Vorwort des Übersetzers:

Dies ist eine Übersetzung des Romans „Racecars, Jane Austen and the Monon Trail" von AmyHI.

„Racecars", also Rennwagen, haben hier mit dem Indianapolis Motor Speedway zu tun, der ersten in den USA speziell für Autorennen gebauten Rennstrecke, und dem dazugehörigen „Hall of Fame Museum", in dem historische Rennwagen zu sehen sind.

Der Monon Trail ist ein Weg für Spaziergänger und Radfahrer auf einem stillgelegten Stück der ehemaligen Eisenbahnlinie Monon Railroad von Indianapolis nach Chicago.

Da all dies deutschen Lesern nicht so geläufig sein wird, habe ich die Geschichte in „Katie in Indianapolis" umbenannt.

Der Originalroman wurde 2009 online gestellt. Dies erklärt unter anderem, warum Handys hier noch etwas Besonderes sind. Die Handlung hält sich nicht eng an die Vorlage „Northanger Abbey", sondern ist eine recht freie Abwandlung davon.

Kapitel 1

„Du machst wohl einen Scherz."

Ich starrte Bob an – oder besser gesagt, jetzt, da ich nicht mehr seine Angestellte war, Onkel Bob – und versuchte herauszufinden, ob ich gerade schlecht träumte. Er hatte mich nicht soeben gefeuert, oder? Kann man seine eigene Nichte feuern und immer noch erwarten, am Sonntagabend zum Essen eingeladen zu werden? Ich würde Mama danach fragen müssen.

„Es tut mir leid, Katie, aber du hast selbst gesehen, wie schlecht der Immobilienmarkt aussieht. Du weißt, dass ich schon lange daran gedacht habe, in den Ruhestand zu gehen, und da ich nun einen Käufer für das Gebäude gefunden habe, schien mir der richtige Zeitpunkt gekommen zu sein, das Geschäft dicht zu machen. Wer weiß, wann mir wieder ein solcher Trottel in den Schoß fallen würde."

Er hatte natürlich Recht. Das Immobiliengeschäft, das er gegründet hatte, bevor ich geboren wurde, hatte nun schon seit einiger Zeit beständig Makler verloren, bis es schließlich nur noch uns beide gab – Bob zeigte den Leuten die Häuser und ich machte alles andere. „Ist schon okay", sagte ich so fröhlich, wie ich konnte. „Ich werde dich vermissen, wenn du in Arizona mit all den anderen alten Säcken da drunten in der Sonne liegst."

„Lass das nicht deine Tante wissen, dass du sie so genannt hast." Bob lächelte entschuldigend und ließ sich auf den einzigen Stuhl im Empfangsbereich nieder. „Sie hat sich auf den Ruhestand gefreut, seit wir die Kinder los sind."

Ich musste unwillkürlich lachen. „Das hast du wohl im Laufe der Jahre schon ein paarmal erwähnt. Wie viel Zeit bleibt mir noch, bevor du die Tür zum letzten Mal schließt?"

Seine Augen wandten sich schuldbewusst ab. „Nicht sehr lange, fürchte ich."

Ich beugte mich vor und hielt mich mit den Händen am Rand des Schreibtisches fest. „Wie lang, Onkel?"

Bob sah zur Decke. „Etwa zwei Stunden."

Ich schüttelte nur meinen Kopf über ihn. Es war ein Wunder, dass er jemals ein Haus verkauft hatte.

„Der Kerl hat mich heute Morgen angerufen und wollte wissen, ob er das Haus heute Abend in Besitz nehmen kann. Etwas von wegen seine Mutter beeindrucken. Oder vielleicht war es seine Freundin. Wie auch immer, da wir im Moment in einer Projektlücke sind ..." Er bekam den verträumten Gesichtsausdruck, der immer bedeutete, dass er gerade ein gutes Geschäft gemacht hatte.

Nachdem er zurück zu seinem Schreibtisch geschlendert war, sank ich wieder auf meinen Stuhl und versuchte nachzudenken. Ich hatte für Bob gearbeitet, seit ich vor drei Jahren das College abgeschlossen hatte, und ich hatte das nur getan, weil ich keine andere Arbeit finden konnte. Na ja, vielleicht hatte die Tatsache, dass ich General Studies als Hauptfach gewählt hatte (*1), etwas damit zu tun gehabt, aber wer blickt da schon durch?

Während ich über meine aktuellen Job-Optionen nachdachte (es gab keine, schließlich war Vincennes, Indiana, nicht gerade eine boomende Metropole trotz allem, was mein Vater sagte), warf ich einen Blick auf das Buch auf meinem Schreibtisch und blätterte es müßig durch. Was würde Elizabeth Bennet in meiner Situation tun?

Nun, genau genommen würde sie sich nie in dieser Position befinden, sagte eine kleine Stimme in meinem Kopf süffisant. Sie hatte vermutlich gewusst, was sie aus ihrem Leben machen wollte, seit sie sprechen konnte. Und für den unwahrscheinlichen Fall, dass dem nicht so war, wäre sie sich sicherlich zu dem Zeitpunkt, als sie die Schule abschloss, über alles klar gewesen. Ich legte das Buch zurück auf meinen Schreibtisch und fing an, meine Sachen in den Karton zu packen, den Bob aufmerksamerweise für mich dagelassen hatte, bevor er verschwunden war. Ich achtete darauf, mein eselsohriges Exemplar von Stolz und Vorurteil ganz oben zu platzieren – nur für den Fall, dass ich es brauchte.

Am Nachmittag auf dem Heimweg dachte ich über Elizabeth Bennet nach. Ich hatte versucht, Englisch als Hauptfach zu nehmen, damit ich einen berechtigten Grund hätte, mein Lieblingsbuch zu lesen, aber leider war der Fachbereich Englisch nicht zentral auf Jane Austen ausgerichtet. Dennoch, wer hätte gedacht, dass es für Englischstudenten eine gute Idee sei, Bücher zu lesen, die nicht einmal in Englisch geschrieben worden waren? Ich konnte mir nicht vorstellen, Tolstoi oder Dostojewski zu lesen oder (Schauder) Kafka, also änderte ich mein Hauptfach, sehr zum Leidwesen meiner Eltern. Ich lese aber immer noch Stolz und Vorurteil. Häufig. Und in der Regel, wenn ich eigentlich etwas anderes tun sollte.

Als ich in die Einfahrt meines Elternhauses einbog, wartete mein Bruder Oliver im Vorgarten auf mich. Er sah sehr ernst aus, sein in der Regel fröhliches Gesicht wirkte seltsam. „Hey, Katie", sagte er und kam herüber, um mir mit dem Karton zu helfen, den ich in den Kofferraum gestopft hatte. „Onkel Bob hat vor einer Stunde angerufen. Tut mir leid, dass du gefeuert worden bist."

Ich schnappte mir mein Buch aus dem Karton, bevor er ihn wegtragen konnte, und folgte ihm zur Tür. „Ich bin nicht gefeuert worden; Onkel Bob hat das Geschäft aufgegeben. Das ist ein großer Unterschied. Und ich hätte es wohl kommen sehen sollen", sagte ich mürrisch. „Er hat vor ein paar Jahren aufgehört, Häuser zu verkaufen, und sich stattdessen auf die Käufer konzentriert. Als sich die letzte Familie vor ein paar Wochen über ihr Haus einig geworden war, gab es wirklich nicht mehr viel zu tun."

„Nun, es tut mir immer noch leid. Was wirst du jetzt tun?"

„Sie wird in ihr Zimmer gehen und ihr kostbares Buch lesen." Josie guckte aus der Haustür und lachte, als sie meinen Gesichtsausdruck sah. „Komm schon, du weißt, dass du das immer tust, wenn dir etwas passiert. Du hast das dumme Ding drei Monate am Stück gelesen, als du das erste Mal keinen Job finden konntest. Und jetzt wirst du es wieder tun. Wie fühlt es sich an, von der eigenen Familie gefeuert zu werden?"

Ich blickte sie finster an und versuchte, das Buch in meiner Tasche zu verstecken. „Ich bin nicht gefeuert worden", sagte ich ein wenig lauter als geplant. „Bob hat die Agentur geschlossen." Als Josie geboren wurde, haben sie mir gesagt, sie würde im Handumdrehen meine beste Freundin sein, aber das war vor vierzehn Jahren. Offensichtlich gilt das nur, wenn die jüngere Schwester nicht elf Jahre jünger ist – und vor allem ein Versehen.

Josie grinste mich an. „Also bist du überflüssig geworden? Das ist noch besser." Sie streckte die Zunge heraus, als der Erdklumpen, den ich nach ihr warf, danebenging.

„Sehr ladylike", sagte ich zu ihr. „Sind Mama und Papa zu Hause?"

„Sie sind in der Küche und reden über dich." Sie sah mich abschätzend an. „Ich dachte, du würdest dich viel mehr darüber aufregen, dass du gefeuert worden bist", sagte sie und starrte mich kritisch an. „Deine Augen sind nicht einmal rot. Hast du überhaupt nicht geweint?"

„Hau ab, Josie." Der Schmollmund in ihrem Gesicht rührte mich überhaupt nicht.

„Ich werde Mama erzählen, dass du gemein zu mir warst", jammerte sie, aber als Oliver sie warnend ansah, drehte sie sich auf den Zehenspitzen um, tanzte wieder hinein und ließ die Fliegengittertür hinter sich zuschlagen.

Ich setzte mich auf die Stufen des Vorbaus und lehnte mich zurück, um zu den Bäumen hochzuschauen, die unser Haus umgaben. Oliver stellte den Karton neben die Haustür und setzte sich neben mich. Es war lange Zeit still.

„Du scheinst zur Abwechslung mal furchtbar ernst zu sein", sagte ich schließlich, als es offensichtlich war, dass er nur dasitzen würde. „Was ist los mit dir, ich weiß, dass du wegen meines Jobs geschockt bist" – er schnaubte – „aber das ist kein Grund für dich, so deprimiert zu sein."

„Du wirst einen anderen Job finden. Vielleicht sogar einen, wo der Chef nicht verlangt, dass du an den Wochenenden seine Sachen von der Reinigung abholst."

Ich lächelte zu den Bäumen hoch. Es gab gewisse Dinge an der Arbeit für Onkel Bob, die ich nicht vermissen würde.

„Ich bin gerührt, dass du so um mich besorgt bist", sagte ich zu ihm und lehnte mich weiter zurück unter den Vorbau, „aber da stimmt noch etwas anderes nicht. Normalerweise platzt du fast vor lauter Übermut oder spielst irgendwelche dummen Streiche. Hat dein Ruf die Butler Uni (*2) schon vor dir erreicht, und haben sie beschlossen, dass es ein zu großes Risiko wäre, dich zu ihrem MBA-Studium (*3) zuzulassen?"

„Sehr witzig. Damit du's weißt, nichts, was ich je getan habe, hat mich ins Gefängnis gebracht. Vielleicht ein paar Leute verärgert, aber nichts Illegales."

„Der einzige Grund, warum Mama und Papa dich nie aus dem Gefängnis holen mussten, war, dass du es immer geschafft hast, dich aus den Schwierigkeiten herauszureden."

Er zuckte mit den Schultern, und ich konnte die Selbstgefälligkeit in seiner Stimme hören. „Wo du gut bist, bist du gut", räumte er ein. „Aber im Ernst, ich habe heute gehört, dass sich meine Unterkunftspläne zerschlagen haben."

„Was ist passiert?"

Oliver seufzte schwer. „Das Gebäude ist letzte Nacht abgebrannt."

„Oh. Das ist übel."

„Kann man wohl sagen."

Ich beobachtete, wie der Wind sein blondes Haar zerzauste. Egal, was er damit machte, es stand immer geradewegs nach oben. Nicht einmal der Wind konnte bewirken, dass es sich lange flach legte. „Nun, ich schätze, ich sollte mir besser etwas einfallen lassen", sagte er schließlich und stand auf. „Der Unterricht beginnt nächste Woche, und wenn ich nicht jeden Tag pendeln will, muss ich einen Plan ausknobeln. Wer weiß? Die Antwort auf die Probleme von uns beiden könnte gleich hinter der nächsten Ecke liegen."

Ich hatte gerade meinen Mund aufgemacht, um ihm zu sagen, dass ich dachte, er sei übermäßig optimistisch, als mich das Geräusch von Reifen, die quietschend um eine Kurve kamen, aufblicken ließ. Ein gelbes Auto kam mit Volldampf auf unsere Einfahrt zu. Es wurde nicht langsamer, bis es drei Meter entfernt war; dann prallte das Auto über den Bordstein und kam rutschend zum Stehen.

„Wusstest du, dass George und Bea heute Abend kommen würden?" fragte ich Oliver, als ein strahlendes Paar aus dem Staub auftauchte. Sie trugen beide gelbe Hemden, und Bea hatte sich offensichtlich gerade ihr Haar passend zum Auto zurechtmachen lassen. Es war, als ob man den Mann mit dem gelben Hut (*4) sähe, nachdem er in Butter getaucht worden war – eine seltsame Angelegenheit, denn ihr Nachname war Butterblum.

„Sie sind da!" Josie kam die Stufen herunter gebrettert und verfehlte knapp meine Hand, bevor sie sich an Bea ranschmiss. „Onkel George! Tante Bea, ich dachte, ihr würdet nie hier ankommen!"

Bea lachte und küsste Josie auf die Backe. „Wir sind gleich losgefahren, nachdem wir deine Eltern angerufen haben", sagte George, der hinter seiner Frau stand. „Ich wollte das Auto ein letztes Mal ausfahren, bevor wir abreisen, damit ich etwas als Erinnerung habe, während wir in der japanischen Wildnis sind." Er nahm ein Taschentuch aus seiner Hosentasche und wischte an dem Staub herum, der sich auf der Motorhaube ablagerte.

„In Japan haben sie auch Autos, George", stellte Oliver klar und grinste zum ersten Mal an diesem Nachmittag.

„Nur weil ich nicht wirklich dein Onkel bin, bedeutet das nicht, dass du frech zu mir sein kannst, Junge", sagte George und stieß Oliver in die Rippen. „Führe meine armen alten Knochen die Treppe hoch und erzähl mir von deinem Studium. Ich habe selbst auch einmal daran gedacht, Geschäftsmann zu werden."

Josie sah Bea demonstrativ an. „Hast du mir nicht gesagt, da würde etwas auf dem Rücksitz für mich sein?" fragte sie und reckte den Hals, um Bea über die Schulter zu schauen.

„Ist das der Grund, weshalb wir so einen herzlichen Empfang bekommen haben? Nur zu, es ist dort drin." Josie kreischte, flitzte um das Auto herum und ließ mich einigermaßen friedlich mit Bea zum Haus gehen.

„Ich habe gelesen, dass deine Namensvetterin kürzlich in Schwierigkeiten gewesen ist", sagte Bea zu mir, nachdem sie sich bei mir untergehakt hatte. „Etwas mit verrückten Partys und zwielichtigen Jungs."

Ich verdrehte die Augen in ihre Richtung und wünschte, nicht zum ersten Mal, dass meine Eltern mich alles andere, nur nicht Katie genannt hätten. „Wenn wir nicht den gleichen Namen hätten, würde uns niemand vergleichen", stelle ich klar. „Selbst wenn wir am gleichen Tag Geburtstag haben und uns entfernt ähnlich sehen."

„Das ist vermutlich richtig", stimmte sie bereitwillig zu, „aber es gibt zwei Katie Emburys in Indiana, und die andere ist nun zufällig die flatterhafte Tochter des Senators. Ich würde dir ja raten, deinen Namen zu ändern, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass du den magst, den du bekommen hast, auch wenn du dich darüber beschwerst."

Sie hatte natürlich Recht. Ich hatte versucht, mir alternative Namen auszudenken, seit mir zum ersten Mal bewusst geworden war, dass es da draußen eine andere, berühmtere Version von mir gab, aber nichts passte so richtig. (Ich hatte natürlich Elizabeth Jane Embury in Erwägung gezogen, aber der Shitstorm (*5) von meiner Schwester und dem Rest der Austen-Leserschaft könnte vielleicht ein bisschen zu weit gehen. Dennoch, es war verlockend ...)

„Vielleicht werde ich mir die Haare färben", sagte ich nachdenklich, als wir ins Haus gingen. „Dann würden wir uns zumindest nicht so ähnlich sehen."

„Das wäre eine gute Idee, wenn die andere Katie ihre Haarfarbe nicht jede Woche ändern würde", betonte Mama, als sie hervortrat, um uns zu umarmen. „Ist sie nicht seit neuestem blond, Bea?"

„Woher weißt du das?" Mama las nie die Boulevardpresse. Sie schaute nicht einmal allzu viel fern, abgesehen vom Krimi am Donnerstag.

„Bea hält mich auf dem Laufenden." Sie zwinkerte ihrer besten Freundin schelmisch zu. „Ich mag es, zu wissen, was mir entgeht. Nun, was soll das, dass Bob die Agentur zumacht? Ich dachte, er würde noch ein Jahr warten."

Bea sah uns beide an und zog eine Augenbraue hoch. Ich hatte jahrelang versucht, das mit meinen eigenen Augenbrauen zu trainieren, aber ohne Erfolg. „Hast du heute deinen Job verloren, Liebling?"

Ich riss meinen Blick von der hochgezogenen Augenbraue los, die noch in der Mitte der Stirn schwebte, und nickte deprimiert. „Fürchte, ja."

Auf Beas Gesicht zeigte sich ein erfreutes Lächeln. „Aber das ist das Beste, was ich während des ganzen Tages gehört habe!" rief sie und klatschte in die Hände wie eine Zweijährige. „Warte nur, bis ich es George erzähle. Er wird begeistert sein."

Ich starrte sie an und fragte mich, ob sie auf ihrer Fahrt zu viel Koffein abgekriegt hatte. „Ich glaube, du musst dich hinlegen", sagte Mama nach einem Moment und fing an, sie ins Wohnzimmer zu lotsen. „Die Sonne muss dir wieder zugesetzt haben."

Bea schüttelte sie einfach ab und nahm Kurs auf die Küche. „Wir werden euch unsere Pläne beim Abendessen erzählen", rief sie glücklich über die Schulter. „Stell dir vor, Katie hat ausgerechnet heute ihren Job verloren!"

Mama und ich standen eine Minute lang einfach nur da und versuchten zu verstehen, was gerade passiert war. „Ich kapiere das nicht", sagte ich schließlich. „Ich weiß, dass du sie seit dem Kindergarten kennst, Mama, aber wirklich. Sollte sie in ein fremdes Land gehen und diese armen ahnungslosen Seelen in Englisch unterrichten dürfen? Nur der Himmel weiß, was sie ihnen wohl beibringt zu sagen."

Mama schüttelte sich ein wenig und konzentrierte sich auf mich. „In all den gemeinsamen Jahren bin ich zu einer Erkenntnis gekommen", sagte sie fest. „Beas Kopf ist fester angeschraubt, als sie durchblicken lässt. Wenn sie seltsame Dinge tut, hat sie in der Regel einen Grund dafür." Damit ließ sie mich auf dem Flur stehen, um nach dem Abendessen zu sehen.

Ich beobachtete Bea während der ganzen Mahlzeit und fragte mich, ob Mama mit ihrer Bemerkung Recht hatte. Sie saß neben Josie, die jedes Mal finster dreinschaute, wenn Bea mit ihr sprach. Das lag daran, da war ich mir ziemlich sicher, dass das "Geschenk", das sie ihr mitgebracht hatte, eine Barbie-Puppe war. Der Ausdruck auf Josies Gesicht, als sie ins Haus gestürmt war, war unbezahlbar – genauso wie Beas Antwort. „Ich hätte schwören können, dass du im richtigen Alter dafür wärst", hatte sie mit kritischem Blick auf Josie gesagt. „Immerhin spielst du die Rolle des Babys der Familie perfekt." Das hatte Josie dazu gebracht, aufzuhören zu jammern, obwohl sie finstere Blicke in Richtung unserer Gäste warf, wenn sie sich unbeobachtet fühlte.

Erst als alle ihren leeren Teller weggeschoben hatten, kamen George und Bea zur Sache. „Ich bin sicher, dass ihr euch fragt, was wir hier tun, so kurzfristig, wie wir uns ankündigt haben", begann George, „aber wir befinden uns etwas in der Zwickmühle und haben uns gefragt, ob ihr uns heraushelfen könntet."

„Natürlich", sagte Papa. „Ihr wisst, dass wir alles tun werden, was wir können, um euch zu helfen."

George lächelte ihn an. „Ich weiß, du würdest es, Ted, und Sally, du auch. Aber was wir wirklich brauchen, ist die Hilfe eurer Kinder."

Josie sah aufmüpfig drein, aber Oliver und ich nahmen Haltung an. Was könnten ein arbeitsloses Mädchen und ihr Bruder, der College-Student, wohl haben, was die Butterblums benötigten?

„Ihr wisst natürlich, dass Bea und ich in ein paar Tagen nach Japan gehen", fuhr George fort. „Und dass wir planen, dort für ein Jahr oder so zu bleiben. Naja, wir dachten, wir hätten jemand in Aussicht, um auf das Haus aufzupassen, aber heute Morgen haben wir erfahren, dass sie beschlossen hat, Schauspielerin zu werden, und nach Hollywood umzieht, um auf ihren großen Durchbruch zu warten."

Oliver und ich sahen einander an. Dachte er das gleiche wie ich?

„Also wollten wir dich fragen, Oliver, ob du in Betracht ziehen würdest, während deiner Zeit am Butler unser Haus zu hüten", sagte Bea. „Ich weiß, du hast wahrscheinlich schon eine feste Unterkunft, aber wir sind nicht so weit weg vom Campus – du könntest sogar mit deinem Fahrrad fahren, wenn das Wetter schön ist."

Olivers Grinsen brachte seine Backenzähne zum Vorschein. „Sehr gerne!" sagte er glücklich. „Wie sich herausstellte, hat sich mein Wohnungsarrangement in den letzten Stunden ein wenig verändert."

„Ausgezeichnet". George und Bea strahlten einander an. „Nun, Oliver, ich hoffe, du wirst das nicht übel nehmen, aber wir wissen, wie junge Männer leben, wenn sie von ihren Müttern getrennt sind. Da Katie gerade jetzt arbeitslos ist, möchten wir sie bitten, ebenfalls zu kommen und sicherzustellen, dass das Haus kein Müllhaufen wird. Freilich, wenn du einen netten Jungen findest, während du dort bist, würden wir es verstehen, wenn du heiraten und ausziehen wolltest", fügte Bea hinzu.

Ich blinzelte ihr kurz zu, unsicher, ob ich dankbar für die Einladung sein sollte oder beunruhigt, dass sie dachte, ich wäre auf der Suche nach einem Ehemann. „Es wird wahrscheinlich einfacher sein, einen Job in Indianapolis zu finden", warf George ein, während er mich scharf beobachtete. „Es ist ein wenig größer als Vincennes."

Warum zögerte ich? Es war nicht so, als ob Gelegenheiten wie diese jeden Tag vom Himmel fielen. „Ich kann morgen einziehen", sagte ich ihnen mit einem Grinsen, fast so breit wie Olivers. „Aber ich glaube nicht, dass ich nach einer verwandten männlichen Seele suchen werde, während ich dort bin."

Beas Hand flatterte herablassend durch die Luft. „Man weiß nie", sagte sie. „Es sind schon seltsamere Dinge passiert."

„Augenblick mal!" Mama sah ein wenig panisch aus. „Du kannst mir nicht zwei meiner Kinder auf einmal wegnehmen."

Nicht das schon wieder. Dass ich noch nicht ausgezogen war, lag zum Teil daran, dass Mama dazu neigte zu hyperventilieren, wann immer die Idee aufkam. Wenn ich aber ganz ehrlich mit mir selbst war, brachte ich es nicht allzu oft zur Sprache. Die Welt war ein beängstigender Ort, und ein ansehnlicher Prozentsatz der Gruselgeschichten pflegte jungen Blondinen zu passieren. Zumindest erschien es mir so. Aber aus irgendeinem Grund klang die Idee, mit Oliver zusammenzuwohnen, nicht so bedrohlich. Solange ich ihn davon überzeugen konnte, seine schmutzigen Socken wegzuräumen. Und das Geschirr mehr als einmal im Jahr abzuwaschen.

„Sally, es ist Zeit, dass sie ausziehen." Papa nahm ihre Hand in seine und sah sie mitleidig an. „Und wenn etwas passiert, sind wir nur zwei Stunden weit weg." Mama starrte ihn lediglich an, bevor sie in Tränen ausbrach und aus dem Zimmer rannte.

Papa seufzte und stand auf. „Ich werde zu ihr gehen", sagte er und wandte sich dann zu mir und Oliver. „Keine Sorge, sie wird es schon einsehen. Aber es könnte hilfreich sein, wenn Katie morgen aufbricht, wie sie gesagt hat, und Oliver in einer Woche oder so nachkommt. Auf diese Weise hat sie ein paar Tage Zeit, um sich an die Idee zu gewöhnen." Dann ging er und rieb sich dabei die kahle Stelle auf seinem Kopf, wie er es immer tat, wenn etwas nicht reibungslos lief.

Ich starrte auf meinen Teller und fühlte mich ein wenig schuldig, der Anlass dafür zu sein, dass sich meine eigene Mutter so schrecklich fühlte. Bea langte über den Tisch und tätschelte sanft meine Hand. „Keine Sorge", sagte sie und wiederholte damit Papas Worte. „Es musste früher oder später passieren, und es ist viel besser, dass du jetzt ausziehst als an dem Tag, an dem du heiratest."

Warum redete sie ständig vom Heiraten? Ich hatte nichts gegen die Vorstellung, aber es schien mir, dass ich diejenige sein sollte, die darüber entschied, wann ich mich binden wollte, und nicht meine Adoptivtante. Ich beschloss, es ihr durchgehen zu lassen.

„Gibt es etwas, was wir tun sollen, während ihr weg seid?" fragte ich.

„Abgesehen davon, Olivers Freunde davon abzuhalten, unserem Haus solche „Timi-ing" Streiche zu spielen, meinst du?"

„Ich glaube, du meinst „TP-ing" (*6), Tante Bea." Das war das erste, was Josie den ganzen Abend gesagt hatte, und ihre Stimme klang schwach und deprimiert.

„Was auch immer. Ich will nicht, dass meine Bäume mit Toilettenpapier verziert werden. Verstehst du mich?" Der Blick, den sie Oliver zuwarf, hätte auch den härtesten Mann zu Eis erstarren lassen.

„Ja, Ma'am." Er grinste sie frech an und salutierte.

„George wird dir eine Karte zeichnen, wie du zu unserem Haus kommst", sagte sie zu mir, „und wir sehen dich dann morgen Vormittag. Bring alles mit, was du brauchst; wir haben zwei Gästeschlafzimmer, die ihr benutzen könnt, also mach dir keine Sorgen über Möbel. Und Mr. Poppikins wird begeistert sein, dich kennenzulernen."

„Mr. Poppikins?" fragte ich zaghaft. Irgendwie klang das nicht vielversprechend. Hatte sie mich gedanklich schon mit einem der Nachbarn verkuppelt?

Bea durchwühlte eine Minute lang ihre Handtasche, bevor sie sie mit einem dumpfen Schlag auf den Tisch stellte. „Ich muss meine Brieftasche wieder auf dem Küchentisch gelassen haben", sagte sie zu George. „Es ist besser, wenn du heimfährst."

„Das hatte ich vor."

„Mr. Poppikins ist unser Hund", sagte Bea mit einem mütterlichen Lächeln auf dem Gesicht. „Er ist das süßeste kleine Ding. Ich weiß schon, dass ihr drei die besten Freunde sein werdet, während wir weg sind. Wir haben daran gedacht, ihn mitzunehmen, aber Japan ist so nah bei Korea. Ich wollte ihm nicht den Schlaf rauben mit der Frage, ob er auf dem Tisch irgendeiner Familie enden würde. Er würde die ganze Zeit, die wir dort verbringen, außer sich vor Sorge sein."

Ich machte meinen Mund auf, um zu sagen, dass das höchst unwahrscheinlich sei, bemerkte aber Olivers Gesichtsausdruck und machte ihn wieder zu. Er besagte ganz deutlich: „Keine Widerrede. Du kannst diese Diskussion nie im Leben gewinnen."


Eine Stunde später waren die Butterblums weg und ich packte in meinem Zimmer meine Sachen. Mama war rechtzeitig aus ihrem Versteck gekommen, um sich von George und Bea zu verabschieden, und dann waren sie und Papa wieder verschwunden. Als es an der Tür klopfte, nahm ich an, es sei sie.

Stattdessen kam Josie herein und schloss leise die Tür hinter sich. Sie sank auf das Bett, zog die Knie bis zum Kinn und beobachtete mich, wie ich Sachen aus dem Schrank warf.

„Wenn du hier bist, um meine Kleider zu stehlen, bevor sie in meinem Koffer landen, hast du falsch gedacht", sagte ich zu ihr, während ich Sachen vom Kleiderbügel abnahm. „Immerhin weiß ich, wo du wohnst, und ich werde nicht zögern, zurückzukommen und zurückzufordern, was mir gehört."

Als keine Antwort kam, steckte ich meinen Kopf aus der Schranktür und versuchte, ihren Blick einzufangen. „Josie?"

Sie begegnete meinem Blick, und ich war schockiert zu sehen, dass Tränen langsam ihre Wangen herunter kullerten. „Was ist los?"

„Ich will nicht, dass du gehst", heulte sie, warf sich auf die Kleider, die das Bett übersäten, und vergrub das Gesicht in einem Kissen. „Ich wünschte, du wärst nie gefeuert worden. Dann hättest du keinen Grund auszuziehen. Es wird so einsam sein, hier ganz allein."

„Ich bin nicht gefeuert worden!" Das wurde allmählich wirklich langweilig.

„Was auch immer."

Ich stand eine Minute lang da, fragte mich, was ich tun sollte, und kämpfte gegen den fiesen Drang zu lachen. „Du hast dich früher nie darum gekümmert, wo ich bin", sagte ich vorsichtig, setzte mich neben sie und klopfte sanft auf ihren zitternden Rücken. „Was hat sich in den letzten zwei Stunden geändert?"

Unter lautstarkem Schluckauf wischte sie sich das Gesicht am Ärmel meiner Lieblingsbluse ab. „Ich weiß, ich bereite dir eine Menge Ärger", schniefte sie, „aber wenn du und Oliver weggehen, bin nur noch ich da, allein mit den Eltern. Papa ist nicht so übel, er muss sich auf den Unterricht vorbereiten und hat Highschool-Schüler, denen er drohen kann, so dass er mich meistens in Ruhe lässt. Aber Mama wird mich zum Wahnsinn treiben. Kann ich nicht mitkommen? Ich verspreche, ich werde auch selbst aufräumen."

Plötzlich verstand ich, was eine meiner Freundinnen gesagt hatte, als sie sich nach einem harten Semester am College anschickte, den Sommer über nach Hause zu fahren. Sie hatte mehrere jüngere Geschwister, die sie nie wirklich zu schätzen wusste, wie sie mir erzählte, bis sie wegzog und die anderen zurückließ. Vielleicht fühlte Josie sich so ähnlich, nur vom anderen Ende des Spektrums her.

„Du weißt so gut wie ich, dass man Mama in eine Anstalt einweisen müsste, wenn wir alle drei gleichzeitig ausziehen würden."

Josie presste das Kissen gegen ihre Brust und weigerte sich, mich anzusehen.

„Warum kommst du mich nicht nach einem Monat oder so besuchen? Hast du nicht Herbstferien im Oktober?"

Dies machte sie kein bisschen glücklicher. „Sie werden mich nicht fahren lassen", sagte sie missmutig. „Sie haben diese lächerlichen Ansichten, was Noten betrifft. Wenn ich nicht überall die besten Noten bekomme wie du und Oliver, dann brennt bei ihnen die Sicherung durch."

Ich widerstand dem Drang, meine Augen zu verdrehen. „Dann mache ich dir einen Vorschlag. Du gibst bei den Schularbeiten dein Bestes, und wenn du anständige Noten in der Zwischenbewertung hast, werde ich Papa überreden, dich für ein langes Wochenende kommen zu lassen. Ohne Mama."

Josie erstarrte, dann warf sie mir ihre Arme um den Hals. „Wirklich? Meinst du das ernst? Ich könnte die nächsten zwei Monate überleben, wenn ich wüsste, dass es etwas gibt, auf das ich mich freuen kann."

Ich lachte leise über ihre Aufregung und zerzauste ihr Haar. „Ich verspreche es. Jetzt, wenn du nichts dagegen hast, muss ich fertig packen. Auch wenn ich dich liebe, werde ich meine Sachen nicht hier lassen, damit du sie ruinieren kannst, während ich weg bin."

Josie kicherte und wir verbrachten den Rest des Abends damit, über Jungs zu reden (es gab mehrere, auf die sie ein Auge geworfen hatte) und ihre Reise nach Indianapolis zu planen.

Am nächsten Morgen, nach einem tränenreichen Abschied von meiner Mutter und einem gedämpfteren von meinem Papa, war ich auf dem Weg und folgte der Karte, die George am Abend zuvor für mich gezeichnet hatte. Solange mein altes Auto nicht unterwegs zusammenbrach, könnte sich dies sehr gut als die Sache entpuppen, von der ich seit Abschluss des Studiums geträumt hatte. Und mit Jane Austen an meiner Seite, wie könnte da etwas schief gehen?

Ich war bereit, der Welt zu begegnen. Nun, zumindest Mr. Poppikins.


(*1) Siehe Wikipedia-Artikel zu "General Studies"

(*2) Siehe Wikipedia-Artikel zu "Butler_University"

(*3) Siehe Wikipedia-Artikel zu "Master of Business Administration"

(*4) Siehe Wikipedia-Artikel zu "Coco – Der neugierige Affe"

(*5) Siehe Wikipedia-Artikel zu "Shitstorm"

(*6) Siehe "Toilet papering" in der englischen Wikipedia