Mit großen Schritten ging Xenia durch ihr persönliches Gemach in ihrem Drachenturm. Noch vor kurzer Zeit gehörte dieser Turm einem abscheulichen Totenbeschwörer namens Laiken und seiner Untergebenen Untoten-Sassan. Unwillkürlich verzog sich ihr Gesicht als sie an den Moment zurückdachte, welcher schließlich Laikens Schicksal besiegeln sollte.

Sie und Sassan, Laikens frühere Geliebte und Vorbild für die schauderhafte Untotenversion, hatten sich den ganzen Drachenturm bis zu Laiken hinaufgekämpft. Sassan, welche von Laiken in einem Ritual geopfert wurde, um in den Besitz des Turmes zu gelangen war mit einer Entschlossenheit in diesen Kampf gegangen, wie Xenia sie selten gesehen hatte. Wäre es nicht Xenia selbst gewesen, die Sassan zurück ins Leben geholt hatte, hätte sie schwören können, dass sie es hier mit einem Dämon anstatt eines Menschen zu tun hatte. Ihre Entschlossenheit wurde nur noch von ihrer Wildheit übertroffen, mit welcher sie sich in die Kämpfe gegen die Banditen stürzte, welche ihnen auf ihrem Weg entgegenstanden. Xenia selbst war bei weitem keine schlechte Kämpferin, ihre Fähigkeiten verblassten jedoch gegen den Kampfeswillen von Sassan. Nachdem sie schließlich die Untote Kopie von ihr, nicht ohne einen Großteil an Befriedigung, wieder in Einzelteile zerlegt hatten waren sie soweit gegen Laiken zu kämpfen.

Es war kein einfacher Kampf gewesen. Xenia hatte immer noch jede Einzelheit des Kampfes im Gedächtnis und war sich nicht sicher ob diese Erinnerung überhaupt jemals aus ihrem Kopf verschwinden würde. Sie sah den Thronsaal, verunstaltet durch eine Masse an verstümmelten Körpern, welchen man kaum noch den menschlichen Ursprung ansehen konnte, Razakel, ein Dämon welcher Laiken durch ihre Seelenverbundenheit nahezu unendlich große Kräfte bescherte und natürlich sah sie Laiken. Sein Anblick war das weitaus verstörendste in dieser ganzen Situation gewesen. Weder Razakel mit seinem höllischen Aussehen, welches selbst den tapfersten Soldaten dazu verleiten konnte zu fliehen, noch das Blutbad im Turm hatten sie so verstört wie der Totenbeschwörer. Groß gewachsen und in einem langen Gewand bekleidet saß er auf seinem, nein mittlerweile ja ihrem, Thron. Sein Gesicht, mit einer kaum noch vorhandenen Nase, eingefallenen Augen und aschfahler Haut welche nur durch das Blut welches über sein gesamtes Gesicht verteilt war an Farbe gewann, erinnerte mehr an das einer halb verwesenden Leiche als an das eines lebenden Menschen. Mit seinen langen Fingern, eher an die eines Skelettes erinnernd, klopfte er wartend auf die Armlehnen seines Throns. Xenia hatte in diesem Moment all ihre Kraft gebraucht, standhaft zu bleiben und die Kontrolle über ihre Gliedmaßen zu behalten. Die Leichen, das Blut und diese Situation selbst… Nur die Anwesenheit von Sassan und natürlich Talana, ihrer früheren Todfeindin und nun ihrer Mentorin, welche sie stets im Geist begleitete, hatten sie davon abgehalten die Kontrolle zu verlieren. Auch wenn die Drachenritterin diese ganze Szene bis auf das genauste Detail im Kopf hatte so konnte sie jedoch nicht mehr sagen was genau Laiken zur ihr sagte. Zu sehr war sie in dieser Situation von Abscheu und Ekel gepackt gewesen. Der Kampf, der kurz darauf begann war hart gewesen, beide Seiten hatten mit all ihrer Macht gekämpft. Xenia gegen den Dämon, Sassan gegen Laiken. Sobald der Kampf gestartet hatte, war ihre Schwäche verschwunden. Sie erinnerte sich genau, es war als hätte eine vollkommen andere Person die Kontrolle übernommen, als sie mit aller Macht gegen den Dämon gekämpft hatte. Mittlerweile, wenn sie sich zurückerinnerte kam es ihr so vor als hätte sie alles wie durch einen roten Schleier hindurchgesehen. Sie sah den Dämon in seiner gesamten Abscheulichkeit und wie er versuchte sie mit seinen Zähnen und Krallen und Stücke zu reißen. Und sie sah Sassan, wie eine Besessene gegen Laiken kämpfend. Xenia erinnerte sich zurück wie Sassan sie darum gebeten hatte selbst gegen den Nekromanten antreten zu dürfen. „Bitte Drachenritterin, ich muss das Tun. Ich muss mit ihm abschließen und sichergehen, dass dieses Monster für immer von dieser Welt verschwindet. Ich kann nicht mit dem Gedanken leben, dass ihn jemand anderes außer mir für seine Taten hat bezahlen lassen." Xenia hatte kurz gezögert und dann genickt. In dem Kampf mit Razakel, Laikens Seelenverbundenen, hatte Xenia nur durch die Unterstützung von Talana die Oberhand gewinnen können, welche sie auf Fehler des Dämons aufmerksam gemacht hatte. Dort machte er eine zu schnelle Bewegung und offenbarte eine Lücke in seiner Abwehr worauf Xenia daraufhin mit ihrer gesamten Kraft eindrang, da machte er einen kleinen Schritt zu weit nach vorne und verriet seinen nächsten Angriff, worauf sie diesen ohne Probleme parieren konnte. Doch trotz diesem Vorteil war der Kampf lange und mühsam gewesen, nicht dass sie etwas anderes von solch einem alten Dämon erwartet hatte. Zusätzlich wog noch die Schwere Tatsache, dass sowohl sie als auch Sassan schon erschöpft gewesen waren noch bevor dieser Kampf überhaupt gestartet hatte. Inmitten des Kampfes, zwischen den Tritten, Sprüngen und Schlagabtäuschen kamen in ihr sogar langsam Zweifel ob sie wirklich in der Lage waren diesen Kampf zu gewinnen. Wäre da nicht Talanas ständige Unterstützung gewesen, wusste sie nicht ob sie ihren eigenen Zweifel noch länger hätte standhalten können. So aber hielt der ständige Schlagabtausch zwischen Dämon und Drachenritter an, so dass Xenia sogar begann in eine merkwürdige Routine aus Kampfbewegungen zu verfallen Er wäre vermutlich noch länger gegangen, wäre der Dämon nicht plötzlich in einer seiner Bewegungen erstarrt. Xenia war so verwirrt von diesem sich plötzlich ändernden Verhalten gewesen, dass sie kurz innegehalten hatte, bevor sie ihre Bewegung fortfuhr und ihre Schwerter in die Flanke des Dämons jagte. Erst als dieser zu Boden fiel hatte sie sich nach Sassan umgesehen nur um zu erkennen, dass auch Laiken Tod zu ihren Füßen lag. Erst jetzt erkannte sie, während sich der blutrote Schleier vor ihren Augen langsam verflüchtigte, dass dies der Grund gewesen sein musste weshalb Razakel gestoppt hatte. Er musste den Tod seines Meisters gespürt haben und war darauf auch von ihm ergriffen worden, da die Seelenverbindung Dämon und Nekromanten sowohl im Leben als auch im Tode miteinander verband. Geschockt von dieser Erkenntnis hatte er sich nicht mehr auf den Angriff von Xenia vorbereiten können, worauf diese sein noch Sekunden währendes Leben sofort beendet hatte.

Das Triumpfgefühl welches Xenia verspürt hatte, als schließlich die Erkenntnis zur ihrem von Adrenalin durchsetzen Körper durchdrang war unbeschreiblich gewesen. Sie hatte versucht auf Sassan zuzulaufen, war dabei aber von der plötzlich aufkommenden Erschöpfung überwältigt worden. Sie wäre vermutlich umgefallen wäre Sassan nicht plötzlich an ihrer Seite gewesen, um sie zu stützen.

Xenia schüttelte den Kopf. Die Erinnerung, welche auf diesen Kampf folgte, war ebenso verstörend wie diese welche sie gerade noch einmal erlebt hatte. Damian, die Geißel Rivellons selbst, war in dem Turm erschienen und sie war sich sicher, wäre nicht auch Zandalor nach ihrem Sieg aufgetaucht wäre sie von ihm getötet wurden Sie schüttelte deshalb noch einmal den Kopf und besann sich ihres eigentlichen Anliegens. Sie hatte eine Nachricht von Zandalor erhalten. Normalerweise würde es Xenia nicht in den Sinn kommen nach den Befehlen eines anderen zu handeln, sie war schließlich ein Drachenritter und kein verdammter Köter. Aber die Botschaft, die sie erhalten hatte, ließ nichts Gutes vermuten, weshalb sie sich beeilen und schnell nach Aleroth reisen wollte. Als sie deshalb mit schnellen Schritten durch den Raum ging warf sie ihm vorübergehen noch einen kurzen Blick auf ihr Aussehen. Sie erkannte zufrieden, dass ihre Rüstung, welche aus kompletten schwarzen Platten bestand und wie eine zweite Haut am Körper anlag, noch gut saß. Sie war ein Geschenk von ihrem Dienern gewesen, welche alle zusammengearbeitet hatten, um sie zu erstellen. Durch das gut Bearbeitete Material, als auch die Anordnung der einzelnen kleinen Rüstungsplatten, die sich wie Schuppen übereinanderlegten, bot die Rüstung eine ausgezeichnete Bewegungsfreiheit und engte Xenia nicht in ihrer Flexibilität ein, so dass sie ihren Kampfstil nicht an die neue Rüstung anpassen musste. Ihren Helm ließ sie aber sicher verwahrt in ihrer Truhe und setzte ihn so gut wie nie auf. Sie konnte es nicht leiden, wenn ihre Sinne durch einen Helm eingeschränkt wurden. Unweigerlich fragte sie sich wie sie es aushalten konnte früher mit einem Helm zu kämpfen. Ihrer Meinung nach brachte es nur Nachteile mit sich. Ihr Blickfeld verringerte sich, was sie ungemein störte und auch Geräusche wurden abgedämpft, was den Vorteil ihrer verstärkten Sinne stark milderte. Aus diesem Grund hatte sie sich nach kurzer Zeit entschlossen den Helm nicht zu nutzen. So hatte sie dafür aber Gelegenheit ihr Gesicht im Spiegel zu betrachten. Ihr staarten die silbernen Augen, das Kennzeichen der Drachentöter und Drachenritter entgegen. Umrahmt wurden diese von blonden Haaren welche offen zu beiden Seiten ihres Gesichtes herunterfielen. Sie besaß eine Narbe, welche sich vom Ansatz ihrer Nase bis zu ihrer Wange zog. Eine Erinnerung, an das was sie geopfert hatte, um hierher zu gelangen Als besagte Erinnerung drohte sie einzuholen und sich in ihren Gedanken einzunisten, schloss sie die Augen wie, als ob sie dadurch diese Erinnerungen aus ihrem Verstand verbannen könnte. Schnell drehte sie sich vom Spiegel weg, wodurch sie die einzelne Träne, welche aus ihren Augen trat, nicht sehen musste.

-Xenia, wir haben eine Aufgabe zu erfüllen, wir sollten los. Umso eher wir bei Zandalor sind, desto schneller können wir uns wieder unserer eigentlichen Aufgabe, der Halle der Seelen widmen.- Xenia hörte die mittlerweile vertraute Stimme Talanas in ihrem Kopf und wusste, dass sie rechthatte. Mit einem tiefen Atemzug verbannte sie sämtliche Gedanken, welche sie vorher noch beschäftigt hatten und konzentrierte sich wieder auf die vor ihr liegende Aufgabe.

Prüfend warf sie noch einen kurzen Blick durch ihren Raum und kontrollierte ob sie alles hatte was sie brauchte. Als sie sicher war, dass sie nichts vergessen hatte ging sie in den Nebenraum und sagte zu der Gestalt, welche am anderen Ende des Raumes am Balkon stand: „Sassan ich breche jetzt nach Aleroth auf, Zandalor benötigt anscheinend meine Hilfe bei irgendetwas. Der Drachenturm unterliegt währenddessen deiner Verantwortung. Pass auf, dass Jeronimus nichts Dummes anstellt. Und falls Barbatos fragt, Nein er darf keine fleischfressenden Pflanzen züchten, mir egal was die für eine Wirkung haben sollen."

Sassan sah sie leicht belustigt an bevor sie sich verbeugte und sagte: „Wie Ihr wünscht Milady." Xenia verzog das Gesicht bei dieser Anrede, so als ob sie auf etwas saures gebissen hätte. „Ich habe dir doch schon mehrmals gesagt, Xenia reicht." Sassan verbeugte sich abermals und Xenia drehte sich um, wohlwissend dass sie beim nächsten Mal wieder das gleiche hören würde.

Sie ging nun auf den riesigen Schrein zu, welcher es ihr erlauben würde, sich nach Aleroth zu teleportieren. Der Schrein war nach dem Vorbild eines Ritters gestaltet, welcher von zwei Säulen umfasst wurde. Angeblich sollte es wohl ein Kaiser der König sein, der angeblich über Rivellon geherrscht hatte – Sigurd, wenn sie sich recht erinnerte. Darüber nachdenkend wer eigentlich auf diese Idee gekommen war jene Figur als Vorbild zu nehmen, berührte sie die kleine steinerne Kontrolltafel des Schreins. Sofort spürte sie den vertrauten Sog, als die Energie, welche vom Schrein ausging, ihren Körper umschloss, um sie an einen der anderen Schreine zu teleportieren welche überall in Rivellon verstreut standen. Sie dachte beim Drehen des Rads an die Stadt Aleroth, der momentane Aufenthaltsort von Zandalor und Zufluchtsort für viele Flüchtige des drohenden Kriegs. Sie versuchte so viele Details wie möglich des großen Rathauses und der Ritterstatue, welche in diesem stand zu rekapitulieren als der Schrein sie fortschickte. Das vertraute Ziehen, sowohl an ihrem Körper als auch an ihrem Geist zeigte ihr, dass der Schrein seine Arbeit vollzog. Kurze Zeit später fühlte sie wie ihre Füße wieder den Boden berührten. An das übliche Schwindelgefühl, welches diese Reisen begleitete, würde sie sich wohl nie gewöhnen…

Sie fasste sich an den Kopf, gewillt den Schwindel und den leichten Reiz sich zu übergeben unter Kontrolle zu bringen, bis sie schließlich sicher war, dass sie ihr Frühstück in ihrem Magen behalten würde. Als sie die Augen öffnete und sich umsah stand sie in einem vertrauten, riesigen Saal, welcher mittlerweile aber halb zerstört war. Auf der einen Seite war die Wand eingebrochen und gewährte freien Blick auf die Stadt, welche unterhalb des Hauses lag. Überall lag Schutt verteilt und Xenia war sich sicher, dass auch einige der Gemälde fehlten, welche einst die Wände zierten Doch obwohl der Saal so zugerichtet war konnte man ihm immer noch eine gewisse Würde und Anmut anerkennen. Die Decke lag so hoch, dass Xenia sogar bequem in ihrer Drachengestalt Platz gefunden hätte und sowohl an den Wänden in Form von Gemälden, das heißt denen die noch da und unbeschädigt waren, als auch in den großen Kisten welche in den Ecken des Raumes stand und mit Schätzen gefüllt waren, konnte man den Reichtum erkennen welcher einst hier gehortet wurde. Doch bevor Xenia sich weiter umsehen konnte hörte sie eine nur allzu bekannte Stimme zu ihr sprechen: „Ahh, gut, dass ihr hier seid Drachenritterin. Aleroth braucht erneut eure Hilfe."