Strauchelnde Gefühle

Kapitel 1

Ein kühler Novembermorgen. Shuichi lag schon seit Stunden wach und lauschte auf das leise Atmen neben sich. Er war noch da. Das war gut. Er wusste nicht wieso, eine böse Ahnung vielleicht, hatte ihn mitten in der Nacht aufschrecken lassen. Eingekuschelt in seine warme Decke, hatte er nachgesehen ob Yuki auch schon ins Bett gegangen war. Und ja, da war er. Aber er hatte sich weggedreht. Nicht, dass das so außergewöhnlich war, aber Shuichi fühlte sich in letzter Zeit eh schon einsamer als sonst, da traf ihn diese abgewandte Haltung doppelt so schwer, als sie es sonst schon tat. Und so lag er nun schon seit Stunden wach neben seinem Geliebten, hörte seinen gleichmäßigen Atem. Aber er konnte sich nicht umdrehen. Er wollte nicht. Es war immer er gewesen, der sich Yuki auch in solchen Situation zugewandt hatte. Er hätte sich gern an ihn gekuschelt und war sich sicher, dass sich – wie immer – sofort Yukis Arm um ihn gelegt hätte und er sich hätte fallen lassen können. Doch in dieser Nacht wollte Shuichi stark bleiben. Sich nicht umdrehen. Auf seiner Seite des großen Bettes bleiben und abwarten was geschehen würde.

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Yuki schlug die Augen auf. Die Sonne stand schon hoch, er hatte länger geschlafen als er beabsichtigt hatte. Er sah auf die Uhr. Schon knapp elf. Seine Verlegerin würde ihm die Ohren lang ziehen, er sollte heute endlich das letzte Kapitel zu seinem neuen Buch abliefern, würde aber nun bestimmt nicht mehr rechtzeitig fertig werden. Er rieb sich die Augen und drehte sich auf den Rücken. Er drehte den Kopf nach rechts. Neben ihm lag Shuichi, friedlich schlummernd. Aber.. Nicht bei ihm. Shuichi hatte sich die ganze Nacht über nicht zu ihm gelegt. Das tat er sonst immer. Zwischen ihnen klaffte eine Lücke, die K' gut hätte füllen können und Shuichi hatte sich in seine Decke regelrecht eingerollt. Yuki achtete kurz auf die gleichmäßige Atmung von Shuichi und war sich dann sicher, dass er noch am schlafen war. Er stand so vorsichtig wie möglich auf und ging ins Bad.

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Shuichi schlug die Augen auf. Sein Blick fiel auf seinen Wecker. Er fuhr hoch. Oh nein.. Schon fast halb zwölf… Er musste doch ins Studio, die Aufnahmen für den letzten Song des neuen Albums' standen heute an. Leicht in Panik fuhr er sich durch die Haare, stieg aus dem Bett, in seine wild verstreuten Klamotten und stolperte mehr, als das er ging, ins Bad. „Badamm!" Shuichi rieb sich die Stirn. Ihm gegenüber ruderte Yuki wild mit den Armen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Letztendlich ließ er sich auf die Toilette plumpsen und sah gerade noch wie ihn ein erschrockener Shuichi aus großen Augen ansah. „Tut mir Leid…", flüsterte er und war schon wieder auf halben Weg raus aus dem Bad. „Shuichi." Diese Stimme. Shuichi drehte sich um. Yuki sprach sonst nur so ruhig und dunkel, wenn er zärtlich wurde. „Ich bin fertig, du kannst ins Bad.", sagte Yuki ohne ihn noch einmal anzusehen und verließ das Bad. Shuichi sah ihm im Spiegel mit traurigem Blick hinterher. Ein wunderschöner Morgen..

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Shuichi betrat die Küche. Er warf einen kurzen, scheuen Blick auf Yuki, der mit der Zeitung am Tisch saß und goss sich Kaffee ein. Er blieb stehen, lehnte sich an den Kühlschrank und beobachtete den Sekundenzeiger der Uhr. Schon fast zwölf, er musste sich beeilen, sonst würde im Fujisaki die Hölle heiß machen. Er trank aus, stellte seine Tasse auf der Spüle ab und wand sich zur Tür. „Wohin willst du?", kam es aus der Küche. Yuki hob nicht mal den Blick. /Aber das tut er auch sonst nie…, sagte sich Shuichi. „Zu NG. Du weißt doch, heute ist Aufnahme vom letzten Song fürs neue Album..." Hoffnung lag in seiner Stimme, das Yuki es noch wusste. Er hatte in der letzten Woche doch von fast nichts anderem gesprochen. „Gut, dann hab ich meine Ruhe zum schreiben heute.", schloss er und wandte sich wieder vollkommen seiner Zeitung zu. Shuichi senkte traurig den Blick und ging zur Tür. Er sah sich noch einmal um, doch Yuki war wieder hinter seiner Zeitung verschwunden. „Bis später dann…", flüsterte er und war aus der Tür.

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Yuki faltete die Zeitung und legte sie zur Seite. Er nippte an seinem Kaffee. /Bah.. Bitter und kalt.. Wie kann Shuichi den nur so trinken? Shuichi../ Er hatte keine Zeit weiter über seinen kleinen Freund zu grübeln, er musste noch sein Kapitel beenden. Er stand auf, stellte seine Tasse neben die von Shuichi und ging in sein Arbeitszimmer und schloss die Tür. Die nächsten sieben Stunden sollte er in Ruhe arbeiten können.

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Shuichi hatte die Aufnahmen erfolgreich hinter sich gebracht. Das Album war fertig und zur Feier des Tages gingen alle zusammen aus. Nudelsuppe, Karaoke, Sake.. Alles nur vom feinsten und alle hatten Spaß. Shuichi hatte zwar so seine Momente, in denen er an Yuki dachte, aber die vergingen schnell, denn Hiro und Fujisaki ließen ihm keine ruhige Minute. Er musste essen, singen, trinken und feiern. Es wurde ziemlich spät und so bemühte sich Shuichi ganz leise durch die Wohnung zu gehen. Er schloss die Tür fast lautlos hinter sich und schlich zuerst in die Küche. Er machte kein Licht an, konnte er durch den Mondschein noch genug sehen. Nur nicht alles. Er schenkte sich Wasser ein und lehnte mit geschlossenen Augen am Kühlschrank. Er wollte nicht wieder allein in diesem großen Bett liegen. Yuki war bestimmt noch am arbeiten, würde wohl sowieso wieder -so- neben ihm einschlafen wie in der vergangen Nacht. Er seufzte. „Was hast du denn zu seufzen..?", fragte eine dunkle Stimme, die in der Tür zum Wohnzimmer stand. Shuichi hielt die Augen noch einen Moment geschlossen, stieß sich dann vom Kühlschrank ab und räumte die Tassen vom Morgen und sein Glas in die Spülmaschine. „Nichts. Müsstest du nicht noch arbeiten?" Er schloss die Maschine mit einem lauten scheppern und sah sich kurz um. Da Yuki nicht die mindeste Reaktion zeigte, nickte Shuichi nur und verschwand ins Schlafzimmer. Yuki ging im nach.

Schweigend standen sie nebeneinander im Bad. „Wie waren die Aufnahmen?", brach Yuki endlich das Schweigen, sah Shuichi aber nicht an. „Gut. Das Album ist fertig. Thoma hat Noriko und Sakuma schon zum aufholen angetrieben.", Shuichi lächelte in sich hinein. Sakumas Gesicht war einfach zu drollig gewesen. Es war ein schöner Tag. Er war fertig und ging ins Schlafzimmer. Wie am Abend zuvor verstreute er wild seine Kleidung auf dem Boden. Yuki beobachtete ihn im Spiegel. Er war so schön.

Yuki kam einige Minuten später. Shuichi hatte sich wieder mit dem Rücken zu Yuki gelegt und in seine Decke gewickelt, tat so, als würde er schlafen. Yuki kroch zu ihm ins Bett, wartete kurz und dachte, dass Shuichi wohl wirklich schon eingeschlafen sein musste. Er ließ sich in die Kissen sinken und starrte an die Decke. Sie lagen eine ganze Weile so. Beide wach und die Augen geöffnet, aber im Glauben, dass der jeweils andere am schlafen sei. Da bewegte sich Shuichi. Er drehte sich langsam auf den Rücken und dann noch weiter in Yukis Richtung, darauf bedacht, sich nicht zu viel zu bewegen.

Yuki sah ihm tief in die Augen, als er sich endlich rumgedreht hatte. „Du bist ja doch noch wach.", flüsterte er. Shuichi nickte nur. Am liebsten wollte er näher an diesen schönen Mann rutschen, seine Wärme spüren sich von ihm halten lassen. Yuki ging es ähnlich. Noch vor ein paar Nächten war es immer so gewesen, dass Shuichi sich an ihn rangekuschelt hatte, instinktiv im Schlaf oder wenn sie, so wie jetzt, gemeinsam wach lagen. Er blickte Shuichi in die Augen. Strich mit seiner Hand sanft über seine Wange. Langsam rutschte er näher zu dem kleinen Kerl hin und berührte sanft seine Stirn mit den Lippen. Dann seine Nase und seinen Mund. Shuichi schloss die Augen. Das war genau das was er wollte. Aber nicht nur, wenn Yuki das auch wollte. Er schob ihn sanft von sich weg, sah ihm noch einmal in die Augen und flüsterte: „Gute Nacht, Yuki..", Als er sich wieder umdrehte sah Yuki ihn völlig verblüfft an. „Was...?" Er konnte nichts weiter sagen. Shuichi hatte ihn abgewiesen. -Sein- Shuichi hatte ihn doch immer gleich angesprungen und geküsst, hatte ihn gern geliebt und war immer so liebesbedürftig gewesen, dass er nicht darauf achtete wie Yuki ihn behandelte. /Es war ihm in solchen Momenten immer egal gewesen, dachte Yuki. Was war nur los...

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Yuki erwachte wieder von der schon hoch stehenden Sonne. /Nicht schon wieder../ Ja, exakt elf Uhr, wie am Vortag. Shuichi hatte ihn schon wieder nicht geweckt. Er blickte sich verschlafen um. Das Schlafzimmer sah ungewöhnlich aufgeräumt auf. Shuichi's ganze Sachen, die er am Vorabend einfach wahllos hatte fallen lassen, waren weg. Auch sein Kumagorou - Duplikat war aus dem Bett verschwunden. Yuki sah sich um, stand auf, ging ins Bad und bemerkte auch hier, das Shuichis gesamte Sachen verschwunden waren. Er war verwirrt. Hatte er etwas vergessen? Hatte Shuichi von einem außerörtlichen Termin gesprochen? Er ging ins Wohnzimmer, nichts. Dann in die Küche. Ein Zettel, am Kühlschrank. „Ich liebe dich... Shuichi" Yuki erstarrte.

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„Nächster Halt, Hokkaido, Westteil. Bitte nehmen Sie den Ausstieg rechts." Die Bahn wurde langsamer und blieb dann ganz stehen. Er verließ das Abteil und schritt durch die Bahnhofshalle nach draußen. Die Sonnenbrille ein wenig nach unten gezogen, beobachtete er die umherschwirrenden Passanten vor dem Bahnhofsgebäude. „Darf ich Ihnen ein Taxi bestellen?" Leicht erschrocken sahen, die nun wieder hinter der Sonnenbrille verdunkelten Augen, den Portier an. Dann, auf ein Nicken hin, hob der Portier den Arm und keine Minute später stand ein Taxi bereit. „Danke...", flüsterte Shuichi und steckte dem Portier Trinkgeld zu. „Einen schönen Tag, im Westteil Hokkaidos, mein Herr."

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Yuki tigerte durch die Wohnung. Shuichi weg. Shuichis Sachen weg. Alles. Also nicht nur zu einem Termin. Was hatte er getan? War er irgendwie anders gewesen? Was ging seinem kleinen Lover nur durch den Kopf…

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„Willkommen mein Herr. Was darf ich für Sie tun?" „Danke, noch nichts, ich warte noch auf einen weitern Gast." Die Bedienung nickte und entfernte sich wieder vom Tisch. Der Langhaarige setze sich in seinem Stuhl aufrecht hin, als er den Kleinen mit der Sonnenbrille, wenige Minuten später durch die Tür kommen sah. Als er nahe genug am Tisch war, nahm er die Brille ab „Hallo Shu.", begrüßte ihn Hiro grinsend. Shuichi lächelte: „Hallo Hiro."

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. Das war's fürs erste. Ich hoffe es gefällt euch…Habe es bearbeitet und denke, dass es sich nun besser lesen lässt. Würde mich über kurze – oder lange – Reviews freuen.

Gruß