde sie jeder sofort zu Dr. Kadowaki schicken, da war sie sich sicher) das weinende Mädchen zu sich heran und versuchte, sie mit ihren Hexenkräften etwas zu trösten, während sie redete: „Aber Quistis, was redest du da? Du weißt doch, dass du im Garden einen riesigen Fanclub hast, der dich bewundert. Uns allen hier, sogar Squall, von dem sogar ich es nicht erwartet hätte, ist aufgefallen, dass du leidest, und wir alle wollen das beenden. Und denk an Direktor Cid und Edea, die euch aufgezogen haben. Glaubst du im Ernst, dass sie dich einfach deinem Schmerz überlassen würden?"

Ihr Schützling war während dieser Worte sichtlich ruhiger geworden, und jetzt löste sie sich auch aus ihrer Umarmung und stand wieder auf. Sie lächelte Rinoa dankend zu, was wegen der Tränen in ihrem Gesicht nicht ganz ernst wirkte. „Du weißt aber, Rinoa, dass ich nicht diese Art von Liebe gemeint habe", konterte Quistis. „Aber danke für deinen Trost. Ich denke, ich hatte ihn dringend nötig." Sie wischte sich die Tränen aus den Augen und als Rinoa sie wieder sehen konnte, was sie wieder die selbstbewusste Frau, die sie kannte.

„Komm jetzt", meinte die Frau, „wir sind schon stark überfällig. Wir sollten uns beeilen und diese blöden Systeme kontrollieren, damit niemandem was auffällt."

Rinoa lachte hell auf. „Glaubst du denn im Ernst", fragte sie prustend, „dass Squall uns deswegen hier herunter geschickt hat?" Sie kicherte noch ein paar Sekunden, dann stand auch sie auf und wandte sich zum Aufzug um. Die junge Hexe konnte sich gut vorstellen, dass ihre Freundin hinter ihr jetzt sicher ein ungläubiges Gesicht machte und auch über diese Vorstellung musste sie kurz grinsen. Dann lief sie los. Einen Moment lang war Quistis anscheinend noch überrascht, dann folgte sie ihr.

„Ich sag's nur ungern, aber der Kerl, der dieses Ding gebaut hat, war ein echtes Genie", bemerkte Irvine, während er staunend die kleine Delle musterte, die die Stahlmunition seiner Exetor in der Außenhülle der Kapsel verursacht hatte. „Ich schätze, wenn ich das Ding aufbekommen wollte, müsste ich wahrscheinlich die Pulsarmunition rauskramen!"

Squall nickte ohne Kommentar. Dass die Kapsel einiges aushalten konnte, war ja klar, da sie die Träne des Mondes überstanden hatte. Aber dass sie ihren Waffen trotzen konnte, war wirklich überraschend. „Lass das lieber", warnte er, als er sah, dass der Scharfschütze in seinen Taschen zu wühlen begann, „die Einstiegsluke ist schließlich schon offen. Wir sollten die Kapsel lieber nicht allzu sehr beschädigen. Sie könnte noch mal nützlich."

„Wenn du meinst." Irvine wirkte enttäuscht. „Aber gib doch wenigstens zu, dass du selbst gern den „Herzensbrecher" eingesetzt hättest, stimmt doch oder?"

Squall zuckte mit den Schultern. „... lass mich doch", brummte er und wandte sich um, um nicht sehen müssen, wie Irvine sich das Lachen verkneifen musste. „Habt ihr da drinnen schon was gefunden?" fragte er Xell und Quistis, die sich zu zweit in das Raumfahrzeug gequetscht hatten und das Innere durchsuchten. Dass die Kapsel nur für eine Person gebaut war, erschwerte diese Aufgabe natürlich etwas.

„Wie zum Geier soll ich denn irgendwas aus diesem Computer rauskriegen, wenn ich keinen Platz habe, um zwei Finger gleichzeitig zu rühren?" beschwerte sich Xell lautstark, während er versuchte, das Gesicht mehr als 10 cm vom Bildschirm wegzubekommen.

„Jetzt meckere hier nicht so rum, Xell", verteidigte sich Quistis. „Ich bin es sicher nicht, der von uns beiden den meisten Platz verbraucht! Wahrscheinlich sehen wir hier nur die Folgen deiner Hot-dog-Sessions in den letzten Wochen. Aber egal, ich muss sowieso mal raus an die frische Luft." Mühsam befreite sich Quistis aus der Kapsel und atmete erleichtert auf. „Hier liegt ja alles voller Mondsteine", bemerkte sie und bückte sich. Tatsächlich, überall um die Kapsel verstreut lagen die seltenen Items, aus denen man starke Zauber gewinnen konnte. „Ich glaube, ich stecke lieber ein paar ein. Wäre eine Verschwendung, sie hier liegen zu lassen."

Im selben Moment hörte man von der Rückseite des Raumfahrzeugs ein Grollen und im krassen Gegensatz Selphies helle Stimme: „Heeeee, Jungs, wir könnten hier ein wenig Hilfe gebrauchen! Hier sind dreiiiii Quale aufgetaucht!"

Squall wollte schon nach der Löwenherz an seinem Gürtel greifen, als ihn Irvine aufhielt. „Nichts da", meinte er. „Du hast heute deinen Spaß schon gehabt, jetzt sind wir mal dran! Wartet mal, Mädchen, lasst mir auch noch was von den Viechern übrig!" Und schon war er weg. Squall runzelte die Stirn. Eigentlich war es ja verboten, dass ein SEED seinem Anführer vorschrieb, wann er zu kämpfen hatte und wann nicht... aber Direktor Cid hatte ihnen nicht umsonst unbeschränkte Handlungsfreiheit gewährt. Sollten andere die Vorschriften befolgen, er wollte ohnehin noch einmal mit Quistis reden.

Statt dessen hörte er eine andere Stimme hinter ihm. Braucht ihr mich noch? wollte Koyo-Koyo wissen. Ich möchte endlich zu meinem Heimatplaneten zurückfliegen. Ich habe euch alles gesagt, was ich gesehen habe. Ist meine Anwesenheit hier noch nötig?

„Nein", sagte Squall schlicht. „Sie ist nicht mehr nötig. Du hast der Erde einen großen Dienst erwiesen, Koyo-Koyo. Ich glaube nicht, dass wir dir genug dafür danken können."

Bekomme ich dafür ein Elixier? fragte der kleine Außerirdische aufgeregt. Seine schwarzen Augen sahen so bittend, dass Squall beinahe gelächelte hätte. Beinahe.

Quistis hatte lächeln müssen. „Nein", meinte sie. „Wir werden dir kein Elixier geben. Aber dafür das hier." Sie gab ihm ein Fläschchen, welches das Alien sofort an Bord beamte. „Wir nennen es Heldentrank. Wenn du einmal in Gefahr kommen solltest, trink es, und dir wird nichts passieren."

Danke, sagte der Außerirdische nickend und ließ sein UFO langsam höher schweben. Vielleicht sehen uns ja einmal wieder. Ich habe von der Redegewandten einige Dinge gehört, die ich unbedingt einmal begutachten muss. Mit diesen Worten drehte sich das kleine Raumfahrzeug um 180 Grad und beschleunigte, bis es nicht mehr zu sehen war. Squall und Quistis sahen ihm noch einige Zeit nach.

„Hör mal", fing er an, „deinem Gesichtsausdruck nach hat Rinoa bereits mit dir gesprochen. Wenn du jetzt auch noch mit mir reden möchtest..."

„Danke", entgegnete Quistis kühl. „Jetzt nicht. Was das angeht, will ich im Moment nichts sagen. Vielleicht klärt es sich ja von allein. Ich danke dir, dass du mir Rinoa auf den Hals gehetzt hast, aber das ist meine Sache, und ich will sie allein ins reine bringen!"

Squall nickte und drehte sich um. Xell war gerade dabei, aus der Kapsel zu kriechen. „Hey, Squall", rief er aufgeregt. „Kommt mal her, ihr zwei. Ich glaub' ich hab' was Interessantes gefunden!"

Nachdem Squall und Quistis sich so platziert hatten, dass sie beide vom Eingang auf den Bildschirm sehen konnten, machte Xell eine einladende Geste. „Seht euch mal das an! Das ist eine Karte von Esthar, die in letzter Zeit ziemlich oft aufgerufen wurde. Und jetzt schaut mal, was passiert, wenn ich auf diesen roten Punkt hier in den Bergen drücke..."

Einen Moment lang geschah überhaupt nichts. Dann jedoch begannen sich von diesem roten Punkt verschiedenfarbige Linien zu lösen, die begannen, Esthar einzukreisen. Die Linien verharrten einige Augenblicke lang, und plötzlich bewegten sich alle wie auf Kommando auf das Stadtzentrum zu. Als sie einen bestimmten Punkt erreicht hatten, begann dieser gelb zu blinken.

„Und was soll das?" wollte Squall wissen. „Ich sehe nicht, wie uns das weiterhelfen könnte."

Statt eine Antwort zu geben, betätigte Xell ein paar Tasten, und auf einmal vergrößerte sich der Bildausschnitt um eine der Linien, sodass eine Schrift deutlich wurde. Dort standen... einige Monster, zusammen mit eingeklammerten, beängstigend hohen Zahlen und einige Standorte in Esthar, zum Beispiel das Magielabor und das Einkaufszentrum. „Das ist nur bei dieser Linie", erklärte Xell. „Bei anderen stehen andere starke Monster wie Rumbrum-Drachen, Behemoths, Archeodinos, Morbole, was du willst. Und Ziele wie die Residenz, die wichtigsten Kreuzungen und die Stadtausgänge. Und jetzt zeige ich dir mal, was passiert, wenn man auf dieser Karte Esthar anklickt!"

Einige Sekunden später erschien eine Großaufnahme der Residenz mit einigen Verteidigern, die gleich darauf von den genannten Monstern besiegt wurden. Und danach erschien eine Textbox mit der Nachricht:

Einsatzziel – Einnahme der Residenz; Überwältigung oder Auslöschung der Militärkräfte; unbedingter Tod der Hexe!

„Wenn du mich fragst", ließ Xell vernehmen, „haben wir es mit einem Typ zu tun, der mit einer Armee aus Monstern plant, Esthar zu erobern. Und er ist offenbar davon überzeugt, dass Adell noch immer dort herrscht. Hier steht, er will alle auslöschen, die sich ihm entgegenstellen, Squall!"

Dieser reagierte nicht sofort. Dann jedoch wies er den Faustkämpfer an: „Druck das einmal aus und komm dann in die Ragnarok! Quistis, du gehst schon mal vor und wirfst die Motoren an! Ich sehe mal, was die andern dort hinten so lange machen! Wir müssen sofort nach Esthar, und zwar so schnell wie möglich! Beeilung!"

Er fuhr herum um rannte zu Selphie, Irvine und Rinoa, die sich mit einigen Galchimesäras herumplagten, die ihnen anscheinend über den Weg gelaufen waren. „Hört jetzt auf mit dem Spielen!" rief er ihnen zu. „Die Sache ist ernst! Wir müssen sofort abfliegen, also macht schneller!"

Sie hatten anscheinend verstanden, auch wenn nicht alle in der Lage waren, seinem Befehl Folge zu leisten. Irvine war im Berserkerrausch, Rinoa gerade dabei, ihn davon zu heilen und Selphie beschwor gerade Kaktor. Nach der G.F.-Attacke blieb nur noch ein einziger der kleinen Quälgeister stehen, den Irvine mit einem Schuss ins Jenseits beförderte. Sie nahmen alle drei ihre Siegesposen ein, dann drehten sie sich um und liefen auf die Ragnarok zu.

„Mann, konnte das nicht warten?" raunte Irvine Squall zu, der neben ihm her lief. „Ich wollte die Punkte eigentlich Sephie überlassen!"

„Für so was haben wir jetzt keine Zeit!" fuhr Squall ihn an. „Ich erkläre euch drinnen, was los ist. Es ist wichtig, dass wir so schnell wie möglich nach Esthar kommen. Ich hoffe, es ist noch nicht zu spät!"

Der Präsident Esthars, Laguna Loire, sah erst auf, als die Tür zu seinem Zimmer in der Residenz sich öffnete und eine ihm wohlbekannte Gruppe von Kämpfern hereinschritt. Er lächelte glücklich und stand gemessen auf. Immerhin verlangte man von einem Staatsoberhaupt eine gewissen Würde, obwohl er nicht verstand, warum. Immerhin war er doch auch nur ein Mensch, oder? Und genauso verlangte man von ihm, dass er beinahe immer etwas zu tun hatte, sodass er fast keine Zeit hatte, sich mit seinen Freunden Ward und Kiros, die neben ihm standen, und seiner Adoptivtochter Ellione mal einen schönen Tag zu machen. Eben jetzt war er damit beschäftigt gewesen, ein Gesetz über längere Ladenöffnungszeiten zu verabschieden, was einfach nur lächerlich war, da der Handel in Esthar ohnehin nur noch virtuell abgewickelt wurde. Aber es war nun mal sein Job...

Er versuchte, den SEED-Gruß nachzuahmen, den ihm die sechs jungen Leute vormachten, aber er sah selbst, dass er sich nicht grade toll anstellte. Na ja, war ja auch schließlich schon eine Zeitlang her, dass er selbst Soldat gewesen war. Irgendwann würde er sie auch mal überraschen und den Gruß perfekt nachmachen. Irgendwann würde er schon Zeit finden, ihn seinen Freunden abzuschauen.

„Hallo, Elfenvolk", grüßte Kiros, sein dunkelhäutiger Freund aus der Soldatenzeit die Gruppe, die ihnen schon früher geholfen hatte. Obwohl Laguna nicht zurück sah, wusste er, dass Kiros die drei Jungen und drei Mädchen angrinste. „Schön, dass ihr wieder mal vorbeikommt. Nehmt es Laguna nicht übel, dass er euren Gruß parodiert, aber er hatte leider nur fünf Minuten Zeit, ihn zu üben. Ward und ich haben lange versucht, es ihm auszureden, aber er wollte nicht auf uns hören. Bitte nehmt davon Abstand, ihn dafür zu töten, wenn auch nur deshalb, weil ihr damit einen Krieg heraufbeschwören würdet!"

Ward, sein riesiges weißehäutiges Gegenstück, nickte lediglich und versuchte zu lächeln. Seit er bei einem Unfall seine Stimme verloren hatte, sah man ihn nicht oft fröhlich, aber wenn wirklich gute Freunde vorbeikamen, dann munterte das sogar ihn auf.

„Kiros, noch einmal so eine Bemerkung und ich degradiere dich und Ward, der dir zweifellos zustimmt, zu Büroboten!" kam sofort der Kommentar ihres Freundes Laguna. Sie waren solche Szenen schon gewöhnt, eigentlich müssten sie schon längst aus Esthar gejagt worden sein, wenn man von Lagunas beleidigten Drohungen ausging. Dieser schüttelte den Kopf und murmelte etwas von Undank und falschen Freunden, dann wandte er sich wieder strahlend seinen Besuchern zu.

„Grinst nicht ihr auch noch so unverschämt, sonst kann ich mich gar nicht mehr freuen, dass ihr gekommen seid. Seht, euer Anführer behält wenigstens noch einen Rest von Anstand. Er sieht mich immer noch ernst an." Er wusste natürlich, dass Squall, obwohl der Umgang mit Rinoa das schon ein bisschen geheilt hatte, fast nie lächelte. Nur wenn seine Freunde, und ganz besonders natürlich seine Lieblingshexe in der Nähe waren, konnte man eventuell eins sehen. „Squall, mein Junge! Ich kann zwar jetzt nicht sagen, dass du gewachsen bist, aber deine reizende Begleitung verleiht dir irgendwie neue Größe. Miss Heartilly, ich kann gar nicht beschreiben, wie anmutig Sie sich an seinen Arm klammern, mir fehlen wirklich die Worte. Irvine, wieso hat man Sie mit dieser Monsterwaffe überhaupt hier reingelassen? Wahrscheinlich nur, weil Sie gesagt haben, Sie müssten Selphie vor mir schützen. Ich muss wohl mal wieder ein paar Wachen entlassen, hab' ich das Gefühl! Xell, könnten Sie bitte damit aufhören, mich so unverschämt anzugrinsen, sonst muss ich Sie abführen lassen. Sehen Sie, Quistis hält sich wenigstens die Hand vor den Mund, auch wenn sie darunter zweifellos auch über mich lacht!"

Squall wartete, bis sich die allgemeine Heiterkeit etwas gelegt hatte, dann kam er zur Sache: „Tut uns Leid, aber wir sind diesmal leider dienstlich hier! Wir sind froh, dass wir noch rechtzeitig gekommen sind, sonst wärst du wahrscheinlich nicht mehr so fidel. Zeig ihm den Ausdruck, Xell!"

Dieser nickte, kramte in einer seiner Taschen und förderte dann einen zerknitterten Zettel zutage. Er drückte ihn dem verdutzt dreinschauenden Laguna in die Hand und meinte: „Hier. Ich bin gespannt, wie lange deine gute Laune sich noch in deinem Gesicht halten kann, wenn du das hier siehst!"

Laguna sah die Freunde einen Moment lang mit einem undefinierbaren Blick an, dann winkte er Kiros und Ward zu sich und setzte sich an seinen Schreibtisch. Ein paar Minuten lang starrten sie das Papier an, das ihnen den baldigen Untergang ihrer Heimat prophezeite, dann sahen sie wieder auf. Laguna selbst war nicht ganz so fassungslos wie seine Freunde, was wohl daran lag, dass er als Präsident einer Weltstadt mit Verantwortung umzugehen wusste. Und er war sich bewusst, dass Panik jetzt nicht angebracht war, auch wenn sie momentan sehr verlockend erschien.

„Wo habt ihr das gefunden?" Kurz und präzise. Squall begann, ihn zu bewundern.

„Auf einem der Berge südlich der Stadt", antwortete Quistis im selben Ton. „In einer Raumkapsel, die während der Träne des Mondes auf den Planeten kam." Sie erzählte sachlich und ohne Ausschweifungen die ganze Geschichte, von Koyo-Koyos Ankunft bis zum Computerszenario, das Xell entdeckt hatte. Nur ihr Gespräch mit Rinoa ließ sie aus, und niemand konnte es ihr verdenken. Wer gab schon gern ein Problem zu?

Einige Augenblicke verstrichen, in denen sich die mächtigsten Beamten Esthars darüber klar zu werden versuchten, dass diese absolut unglaubwürdige Geschichte von absolut glaubwürdigen Personen vorgetragen worden war. „Und ihr seid sicher, dass man diesem... Koyo-Koyo trauen kann?" fragte Kiros vorsichtig. „Könnte es nicht sein, dass er euch angelogen hat?"

„Natüüüürlich sind wir das!" beantwortete Selphie beinahe empört. „Schließlich hat er jede Menge Geld und Risiko aaaauf sich genommen, um zu uns zu kommen. Wieso sollte er sich in die Nähe von Menschen wagen, die ihn mööööglicherweise töten könnten?"

Ward zuckte mit den Schultern. Kiros übersetzte: „Er meint, dass wir nicht wissen können, warum uns dieses Alien belügen könnte, aber man sollte alle Möglichkeiten in Betracht ziehen. Schließlich können wir nicht einfach das Kriegsrecht über Esthar verhängen, wenn wir keine konkreten Beweise haben. Und ihr müsst doch selbst zugeben, dass diese Geschichte mit dem Behemoth ziemlich unglaubhaft ist!"

„Jetzt hört doch mal auf!" rief Irvine, langsam in Rage kommend. „Wir haben auf seine Informationen hin eine Raumkapsel gefunden, die so stabil ist, dass sie der Träne des Mondes und dem Aufprall hier auf der Erde widerstehen konnte. Glaubt ihr nicht, dass er, wenn er diese Kapsel kennen würde, nicht eine aus dem selben Material hätte, wenn er sich in feindliches Gebiet wagt? Und wir haben Dokumente gefunden, die darauf schließen lassen, dass der Pilot aus Esthar stammt, auch wenn es nicht gerade ein sorgfältig geführtes Tagebuch ist! Was verlangt ihr eigentlich noch, bis ihr euch der Gefahr bewusst werdet?" Er blickte die drei so wütend an, dass Ward sich zu seiner vollen Größe aufrichtete und Kiros sich spannte.

„Und wieso verlangst du von uns, Bürger, die seit Jahrzehnten in Frieden leben, zu bewaffnen, gegen einen Feind, den wir nicht kennen?" fragte Lagunas leise Stimme. Es wirkte irgendwie, als würde er mit einem uneinsichtigen Kind sprechen. „Was glaubst du, was passieren würde, wenn sich herausstellt, dass es diesen Feind gar nicht gibt? Die Leute würden durchdrehen! Vielleicht nicht alle, aber es würde mit Sicherheit Verletzte und möglicherweise auch Tote geben, wenn wir sie zum Narren halten. Willst du, dass wir uns so etwas aufs Gewissen laden, Irvine? Verlangst du das von uns?"

Der Scharfschütze sah betreten zur Seite. Er hatte sich nie sonderlich mit Politik beschäftigt, aber auch er verstand jetzt, was Laguna fürchtete. „Das heißt nicht", beschwichtigte der Esthar-Präsident, „dass ich euch nicht glaube oder dass ich euch gar daran hindern würde, Nachforschungen über diesen Astronauten anzustellen. Aber ich kann euch erst dann helfen, wenn ihr mit eigenen Augen die Monsterarmee gesehen habt, die er eurer Meinung nach gerade aufstellt."

Er stand auf und ging zum Fenster. Nachdem er kurz hinausgesehen hatte, lächelte er und drehte sich wieder um. Dann wurde er wieder ernst. „Was ich auf alle Fälle tun werde, ist, die anderen Staaten darüber zu informieren, dass möglicherweise auch für sie Gefahr droht. Wer weiß, was dieser Verrückte plant, wenn Esthar wirklich fallen sollte?"

„Du willst also die Hände in den Schoß legen und abwarten?" Rinoa wirkte fast schockiert. „Du hast dich wirklich verändert, Laguna! Früher hättest du dich aufgemacht, um diesen Monsterbeschwörer alleine fertig zu machen, aber heute willst du lieber hier bleiben und auf den Tod warten? Ich kann dich nicht verstehen!"

Kiros lächelte traurig. „Das ist auch gut so. Wenn jeder von euch verstehen würde, zu welchen Handlungen Staatsoberhäupter oft gezwungen sind, dann würdet ihr euch wahrscheinlich von jeder Autorität abwenden. Aber es sind nun mal nicht alle so stark wie ihr, Rinoa. Diese Menschen da draußen in der Stadt haben seit Adells Herrschaft friedlich gelebt, und sie wollen das auch weiterhin tun. Willst du ihnen jetzt eine flammende Rede über Ehre und Kampf halten, die dich vermutlich mehr begeistern würde als sie, und sie dann in den sicheren Tod schicken?"

Rinoa sah nicht so aus, als wäre sie von der Entscheidung ihrer Freunde begeistert, aber Squall warf ihr einen Blick zu, nicht mehr weiter zu streiten. Er, der er selbst schon die Verantwortung über den gesamten Balamb-Garden innegehabt hatte, konnte Laguna verstehen. Es war nicht leicht, darüber hinwegzusehen, dass nicht jeder ein Kämpfer war, den man ohne Gewissen einsetzen konnte.

Laguna klatschte in die Hände. „Aber jetzt genug von der Politik", rief er, und plötzlich war er wieder der ein wenig linkische, aber gutherzige Ex- Soldat, den sie alle kannten. „Ich habe jemanden herbestellt, der euch gerne einmal wieder sehen wollte. Und ich glaube, ihr möchtet auch mit ihr reden."

Bevor der Gedanke, wer diese Person sein könnte, Gestalt in den Köpfen der Freunde annehmen konnte, öffnete sich auch schon die Tür und ein etwa 20- jähriges, braunhaariges Mädchen mit weißem Rock und blauer Bluse bekleidet kam herein: Ellione, ihre frühere große Schwester im Waisenhaus, die sie und Lagunas Truppe zusammengebracht hatte. Sofort hellten sich alle Gesichter, selbst das von Squall, auf.

Rinoa löste sich sofort von Squall und rannte auf das ältere Mädchen zu, um es zu umarmen. „Ellione!" rief sie. „Du ahnst ja gar nicht, wie du uns gefehlt hast! Wo hast du nur die ganze Zeit gesteckt? Wir haben dich bei keinem einzigen unserer Besuche gesehen!"

Ellione lächelte wie eine Mutter, die ihr Kind streichelt. „Ich bedaure auch, dass wir uns so lange nicht sehen konnten, Hexenschwester", flüsterte sie. Mehr konnte sie nicht sagen, denn schon waren die anderen heran. Xell und Selphie warfen sich ihr ungestüm an den Hals, während Quistis und Irvine sich damit begnügten, ihr auf die Schulter zu klopfen und sie mit leuchtenden Augen anzustarren. „Genug, genug", lachte sie schließlich. „Ich freue mich ja auch, euch wiederzusehen, aber wenn ihr mich nicht bald loslasst, werde ich es mir genau überlegen, bevor ich noch einmal zu euch komme!"

Nachdem sie sich einigermaßen von ihren Anhängseln befreit hatte, ging sie auf die verbleibenden vier Personen im Raum zu. „Du hast dich sehr verändert, Squall!" bemerkte sie. „Früher wolltest du mich nie mit jemandem teilen, und jetzt willst du mich nicht einmal mehr begrüßen? Was ist mit dir los?"

„Ich habe lediglich gelernt, dass nicht alles mir gehört, was ich mir wünsche", entgegnete dieser. Dann grinste er und umarmte seine liebste Spielgefährtin aus Jugendtagen. „Schön, dich wiederzusehen, große Schwester!"

Einen Moment lang ließ sich Ell diese Zärtlichkeit gefallen, dann löste sie sich sanft von ihm und wandte sich ihrem Adoptivvater und dessen Freunden zu, die sich offenbar schon vernachlässigt fühlten. Squall sah ihr nach, bis er ein vertrautes Gewicht an seinem Arm spürte.

„Ich hoffe, du bist mir nicht böse, weil ich einfach so weggerannt bin", flüsterte Rinoa ihm zu. Dann veränderte sich ihr Blick und sie fragte drohend: „Aber was hatte diese innige Umarmung eben zu bedeuten, hä? Kann ich dich denn keine drei Sekunden aus den Augen lassen, ohne dass du mir untreu bist?"

Squall schob seine Hand unter ihr störrisch vorgeschobenes Kinn und wisperte ihr zu: „Was glaubst du denn, wie ich mich gefühlt habe, als du mich so mir nichts, dir nichts wegen Ell verlassen hast? Kannst du mir etwa verdenken, dass ich mich irgendwo wegen dieses Seelenschmerzes trösten musste? Du musst mir eben versprechen, mich nie wieder zu verlassen!"

Rinoa schmunzelte. „Das ist annehmbar!" meinte sie und schlang die Arme um seinen Hals, bevor sie ihm einen langen Kuss gab.

„Jetzt fangen die schon wieder an", stöhnte Xell auf. „Passt auf, irgendwann ersticken sie noch mal daran!" Die beiden ließen sich davon nicht stören, sondern genossen es, die Lippen des anderen genauestens auf den Geschmack zu prüfen.

Erst, als Laguna sich zurückhaltend räusperte, kappten sie die Verbindung wieder, nicht ohne Bedauern. Sie sahen sich um und blickten direkt in Ells und Lagunas Gesicht, die sie wie glückliche Eltern ansahen, und eben diese Mienen ließen sie ein wenig rot werden und die Arme vom Körper des anderen wegnehmen. Squall erinnerte sich noch genau daran, wie Edea und Cid geschaut hatten, als sie sahen, wie er und Rinoa sich ihren ersten Kuss gaben. Das war auf der Feier im Garden anlässlich ihres Sieges über Artemisia gewesen, und die beiden waren, angelockt durch Irvine, Selphie und Quistis, die wie gebannt auf die Terrasse sahen, Zeugen dieses Ereignisses geworden. Xell, der ebenfalls zu ihnen gestoßen war, hatte schon befürchtet, seine Ziehmutter würde in Ohnmacht fallen und hatte sich auffangbereit hinter sie gestellt, aber Cid hatte Edea lediglich den Arm um ihre Schulter und sie ihren Kopf an seine gelegt. Dann hatten sie wie stolze Eltern lächelnd zugesehen. Er und Rinoa hatten erst nachher gemerkt, dass die beiden auch zugesehen hatten und waren sofort noch röter geworden als jetzt.

„Ich wollte euch die Szene ja nicht verderben", äußerte Laguna, sonderbar hustend, „aber Ell möchte euch gerne einladen, noch einen Tag hier zu verbringen. Wenn die Monsterarmee kommt, müsst ihr ohnehin hier bleiben, um die Stadt zu verteidigen, und außerdem sieht man noch keine Anzeichen für dieses Unternehmen. Also wagt es nicht, dem Befehl eurer großen Schwester zuwiderzuhandeln!"

Squall sah die anderen an und nickte. Mit Ellione wollte sich keiner der unbesiegten Hexenbezwinger anlegen.

Teil 2 is coming soon!