Disclaimer: Die auftretenden Figuren gehören JK Rowling und ihrer Rechtsabteilung – habe sie mir nur kurz ausgeliehen. Alle Rechte an der Peer-Gynt-Suite liegen bei Edvard Grieg und seinen Erben.
Allgemeine Information/Warnung: Diese Geschichte berücksichtigt alle bisher erschienenen Harry-Potter-Bände. Sie enthält Schilderungen von Gewalt/Folter, unfreiwilligem Geschlechtsverkehr und Homosexualität. Wer damit ein Problem hat, sollte nicht weiterlesen.
Reviews sind das Brot des Künstlers – bitte schreibt mir eure Meinung zu dieser Geschichte! Tausend Dank schon mal im Voraus!
-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Halb Trost, halb Entschuldigung
1. Kapitel: Finsternis
-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Finsternis, fast greifbare Finsternis umhüllte den nackten Körper von Remus Lupin. Die Decken hatte er längst heruntergestrampelt. Ein feuchter Schweißfilm überzog seine gebräunte Haut. Sein Brustkorb hob und senkte sich in raschen Intervallen, und immer wieder warf er seinen Leib ruhelos von einer Seite des Bettes zur anderen.
Ein heimlicher Beobachter hätte mit Leichtigkeit feststellen können, dass Lupin in einem quälenden Alptraum gefangen war. Aber niemand war hier, um ihn aufzuwecken. Und so hielt ihn der Schlaf mit seinen kühlen Traumfingern fest und forderte ihn auf, sich all dessen zu erinnern, was er so gerne von sich gedrängt hätte.
In seinem Traum lag Remus wieder in dem kalten Raum. Die Luft hier roch feucht und modrig. Und hätte nicht ein menschliches Ungeheuer seine Augen verbunden, hätte er die weißen Schimmelflecken an den Wänden auch sehen können.
Doch Lupin war zu Blindheit verdammt. Und obwohl er nur träumte, war alles um ihn herum schwarz. Es war ein merkwürdiger Traum aus Geräuschen, Gerüchen und vagen Gefühlen, die ihm seine empfindliche Haut mitteilte. Es war wieder wie damals. Wie vor sechs Monaten.
In seinem Traum hörte Remus wieder das knarrende Geräusch, wenn die Tür geöffnet wurde. Es klang nach rostigem Metall. Er konnte auch wieder das Lachen seiner Peiniger hören. Er konnte das Holz der Pritsche fühlen, auf der er bäuchlings lag. Er konnte die klamme Feuchte des Verlieses spüren, die eine Gänsehaut auf seinem nackten Körper hinterließ. Wie vor sechs Monaten.
Mit einem verzweifelten Schrei befreite sich Remus Lupin aus seinem Alptraum. Er riss die Augen weit auf. Und als er erkennen konnte, dass er fähig war zu sehen, dass dies sein Zimmer im Grimmauld Place Nr. 12 war, beruhigte sich sein hämmernder Puls langsam wieder.
Die Sonne war noch nicht aufgegangen und nur ein rötliches Schimmern im Glas der Fensterscheiben verriet Remus, dass ein neuer Tag unmittelbar bevorstand. Er fuhr sich mit zittrigen Fingern durch sein verschwitztes Haar. Ächzend hievte er seine müden Knochen über den Bettrand. Seine Sehnen surrten protestierend unter der leicht feuchten Haut.
In den letzten sechs Monaten war Remus Lupin regelmäßig um Hilfe schreiend aus diesem Alptraum erwacht. Es war immer derselbe Traum. Eine grausame Erinnerung. Und an jedem neuen Morgen hatte Remus erkannt, dass er sich in Sicherheit befand. Es bestand keine Notwendigkeit mehr, sich die Stimmbänder wund zu brüllen. Im Hause seines verstorbenen Schulfreundes hatte er eine neue Heimat gefunden.
Und wie an jedem Morgen des vergangenen halben Jahres bewegte Remus sich auch nun unter die Dusche, um die Traumbilder abzuwaschen. Doch es gelang nie. Wie eisigkalt oder brühendheiß er das Wasser auch stellte, die Erinnerungen blieben. Wie oft Harry ihm auch freundlich versicherte, dass er hier willkommen sei, die Erinnerungen blieben. Wie herzlich und fürsorglich Ginny ihm doch Kaffee, Kekse und Schokolade brachte, um ihn zu trösten, die Erinnerungen blieben. Und der Schmerz.
Remus Lupin ließ das Wasser kühl auf seinen erhitzten Kopf prasseln, aber es half nicht. Acht Monate waren eine lange Zeit gewesen. Und Remus konnte gar nicht verhindern, dass er sich nun im Detail an all das erinnerte, was passiert war.
Nach Dumbledores Ermordung vor inzwischen drei Jahren hatte sich Voldemort zunächst eine Weile bedrohlich ruhig verhalten. Überall in der Zaubererwelt war zu spüren gewesen, dass dies nur die Ruhe vor dem Sturm war – der finale Kampf musste unmittelbar bevorstehen. Jeden Tag hatte der Phönixorden die endgültige Konfrontation zwischen weißer und schwarzer Magie erwartet. Und dann war doch alles anders gekommen. Subtiler.
Voldemort hatte seine Todesser immer aufs Neue ausgesandt. In ganz Großbritannien waren Hexen und Zauberer spurlos verschwunden. Keiner hatte gewusst, was mit ihnen geschehen war. Hinter vorgehaltener Hand hatte sich die magische Welt die schlimmsten Phantasiegebilde zusammen gesponnen, was Voldemort den Entführten antat. Remus Lupin hatte damals kein Wort davon geglaubt. Doch sehr bald war er eines Besseren belehrt worden.
Lupin war unvorsichtig gewesen. Er war durch das nächtliche London spaziert – vom Ministerium zum Grimmauld Place. Er hatte den Spätsommerabend so herrlich gefunden, dass er beschlossen hatte zu laufen, statt das Flohnetzwerk zu nutzen. Ein fataler Fehler, wie sich bald darauf herausgestellt hatte.
Sie waren aus der Dunkelheit erschienen. Es war nicht einmal zum Kampf gekommen. Sie hatten Lupin umzingelt, den Zauberstab entwendet. Sie hatten ihn in eine finstere Seitengasse gezogen. Er hatte nichts erkennen können als das Weiß ihrer Masken unter den schwarzen Kapuzen. Sie hatten auf ihn eingeprügelt. Sie hatten ihn gefesselt. Wortlos. Ein stummer Fluch hatte verhindert, dass er schreien konnte. Dann waren seine Augen verbunden worden. Remus hatte das unangenehme Gefühl einer Apparation im Bauch gespürt. Ein dumpfer Schlag gegen seinen Kopf war erfolgt. Und dann war da eine ganze Weile süßes Gar-Nichts.
Als Remus wieder zu Bewusstsein gekommen war, war er in diesem muffigen Raum gewesen. Kalt. Nass. Faulig. Er hatte nackt auf der rauen Holzpritsche gelegen, das Gesicht nach unten, die Beine weit gespreizt und die Hände auf den Rücken gefesselt. Wenn Remus damals gewusst hätte, dass er in dieser Position die meiste Zeit der nächsten acht Monate zubringen würde, hätte er sich damals schon ein kurzes und schmerzloses Avada Kedavra gewünscht.
Seine Augen waren immer noch verbunden gewesen. Und wenn Remus damals gewusst hätte, dass sich dieser Zustand in den nächsten acht Monaten nicht ändern würde, hätte er damals einfach den Verstand verloren.
Und dann waren sie gekommen. Zu Blindheit und Bewegungslosigkeit verdammt hatte er ihnen zur Verfügung stehen müssen. Schmerz. Scham. Sie hatten gelacht, ihn bespuckt, verprügelt, mit glühenden Eisen verstümmelt, doch das war längst nicht das Schlimmste gewesen. Wieder und wieder war er von ihnen genommen worden. Wie ein Stück Fleisch. Lupin konnte sich daran erinnern wie seine mentale Verfassung von Schock über Resignation zu akuter Todessehnsucht gewechselt war.
Der grobe Hanf seiner Fesseln hatte das Fleisch seiner Handgelenke bis auf den blanken Knochen heruntergescheuert, weil er versucht hatte, sich loszumachen. Manchmal hatte Remus die Fistelstimme Greybacks erkennen können. Und bevor sich die Macht von Greybacks Geschlecht gewaltsam in seinen ausgemergelten Körper drängen konnte, war aus Remus' Magen stets in einem heißen Schwall die saure Galle heraufgestiegen. Für jedes verbotene Erbrechen war Remus mit einem neuen perfiden Spielzeug bestraft worden.
Er konnte sich nicht mehr all der wahnsinnigen Dinge entsinnen, die sie mit ihm getan hatten. Das meiste, was sie in seinen gequälten Körper eingeführt hatten, war wohl menschlichen Ursprungs gewesen. Doch da waren noch andere Dinge gewesen, und Remus hatte sich oft gefragt, ob er dankbar sein sollte, dass er nicht hatte sehen können, was sie da mit ihm taten. Aber er hatte es gespürt. Er hatte sein eigenes frisches Blut gerochen. Und immer noch fühlte er sich durchbohrt. Ein halbes Jahr Zeit hatte keine seiner psychischen Wunden geschlossen.
Immer wenn Remus sich fragte, wie er all das ertragen hatte, musste er an das Ritual denken. Im Stillen hatte Remus es als seinen Kalender bezeichnet. Denn als das Ritual sich immer wiederholte, hatte er beschlossen, dass wohl ein Tag vergangen sein musste, wenn es wieder zum Ritual kam.
Beim ersten Mal war es merkwürdig gewesen. Remus hatte vor Schmerzen kaum noch klar denken können. Er hatte sich gefühlt, als hätte jemand sein Innerstes nach außen gezerrt und danach genüsslich zerrissen. Erbärmlich hatte er gezittert und gefroren. Aber die Tränen, die er in den Stoff der Augenbinde vergossen hatte, waren heiß gewesen. Und er hatte geglaubt, dass es nun vorerst vorbei wäre. Doch dann hatte sich knarrend die Tür zu seinem Verlies geöffnet.
Das Ritual hatte begonnen. Damals hatte Remus noch nicht gewusst, dass es ein Ritual werden würde. Doch es hatte sich daraufhin jeden Tag wiederholt – immer auf die gleiche Art und Weise. Und Remus hatte irgendwann dem Ritual entgegengefiebert, es herbeigesehnt. Es war zu seinem Hoffnungsschimmer geworden. Zu seinem einzigen Halt in seiner finsteren Gefangenschaft.
Es war immer das gleiche Prozedere gewesen. Das Türöffnen. Dann ein paar schnelle Schritte. Diese Schritte waren immer leicht und leise gewesen, ganz anders als die plumpen, schweren Stiefel seiner Peiniger. Und Remus wusste mit Sicherheit, dass dieser einzelne Unbekannte zu keiner anderen Zeit und zu keinem anderen Zweck als der Durchführung des Rituals in seine Zelle gekommen war.
Danach hatte immer die Musik angefangen. Peer-Gynt-Suite. Remus hatte sich beim ersten Mal verhöhnt gefühlt durch die hoffnungsvolle Melodie der Ouvertüre. Morgenstimmung.
Edvard Griegs Musik hatte alle anderen Geräusche in der Kammer übertönt. Dadurch auch um sein Gehör betrogen, war es für Remus jedes Mal ein kleiner Schreck gewesen, wenn diese rauen Finger ihn berührt hatten. Es war eine bestimmte Geste, an die sich Remus wohl bis zum Ende seines Lebens erinnern würde. Die fremde Person hatte schweigend ihre kalten Finger nach Remus' gefesselten Händen ausgestreckt. Einen kurzen Moment drückte die unbekannte Hand kurz die von Remus – in einer Geste, die halb Trost und halb Entschuldigung gewesen war. Und je länger Remus inhaftiert und gefoltert worden war, desto inniger hatte er diese Berührung herbeigesehnt. Den sanften Druck dieser dünnen, beanspruchten Hand. Die beruhigende Neutralität des glatten Metalls eines schlichten Ringes an einem der langen Finger.
Der nächste Teil des Rituals hatte immer aus einem einfachen Wärmezauber bestanden, aber Remus war sich sicher, dass der Unbekannte seine Beschwörung niemals laut ausgesprochen hatte. Und die folgende Phase des Rituals war von solcher Vorsicht und Fürsorge geprägt gewesen, dass es Remus jedes Mal verwirrend daran erinnert hatte, dass die Welt noch aus mehr als Schmerz und Erniedrigung bestand.
Der fremde Mann – und Remus war überzeugt, dass es ein Mann gewesen sein musste – begann mit der Waschung. Diese Momente hatten für Remus mit der Zeit eine Heiligkeit entwickelt. Eine Salbung. Remus hatte an dem Mann immer einen leichten Geruch von Erde wahrgenommen, aber mit Beginn der Salbung war diese Note in den Hintergrund getreten. Remus war der würzige, schwere Duft von Kräutern, Alkohol und Seife in die Nase gestiegen.
Der Fremde hatte seine Wunden versorgt, ihn von dem klebrigen Samen der anderen Todesser gereinigt, Remus' eigenen Kot und Urin wortlos beseitigt. Das Blut, die Exkremente und auch etwas von dem Schmutz auf Remus' gebrochener Seele hatte der Unbekannte hinweggespült. Er hatte ihn gewaschen – ohne Magie – mit einer tröstenden Hingabe, die Remus stets das Gefühl zurückgegeben hatte, ein menschliches Wesen zu sein. Und während die Halle des Bergkönigs erklungen war, hatte der Fremde ihm immer ein stärkendes Mittel zu trinken gegeben. Manchmal, wenn Remus aus einem seiner quälenden Alpträume erwachte, glaubte er, den bitteren Geschmack der Medizin wieder auf seinen spröden Lippen zu haben. Und es gab ihm irrsinnigerweise Mut weiterzumachen.
Immer bevor der Unbekannte sich von dem zu Blindheit verdammten Remus verabschiedet hatte, hatte er mit seinen schlanken Fingern vorsichtig heilende Salben auf der verwundeten Haut und den alten Narben aufgetragen. Nach Vollmondnächten war es immer besonders schlimm gewesen. Die Todesser hatten den tobenden Werwolf mit einem Blindheitszauber belegt und immer eingeschlossen bis er sich wieder beruhigt hatte. Am darauf folgenden Tag waren die Misshandlungen immer besonders schmerzhaft, besonders abartig, besonders zerstörerisch für Remus gewesen. Er war dann nie mehr gewesen als ein Sack voller Blut und Knochen. Und er hatte an diesen Tagen die Salben des Fremden besonders gebraucht.
Die Verabschiedung, das Ende des Rituals, war immer wie sein Beginn gewesen – nur in umgekehrter Reihenfolge. Remus hatte wieder den kurzen Druck der fremden Hand auf seinen eigenen gefesselten Händen gespürt. Diese einfache Geste wurde für Remus zum Licht am Ende des Leidenswegs. Eines Weges, der ihn geradewegs durch die Hölle geführt hatte. Halb Trost, halb Entschuldigung. Dann war die Musik verstummt, und Remus hatte sich plötzlich wieder sehr allein gefühlt. Schritte. Türenschließen. Stille.
Remus Lupin stellte das Wasser ab, das inzwischen eiskalt auf seinen Schädel strömte. Klatschnass trat er aus Duschkabine und wickelte sich in ein dunkelrotes Handtuch. Als er anschließend angezogen in sein Zimmer trat, war der neue Tag vollständig angebrochen. Durch die dünne Einfachverglasung der Fenster konnte er den Lärm des Autoverkehrs von der Straße deutlich hören. Sein Zimmer war sehr schlicht eingerichtet – und praktisch. Bilder oder sonstiger Firlefanz waren Remus inzwischen lästig. Die lange Zeit der Blindheit hatte seine Augen sensibilisiert – zu viele Eindrücke schmerzten.
Ein zaghaftes Klopfen riss Remus aus seinem Gedankengefängnis. Sein Blick glitt unruhig zu der weißen Holztür seines Zimmers, und ihm wurde die Kehle eng, obwohl ihm doch hier keine Gefahr mehr drohte.
„Ja, bitte", krächzte Remus brüchig.
Die Tür öffnete sich einen Spalt, und das hübsche Gesicht von Ginny Weasley erschien – umrahmt von ihrem feuerroten Haar. Sie lächelte. „Guten Morgen, Remus", grüßte Ginny herzlich, „hast du gut geschlafen?"
Remus hatte ein halbes Jahr Zeit gehabt, seine Fähigkeit „Ja, keine Sorge" zu sagen, zu perfektionieren. Und obwohl er sich durchaus im Klaren darüber war, dass Ginny seine Antwort als das erkennen würde, was sie war – eine Lüge – brachte Remus es nicht über sich, die Wahrheit zu sagen. Es würde nichts ändern. Und bei dieser Lüge lächelte Ginny immer so besonders milde, dass es Remus' weidwunde Seele mit einem Hauch von Heimat erwärmte.
„Kommst du nach unten, Remus?", fragte Ginny da wie an jedem Morgen, „ich habe Kaffee für uns gemacht."
Remus nickte und folgte der jungen Frau ins Erdgeschoss. Harry schien wie so oft noch zu schlafen. Seine Ausbildung zum Auroren kostete ihn viel Kraft, und obwohl der junge Mann erst in seinem zweiten Ausbildungsjahr war, machte er eine Nachtschicht nach der anderen. Ginny hingegen besuchte seit Kurzem eine Muggel-Universität in London, um sich dort dem Studium verschiedener Sprachen zu widmen. Remus liebte inzwischen die Abende am Kamin, wenn sie ihm und Harry französische Gedichte vorlas.
In der Küche der Black-Villa war es warm und gemütlich, aber seit seiner Gefangenschaft war es Remus eigentlich immer und überall zu kalt. Er erinnerte sich daran, wie schockiert die Heiler von St. Mungo über seine Erfrierungen gewesen waren, nachdem man ihn endlich befreit hatte.
Remus nahm seine geblümte Kaffeetasse und setzte sich schweigend an den Küchentisch. Acht Monate hatte es gedauert, bis sie ihn endlich gefunden hatten. Man hatte ihm erzählt, dass er der einzige überlebende Gefangene gewesen wäre. Man hatte ihm gesagt, er hätte Glück gehabt. Und Remus hätte daraufhin den Sprecher dieses dummen Satzes beinahe in Stücke gerissen.
Wieder tief in seine Gedanken versunken, trank Remus von dem dampfenden Gebräu. Es war schwarz, süß und stark – wie er es mochte. Harry war es gelungen, die Prophezeiung zu erfüllen und Voldemort zu bezwingen. Liebe war der Schlüssel gewesen. Und man hatte Remus gesagt, dass der Kampf anders hätte enden können, wenn Harry nicht von seinen Freunden und seiner Geliebten begleitet worden wäre.
Direkt nach dem Sieg des Lichts über die schwarzmagische Brut war Remus befreit worden. Harry hatte Remus später erzählt, dass einer der Todesser den Auroren den Tipp mit Voldemorts Versteck gegeben hätte. Mehr als einmal hatte Remus sich gefragt, ob dieser Verräter sein salbender Schutzengel gewesen war. Doch er hatte es niemals herausgefunden.
Ein hässliches Kratzgeräusch erregte Remus' Aufmerksamkeit. Er riss sich aus der Vergangenheit los und blickte zum Fenster. Ginny war bereits aufgestanden, um es zu öffnen. Hereingeflattert kam eine pummelige Eule mit klugen, graubraunen Augen. Sie ließ die neueste Ausgabe des Tagespropheten mitten auf dem Esstisch fallen und flatterte zu einer Schale mit Kekskrümeln, die Ginny vor ein paar Tagen extra für das Tier aufgestellt hatte.
Ginny ließ das Fenster offen, und frische, unverbrauchte Luft strömte in die Black'sche Küche. Seit seiner Gefangenschaft hatte Remus den Geruch von frischer Luft zu schätzen gelernt. Die junge Frau setzte sich Remus gegenüber an den Tisch und zog die Zeitung zu sich heran.
„Soll ich dir erzählen, was es Neues gibt?", wollte sie freundlich von Remus wissen. Wie jeden Morgen nickte er zustimmend und beobachtete dabei die kugelrunde Eule, die mit jedem Kekskrümel feister zu werden schien.
„Hier ist ein Interview mit Tonks", berichtete Ginny wahrheitsgemäß, obwohl die roten Flecken auf ihren Wangen verrieten, dass ihr das Thema nicht behagte.
Remus seufzte. „Ist schon okay, Ginny", meinte er gelassen, „was erzählt sie denn?"
Remus wusste, dass Ginny und Harry das Thema ‚Tonks' mieden wie ein Fisch die Wüste, obwohl es Remus nicht wirklich etwas ausmachte über seine Exfreundin zu sprechen. Tonks war eben schlichtweg nicht mit dem Remus Lupin klar gekommen, der aus der Gefangenschaft zurückgekehrt war. Aber auch Remus hatte nicht wirklich irgendetwas gehabt, worüber er mit der lustigen, aufgeweckten Frau hatte reden können. Wenn sie zuvor schon unterschiedlich waren, dann trennten sie jetzt Welten. Remus war nicht mehr nach Scherzen, Lachen und Sorglosigkeit – da konnte Voldemort dreimal tot sein.
„Sie wird über das Ministerium befragt", erzählte Ginny, „was sie als Aurorin von den Plänen des Ministeriums hält, Zauberer magisch überwachen zu lassen, um jegliche schwarzmagische Energie sofort orten zu können."
„Und was meint sie?", fragte Remus recht desinteressiert.
„Du kennst sie ja. Sie meint, die Typen vom Ministerium sollten ihre Arbeit machen und einen Aurorenjob auch einem Auroren überlassen", antwortete Ginny heiter.
„Das passt zu ihr", entgegnete Remus, „aber sie hat schon Recht – einen Überwachungsstaat will hier niemand."
Tonks war ein vernünftiges Mädchen, das musste Lupin ohne Umschweife zugeben, aber er war nicht der richtige Mann für sie. Nach den Vergewaltigungen durch die Todesser waren ihm ihre Berührungen zuwider gewesen. Er hatte sie so oft vor den Kopf gestoßen, dass sie irgendwann aufgegeben hatte. Erstaunlich rasch hatte Remus ihren Sinneswandel damals gefunden, aber es war ihm recht gewesen. Er war des Kämpfens müde. Wenn Lupin nun an vertraute Berührungen dachte, hatten sie nichts mit Tonks zu tun und kaum etwas mit Sex. Er dachte nur an die Hand des Fremden, die ihn am Leben gehalten hatte.
Ginny Weasley und Harry Potter hatten Remus sofort nach seiner Entlassung aus dem Hospital bei sich aufgenommen. Obwohl beide augenscheinlich selbst noch recht unerfahren darin waren, zusammen zu leben, hatten sie Remus eine Art Familie gegeben. Und das Versprechen von Sicherheit. Tonks war zu Anfang oft gekommen, erst täglich, dann zweimal die Woche. Remus hatte die Aurorin nun seit drei Wochen nicht mehr gesehen.
„Die Todesser-Verhandlungen stehen unmittelbar bevor", fasste Ginny nun die Hauptmeldung auf der Titelseite des Propheten zusammen, während die Eule immer noch fröhlich an einem Kekskrümel herum knurpste.
Remus lehnte sich auf dem blaulackierten Küchenstuhl zurück und nahm noch einen großen Schluck aus seiner Kaffeetasse. Ginny lächelte ihn schwach an und stand auf. Sie trug ein dunkelblaues Kleid, das in einem adretten Kontrast zu ihrer hellen Haut stand. Remus versuchte, zurückzulächeln. Die junge Weasley ging um den Tisch herum, legte die Zeitung vor Remus ab und sagte leise: „Hier, Remus, falls du es selbst lesen möchtest."
Dann wandte sie sich der Theke zu und fing an, die benutzten Töpfe und Teller vom gestrigen Abendessen mit einigen Schwüngen ihres Zauberstabes zu reinigen. Remus wandte seine müden, braunen Augen von ihr ab und griff nach der Zeitung.
„Ich glaube, diese Gerichtsverhandlungen werden entsetzlich", wisperte Ginny einem besonders schmutzigen Teller zu. Zur Zustimmung nickte Remus mechanisch, dann begann er zu lesen.
Gerechtigkeit für die Hinterbliebenen
Minister Scrimgeour gibt Startschuss für die Todesserschauprozesse
London. Übermorgen werden im Zaubereiministerium die Verhandlungen gegen die gefangenen Todesser beginnen. Der Wizengamot untersteht der Leitung von Minister Scrimgeour, der sich ein faires Urteil verspricht.
Weltweit ist das Interesse sehr hoch an den Prozessen. Auch aus dem Ausland werden Hexen und Zauberer erwartet. Alle Verhandlungen stehen für die Öffentlichkeit offen.
Bei den sieben Angeklagten handelt es sich um die Überlebenden aus dem inneren Zirkel von Sie-wissen-schon-wem, der vor einem halben Jahr (wir berichteten), von dem jungen Auror Harry J. Potter besiegt werden konnte. Seitdem warten die Todesser in Askaban auf ihren Prozess.
Damit Sie, werter Leser, übermorgen auch mitreden können, hat der Tagesprophet exklusiv für Sie die Angeklagten und die Verbrechen, denen sie verurteilt werden sollen, aufgeschlüsselt:
Carrows, Alecto: Körperverletzung, Mord, Vergewaltigung, Menschenraub, Verwendung verbotener Flüche
Carrows, Amycus: Körperverletzung, Mord, Vergewaltigung, Menschenraub, Verwendung verbotener Flüche
Dolohov, Antonin: Körperverletzung, Mord, Vergewaltigung, Menschenraub, Verwendung verbotener Flüche, Widerstand gegen die Staatsgewalt
Lestrange, Bellatrix: Körperverletzung, Mord, Menschenraub, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Verwendung verbotener Flüche, Psychische Folter
Pettigrew, Peter: Körperverletzung, Mord, Vergewaltigung, Menschenraub, Verwendung verbotener Flüche, Durchführung verbotener schwarzmagischer Rituale, illegaler Animagus
Rookwood, Augustus: Verrat, Körperverletzung, Mord, Vergewaltigung, Menschenraub, Verwendung verbotener Flüche, Widerstand gegen die Staatsgewalt
Snape, Severus: Hochverrat, Körperverletzung, Mord, Verwendung verbotener Flüche, Brauen verbotener Tränke