Da bin ich wieder... Mal mit einer neuen, etwas ernsteren Geschichte. Wird vermutlich ein Weilchen dauern, bis ich damit durch bin, also übt euch schon mal in Geduld! Aber ihr wisst ja: Reviews spornen mich immer zum Tippen an... xD

xxx

Es war nicht so, dass er genau wusste, warum es ihn nach draußen an den Rand des Verbotenen Waldes trieb. Vermutlich war es ganz einfach die Tatsache, dass er keine Lust auf die Blicke seiner Mitschüler hatte - Blicke irgendwo zwischen Mitleid und Erwartung, so als müsste er in nächster Zukunft Voldemorts Leiche aus einem Schrank ziehen um das alles zu beenden.

Auch Ron und Hermine waren keine sonderliche Hilfe zur Zeit... So sehr sie auch versuchten, alles beim Alten zu belassen - es war anders. Sirius war tot, daran war nichts zu rütteln, und Harry hatte somit noch ein Stück seiner Familie verloren.

Wütend biss er sich auf seine Lippen und stapfte weiter. Er sollte wirklich aufhören, bei jeder Gelegenheit seinen Patenonkel oder seine Eltern in Gedanken wieder aufleben zu lassen - das würde sie nicht zurückbringen und besser fühlen würde er sich dadurch sicherlich auch nicht.

Nach ein paar Metern blieb er wie erstarrt stehen.

Etwa 50 Meter vor ihm, nur schemenhaft durch das dunkle Grün des Waldes zu erkennen, stand eine Gruppe von Thestrals. Ihr schwarze Haut schimmerte leicht im changierenden Licht des Waldes und mit einiger Verspätung bemerkte Harry die einsame Gestalt, die mitten in der Herde stand. Silberblondes Haar wurde von dem unheimlichen Licht der Umgebung illuminiert und ließ die ganze Szene unwirklich erscheinen, wie ein Bild aus einem Traum. Langsam hob die Person eine Hand und legte sie zögerlich einem der pferdeähnlichen Geschöpfe - dem Größten, vermutlich dem Anführer der Herde - auf den Hals um sanft die lederartige Haut über den sich deutlich abzeichnenden Knochen zu streicheln.

"Malfoy", wisperte Harry kaum hörbar, trat noch einen Schritt näher, woraufhin ein Ast unter seinen Füßen lautstark zerbarst, und sah immer noch wie hypnotisiert den Slytherin an, der in diesem Moment den Kopf drehte und den ungebetenen Zuschauer überrascht anstarrte. Die silbergrauen Augen Dracos weiteten sich und seine Hand sank ertappt von dem Hals des Thestrals, das daraufhin unwillig den Kopf hob und dem Blonden einen leichten Schubs gegen die Brust verpasste.

"Potter", stieß der Slytherin leise hervor und runzelte unwillig die Stirn, "du hast hier nichts zu suchen."

"Du ebenso wenig, Malfoy", erwiderte Harry sofort aus lang antrainiertem Abwehrtraining und wunderte sich selbst über den in ihm aufkeimenden Ärger über diese Aussage des Anderen. Was hatte er denn erwartet? Solch eine Begrüßung war zwar nicht gerade besonders freundlich, aber dafür wenigstens äußerst Malfoy-typisch.

Dieser drehte den Kopf zur Seite und sah angestrengt an den Thestrals vorbei auf den Waldboden vor ihm. Erst jetzt fiel Harry auf, was ihn schon von Anfang an an dem Bild des Blonden in der Thestral-Herde gestört hatte - seit wann konnte Malfoy bitte diese Geschöpfe sehen, die doch nur die wahrnehmen konnten, die einen Menschen hatten sterben sehen? "Wen hast du sterben sehen?" fragte er ziemlich platt und trat sich im selben Moment mental dafür. Auf diese Weise würde Malfoy sicherlich nicht antworten, und Harry konnte es ihm noch nicht einmal verübeln. Dabei wollte er es wirklich wissen, auch wenn er nicht mal genau wusste, warum.

"Verschwinde, Potter", gab Malfoy nur zurück und verkrampfte seine Hand etwas, woraufhin das Thestral vor ihm den Kopf nach vorne streckte und sanft über die Haut des Blonden fuhr. Sofort entspannte sich der Slytherin wieder, und gab Harry somit ein neues Rätsel auf: Warum verstand sich dieser unterkühlte Eisklotz so gut mit den so genannten Geschöpfen der Nacht? Hatten die Thestrals wirklich eine derart schlechte Menschenkenntnis?

"Wieso sollte ich?" fragte Harry zurück, gleich in den aggressiven Ton verfallend, den er immer inne hatte sobald er ein Wort an den Blonden richtete.

"Du störst und ich habe keine Lust, dein blödes Gesicht länger als nötig ertragen zu müssen", sagte Malfoy ungerührt und sah Harry aus seinen kalten, grauen Augen ungerührt an. Täuschte sich der Gryffindor - oder war da fast so etwas wie ein kleiner Hauch von Schwäche in den sonst ihm bekannten Seen aus flüssigem Silber? Sah er da etwa so etwas wie Schmerz durch die Fassade der Überheblichkeit hindurch blitzen?

"Wen hast du sterben sehen, Malfoy?" fragte Harry erneut, diesmal dringlicher und bohrte seinen Blick in den seines Gegenübers. Dracos Gesichtszüge verhärteten sich noch weiter.

"Das geht dich rein gar nichts an, Potter", zischte er aufgebracht zurück, sich anscheinend dessen bewusst, dass Leugnen aufgrund der erdrückenden Beweislage nicht sehr weise gewesen wäre, woraufhin die Thestrals unruhig ihre Köpfe hoben und Harry mit eindeutig angriffslustigen Blicken musterten. Wollten sie etwa den Slytherin schützen? Was zur Hölle ging hier vor?

"Hast du irgendwen umgebracht?" hakte Harry wieder nach, woraufhin der Slytherin ärgerlich schnaubte und ein nur sehr schwer deutbarer Ausdruck auf seinem Gesicht erschien.

"Natürlich, Potter. Ich hab ganz Irland ausgelöscht. Und nebenbei noch Wales." Er verdrehte entnervt die Augen und sah sein Gegenüber mit unverhohlener Abneigung an. "Was glaubst du eigentlich, wer du bist, mir solche Fragen zu stellen? Verschwinde endlich, oder du wirst es bereuen!"

"Du drohst mir?" fragte Harry mit blitzenden Augen zurück, "du kleines verzogenes Frettchen drohst mir tatsächlich? Was willst du denn tun, Malfoy? Mir einen Fluch auf den Hals hetzen und deswegen der Schule verwiesen werden?"

Seit den immer auffälliger werdenden Streitereien zwischen den Häusern - und vor allem zwischen Gryffindor und Slytherin - seit Ausbruch des Krieges waren die Regeln was den Gebrauch von Magie anbetraf noch strikter geworden. Alles, was auch nur über ein simples "Lumos" hinaus ging, wurde den Hauslehrern durch ein kompliziertes System von Zauberdetektoren gemeldet, und die Strafen für Nutzung von Zauberei wurden immer strenger. Seitdem arteten die Konflikte meistens in körperlichen Kämpfen aus, weshalb Dean Thomas auch die letzte Woche - nach einem besonders heftigen Streit mit Theodor Nott - mit einem blauen Auge herumlaufen musste.

Die Thestrals schnaubten wütend und warfen ihre Köpfe hin und her. Ihre pupillenlosen Augen wanderten von dem Blonden zu dem Gryffindor, fast so als würden sie auf Erlaubnis warten um Harry anzugreifen. Mit einem Mal überlief den Dunkelhaarigen ein Schaudern und er fragte sich dumpf, warum eigentlich jedes Gespräch mit dem Slytherin irgendwann mit blöden Drohungen enden musste.

"Angst, Potter?" gab der Blonde kühl zurück und hob begütigend eine Hand in Richtung der Thestrals, woraufhin diese sich schlagartig beruhigten und nur noch enger um ihn scharrten, "aber keine Sorge, ich würde dich nicht verfluchen. Gar nicht nötig, solange ich hier bin." Seine Augenbrauen wanderten spöttisch nach oben und er warf einen vielsagenden Blick auf die ihn umschmeichelnden Geschöpfe.

Ein erneuter Schauer lief über Harrys Rücken und auch seine Augen landeten auf den Thestrals, die ganz offensichtlich auf der Seite des Slytherin standen. "Was hast du mit ihnen gemacht? Sie mit deinem Äußeren getäuscht?" Das war für Harry die einzig logische Erklärung, da ihm sonst keinerlei positive Aspekte an Malfoys Wesen auffielen. Äußerlich jedoch wirkte er, so ungern sich Harry das auch eingestand und so unschön es war, so von seinem Erzfeind zu denken, wie ein vom Himmel herabgestiegener Gott. Die feinen, aristokratisch wirkenden Züge, die edel-blasse Haut, der vom Quidditch gestählte Körper, die seidigen, silberblonden Haare und natürlich diese ausdrucksstarken silbernen Augen - es gab wohl niemanden, der Malfoys Aussehen nicht als zumindest "anziehend" betitelt hätte. Sogar Ron hatte zähneknirschend zugegeben, dass "Malfoy zwar gut aussieht, trotzdem der letzte Dreckssack" sei - und Harry konnte ihm in beiden Punkten nur zustimmen. Auch wenn sich, soviel war seit den Ferien aufgefallen, der Slytherin merkwürdig zurückhaltend verhielt und die Konfrontation mit dem Goldenen Trio längst nicht mehr so aggressiv suchte wie noch ein Jahr zuvor. Er war nahezu zahm geworden und wich ihnen eher aus, so schien es zumindest Harry. Und so war dem Gryffindor auch aufgefallen, dass Malfoy nicht nur "gut" aussah, sondern fast überirdisch schön war. Wenn nicht gerade dieser Ausdruck von Verachtung und Ablehnung in seinem Blick geschrieben stand, so wie gerade jetzt.

"Sicher", erwiderte Malfoy leichthin, "ich habe mit meinen hübschen Wimpern geklimpert und schon waren sie mir verfallen." Er schüttelte den Kopf und seufzte theatralisch. "Hörst du deinem Riesenfreund eigentlich nie zu, Narbengesicht? Thestrals sind blind."

Stimmte das wirklich? Harry konnte sich nicht mehr wirklich gut an die Unterrichtsstunde damals erinnern und versuchte es auch gar nicht erst. Unschöne Bilde von einer krötenähnlichen kleinen Hexe tauchten vor seinem geistigen Auge auf und er presste unwillkürlich die Lippen zusammen. "Und warum mögen sie dich dann?"

Malfoy stieß ein heiseres Lachen aus und strich einem der Thestrals kurz über die schuppige Nase. "Menschenkenntnis, Potter. Und jetzt hau endlich ab, deine Anwesenheit stört. Gewaltig."

Harry kräuselte leicht die Lippen und verschränkte die Arme vor der Brust. "Ich gehe, wenn du mir sagst, wen du sterben gesehen hast", erklärte er dann und sah dem Blonden forschend ins Gesicht, deren Züge sich bei diesen Worten wieder schmerzlich verdunkelten. Eine Weile sagte keiner von ihnen etwas und Malfoy bewegte sich nicht einmal, woraufhin Harry leicht nervös wurde. War er diesmal zu weit gegangen? Würde der Slytherin jetzt Regeln Regeln sein lassen und ihn trotz allem verfluchen? Oder ihm die Thestrals auf den Hals hetzen? Seine Handflächen wurden leicht feucht und er schluckte schwer.

Da hob Malfoy wieder seinen Blick und sah ihn mit merkwürdig ausdruckslosen, fast leer zu nennenden Augen an. "Dann bleib halt hier", sagte er dann ergeben, schob sich durch die Thestral-Herde und stapfte, ohne Harry nochmal eines Blickes zu würdigen, an ihm vorbei zurück zum Schloß. Der Gryffindor starrte ihm fassungslos hinterher und ließ langsam die Arme sinken. Noch niemals hatte Malfoy sich kampflos ergeben oder war einer Konfrontation wissentlich aus dem Weg gegangen - was zur Hölle also hatte seinen Erzfeind so verändert?

Er würde es herausfinden, koste es was es wolle. Soviel war sicher.