Disclaimer: Alle Figuren gehören Joanne K. Rowling und ich verdiene kein Geld mit diesen Geschichten.
Alle Jahre wieder
Prolog
Die fünfjährige Hermine Granger saß an Heiligabend im Dunkeln auf einer verschneiten Bank in einem Park und weinte bitterlich. Sie war mit ihren Eltern nach London gekommen, um die letzten Weihnachtsgeschenke einzukaufen, doch dann hatte sie ein schönes Spielzeug im Schaufenster gesehen – und dadurch ihre Eltern aus den Augen verloren. Sie war stundenlang (jedenfalls hatte es sich für sie wie Stunden angefühlt, aber Kinder haben bekanntlich kein Zeitgefühl) umhergeirrt, hatte nach ihren Eltern gerufen und dabei geweint, bis sie schließlich zu dieser Bank gekommen war, sich daraufgesetzt hatte und seitdem darauf wartete, gefunden zu werden, denn sie hatte keine Kraft mehr, weiterzusuchen. Außerdem fürchtete sie sich vor der einkehrenden Dunkelheit und hier neben ihrer Bank stand wenigstens eine helle Lampe.
Irgendwann war das letzte Licht der Sonne gänzlich verschwunden und nur noch ihre Straßenlaterne konnte Hermine Trost spenden, was nichts daran änderte, dass sie sich nun noch mehr ängstigte vor all den möglichen Gefahren der dunklen Einsamkeit. Des Weiteren war es kalt und sie fror trotz ihres dicken Mantels.
Auf einmal vernahm sie einen lauten Knall aus dem Gebüsch gegenüber von sich und schrie auf. Ihr Weinen verstummte sofort. Einen Augenblick blieb es still, dann trat eine dunkle Gestalt aus dem Gebüsch und wischte sich den Schnee von seinen Sachen.
Hermine fand, dass er sehr seltsam gekleidet war: Er trug Roben und sogar einen Umhang – und das komplett in schwarz. Unweigerlich musste sie kichern; es sah einfach zu fremdartig aus.
Der Fremde starrte sie erstaunt an; er hatte offenbar gedacht, allein zu sein.
Hermines Augen weiteten sich vor Schreck, als der Mann auf sie zukam.
„Was machst du hier ganz allein?", fragte er sie ein wenig unfreundlich.
„Ich habe meine Eltern verloren", antwortete sie leise und sah ihn weiter ängstlich an.
Severus Snape seufzte und sah sich um, aber weit und breit war keine Menschenseele zu entdecken. Er hatte wichtige Dinge zu erledigen, aber er konnte dieses kleine Mädchen auch nicht einfach hier allein in der Dunkelheit lassen. Und wie sie ihn ansah… als ob er ihr gleich etwas Böses wollen würde…
„Sag mal, Kleine, glaubst du eigentlich an Magie?", fragte er sie irgendwann und setzte sich neben sie auf die Bank, um nicht so groß und bedrohlich vor ihr zu stehen.
Ihr Blick änderte sich von Furcht in eine Mischung aus Nachdenklichkeit und Misstrauen. Dann schüttelte sie mit dem Kopf. „Magie gibt es nur im Märchen."
Die wache Art, mit der sie diese für sie recht rationale Antwort gab und ihn mutig ansah, erstaunte ihn. Normalerweise waren so kleine Kinder doch sehr naiv und dadurch dumm, aber sie wirkte ausgesprochen klug in ihrer Art.
„Bist du dir ganz sicher?", fragte er sie und seine Mundwinkel zuckten nach oben.
Sie lächelte. „Nein, natürlich nicht", erwiderte sie. „Schließlich ist die Welt sehr groß und voller Geheimnisse und da ich noch nicht überall auf dieser Welt gewesen bin und vermutlich auch nie sein werde, ist nichts im Leben mit absoluter Sicherheit auszuschließen."
Nach dieser Antwort sah er sie ungläubig an und war für einige Momente schier sprachlos. Diese Reife war einem kleinen Mädchen überhaupt nicht ähnlich! Dann holte er seinen Zauberstab heraus und ließ einige rote und grüne Funken daraus hervorschießen, die wie ein Feuerwerk an Silvester in den Himmel stiegen, bevor sie sich in Nichts auflösten.
Die Kleine lachte freudig und klatschte in die Hände.
Severus Snape war über sich selbst erstaunt: In Hogwarts verschreckte er die kleinen Gören, bevor sie überhaupt in seinem Unterricht gewesen waren, und hier saß er nun und amüsierte ein kleines Mädchen mit albernem Zauberstabgefuchtel. Aber wenigstens sah sie nun kein kleines bisschen mehr verängstigt aus.
„Bist du ein wahrer Zauberer oder nur einer dieser Zauberer, die die Zuschauer mit einfachen Tricks versuchen, in die Irre zu führen?" Misstrauisch sah sie ihn an.
Er musste kurz schmunzeln, bevor er meinte: „Kann ein falscher Zauberer denn so etwas?" und aus seiner Zauberstabspitze brach sein Patronus hervor.
„Ohh", machte die Kleine, als die silberne Hirschkuh ein paar Mal vor ihnen im Kreis lief und sich dann wieder auflöste.
„Und das ist ein echter Zauberstab?", fragte sie nun ehrfürchtig und sah auf den schwarzen Holzstab.
Er nickte.
„Er ist wunderschön", sagte sie. „Darf ich ihn einmal kurz halten? Bitte?" Fragend sah sie ihn an.
Severus Snape war hin und hergerissen. Er wollte seinen Zauberstab nicht weggeben, aber andererseits war sie nur ein einsames, kleines, äußerst kluges Muggelkind – also was sollte es schon schaden? „Aber schön vorsichtig sein!", warnte er sie noch, bevor er ihr seinen Zauberstab in die Hand gab.
In dem Moment, in dem Hermine seinen Zauberstab in ihrer Hand hielt, breitete sich ein goldenes Leuchten um sie aus und aus dem Zauberstab stoben ein paar silberne Funken. Erschrocken schrie sie auf und gab ihm eilends den Zauberstab wieder – jedes normale Kind hätte ihn wohl von sich geschmissen, aber diese Kleine schien etwas sehr Besonderes zu sein, das begriff Severus immer mehr.
„Was war das?", fragte sie, als sie sich wieder beruhigt hatte.
„Ich bin mir nicht sicher", antwortete er. „Aber du scheinst verborgene Fähigkeiten in dir zu tragen."
„Ist das gut oder schlecht?", fragte sie ihn und biss sich dabei nervös auf die Unterlippe.
Er lachte leise. „Das wird sich noch zeigen."
Sie nickte ein paar Mal und sah nachdenklich drein.
„Wie heißt du eigentlich?", fragte er die Kleine, um sie abzulenken.
„Hermine Granger", antwortete sie sofort. „Und du?" Ihre großen haselnussfarbenen Augen sahen ihn an und es war wieder diese wache Aufmerksamkeit in ihnen, die ihn überraschte.
„Severus Snape", antwortete er.
Hermine musste daraufhin leise kichern.
„Was ist denn daran so komisch?", fragte er irritiert und eine geringe Spur erbost.
„Dein Name klingt witzig", antwortete sie immer noch kichernd.
„Das ist ein ganz normaler Name für einen Zauberer!", erklärte er ihr.
„Oh!", machte sie und das Kichern erstarb sofort. „Das wusste ich nicht."
„Nun, dann weißt du es jetzt", murmelte er nur.
Eine Weile herrschte Stille. Er wusste, dass er sie eigentlich oblivieren müsste, da er einem Muggelmädchen Zauberei gezeigt hatte und ihn das früher oder später in Schwierigkeiten bringen würde, aber er brachte es einfach nicht fertig – sie war zu interessant und besonders und anscheinend ebenfalls eine Zauberin…
„Lass uns mal nach deinen Eltern suchen", schlug er irgendwann vor. „Sie werden sich sicher schon Sorgen machen."
„Ja, bestimmt", sagte Hermine und wirkte wieder traurig. „Aber wie willst du sie finden? London ist so groß…"
„Natürlich mit Magie", sagte er verschwörerisch und zwinkerte ihr zu. Hier war sie plötzlich, seine perfekte Ausrede, sollte er wegen seines Zauberns Ärger bekommen: Er hatte einfach nur einem verlorenen Kind geholfen, seine Eltern wiederzufinden – da konnte kein Zaubereiministerium dieser Welt etwas dagegen haben! Er sprach einen Zauber, der ihm den Weg zum momentanen Aufenthaltsort von Mr und Mrs Granger zeigte und Hermine und er folgten der silbern leuchtenden Spur auf dem Boden, die nur für sie beide sichtbar war.
Sie verließen den Park und kamen auf eine belebte Straße, die sie überqueren mussten. Fast automatisch nahm sie seine Hand und er ließ sie gewähren.
Irgendwann sah er Hermines Eltern. Sie sahen sich suchend um und fragten Passanten, während es für Muggel unsichtbar silbern um sie leuchtete. Er blieb stehen und hockte sich vor Hermine hin. „Da vorne sind deine Eltern, aber ich möchte, dass du mir vorher etwas versprichst."
Sie nickte und wartete gespannt.
„Behalte alles, was du über mich weißt oder was ich dir heute gezeigt habe, also meine ganze Person und die Zauberei, für dich. Sag ihnen einfach, du hättest von allein wieder zu ihnen gefunden."
„Aber lüge ich dann nicht?", wollte sie wissen.
„Nein, dieses Mal ist es eine Ausnahme", log er.
„Okay", sagte sie und umarmte ihn zum Abschied. „Du bist lieb, Severus!", flüsterte sie ihm noch ins Ohr und lief dann zu ihren Eltern, die sie überglücklich in die Arme schlossen.
Severus hatte nicht reagieren können bei so viel Herzlichkeit und er wusste auch nicht, wann oder ob überhaupt jemand ihn jemals mit solch einem Adjektiv beschrieben hatte. Doch als sich Hermine das nächste Mal zu ihm umdrehte, war er schon disappariert.