Kapitel Fünfzehn: Der Mond
Obwohl Pansy wie Harry und Hermine in den Kerkern lebte, hatte die Slytherin sie noch nie zuvor besucht. Hermine spürte, wie ihr das Herz in die Hose sank, auch wenn sie sich sagte, dass es nicht zwangsweise etwas Schlechtes bedeutete.
Hermine wechselte einen Blick mit Harry und gab Pansy dann die Erlaubnis einzutreten, was diese nervös tat. Es schien nicht zu helfen, dass sie Gryffindors auf traditionellem Slytherin-Terrain ansprach; der Blick, den sie Ginny schenkte, machte sehr deutlich, dass diese eine Gryffindor zu viel war, und Ginny stand höflich auf und entschuldigte sich.
Als sich die Tür hinter Ginny wieder geschlossen hatte, lächelte Hermine Pansy an und sprach freundlich, um ihr die Befangenheit zu nehmen. „Wie können wir helfen?"
„Draco und ich haben heute Runden."
Harry und Hermine tauschten einen Blick aus; sie waren ziemlich sicher, dass sie sich den Rest denken konnten, aber sie spielten mit.
„Gibt es einen Grund, dass dieses Vorhaben nicht durchgeführt werden kann?", fragte Hermine.
„Draco ist immer noch nicht zurück." Pansys Tonfall war mehr oder weniger neutral, aber eine gewisse Schärfe verrät ihre Sorge.
„Er hat nicht angedeutet, dass er sich verspäten könnte?", fragte Harry.
Das blonde Mädchen schüttelte den Kopf. „Wir hatten darüber geredet, uns im Zug zu treffen, aber das war eher beiläufig; ich habe angenommen, dass er einfach vermeiden wollte, mit mir die Abteile zu patrouillieren."
„Nur dass er jetzt immer noch nicht hier ist und du nicht mehr denkst, dass das der Grund für seine Verspätung ist", leitete Hermine daraus ab.
Pansy nickte. „Es waren Lehrer und andere Vertrauensschüler im Zug für die Patrouillen; er hätte es auf jeden Fall vorgezogen, direkt nach Hogsmeade zu Apparieren. Aber er wusste, dass wir heute Nacht Runden haben, und er zählt das zu seinen wirklichen Pflichten. Ich habe ihn letzte Woche daran erinnert, und er hat gesagt, dass er sich schon darauf freue. Sarkastisch", fügte sie hinzu, als hätten sie den Teil verpassen können.
„Wir haben von Sarkasmus gehört", sagte Hermine trocken und Pansys Blick traf sie. Aber ernsthaft, sie waren Gryffindors, keine Dummköpfe.
„Hast du es dem Schulleiter gesagt?", fragte Harry.
Ein zweiter Blick traf Harry.
„Er muss informiert werden", sagte Harry defensiv.
Hermine nickte zustimmend. „Der Schulleiter ist während der Schulzeit für die Schüler verantwortlich. Wenn Draco nicht dort ist, wo er sein sollte, und Albus nicht weiß, weshalb, dann kann er feststellen, was passiert ist. Wir müssen sichergehen, dass Draco dem Schulleiter nicht mitgeteilt hat, dass er sich verspäten würde. Er könnte immer noch passend zum Unterricht morgen ankommen."
Hermine war sicher, dass das keiner von ihnen für wahrscheinlich hielt, aber Pansy ergab sich dem Unausweichlichen, und die drei verließen den Kerker.
Nichts kam an ein dringendes Problem heran, wenn es darum ging, ihnen das Gefühl zu geben, dass es überhaupt keine Ferien gegeben hätte.
Hermine erschuf ihre besten Privatsphären-Zauber um sie herum und Pansy wirkte widerwillig beeindruckt.
„Hat er sich während der Ferien irgendwie merkwürdig verhalten?", fragte Hermine.
Der Blick der Slytherin wurde durchdringend.
„Wir versuchen herauszufinden, was Malfoy zugestoßen ist, Pansy", sagte Hermine fest.
Wonach auch immer das andere Mädchen suchte, sie schien es zu finden.
„Ich habe ihn nur einmal gesehen", antwortete sie. „Er war ruhig und hat viel Zeit zu Hause verbracht, aber das ist ziemlich typisch für seine Ferien; seine Mutter möchte, dass er vor Ort ist. Wir haben uns regelmäßig geschrieben – und er hat die Briefe selbst verfasst, falls du das jetzt fragen wolltest. Ich weiß, wie ich es überprüfen kann."
„Ich auch", sagte Hermine für den Fall, dass Pansy dachte, das wäre eine reine Angewohnheit von Slytherins. „Es gab kein Anzeichen dafür, dass er gezwungen wurde, die Briefe zu schreiben?"
Sie wussten alle, wonach sie wirklich fragte, und Hermine war leicht überrascht, dass Pansy es nicht schlechter auffasste.
Sie zuckte die Achseln. „Den Eindruck hatte ich nicht."
Hermine war nicht sicher, ob Harry den Mund hielt, weil er annahm, dass Pansy dachte, es wäre ihm egal, was mit Draco passierte, oder weil er sich Sorgen machte, dass er sich dabei selbst verraten würde. Egal was der Grund war, die Aufrechterhaltung des Gesprächs war scheinbar ihr zugefallen.
„Also obwohl er während der Ferien aus seinem freien Willen zu handeln schien, machst du dir Sorgen, dass das nicht länger der Fall ist?"
Pansy runzelte die Stirn. „Wenn er sich freiwillig dazu entschieden hätte, nicht nach Hogwarts zurückzukehren, hätte er etwas gesagt." Sie hob ihre Nase und blickte sie herausfordernd an. „Er hätte es mich wissen lassen."
„Wir streiten nicht ab, dass Malfoy dir etwas erzählen würde. Du kennst ihn sehr viel besser als wir", sagte Hermine beschwichtigend. „Wenn du sagst, dass es ein Problem gibt, dann glauben wir das auch. Darum gehen wir zum Schulleiter."
Pansy war durch diese Aussagen etwas besänftigt und sie konnten die Wendeltreppe zum Büro des Schulleiters friedlich hochsteigen. Wie immer schien es, als habe er sie erwartet, und sie lehnten Tee und Zitronenbonbons ab, während sie sich setzten. Er fragte, was sie hergeführt hatte.
Sie erklärten das Problem. Das Funkeln seiner Augen wurde schwächer, aber er blieb nach außen hin ruhig.
„Da ich keine Nachricht erhalten habe, dass Mr. Malfoy sich verspäten würde, werde ich ihm eine Erinnerung an den Wiederbeginn des Unterrichts schicken. Es ist zwar ungewöhnlich, dass Schüler am Sonntagabend noch nicht zurück sind, aber es geschieht auch nicht zum ersten Mal. Mr. Malfoy ist volljährig, und bis er eine Klasse verpasst hat, kann ich sehr wenig unternehmen."
Von ihren Gesichtern konnte man ablesen, dass keiner von ihnen damit besonders glücklich war, aber sie hatten alle gewusst, dass es kaum eine Chance gegeben hätte, dass Albus die Mauern des Herrenhauses der Malfoys stürmen würde, um Draco zu holen.
Der Schulleiter fuhr fort: „Ich werde Minerva und Severus fragen, ob sie von Mr. Malfoy gehört haben, da er vielleicht einen Brief an seinen Hauslehrer oder meine Stellvertreterin geschickt hat. Machen Sie sich keine Sorgen, Miss Parkinson; Mr. Malfoy wird gefunden werden."
Damit hatte er wahrscheinlich Recht, aber Hermine war ziemlich sicher, dass ihre Sorge eher den unangenehmen Arten galt, auf die dies geschehen konnte.
Sie nahmen die Treppe hinab zum Korridor und begannen zu patrouillieren, wobei Harry einen halben Schritt hinter ihnen blieb und keine Anstalten machte zu sprechen. Hermine wandte erneut Privatsphären-Zauber an.
„Das war nicht das erbaulichste Gespräch, das ich je geführt habe", bemerkte Pansy trocken.
„Aber es hat den offiziellen Prozess in Gang gesetzt", zeigte Hermine auf, obwohl sie dem anderen Mädchen nicht widersprach. „Das kann später wichtig werden. Ich nehme an, dass du ihm eine Eule geschickt hast?"
Sie nickte. „Ich habe direkt nach dem Abendessen einen Brief geschickt, als er da immer noch fehlte. Ich komme nicht umhin zu denken, dass ich keine Antwort erhalten werde."
Hermine musste zustimmen. Wenn Voldemort in die Sache verstrickt war, was sie alle dachten, auch wenn sie es nicht laut aussprachen, wollte er, dass sie alle wussten, dass Draco verschwunden war. Andernfalls hätte der Schulleiter bereits einen Brief erhalten, der besagte, dass Draco sich verspäten würde.
„Er könnte dem Schulleiter antworten", sagte Hermine, auch wenn ihre Zweifel in ihrer Stimme mitschwangen. Das war wahrscheinlich das Einzige, das sie vor einem weiteren strafenden Blick der Slytherin bewahrte.
Sie schickten eine Handvoll Schüler zurück zu ihren Schlafsälen, wobei die Kinder deutlich verwirrt über die Zusammenstellung der Patrouille schienen.
„Offenbar müssen wir die Vertrauensschülerpaarungen häufiger mal verändern", bemerkte Harry, der es scheinbar für ungefährlich hielt, über ein anderes Thema als Draco zu reden. „Es scheint sie genug zu erschrecken, dass sie gehorchen."
„Es ist wirklich mal was Neues, dass der Schreck ihnen ihre üblichen Ausreden im Hals stecken bleiben lässt", stimmte Pansy hinzu. „Womit ich nicht sagen will", fügte sie schneidend hinzu, „dass ich es nicht erwarten kann, mit Gryffindors Runden zu drehen."
„Ich bin sicher, dass du es ab und zu über dich bringen wirst", behauptete Hermine, „wenn es der Schule hilft."
Pansy zuckte die Achseln. „Ich mache die Regeln nicht."
Sie blieben bis halb elf dabei, da es eine große Zahl von Schülern zu geben schien, die „vergessen" hatten, dass sie sich an eine Nachtruhe halten mussten. Diejenigen, die klug genug waren, in ihren Schlafsälen direkt zu Bett zu gehen, würden dafür dankbar sein, wenn sie um halb acht oder früher aufstehen mussten, um pünktlich zum Frühstück zu kommen; es gab bessere Zeiten für lange Gespräche als die Nacht vor dem Wiederbeginn des Unterrichts.
„Ihr wart ein wenig hilfreicher als ich erwartet habe", gab Pansy widerwillig zu, als sie am Ende des Korridors anhielten, der zum Slytheringemeinschaftsraum führte.
„Malfoy ist ein Schüler dieser Schule", erklärte Hermine schlicht. „Wir nehmen unsere Stellung ernst, und darum sorgen wir uns um die Sicherheit aller Schüler."
Ganz zu schweigen davon, dass Harry heimlich in den blonden Jungen verliebt war, und sie alle wussten, dass das Problem wahrscheinlich von Voldemort verursacht wurde. Pansy verstand zumindest die Hälfte von dem, was Hermine nicht sagte.
Die Slytherin nickte. „Ich werde euch wissen lassen, sollte er morgen schreiben."
Sobald sie sicher in ihrem Gemeinschaftsraum angekommen war, gingen Hermine und Harry zurück zu ihren eigenen Räumen.
„Verdammt, Hermine", sagte Draco sobald sie drinnen angekommen waren. „Warum Draco?"
„Leider ist er fast so sehr mit Voldemort verwickelt wie du", sagte sie seufzend und setzte sich aufs Sofa. „Aber wir wissen noch nicht, was passiert ist, Harry, also beruhige dich. Wir können momentan nichts tun."
Er ging auf und ab und sie nahm an, dass er nicht vorhatte, im Laufe des Abends damit aufzuhören oder sich zu beruhigen.
„Was, wenn er in Schwierigkeiten steckt?", fragte Harry ohne anzuhalten.
„Dann werden wir ihm helfen, sobald wir eine praktikable Möglichkeit dafür haben", sagte sie beruhigend. Er öffnete seinen Mund, um zu widersprechen, und sie fuhr fort: „Es gibt kein Schloss, dass wir stürmen können, um ihn zurückzuholen, Harry." Sie zögerte einen Augenblick lang, aber entschied, dass es wirklich gesagt werden musste. „Und wenn er freiwillig dort ist, können wir gar nichts machen."
Harry faltete in sich zusammen und ließ sich auf das andere Ende des Sofas fallen.
„Was wenn das stimmt, Hermine?", fragte Harry vollkommen entmutigt. „Was wenn das das Ende ist?"
„Dann haben wir immer noch viel Zeit, uns einen Haufen Katzen zu kaufen", sagte sie, weil sie keine richtige Antwort hatte, die besser war.
Er schnaubte, aber seine Augen waren verdächtig feucht. „Habe ich in letzter Zeit erwähnt, dass es ätzend ist, ich zu sein?"
„Du warst sehr zurückhaltend bei dem Thema."
Er verzog das Gesicht. „An manchen Tagen möchte ich weglaufen und mich nie wieder umdrehen."
„Ich kenne das Gefühl, Schatz", stimmte sie zu. „Aber Voldemort hat noch nie so eine Aktion mit einem Schüler gebracht, also ziehen wir vielleicht voreilige Schlüsse."
Es war nicht unmöglich.
Er seufzte. „Vielleicht."
„Was hältst du davon, deinen Schlafanzug anzuziehen, und vorm Schlafengehen noch eine Geschichte zu lesen?", schlug sie in ihrer besten Erwachsenenstimme vor.
Er blickte sie ungläubig an. „Wann bist du zu meiner Mutter geworden?"
„Ich habe vor Kurzem entschieden, dass du mehr Fürsorge benötigst", sagte sie erhaben. „Ich habe gemerkt, dass wir alle anderen Schüler zurecht weisen, während du gänzlich außen vor gelassen wurdest."
„Was ist mit dir?", wollte er wissen.
„Ich bin viel älter", sagte sie hochmütig durch ihren Zeitumkehrervorsprung. „Jetzt geh schon."
Er ließ sich überzeugen; wenn er keine Neuigkeiten über Draco erhalten konnte, dann wollte er abgelenkt werden. Sie verbrachten mehrere Stunden über seinem Animagi-Buch, und sie fügte Hinweise und Tipps hinzu, die sich beinahe wie allgemeine Ratschläge anhörten, obwohl sie sicher war, dass er die Wahrheit bereits erraten hatte und ihr nur aus Höflichkeit ihre Geheimnisse ließ. Anschließend wandten sie sich Remus' Buch über sympathische Magie zu. Es sprach in großem Detail von dieser Art Verbindung zwischen sehr engen Geliebten, weshalb sie mehrere Teile überspringen mussten.
„Ich finde, wir sollten dem Autor schreiben", sagte Harry schließlich angewidert, als sie zum Abschnitt über sympathische Magie beim Sex kamen. „Ihm erklären, dass es andere Möglichkeiten gibt. Ich fühle mich ausgeschlossen."
Sie schnaubte. „Ja, wir sagen ihm, dass er die Stellung Reiner Erwachsener sehr viel sorgfältiger beachten muss."
Harry lächelte breit und schlug scharfsinnig vor: „Wir können den Brief anonym verfassen, damit niemand errät, dass er von uns stammt."
Hermine lachte. „Gut, dass du dir um den Teil so viele Gedanken gemacht hast."
Sie führten noch eine Runde durch, bei der sie zum Glück viel weniger Schüler fanden, und Hermine überzeugte Harry endlich, dass er ins Bett gehen solle, indem sie ihn erinnerte, dass der nächste Morgen sehr viel schneller da wäre, wenn er schlief.
„Wir werden dann mehr erfahren, Harry. Im Augenblick kannst du nichts tun."
Außer zumindest er brachte Voldemort ein für alle Mal zur Strecke, und sie fand wirklich nicht, dass sie das vorschlagen sollte.
Sie war versucht, in den Wald zu gehen, da sie seit ein paar Tagen nicht mehr in ihrer Einhorngestalt gewesen war, aber sie spürte, dass dies eine schlimme Nacht für Harry sein würde.
Das erwies sich als Tatsache, und um halb zwei wurde sie von seinem Elend geweckt. Es erwies sich als Albtraum, nicht als Vision, der garantiert von seiner Sorge um Draco herstammte. Sie konnte Harry beruhigen, ohne ihn aufzuwecken, was sie froh stimmte, denn es hieß, dass die Wahrscheinlichkeit hoch war, dass er durchschlafen würde. Wäre er aufgewacht, hätte er sich sicherlich nur mehr und mehr in seine Sorge um den Slytherin hineingesteigert.
Der Morgen brach an, nachdem Hermine selbst noch ein paar Stunden Schlaf ergattert hatte. Fawkes berichtete, dass kein Brief von Draco Malfoy bei Albus, Severus oder Minerva angekommen war. Es gab keine Neuigkeiten irgendwelcher Ereignisse, die mit Todessern in Verbindung standen. Daraus ergab sich die Möglichkeit, dass dies nur eine Machtdemonstration Voldemorts war, um zu zeigen, dass er die Kontrolle über die Schüler besaß, die Albus unter seinem Schutz wähnte.
Hermine ließ Harry so lange schlafen, bis sie beinahe zu spät fürs Frühstück waren, damit er sich beim Anziehen beeilen musste, anstatt sich noch mehr Sorgen um Draco zu machen. Beim Frühstück schüttelte Pansy diskret ihren Kopf. Auch sie hatte keine Briefe erhalten.
Harrys Miene wurde wirklich finster, aber zum Glück vermuteten die anderen Gryffindors nur, dass ihm eingefallen war, dass die erste Stunde des Halbjahrs Zaubertränke war.
Nichts in den Schlagzeilen des Propheten versetzte sie in Aufruhr, nicht einmal ein Versuch, das Thema der Reinen Erwachsenen wieder aufleben zu lassen; anscheinend war es im Moment nicht sensationsheischend genug zu sein, um das Interesse der Zeitung zu wecken.
Sie und Harry hatten die Möglichkeit in Erwägung gezogen, dass Pansy geschickt worden war, damit sie Albus von Dracos Verschwinden in Kenntnis setzten. Soweit Hermine es einschätzen konnte, war Pansy aber ernsthaft besorgt. Hermine hoffte um Draco willen, dass er zumindest eine Freundin hatte, die sich wirklich um ihn sorgte, anstatt nur den Plänen der Todesser zu folgen.
Zaubertränke lief nicht schrecklich gut, da Severus die Abwesenheit seines Lieblingsschülers aus Slytherin nicht gefiel. Sie wusste, dass er sich außerdem Sorgen machte, weil er nicht über Dracos Abwesenheit informiert gewesen war. Wenn Voldemort wirklich für das Verschwinden verantwortlich war, hieß das, dass er Severus nicht vertraute? War es ein geheimer Auftrag für den jüngeren Malfoy? Sollte es eine Überraschung für den Hauslehrer Slytherins sein? Wenn ja, eine gute oder eine schlechte?
Es war nervenaufreibend für Hermine, und sie dachte die Fragen nur im Namen von Severus, und musste sie nicht durchleben.
Alle waren gereizt, und da dies ihren Lehrer miteinschloss, führte es zu einer unangenehmen Lernatmosphäre. Er war noch schnippischer, als es eine erste Stunde des Halbjahres verdiente, und sie alle hielten ihre Köpfe gesenkt und ihre Bemerkungen für sich, bis die drei Stunden endlich vorüber waren und sie mit angeschlagenem Stolz entkommen konnten. Nichts war für den Mann gut genug gewesen – auch nicht Hermines perfekter Trank – aber es hatte ihr wenig ausgemacht, das Opfer seines Zorns zu sein. Sie war sicher, dass er lediglich seine Sorge über seinen Patensohn loswerden musste. Wenigstens war es besser, als wenn er sich grundlos wie ein Arsch verhielt.
Beim Mittagessen erhielten sie durch Fawkes die Neuigkeit, dass Tonks einen Brief von ihrer Tante Narzissa erhalten hatte. Da Andromeda Tonks enterbt worden war und keinerlei Kontakt zum Rest der Familie Black hatte – und ihre Tochter dementsprechend nicht einmal gegrüßt wurde – war dies ein sehr ungewöhnlicher Vorfall.
Ohne ein einziges Detail zu erwähnen, erklärte Narzissa Malfoy, dass sie Unterstützung bei einer delikaten Familienangelegenheit benötigte; da sie diese, wie die Dinge standen, lieber innerhalb der Familie regeln wollte, wendete sie sich an Tonks.
Sie alle stimmten überein, dass es eine Falle sein könnte. Aber es lag auch nicht außerhalb des Möglichen, dass Dracos Mutter sich wirklich Sorgen um ihn machte. Hermine erinnerte sich an all die Carepakete, die er im ersten Schuljahr erhalten hatte, und daran, dass es offenbar der Wunsch seiner Mutter gewesen war, ihn in der Nähe zu wissen, der Lucius Malfoy davon abgehalten hatte, den Jungen nach Durmstrang zu schicken. Ob es eine Falle war oder nicht, keiner von ihnen bezweifelte, dass es mit Dracos Verschwinden zu tun hatte.
Tonks und Albus stimmten darin überein, dass sie es für klüger hielten, dass Ministerium noch nicht offiziell mit einzubeziehen. Tonks Angelegenheiten überschnitten sich jetzt praktischerweise mit denen des Schulleiters; seine offizielle Untersuchung, weshalb Draco nicht in der Schule war, würde in Begleitung der stellvertretenden Schulleiterin und Dracos Hauslehrer vollzogen werden, und jetzt würde ihn einfach noch ein viertes Mitglied der Fakultät begleiten.
Hermine und Harry begleiteten sie direkt nach Unterrichtsende am Abend nach draußen. Die Professoren schienen nicht recht zu wissen, was sie von der Anwesenheit der beiden Gryffindors halten sollten, da die Schüler von keiner menschlichen Zunge über die Ereignisse informiert worden waren. Die zwei verabschiedeten sich leise von ihren Lehrern, da sie kaum etwas anderes sagen konnten, vor allem nicht auf offener Fläche, sodass die Erwachsenen sich ohne Zweifel fragten, ob die beiden nur zufällig aufgetaucht waren. Fawkes saß auf Albus' Schulter, ein guter Schutz, sollte es sich wirklich als Falle herausstellen, und Hermine war überzeugt, dass er ihnen zugezwinkert hatte.
Pass auf dich auf, ermahnte Hermine ihn.
Versucht, keine Abenteuer zu erleben, während ich weg bin.
Hermine und Harry wechselten einen Blick.
Wir haben nichts geplant, antwortete Harry, aber das scheint nicht viel zu heißen.
Sie würden alle tun, was sie tun mussten, und das so ruhig und effizient wie möglich, aber das funktionierte nur selten. Dennoch war Hermine der Meinung, dass es sicherer war, wenn Harry hierblieb, und sie war froh, dass er keinen Versuch unternommen hatte, die Professoren zu begleiten – oder sich hinter ihnen herzuschleichen.
Filius und Pomona hatten in Abwesenheit der anderen das Sagen, und beim Abendessen wirkten beide grimmig genug, dass niemand laut genug nach den fehlenden Professoren fragte, um gehört zu werden. Es würde sich zweifelsohne bald herumsprechen, aber das Abendessen verlief erstaunlich ruhig. Das erste Nachsitzen der Siebtklässler war wegen der plötzlichen Abwesenheit der Lehrer abgesagt worden – auch wenn Harry angedeutet hatte, dass es Severus gewesen war, der sich geweigert hatte, dass sie auch nur eine Nacht lang leiden würden, ohne dass er dabei zuschauen konnte. Hermine wollte widersprechen, hatte aber entschieden, dass es schlauer wäre zu schweigen.
Nach dem Essen ging Hermine absichtlich hinüber zum Tisch der Slytherins und erklärte Pansy hörbar, dass Harry und sie den Stundenplan der Vertrauensschüler mit ihr besprechen mussten. Im Schutz eines leeren und durch Bannsprüche abgeschotteten Klassenzimmers informierten sie das besorgte Mädchen darüber, dass die Professoren sich sozusagen auf eine Rettungsmission begeben hatten.
Pansy nickte, sowohl erleichtert, dass etwas unternommen wurde, als auch besorgt, dass solch eine Aktion notwendig war. „Ich hoffe, es geht ihm gut."
„Das hoffen wir alle", stimmte Hermine zu. „Hältst du deine Ohren in eurem Gemeinschaftsraum offen?"
Das war gleichbedeutend damit, dass sie das Mädchen bat, ihre Hausgenossen auszuspionieren, aber Pansy war offenbar besorgt genug, dass sie nur nickte, bevor sie gedankenverloren davoneilte.
Hermine brachte Harry hinab in ihren Gemeinschaftsraum, damit sie vorgeblich Hausaufgaben erledigen konnten. Da Severus im Unterricht so brutal gewesen war, hatten sie in Zaubertränke genug zu tun, und Filius hatte ihnen eine angemessenere Menge für Zauberkunst aufgetragen. Indem sie alle fünf Minuten nachfragte, wie Harry vorankam, und ihm eine Predigt hielt, wenn er nichts tat, brachte sie ihn dazu, ein bisschen zu arbeiten.
Sie versuchte, es nicht zu kommentieren, als er immer häufiger über seine Narbe rieb; er schein nicht zu merken, dass er es tat. Wenn es nicht nur ihre Einbildung war, dann sah die Narbe immer schlimmer aus, und sie glaubte nicht, dass es von Harry Berührungen herrührte. Als er die Bewegung so gut wie durchgehend machte, gab sie nach.
„Tut die Narbe weh?", fragte sie sanft.
Seine Augen schnellten zu ihr, und dann erst schien er seine Hand zu bemerken und riss sie von dem Mal auf seiner Stirn fort. Seine Augen waren weit aufgerissen und verängstigt.
„Sie hat angefangen zu kribbeln. Irgendetwas passiert, Hermine."
Es war, als empfingen sie einen Fernsehsender auf der falschen Wellenlänge. Sie konnten beinahe sehen, wann sich wichtige Ereignisse abspielten, aber sie konnten keine Geräusche hören oder das Bild wirklich sehen. Realistisch gesehen wäre es weniger frustrierend, wenn sie das verdammte Teil einfach abstellen würden, aber da sie ein Teilsignal hatten, sahen sie trotzdem weiterhin zu und hofften, dass die Dinge deutlicher wurden.
„Albus, Minerva, Tonks und Severs sind unterwegs", zeigte sie beruhigend auf. „Sie werden alles ihnen Mögliche tun, um Draco zurückzuholen. Vielleicht ist Voldemort deswegen aufgebracht."
Harry schüttelte seinen Kopf. „Ich bin sicher, dass er das erwartet hat. Es liegt an etwas anderem."
Sie vermutete, dass er Recht hatte, aber sie brauchten momentan nur eine pessimistisch eingestellte Person.
„Mach mit deinem Aufsatz für Zaubertränke weiter", wies sie ihn an. „Wenn es deutlicher wird, werden wir es erfahren."
Widerwillig richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf die Seite vor ihm, und sie sah zu, wie seine Augen auf der gleichen Stelle verharrten und er einen Satz offenbar wieder und wieder las, ohne ein einziges Wort auf sein Pergament zu schreiben. Sie brachte es nicht übers Herz, ihn weiter anzustacheln. Er war extrem blass.
Auf einmal schrie er vor Schmerz auf und klatschte seine Handfläche auf seine Stirn.
„Er ist wirklich zornig", brachte Harry durch zusammengepresste Zähne heraus. „Blöder verdammter Bastard. Ich sollte wenigstens sehen können, was er tut."
Wenn sie sich aussuchen könnten, wie die Verbindung funktionierte, dann hätte Harry nicht den ganzen Mist erleben müssen, der ihm in den letzten Jahren geschehen war. Sie holte einen schmerzlindernden Trank aus ihrem Vorrat, da sie klug genug gewesen, Poppy nicht alles auszuliefern, und er stürzte ihn hastig herunter, ohne wegen des Geschmacks auch nur das Gesicht zu verziehen. Es war gut, dass diese Sorte nicht abhängig machte.
„Irgendetwas ist definitiv nicht so gelaufen wie geplant", murmelte Harry. „Ich kann fast sehen -"
Sie umfasste seine Hand fest und bohrte ihre Nägel in seine Haut, sodass er sie wirklich ansah.
„Wag es ja nicht", sagte sie streng. „Wenn du deine Schilde auflöst, könnte er in deinen Verstand sehen, und es gibt zu viel, dass er nicht erfahren darf." Sie ließ nicht zu, dass er wegsah. „Es geht nicht."
Harry riss seinen Arm aus ihrem Griff. „Das weiß ich", blaffte er. „Denkst nicht, dass ich das nicht weiß!" Er atmete heftig aus und sagte flehentlich: „Ich möchte ihm helfen, Hermine."
„Ich weiß", sagte sie leise. „Aber so kannst du das nicht. Wir können ihm momentan nicht helfen."
Urplötzlich aber erreichten sie Neuigkeiten von einer unerwarteten Quelle.
Ein Rudel Werwölfe dringt in den Wald ein. Es war Castina, und sie klang zornig. Wir haben Käfige am Waldrand gefunden. Sie jagen jetzt.
Hermine gefror das Blut in den Adern. Etwas Bestimmtes?
Ja, bestätigte Castina. Jemand mit Verletzungen wurde tiefer im Wald abgesetzt; es scheint, als würden die Werwölfe ihn Richtung Ländereien treiben.
Sodass er gefunden werden kann, wenn er zerfleischt wurde?
Castina fasste ihre Antwort nicht in Worte, aber sie war zustimmend; man brauchte kein Genie, um den offensichtlichen Plan zu durschauen.
„Er ist wieder fröhlich", stieß Harry hervor. „Ich verstehe nicht, was sich geändert hat, aber es gefällt ihm." Harry zuckte zusammen. „Es hat etwas mit Draco zu tun, aber ich … kann nicht … sehen…" Er brach ab. Er versuchte offenbar, jede kleinste Emotion aus der Verbindung zu pressen, ohne seinen Verstand in Gefahr zu bringen.
Oh, verdammt. Sie musste nicht lange raten um herauszufinden, wer gerade in den Wald gesteckt worden war, damit ihn die Angestellten und Schüler von Hogwarts finden würden. Sie seufzte.
„Er ist im Wald", verkündete sie.
Harry blinzelte sie an. „Wie bitte?"
„Draco ist im Wald. Er wurde dort verletzt abgesetzt, und ein Rudel Werwölfe wurde freigelassen."
Harry starrte sie drei Sekunden lang mit offenem Mund an, bevor er seine Stimme wiederfand und wissen wollte: „Woher zum Teufel willst du das wissen?"
„Ich glaube nicht, dass jetzt die Zeit ist, das zu besprechen", sagte sie ernst. „Wir müssen dorthin gehen und ihn retten."
Harry brauchte einen Moment lang, um es zu verarbeiten, aber dann sprang er auf.
„Worauf warten wir noch? Komm schon!"
Sie musste seine Kleidung in angemessene Winterausrüstung verwandeln, während er fast schon zur Tür rannte, und sie musste ihn wortwörtlich festhalten und zu dem geheimen Eingang schleifen, als er in Richtung der Eingangshalle laufen wollte.
„Hey! Was –?", wollte er wissen.
„Wir haben keine Zeit, darüber zu streiten, also halt einfach den Mund und folge mir. Ich habe das Sagen, verstanden?"
Er verstand es zum Glück, obwohl es benommene Verwunderung sein mochte, die ihn zum Schweigen brachte. Hermine nutzte den Gehorsam voll aus, wies Harry an, sein Zentrum zu schützen, und ihr auf die Ländereien hinaus zu folgen. Es war bitterkalt, als sie eilig über den verschneiten Rasen stapften, und der beißende Wind peitschte ihnen ins Gesicht und wirbelte ihnen Schnee in die Augen. Hermine würde den Wald im Schlaf finden, und sie führte sie zielsicher unter die Bäume.
Wo ist er?, fragte sie Castina.
Die Stute schickte ihr ein Bild seines ungefähren Aufenthaltsortes, und Hermine bahnte sich sofort einen Weg in die entsprechende Richtung. Es war etwa einen Kilometer von den Schutzkreisen entfernt, die die Ländereien umgaben. Der Wind nahm ab, je tiefer sie kamen, da er die Bäume, Büsche und sonstigen Hindernisse nicht durchdringen konnte, aber es war kalt und dunkel. Der Schnee am Boden wurde weniger.
Es sind viele Werwölfe, sagte Castina und schickte ihr kurze Bilder, die sich auf etwa dreißig beliefen, dachte Hermine. Die Herde versucht, sie abzulenken, aber es sind mehrere Rudel, die alle Blut gerochen haben. Sie schießen sich aus mehreren Richtungen her auf den Bereich ein, und sie sind schnell.
Obwohl die Werwölfe und die Einhörner in etwa gleicher Zahl waren, wusste Hermine, dass nicht die ganze Herde an einem Fleck sein würde, und die Einhörner würden dadurch behindert werden, dass sie die erkrankten Menschen nicht ernsthaft verletzten wollten; sie würden dennoch tun, was nötig war.
Wir werden Draco erreichen, sagte Hermine, und zusehen, dass wir ihn von hier wegschaffen.
Leider hatten die Muggel Recht gehabt zu sagen, dass Einhörner die Berührung von nicht-Jungfrauen nicht ertrugen. Er war extrem schmerzhaft für erwachsene Einhörner, und das hieß, dass sie den verletzten Draco nicht einfach aus dem Wald heraustragen konnten.
Castina schickte ihr Einverständnis. Hermine bewegte sich jetzt schneller durch den Wald und Harry folgte ihr, so gut er konnte.
Woher weißt du, wo wir langmüssen?
Es ist eine sehr lange Geschichte, und ich muss mich momentan darauf konzentrieren, was wir hier machen. Ich werde dir alles erklären, sobald wir wieder im Schloss sind und ein paar Stunden geschlafen haben, versprach sie.
Sie konnten das Heulen jetzt hören, und Harry stolperte davon zu einer schnelleren Geschwindigkeit angestachelt vorwärts. Mit ihm an ihrer Seite waren sie trotz seines neuen Trainings nicht die leisesten Menschen, die jemals durch den Wald gewandert waren, aber da sie sich direkt auf den Ort zubewegten, auf den auch die Werwölfe zielten, spielte das wahrscheinlich keine große Rolle.
Der Großteil der restlichen Raubtiere würde sich fernhalten; sich mit Werwölfen anzulegen war gefährlich, und es gab im Wald keine Gruppe Raubtiere, die groß genug wäre, um es mit ihnen aufnehmen zu können; es sei denn, Aragog weckte alle seine Verwandten, was sehr unwahrscheinlich war. Die Zentauren würden sich ebenso wenig einmischen – was umso besser war, da diese die gefährlichen Menschen wahrscheinlich töten würden, und Hermine wollte diese Möglichkeit unbedingt vermeiden.
Sie setzten ihren Weg durchs Unterholz fort, wobei Hermine Hindernissen instinktiv auswich und Harry nicht mehr losließ, da es immer dunkler wurde, je weiter sie gingen, und kein Licht mehr vom Schnee reflektiert wurde und keine Strahlen des Mondes mehr die Wolken und Bäume durchbrachen. Sie war noch nie so glücklich gewesen, dass ihre Einhorngestalt ihr auch als Mensch noch eine erhöhte Sinneswahrnehmung verschaffte.
Sie ließ endlich zu, dass Harry sich ein schwaches Licht beschwor, da er über Hindernisse stolperte, die sie nicht einmal in seiner Nähe glaubte. Es war wahrscheinlich gefahrlos, da die menschlichen Todesser kaum in der Nähe eines Werwolfangriffs sein wollten; mit einem wilden Biest zu verhandeln, dass während des Vollmonds von einem Blutrausch besessen war, war keine Option.
Eine dunkle Gestalt ragte plötzlich auf ihrer rechten Seite in ihr Blickfeld hinein. Sie hatten kaum genug Zeit, die Kleidung eines Todessers zu erkennen, bevor Harry einen Schockzauber losschickte, den sie von seinem Ziel ablenkte, von dem jetzt ein brutaler Schneide-Fluch auf den Ursprung von Harrys Zauber gefeuert wurde, sodass sie gezwungen war, sie zu deMaskieren und hastig einen Schild um sich und Harry herum zu errichten.
„Severus, Harry", rügte sie laut flüsternd. „hört auf damit."
Wenigstens wusste sie jetzt, dass die zwei einen Todesser ohne zu Zögern angreifen würden, sollten sie einem begegnen. Erst im Nachhinein wurde Hermine klar, dass sie Severus unbewusst wahrgenommen und als ungefährlich eingestuft hatte, und er ihnen deshalb so nahe kommen konnte.
Harry deMaskierte sich, während der Professor sich die Maske vom Gesicht zog. „Was zur verflucht-verdammten Hölle tut ihr hier?" Er klang schockiert, verwirrt und wütend.
„Draco retten, was denn sonst?", flüsterte Hermine heftig. „Jetzt ist kein guter Moment, um zu reden. Wir sind fast da."
„Woher weißt du das?", fragte Severus höchst argwöhnisch.
Sie machte sich nicht die Mühe, die Frage zu beantworten. „Ich nehme an, Sie sind der einzige ‚Todesser' im Wald?" Sie wollte vollkommen sicher gehen.
„Nein", fauchte er zurück, „wir wandern alle in einem Wald voller Werwölfe herum und hoffen, dass wir auch gefressen werden."
Sie verdrehte die Augen. Es gab keinen Grund, so unhöflich zu sein.
Sie liefen ein paar Minuten lang weiter, wobei Severus ihr widerwillig folgte, nachdem selbst ihm und seinem Ego klar wurde, dass sie zu wissen schien, wohin sie ging, und sich schnell bewegen konnte, ohne auf Hindernisse zu stoßen.
„Selbst wenn Mr. Potter eine Vision hatte, erklärt das nicht, wie du so zu Draco finden kannst, oder warum ihr zwei verrückt genug wart, herzukommen", blaffte Severus schließlich explosionsartig.
Unendlich lange schweigend zu wandern war ihm scheinbar unmöglich.
„Ich habe Harrys Vision nicht benötigt, und Sie sind auch hier", sagte sie kurz ab. „Ein bisschen Ruhe wäre jetzt angebracht."
Er machte den Mund auf, um zu widersprechen, aber sie brachte ihn zum Schweigen und bewegte sich schneller, sodass er sich darauf konzentrieren musste, nicht hinzufallen, wodurch seine Tirade unterbrochen wurde. Das Heulen der Werwölfe wurde immer lauter und häufiger.
Sie hörte die Geräusche von Dracos Bewegungen vor den anderen beiden. Sie hielt an, als sie gerade noch außer Hörweite von Draco waren.
„Bleibt hier", befahl sie den zwei Männern, die sofort widersprechen wollten. „Nur eine Minute lang. Draco wird von Werwölfen verfolgt, und wenn wir alle auf einmal auftauchen, wird er wahrscheinlich sich oder uns verletzen. Ich werde uns ankündigen, und ihr könnt dann direkt hinzustoßen."
Sie wirkten noch immer rebellisch.
„Ihr wollte Draco nicht noch mehr verletzen, oder?", fragte sie scharf.
Das traf zum Glück auf beide zu und so fügten sie sich, beide mit einem bemerkenswert ähnlichen angespannten Gesichtsausdruck. Sie standen beinahe Rücken an Rücken, ihre linke Seite geschützt von einem großen Baum, und ihre Zauberstäbe deckten die restlichen neunzig Grad ab, die jeder von ihnen noch überwachen und gegen einen möglichen Angriff absichern musste. Sie nickte ihnen zu. Scheinbar funktionierte nichts besser als die Drohung eines Angriffs durch Werwölfe um sie zum Zusammenarbeiten zu bewegen.
Sie schlüpfte lautlos zwischen die Bäume und überwand die übrige Distanz rasch. Geräusche von Dracos schmerzhaftem und langsamem Fortschritt erreichten ihre Ohren jetzt deutlicher; sein mühsames Atemholen begleitete seine stolpernden Schritte. Sie kam näher und trat dabei absichtlich auf einige Zweige, damit er wusste, dass jemand da war, und sie nicht einfach vor ihm auftauchte und ihm einen Herzinfarkt bescherte. Sie konnte hören, dass jede Bewegung aufhörte und er sich anstrengte, auch seine Atmung zu vertuschen.
„Draco", rief sie leise – scheiß auf Nachnamen in so einer Lage – „ich bin's, Hermine. Ich nehme an, dass sie deinen Zauberstab weggenommen haben, aber ich warne dich, dass ich gleich aus den Bäumen hervortrete, damit du mich sehen kannst."
Es kam keine Reaktion, aber die hatte sie auch nicht erwartet. Wäre sie ein Todesser und das eine Falle, so würde er seine Position verraten, wenn er etwas sagte. Zum Glück war sie kein Todesser und das keine Falle, und er musste nicht reden, damit sie genau wusste, wo er war. Sie ließ die Spitze ihres Zauberstabs aufleuchten, damit er etwas sehen konnte, und trat aus den Bäumen hervor.
Er sah sie mit zugekniffenen Augen. Sie versuchte, bei seinem Anblick nicht zusammenzuzucken. Die Todesser hatten sich offenbar ihren Spaß mit ihm getrieben, bevor sie ihn zum Sterben im Wald abgesetzt hatten, und er sah völlig ramponiert aus.
„Was zum Teufel würde Hermine Granger mitten in der Nacht bei Vollmond in diesem Wald zu suchen haben?", brachte er hervor, noch immer schwer Luft bekommend.
„Einen ihrer Lieblingsslytherins retten natürlich", antwortete sie.
Seine Augen wurden schmal. „Ich habe tatsächlich Schwierigkeiten mir einen Grund zu überlegen, warum irgendjemand gerade im Wald sein sollte, ganz abgesehen davon so zu tun, als sei er Granger, also bin ich ungewöhnlich bereit, diese verrückte Idee zu glauben. Beweis, dass du sie bist."
„Lass mich einfach sagen, dass ich nicht will, dass meine Entscheidung vor den Ferien eine völlige Verschwendung war. Es wäre schade, wenn die Werwölfe dich kriegen, nur drei Wochen nachdem ich entschieden habe, dass Askaban nichts für dich ist."
Ein Teil der Anspannung schien ihn zu verlassen.
„Was zur Hölle tust du hier?", wollte er wissen.
Sie grinste. „Severus hat das Gleiche gefragt."
„Severus ist hier?", fragte er, sofort wieder misstrauisch. „Ich dachte nicht, dass sie jemandem zum Zuschauen schicken würden."
Komm her, mein Lieber, bat sie Harry, und bring Severus mit. Einfach gerade aus, du kannst uns nicht verpassen; folge einfach meinem Zentrum.
„Sei nicht dämlich", erklärte sie Draco. „Severus ist direkt von dem Treffen gekommen und in den großen, dunklen Wald gegangen, weil du in Gefahr warst. Er und Harry sind beide gekommen, um dich zu retten."
Du denkst, er wird mir glauben, wenn ich ihm sage, dass wir dir jetzt folgen können?, fragte Harry zweifelnd.
„Harry ist hier?" Jetzt klang Draco wirklich alarmiert, und Hermine fragte sich, ob ihm auffiel, dass er vergessen hatte, ihren besten Freund beim Nachnamen zu nennen. „Hat er den Verstand verloren?"
Dann geh einfach los und er wird wahrscheinlich wütend werden und dir folgen, sagte sie zu Harry. Du kennst ihn ja.
An Draco gewandt sagte sie: „Harry ist ein Gryffindor auf einer Mission." Sie zuckte die Schultern. „Manche würden das vielleicht für einen Pleonasmus halten, aber zumindest steht fest, dass keiner von uns dich hier draußen sterben lassen wird."
Severus und Harry erschienen. Draco wirkte trotz Hermines Warnung schockiert, dass sie tatsächlich auftauchten. Harry war weiß geworden und schien sich übel zu fühlen. Draco war instinktiv vor Severus zurückgewichen und Hermine wurde klar, als sie dem plötzlich taumelnden Slytherin zu Hilfe eilte, dass es vielleicht nicht die genialste Entscheidung aller Zeiten gewesen war, dass er Severus in dem Todessergewand zu Gesicht bekam.
Sie fühlte und hörte, wie er vor Schmerz zischte, als sein Körper gegen ihren stieß, aber sie bewahrte ihn vor einem Sturz, der noch mehr wehgetan hätte.
„Er ist gekommen, um dich zu retten, ich schwöre es", sagte sie leise. „Du hast nichts von ihm zu Befürchten."
Er sah sie mit schmerzerfüllten Augen an, in denen das Grau von dem Blut verschleiert wurde, das von den Veilchen herrührte.
„Du schwörst es." Es war halb Frage, halb Aussage, als wolle er ihr glauben, könne sich aber nicht ganz erklären, wie das möglich wäre.
„Du hast mein Wort", sagte sie feierlich.
Ein besonders lautes Heulen drang zu ihnen und erinnerte sie, dass ihre Mission einem engen Zeitlimit unterlag. Draco erbebte heftig und Hermine merkte, dass er jetzt schon vor Kälte zitterte. Er schien keinen Mantel zu haben, und sein Umhang war zu dünn für die Kälte des Winters. Sie wirkte einen Wärmezauber.
„Wenn du keinen Besen in deinen Klamotten versteckst, dann ist Severus momentan mein geringstes Problem. Sie haben mich zur Grenze Appariert und mich dann auf einem Besen hochgetragen, sodass sie mich weiter drinnen ein paar Meter über den Bäumen abwerfen konnten. Ich glaube, dass ich mir dabei den Knöchel gebrochen habe."
Sie schüttelte den Kopf. „Der Wald ist eine Totzone. Sie haben dich aus so einer großen Höhe fallen lassen, weil sie mit dir gefangen gewesen wären, wären sie tiefer geflogen. Aus dem gleichen Grund können wir auch nicht Apparieren oder einen Portschlüssel benutzen."
Sie fragte sich, wie Voldemort diese kaum verbreitete Tatsache über den Wald in Erfahrung gebracht hatte. Obwohl, er hatte garantiert versucht, wie man durch den Wald schleichen konnte, um von da aus unerkannt nach Hogwarts zu gelangen.
Das Heulen wurde lauter. Niemand schien irgendwelche schlauen Ideen zu haben. Hermine stieß einen kurzen Schwall Schimpfwörter hervor.
„Ich nehme an, du bewegst dich so schnell, wie du kannst?", fragte sie den verletzten Slytherin.
Dieser schenkte ihr einen strafenden Blick. Der Fortschritt, den er gemacht hatte, während sie auf ihn zugeeilt waren, war winzig gewesen, und sie wollte sicher sein, dass das seine beste Leistung war.
„Da liegst du richtig", brachte er hervor.
Kein Wunder, dass Voldemort zuversichtlich gewesen war, Draco so dicht an den Bannzaubern zu platzieren. Er klammerte sich mit einem Arm an ihr fest, den anderen hatte er um seinen Oberkörper geschlungen, was auf gebrochene Rippen hindeutete. Er hatte den gebrochenen Knöchel identifiziert. Er war eine Masse aus zerrissener Kleidung, blauen Flecken, Schnittwunden und Blut. Hermine fiel wieder ein, warum sie Voldemort hasste, was Harry genauso zu gehen schien, denn ein Ausdruck purer Abscheu hatte den Schock auf seinem Gesicht ersetzt.
„Ist das, was ich sehe, der Großteil deiner Verletzungen?", fragte Hermine.
Der blonde Junge wich ihrem Blick aus. „Ich kann mich nicht so gut erinnern, aber du müsstest das allermeiste sehen können."
Sie betrachtete ihn kritisch. Irgendetwas verschwieg er, aber jetzt war nicht der Zeitpunkt, nachzuhaken.
„Ferula Examinus Totalus", sprach sie, wobei sie nur soweit zurückwich, dass sie ihren Zauberstab auf ihn richten konnte ohne den Spruch zu behindern. [18] Er lehnte sich ziemlich schwer auf sie, und sie wollte nicht, dass er zu Boden fiel.
Lange Verbände erschienen und wickelten sich fast überall um seinen Körper, unter anderen um seinen linken Knöchel und Unterschenkel, über seine rechte Schulter und seinen rechten Arm hinab zu seinem Handgelenk. Obwohl er vor Schmerz zusammenzuckte, als die Verbände erschienen, war seine Atmung jetzt weniger mühsam und er nickte ihr dankbar zu.
„Gebt mir einen Augenblick, um den Plan abzuklären", sagte sie zu den anderen.
Harry würde sich vorstellen können, warum sie stumm wurde, aber die anderen beiden würden sich wundern.
Fawkes? Du bist nicht zufällig in Reichweite?
Es kam keine Antwort, aber sie hatte auch keine erwartet. GedankenRede war nicht unbegrenzt möglich, und sie war ziemlich sicher gewesen, dass sie beide zu weit voneinander entfernt waren – aber sie hatte sichergehen wollen.
Jetzt aber fragte sie sich, ob es ein abgekartetes Spiel gewesen war, Tonks, den Schulleiter und dessen Intimus aus dem Schloss zu locken; wäre sie zum Herrenhaus der Malfoys gegangen, hätte Hermine Fawkes wenn möglich auch mitgenommen. Sie dachte sich, dass Voldemort und seine Lakaien darauf gesetzt haben könnten, dass der Schulleiter Tonks begleiten und den Phönix mitnehmen würde, und jetzt stellte sich das für die im Schloss Verbliebenen als äußerst unpraktisch heraus.
Sie konnte wahrscheinlich ihren Patronus zum Schulleiter schicken und verlangen, dass er Fawkes zurückschickte, aber das würde zu lange dauern, und es würde den Schulleiter möglicherweise in Gefahr bringen.
Ohne einen Phönix, der herbeifliegen und ihr verletztes Mitglied schnell herausfliegen konnte, gab es nur eine andere Fortbewegungsart im Wald, die ihr sofort in den Sinn kam.
Castina, ich brauche Unterstützung, wenn es dir recht ist.
Die Stute lachte leise. Dachtest du, ich würde mich weigern?
Es erschien mir unhöflich, dich herzubeordern, antwortete Hermine. Ich weiß, dass du den ganzen Wald beschützen musst.
Und vor Allem meine Herde, korrigierte Castina sie. Du gehörst zu Herde. Außerdem würde ich die beiden Reinen Erwachsenen niemals in meinem Wald sterben lassen.
Hermine lächelte. Das freut mich zu hören.
Sie wandte sich wieder an die drei Männer vor ihr. Trotz ihrer Worte stritten Harry und Severus über verschiedene Wege, wie sie Draco tragen und trotzdem schnell vorankommen könnten.
„Hilfe ist unterwegs", verkündete sie.
Sie alle hielten inne und sahen sie an. Sahen sie vollkommen ungläubig an.
„Es wäre besser, wenn ihr jetzt gerade keine Fragen stellt." Das schien sie heute sehr häufig zu sagen. „Ich habe um Hilfe gebeten, und sie ist unterwegs."
„Sie von wem erbeten?", wollte Severus wissen.
„Spielt das wirklich eine Rolle?", fragte sie. „Wir brauchen sie, und sie kommt."
Das Heulen der Werwölfe ertönte inzwischen fast ununterbrochen, als wolle es ihr Argument untermauern.
„Fawkes ist bei Albus", sagte Harry, der offenbar versuchte herauszufinden, was sie vorhatte.
„Weit weg", stimmte sie zu. „Du sieht jetzt gleich eines der letzten Asse, die ich im Ärmel habe."
Castina und die Herdenmitglieder, die ihnen zu Hilfe kamen, mussten mit aller Kraft galoppiert sein, denn sie kamen im nächsten Augenblick an. Trotz ihrer Geschwindigkeit war ihre Ankunft lautlos, weshalb die Männer sich erschreckten. Hermine lächelte ihre Herde einladend an. Castina stand an der Spitze und trat auf Hermine zu.
Danke, dass ihr gekommen seid, sagte Hermine zur Begrüßung.
Wir helfen dir immer gerne, Berit, das weißt du. Trotz der schlimmen Lage war ihr Ton humorvoll, als sie hinzufügte: Sie wirken überrascht.
Ich glaube nicht, dass sie tagtäglich Einhörnern begegnen. Ich werde es wieder hinkriegen.
„Seht ihr auch einen Haufen Einhörner?", fragte Draco niemanden Bestimmtes.
Severus und Harry nickten.
„Hm. Ich dachte, der Schmerz hätte mich endlich erwischt und ich würde halluzinieren", gab er zu.
„Sie sind wirklich hier", sagte Hermine. „Sie werden sichergehen, dass wir gefahrlos aus dem Wald herauskommen."
„Und woher weißt du das?", fragte Harry.
„Weil das hier Castina ist." Sie zeigte auf das Einhorn. „Sie ist die Herdenstute, und sie hat zugestimmt, uns zu helfen."
„Du hast ein Einhorn um Hilfe gebeten", sagte Severus ausdrucklos.
„Ganz genau", bestätigte sie um einen ernsten Tonfall bemüht, um ihn nicht zu verärgern. „Und wenn Sie mein Wortspiel entschuldigen, aber jetzt ist nicht der rechte Zeitpunkt, einem geschenkten Gaul ins Maul zu schauen. Die Werwölfe sind nicht weit weg, und die Herde kann sie nicht alle aufhalten – zumindest nicht, ohne die Werwölfe schwer zu verletzen – wenn wir hier stehen bleiben und die Werwölfe weiterhin das Blut riechen, dem sie nachjagen. Wir müssen uns auf den Ländereien in Sicherheit bringen."
„Es ist, ähm, super, wenn die Einhörner uns begleiten", sagte Harry, „aber dadurch bewegen wir uns nicht wirklich schneller. Draco kann nur humpeln." Er beäugte den Blonden und ergänzte: „Und ich glaube, das liegt auch nur am Adrenalin, und das wird schnell verfliegen. Wenn Hagrid nicht völlig falsch liegt, bleiben uns nicht viele Möglichkeiten."
Sie sah Castina an. Ich weiß, dass ihr keine nicht-Jungfrau tragen könnt, aber was, wenn Harry reiten würde?
Die Herdenstute schnaubte. Du willst wirklich all unsere Grenzen austesten, oder, Berit?
Wenn ich eine bessere Idee hätte, würdest du sie bereits kennen.
Es hatte sich auch für sie nicht gerade genial angehört, aber etwas Besseres hatte sie nicht.
Ich schätze, dass es funktionieren muss. Ashwin, wirst du einwilligen, den Reinen Erwachsenen zu tragen?
Ashwin stimmte zu und trat vor, um sich vor Harry hinzuknien, der Hermine verwirrt anblickte.
Es tut mir Leid, sagte sie zu Harry.
„Er hat zugestimmt, dich zu tragen", erklärte sie laut. „Wir werden Draco mit einem Federleicht-Zauber belegen, und du wirst ihn tragen müssen und aufpassen, dass er Ashwin nicht berührt."
„Aber wie könnte das jemals –?", fing Draco an.
„Das ist völliger Un –", setzte Severus im gleichen Augenblick an.
„Ich kann nicht –"
Sie musste ein paar Sekunden warten, bis der Knut endlich bei ihnen allen gefallen war und sich Verstehen auf Harrys und Schock auf den anderen beiden Gesichtern abzeichnete.
„Wie konntet ihr das für euch behalten?", verlangte Severus zu wissen.
„Jetzt ist wirklich nicht der Zeitpunkt, es zu besprechen", wiederholte sie sofort. Sie alle starrten sie nur an, bis sie scharf befahl: „Harry, aufs Einhorn!"
Er gehorchte, und mit einigen Schwierigkeiten gelang es ihnen, dass Draco verzaubert in der Wiege von Harrys Armen lag. Ashwin richtete sich auf und Hermine fragte sich, ob sie solch einen merkwürdigen Anblick jemals wieder sehen würde. Sie belegte Draco mit einem Zauber, der seinen Geruch überdecken würde, um die Werwölfe von seinem Blut abzubringen und sich stattdessen auf etwas in ihrer Nähe zu konzentrieren.
Sie verkündete ihre nächsten Worte sowohl mündlich als auch mental, damit alle sie verstanden. „Ashwin, lauf direkt auf die Ländereien; lass mich wissen, wenn sie in Sicherheit sind."
Er neigte sein Haupt. Ja, Berit.
„Aber was ist mit dir?", fragte Harry.
Lauf, wiederholte sie.
Ashwin sprang davon und Harrys Widerspruch wurde abrupt unterbrochen.
Sie wandte sich wieder an Castina. Severus muss ebenfalls in Sicherheit gebracht werden.
Castina sprach rasant mit ihren drei Begleitern, verschwommene mentale Geräusche, die Hermine nicht verstand, bevor die Stute sich wieder an sie wandte. Sie werden ihn beschützen.
Danke, wiederholte sie. Sehr ernst fügte sie hinzu: Er ist mir wichtiger als jeder andere auf dieser Welt.
Wir werden dich nicht enttäuschen, Berit. Sie sprachen einstimmig.
Natürlich.
Sie drehte sich zu Severus um. „Aila, Aland und Silon werden Sie auf direktem Weg zurück zu den Ländereien begleiten. Sie werden in ihrer Mitte laufen, und die drei werden sich an Ihre Geschwindigkeit anpassen und Sie beschützen."
„Was ist mit dir?", fragte er.
„Ich?" Sie lächelte. „Ich werde der Köder sein."
Er sah sie ungläubig an. „Du kannst unmöglich glauben, dass du einem Rudel Werwölfe zu Fuß entkommen kannst."
„Auf meinen Füßen, natürlich nicht. Aber ich habe nicht vor, auf die Art zu reisen."
Sie sprang auf Castina auf; Hermines Menschsein und das Blut, das ihre Kleidung von Draco aufgesaugt hatte, waren beide wichtig für ihren Plan.
„Lauft!", ermahnte sie. „Wir werden die Werwölfe davonlocken, und dann werde ich euch auf den Ländereien treffen."
Er blickte sie wie gebannt an, bevor er sich endlich abwandte und in die Richtung zu laufen begann, in die die Einhörner ihn führten. Sie wusste nicht, wie sie auf dem Einhorn und mit Dracos Blut befleckt aussah, aber vielleicht hatte Severus erst in diesem letzten Moment gänzlich realisiert, was es bedeutete, dass sie mit den Einhörnern reden konnte. Vielleicht war es erst in dem Moment, in dem sie auf einem gesessen hatte, dass der Slytherin erkannt hatte, dass beide Reine Erwachsene die ganze Zeit vor seiner Nase gewesen waren.
Es war eine Weile her, dass sie ein Einhorn geritten hatte, aber Castina hatte ihr im sechsten Schuljahr erklärt, dass, wenn ein Einhorn einwilligte, jemanden zu tragen, diese Person nicht absteigen würde, bevor das Einhorn es zuließ, sodass sie keine Angst haben musste, runterzufallen oder abgeworfen zu werden.
Sie und Castina liefen mit atemberaubender Geschwindigkeit los. Es war nicht das Gleiche, wie die Erde unter ihren eigenen Hufen zu spüren, aber Hermine gewöhnte sich rasch an den Rhythmus. Sie liefen rannten direkt auf die nahenden Werwölfe zu, bis sie sicher war, dass die Rudel den Geruch von Dracos Blut gewittert hatten.
Castina wandte sich jetzt nach Norden, weg von Hogwarts und Hogsmeade. Einen unsicheren Moment lang schwiegen die Werwölfe, und dann begann das Heulen erneut, erbitterter als zuvor und lauter werdend, und sie wusste, dass sie den Köder geschluckt hatten. Rationale Menschen hätten sich gefragt, wie sich der verletzte Mann auf einmal so schnell bewegte, aber dies waren Werwölfe, die weder vom Wolfsbann noch ihrem menschlichen Verstand gezügelt wurden, und ihre Mordlust war groß; sie würden gehen, wohin das Blut sie führte, und jetzt führte es sie gen Norden.
Sie und Castina passten auf, dass sie nicht schnell genug liefen, um den Werwölfen zu entkommen, da diese eventuell das Interesse verloren, sollten sie Draco nicht mehr riechen können, und Hermine erkannte, dass sie jetzt Blicke sowohl auf die Werwölfe als auch auf ihre Herde erhaschte; die Einhörner umzingelten die Rudel und stellten sicher, dass keine Werwölfe ausbrachen und hinter denjenigen herjagten, die zum Schloss unterwegs waren. Glücklicherweise hatten alle Werwölfe nichts außer der Jagd nach Hermine im Sinn. Einhörner rochen nicht so interessant und aufregend wie Menschen, vermutete Hermine, und da sie sich nicht in ihre Jagd einmischten, ignorierten die Werwölfe sie fürs Erste.
Ashwin teilte ihr mit, dass er die Ländereien sicher erreicht hatte, und einen Moment später, dass sie am Waldrand waren. Der Reine Erwachsene und sein Partner sind abgestiegen.
Hermine fragte sich, was Harry getan hatte, dass der Hengst seine Gefühle erraten hatte.
Danke nochmal.
Er schickte ihr etwas, das eine Mischung zwischen einem Schnauben und einem Lachen war. Ich würde dir eine solche Bitte nicht abschlagen, Berit.
Sie lächelte. Das heißt nicht, dass ich meine Dankbarkeit nicht vernünftig äußern kann.
Eine andere menschliche Stimme unterbrach sie: Danke.
Harry Bemerkung, die zweifelsohne nur für Ashwin gedacht gewesen war, erreichte sie alle, aber Hermine fand es süß, scheinbar genau wie die anderen Einhörner.
Das erinnert mich an eine noch nicht sehr lange verstrichene Zeit, zog Castina sie auf.
Hermine lächelte widerwillig. Ich habe mich seitdem stark verbessert, hoffe ich.
Castina stimmte zu. Sie blieb trittsicher, auch als der Boden sich veränderte und steiniger wurde. Wenn sie diese Geschwindigkeit beibehielten, würden sie noch mindestens einen Tag lang laufen müssen, bis sie nicht mehr von Bäumen umgeben waren.
Die Werwölfe waren allmählich frustriert, dass ihre Beute so schlüpfrig war, aber sie waren jetzt weit von jeder menschlichen Siedlung entfernt, und so war sie die einzige interessant riechende Mahlzeit in Reichweite. Zumindest bot sie ihnen viel Bewegung, ohne dass sie jemanden verletzten.
Sie fragte sich, wie Voldemort sie alle davon überzeugt hatte, bei dieser Jagd mitzumachen. Dreißig Werwölfe waren eine riesige Gruppe. Sie wusste, dass viele von ihnen unzufrieden waren, weil das Ministerium ihnen so viele Rechte verwehrte, aber sie wollte nicht glauben, dass sich so eine große Anzahl von ihnen hinter Voldemort gestellt hatten und auf seinen Befehl töteten.
Diese Jagd im Speziellen ergab für sie keinen Sinn. Sie bezweifelte, dass so viele Leute, die zufällig auch noch Werwölfe waren, alle auf den Malfoy-Erben wütend waren. Und wenn es um eine Jagd ging, die dem Werwolf oder dem bestialischen Teil des Menschen – wenn man Fenrir Greyback in Betracht zog – zusagte, dann würde ihnen die Verfolgung eines einzelnen Menschen wahrscheinlich keine wirkliche Befriedigung verschaffen. Wenn man nämlich einen kleinen Draco Malfoy auf dreißig oder so Leute aufteilte, dann würde sich aus der ganzen Jagd kaum eine gute Mahlzeit ergeben.
Somit blieb noch die Möglichkeit, dass sie bestochen worden waren, oder irgendwie ausgetrickst oder gegen ihren Willen herbeigelockt worden waren. Hermine überlegte, ob Voldemort genug Männer haben konnte, um sie alle einzufangen; sie nahm an, dass es in ihrer menschlicher Form möglich war, und sobald sie sich verwandelt hatten, würden sie sich auf den nächstbesten Menschen stürzen. Wenn er blutete, und Voldemort hatte sichergestellt, dass Draco dies tat, dann bestand kein Zweifel, dass die Werwölfe den Geruch erkennen und ihm nachjagen würden.
Sie merkte, dass sie auf einmal wieder in Verbindung zu Fawkes stand, als er ihnen mitteilte, dass die Delegation, die zum Herrenhaus der Malfoys gegangen war, wieder zurück war.
Ich nehme an, dass Albus mit mir reden will, aber er muss warten, bis er an der Reihe ist.
Verstanden. Es geht dir gut?
Ganz gut, unter den Umständen. Du?
Ebenso.
Sie und Castina veränderten ihren Weg leicht, sodass sie nicht mehr gerade auf das Ende des Walds zusteuerten. Da sie abbogen und kehrtmachten, wurde es für die Werwölfe schwerer, sie zu verfolgen, wodurch der nachlassende Enthusiasmus des gesamten Rudels wieder zunahm. Die Herde ließ sich weiter zurückfallen, behielt die Werwölfe zwar noch im Auge, aber kam ihnen ansonsten nicht in die Quere.
Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an, bevor mehr Neuigkeiten sie erreichten, aber Hermine wusste, dass es nicht mehr als ein paar Minuten sein konnten.
Dein Partner hat die Bannzauber erreicht und ist sicher auf dem Gelände von Hogwarts angekommen. Aila schnaubte. Er sagt, dass er problemlos dazu in der Lage sei, den Rest des Wegs durch den Wald allein hinter sich zu bringen.
Wenn er auf dem Weg von irgendeinem unerwarteten Monster aufgefressen würde, müsste ich euch schwer züchtigen, erwähnte Hermine.
Aila lachte. Wir werden ihm folgen.
Einen Moment lang herrschte Stille, und dann: Er wirkt nicht sehr amüsiert, aber er hat erraten, dass du uns befohlen hast, ihm zu folgen. Dir wird mit einem Punktabzug gedroht, Berit. Punkte wovon?
Hermine gab ihnen eine kurze Erklärung über das Punktesystem von Hogwarts.
Aber warum ist das, was du tust, ein Fehlverhalten?, wollte Aila wissen. Möchte er nicht beschützt werden?
Er stimmt meiner Entscheidung nicht zu, für seine Sicherheit zu sorgen, weil er glaubt, dass er ohne Probleme auf sich selbst aufpassen kann. Er wird die Strafe vielleicht oder vielleicht auch nicht ausführen, wenn er mich wiedersieht.
Er ist sehr sonderlich, sagte Aila. Ich kann eine große Dunkelheit sehen.
Er hatte sehr dunkle Abschnitte in seinem Leben, gab Hermine zu und unterdrückte ein Seufzen. Aber er hat sich bemüht, die bösen Taten, die er vollbracht hat, auszugleichen, und jetzt kämpft er aus ganzem Herzen gegen das Böse. Er ist stark.
Aila schnaubte zustimmend. Er ist sehr schnell gelaufen.
Auch auf diese Art stark. Er hatte eine schlechte Erfahrung mit einem Werwolf, als er jung war. Es war bestimmt keine gute Nacht für ihn. Aber er ist trotzdem gekommen, um Draco zu retten.
Tatsächlich überstieg es ihr Vorstellungsvermögen, über seine Entscheidung nachzudenken, sich in den Verbotenen Wald zu stürzen, obwohl er nicht erwarten konnte, die Werwölfe wirklich abwehren zu können, aber er tat es trotzdem, weil Draco dort gewesen war.
Ja, das ist edel, beurteilte Aila. Er hat die Ländereien erreicht und uns gesagt… „Danke. Jetzt verzieht euch. Ich kann nicht die ganze Nacht von einer Einhornherde verfolgt werden." Sie sagte es fragend.
Hermine schnaubte vor Lachen. Die, ähm, Schärfe des „verzieht euch" ist eigentlich an mich gerichtet. Er ist dankbar, versprochen. Er ist nur nicht sehr gut darin, seine Dankbarkeit auszudrücken.
Wenn du das sagst, Berit. Er hat das Schloss erreicht, aber er scheint nicht hineinzugehen.
Sie lächelte schwach in sich hinein. Ich glaube, dass er es nicht tun wird, bevor ich die Ländereien nicht ebenfalls erreiche.
Es ist gut, dass er dich zu beschützen versucht.
Sie nickte nur und übersandte ihre Zustimmung nonverbal. Dies war zu kompliziert für Worte.
Sie zog ihren Zauberstab hervor, ließ Dracos Blut von sich verschwinden und Maskierte ihr Zentrum, damit es so wirken würde, als wäre sie auf einmal komplett aus der Sicht der Werwölfe verschwunden.
Und genauso war es; ein extrem lautes, zorniges Heulen durchriss die Stille.
Wenn du mich absteigen lässt, kann ich mich jetzt auf den Weg nach Hogwarts machen.
Wenn du dich verwandeln willst, dann kannst du das tun, aber wir werden beide zurück nach Hogwarts gehen, sagte Castina streng.
Sie versuchte zu widersprechen, aber Castina fuhr fort: Kein Einhorn läuft alleine, wenn wir von Werwölfen überlaufen werden. Sei nicht töricht, Berit.
Sie und Castina rannten den Werwölfen bald davon, denn es gelang ihnen mühelos, sich von ihnen zu entfernten, sobald sie es versuchten. Dies ermöglichte es Hermine abzusteigen und sich zu verwandeln, und dann liefen sie und Castina um das Rudel herum und machten sich auf den Weg zurück nach Hogwarts.
Der Rest der Herde behielt die Werwölfe weiterhin im Auge; sie würden weiterhin nur eingreifen, wenn es nötig wurde.
Ich bin sehr froh, dass Einhörner Einhörner sind, sagte Hermine, erfreut, dass sie keine törichten Vorurteile hatten. Ich nehme an, dass ich deshalb so gerne eine Menge Zeit mit euch verbringe.
Aber nicht viel Zeit?
Es hatte sich zu einem geflügelten Wort entwickelt, seit sie es Severus gegenüber behauptet hatte.
Das niemals, bestätigte sie amüsiert.
Du weißt, dass du das ändern kannst, wann immer du wünschst?
Hermine nickte. An manchen Tagen bin ich stark versucht. Aber ich habe viele Pflichten hier, die ich erfüllen muss, und zahlreiche Gründe zu bleiben.
Die Einladung bleibt bestehen.
Danke.
Sie überquerten die Schutzzauber, die bedeuteten, dass sie jetzt auf den Ländereien Hogwarts' waren, und Castina blieb langsam stehen.
Pass auf dich auf, Berit. Es war schön, dich heute Nacht zu sehen.
Dich auch, stimmte Hermine zu. Lass uns hoffen, dass Voldemort nicht auf noch mehr schlaue Ideen kommt, ja?
Wir werden ihn nicht in den Wald lassen, sagte Castina leidenschaftlich. Ich muss mich wieder zur Herde gesellen. Ich werde dich benachrichtigen, wenn die Werwölfe nicht länger eine Bedrohung darstellen.
Danke nochmal.
Castina verschwand blitzschnell. Hermine trabte, bis sie gerade noch nicht in Sichtweiter der Ländereien war, und verwandelte sich dann zurück in einen Menschen. Sie Maskierte sich nicht, sondern trat auf das verschneite Gras. Severus wartete wirklich noch auf sie.
Er hatte auf den Stufen gesessen, die zum Eingangsportal führten, aber er stand auf, als sie näherkam. Sein Gesicht hatte nicht nur die Sorgenfalten, die dort seit Beginn ihrer Suche im Wald nach Draco gewesen waren, nicht verloren, sondern war von Zorn noch stärker verdunkelt worden, und jetzt steuerte er mit einem Ausdruck der Raserei auf sie zu.
[18] Ferula Examinus Totalis ist mein zerhackstückeltes Latein für einen Zauber, der den ganzen Körper einer Person untersucht und die verletzten Teile verbindet. Als Remus in den Büchern Ferula benutzt hat, war ich nicht sicher, ob der Zauber die entsprechende Stelle verbunden hat, weil Remus wusste, was verletzt war, oder weil der Zauber es wusste. Deshalb habe ich diese Version erfunden, die definitiv sowohl untersucht als auch verbindet.
Im nächsten Kapitel geben Harry, Hermine und Draco Erklärungen von sich.