Prolog

Car Jamming

Es sind die kleinen Dinge die mir am meisten fehlen. Zum Beispiel eine gute Tasse Kaffee am Morgen, warme Sonnenstrahlen auf meiner Haut, italienisches Essen, das fröhliche trillern der Vögel die sich auf den neuen Tag freuen, träumen. Neunzehn Jahre lang hatte ich alle Schönheit des Lebens für selbstverständlich gehalten. Dinge die man alltäglich sieht und schon gar nicht mehr wahrnimmt weil man so daran gewöhnt ist. Einem fällt erst auf das man es vermisst wenn man es nicht mehr hat.

Genau heute vor elf Jahren durfte ich das letzte Mal die Schönheit einer untergehenden Sonne betrachten. Hätte ich damals gewusst dass es das letzte Mal sein würde, hätte ich dem Naturschauspiel mehr Beachtung geschenkt. Nun würde ich nie wieder sehen wie sich der Himmel von einem hellen blau in einen pastellfarbenen Regenbogen verwandelt bevor die Dunkelheit sich über das Land legt und die Dämonen erwachten. Dämon wie ich.

Durch ein Loch in der schlecht asphaltierten Straße wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. Seit Tagen waren wir nun schon in dieser Blechkiste unterwegs und ich hatte nicht wirklich das Gefühl das wir vorankamen. Ich verstehe bis jetzt immer noch nicht warum wir nicht einfach ein Flugzeug genommen haben. Wahrscheinlich sollte das wieder eine von Keran´s tollen Lektionen werden. Weiß der Teufel. Ich fand es nur unglaublich albern. Im 21. Jahrhundert sollte man schon die zur Verfügung stehenden Luxusgüter nützen können und nicht gezwungen sein über 5000 km in einem Auto zu sitzen das nicht einmal mehr als 130 Stundenkilometer auf den Tacho bringt.

Ich lies meine Augen noch einmal über die Triste Wüstenlandschaft Mexicos wandern und wandte mich dann mit einem leichten seufzen meinem Begleiter zu.

„Wie weit ist es noch bis zur Grenze?"

Seine Mundwinkel zogen sich leicht nach oben. Er hatte schon vor einer Weile meine Ungeduld bemerkt. Das tippeln meiner Fingerspitzen auf der Armlehne, das nervöse Zucken meines Fußes. Mein unruhiges hin und her gerutsche auf dem Sitz. Nun, ich gab mir auch wirklich keinerlei Mühe meinen Missmut über diese ganze Situation zu verbergen.

„Noch ein paar Stunden."

Was sind denn bitte ein paar Stunden? Zwei? Drei? Vier? Ich war schon kurz davor ihm einen blöden Kommentar an den Kopf zu knallen, aber ich ließ es lieber bleiben weil ich mich noch gut an das letzte Mal erinnern konnte als ich ihm gegenüber beleidigend geworden war. Es war erst eine Woche her.

Seine sadistische Ader liebte es mich zu reizen und darauf zu warten dass ich wieder die Kontrolle verlieren würde, was leider häufiger passierte als mir oder ihm lieb war und für mich meist ziemlich unschön endete.

Für einen Vampir hatte ich ein furchtbares Temperament aber ich konnte mir einfach nicht helfen. Keran versuchte nun schon seit geschlagenen elf Jahren mir beizubringen meine Emotionen unter Kontrolle zu halten und mich meines Standes gebürtig zu verhalten. Für einen Menschen mag das eine lange Zeit sein aber unter unsereins war ich immer noch eine Kind was eine Menge zu lernen hatte. Keran´s Priorität als mein Macher bestand darin dafür zu sorgen das ich ein anständiges Mitglied der Vampirgesellschaft wurde. Anständig ist bei Vampiren ein weit gedehnter Begriff und unter keinen Umständen mit dem moralischen Grundsätzen der Menschen zu vergleichen.

Es gab vier grundlegende Regeln auf die jeder der alten Blutlinen Wert legte, ohne Ausnahme. Diese Regeln hatten schon vor tausenden von Jahren die Vampire geschützt, ihre Identität geheim gehalten und wurden somit in Ehren gehalten. Die alten Wege waren die guten Wege, in den Augen meines Machers.

Die erste Regel lautete: Respekt vor den Älteren (und damit war nicht das nette graue Ehepaar von nebenan gemeint) 2. Regel: Tu was du willst aber hinterlasse keine Spuren (keine lebenden Spuren, sprich Zeugen). Die 3. Regel: Gebe dein Blut niemals einem Menschen, denn das Blut ist heilig (und Menschen sind nichts weiter als Nahrung) und die 4. Regel (das war die wichtigste) lass dich niemals von deinen Gefühlen kontrollieren, denn Gefühle machen dich schwach.

Keran lebte eindeutig nach der alten Schule, was nicht einfach war seit dem die AVL vor zwei Jahren beschlossen hatte die Bombe platzen zu lassen und die Existenz von Vampiren öffentlich zu machen. Diese Entscheidung spaltete die Vampirgesellschaft und trieb einen großen Keil in die soziale Infrastruktur der Vampire. Es galten neue Regeln, Regeln der Menschen und damit waren viele überhaupt nicht einverstanden. Jetzt da alle Welt von uns wusste war vieles schwieriger geworden, nein, eigentlich war alles schwieriger geworden. Offiziell durften wir also niemanden mehr töten und sollten uns von diesem synthetischen Mist ernähren was die Japaner erfunden hatten. Unnötig zu erwähnen dass mein Macher in lautes Gelächter ausgebrochen war als er diese Neuigkeit erfuhr. Doch das Lachen verging ihm schnell wieder als der Staat anfing ihn zu besteuern. Nicht dass es ihm deswegen finanziell schlecht gehen würde, ganz im Gegenteil, es ging ihm einfach ums Prinzip. Menschen hatten nun Macht über uns und wenn es nur bürokratischer Natur war. Das war ein Gedanke der das Blut in seinen Adern kochen lies.

Trotz seiner etwas antiken Einstellung zu der Welt hatte ich es mit ihm als Macher ganz gut getroffen. Mit seinen 1800 Jahren auf dem Buckeln gehörte er mit zu den Ältesten Vampiren in Nordamerika und zu einer der angesehensten Blutlinien auf dem westlichen Kontinent. Einer Blutlinie der auch ich jetzt angehörte. Um Keran´s Leben in Wort zu fassen würde wohl eine ganze Bibliothek nicht ausreichen. Auch ich wusste bei weitem nicht alles über ihn. Was ich wusste war das er im 2. Jahrhundert im Mittelmeerraum geboren wurde. Ich wusste das er Zeit seines menschlichen Lebens unter Mark Aurel als Soldat diente und das er seinen Tod in einer Schlacht an der Donau fand. Er war ein Krieger, ein Kämpfer. Stur, kalt, reserviert und doch gab es etwas Weiches in ihm. Ein kleiner Teil, von dem ich zu behaupten mag das nur ich ihn kannte.

Sein wir mal ehrlich, ich war ein Magnet für prekäre Situationen, schon von Anfang an. Wenn es Ärger in einem Umkreis von 1000 Kilometer gab, war es so sicher wie das Amen in der Kirche das ich ihn fand. So behauptet es zumindest mein Macher. Dennoch war er immer zur Stelle um den Schaden gering zu halten und mich aus dem Dreck zu ziehen. Er ließ mich nie hängen und tat sein bestes mir die Welt aus seiner Sicht zu zeigen. Es war eine blutige und raue Welt und doch trotzdem von einer nichtgeahnten Schönheit.

Ein Mensch könnte niemals die Faszination begreifen die ich empfand als ich das erste Mal tötete. Wie die warme Flüssigkeit meine Kehle hinunter lief und mich wärmte wie die Sonne von innen. Das Gefühl als ich langsam spürte wie das Leben einen Körper verlässt und nichts weiter übrig bleibt als ein klumpen Fleisch. Es war mächtig und es machte mich süchtige wie alle unserer Art.

Ganz am Anfang konnte ich mich überhaupt nicht zügeln und tötete alles und jeden der mir über den Weg lief. Auch wenn ich nicht hungrig war lies mich der Blutdurst nicht los. Ich war wie besessen.

Keran hatte alle Hände voll zu tun mich unter Kontrolle zu halten und doch spürte ich durch unseren Verbindung seinen Stolz, wenn er mich beobachtete und ich mir immer fantasievollere Arten einfallen ließ zu morden.

Es dauerte ungefähr zwei Jahre bis sich langsam mein Gehirn wieder einschaltete und ich lernte den Wahnsinn teilweise zu kontrollieren. Nach den besagten zwei Jahren nahm Keran mich mit unter die Leute und zeigte mir die Welt, die Welt wie sie im Dunkeln ist. Es war die pure Freiheit.

Wir tranken wenn wir hungrig waren, wir suchten uns nächtliche Gefährten wenn uns langweilig wurde, wir gingen wohin wir wollten mit wem wir wollten und kurz vor der Dämmerung suchten wir uns ein sicheres Versteck wo wir den Tag über ruhen konnten.

Wir trafen auch andere Vampire, meist nur Nomaden so wie wir welche waren und unsere Wege trennten sich recht schnell wieder, sodass ich nicht wirklich die Möglichkeit hatte Freundschaften zu schließen, nicht dass ich das wirklich gewollt hätte. Also waren es nur wir zwei und es gab keine Grenzen.

Das einzige was jetzt noch wirklich in meinem Leben zählte war er. Er ist alles für mich und ich für ihn. Meine Familie, mein bester Freund, mein Gefährte.

Neun Jahre lang waren wir unterwegs gewesen bis Keran vor zwei Woche einen Anruf bekam. Er erzählte mir nicht genau worum es ging, nur das ein alter Freund seine Hilfe bräuchte, wir unsere Reise vorzeitig abbrechen müssten und uns aufmachen würden nach Texas.

Aber anscheinend war es doch nicht ganz so wichtig, sonst HÄTTEN wir ein verdammtes Flugzeug genommen.

Mir entwich ein leises knurren was damit quittiert wurde das Keran seinen Druck auf das Gaspedal verringerte und wir noch langsamer fuhren. Soviel zu seinen Methoden mir Geduld beibringen zu wollen. Scheißkerl.

197 Minuten und 46 Sekunden später passierten wir dann endlich die Grenze der USA. Ich hatte mit Keran genauso lange kein Wort mehr gewechselt, als Strafe für seine saublöde Idee mit dem Auto zu fahren. Er fühlte ganz genau das ich sauer war, aber machte sich nicht weiter die Mühe darauf einzugehen.

"Wir werden uns ein Hotel in San Antonio suchen und morgen Abend weiter fahren."

Wie, wo, was? Hotel? Mit einem Ruck drehte ich ihm meinen Kopf zu, nur um ein triumphierendes Lächeln in seinem Gesicht zu sehen.

"Der Luxus der Vereinigten Staaten, Kleines. Vampirtaugliche Unterkünfte. Wenigstens etwas gutes hat diese Bekanntmachung gebracht."

Trotz unserer langen Reise hatten wir es nie auf den nordamerikanischen Kontinent geschafft. Es gab einfach zu viel zu sehen und wir hatten schon allein fünf Jahre in Europa verbracht, dort wo er mich auch gefunden hatte.

Zu sagen das ich aufgeregt war, wäre die Untertreibung des Jahrhunderts gewesen. Ich erfuhr das von allen Bundesstaaten der USA die meisten Vampire in Texas leben würden und da 50 % aller Vampire verdammt Wohlhabend waren, wäre es reichlich dumm von den Menschen gewesen sich nicht ökonomisch auf sie einzustellen.

San Antonio war eine riesige Stadt. Es dauerte aber nicht lange bis wir uns durch den mageren nächtlichen Verkehr geschlängelt hatten und Keran auf ein Gebäude zusteuerte wo in großen leuchtenden Buchstaben "Hotel Transil" stand.

Er hielt vor dem Eingang und deutete mir mit einem Kopfnicken an auszusteigen. Das ließ ich mir nicht zwei Mal sagen. Schneller als jedes menschliche Auge gucken konnte war ich raus aus der Foltermaschine und ging in Richtung Rezeption um mich schon einmal umzuschauen. Schon auf dem kurzen Weg konnte ich den Geruch von min. 10 anderen Vampiren wahrnehmen die sich in meiner unmittelbaren Nähe befanden. Ein wenig mulmig wurde mir da schon. Natürlich kannte ich auch andere meiner Art wie schon erwähnt, aber gleich so viele auf einem Haufen war neu für mich. Ich war schließlich immer noch eine Neugeborene und unsereins konnte so etwas leicht erkennen. Mit Keran an meiner Seite fühlte ich mich immer sicher, da ich noch keinen Vampir getroffen hatte der ihm in Alter und Stärke das Wasser reichen konnte. Doch unglücklicher Weise war besagter immer noch damit beschäftigt einen Parkplatz zu suchen.

Ich musste grinsen, was für eine profane Tätigkeit für jemanden der fast so alt ist wie die Zeitrechnung.

Der Mann der mir am nächsten Stand fühlte sich anscheinend von meiner spontanen Mimik angesprochen und schlenderte auf mich zu. Er trug einen lächerlichen Cowboyhut und passende Stiefel dazu. Wäre ich nicht so nervös gewesen hätte ich sicherlich einen herzlichen Lachanfall bekommen. Ich war eigentlich überhaupt nicht der schüchterne Typ, oder eine die leicht zu erschrecken war, doch wusste ich einfach nicht wie ich mich hier zu verhalten hatte. Ich wusste das Amerika seine eigenen Gesetze hatte und auch kleine Verbrechen vom Sherif des Stadt hart bestraft wurden. Wer soll denn wissen ob hier nicht vielleicht irgendein hohes Tier herumlungert dem ich auf dem Schlips treten konnte. Meine Fangzähne wollte ich schließlich noch eine Weile behalten.

"Hallo Schöne!"

Geht es vielleicht noch ein bisschen plumper?

Der Cowboy war bei mir angekommen und stellte sich eindeutig als Vampir heraus als er mir mit einem ekligen grinsen seine Zähne zeigte und mich von oben bis unten musterte.

Ich trug nichts besonderes. Eine einfache Hotpants, Chucks und ein schwarzes Top. Aber ich wusste das mein Aussehen auf das männliche uns manchmal sogar auf das weibliche Geschlecht anziehend wirkte. Schließlich konnte ich selbst Keran in meiner menschlichen Form von mir überzeugen. Gerade jetzt aber war es einzige Plage ein hübsches Gesicht zu haben.

"Hi"

Ich zog skeptisch eine Augenbraue hoch und lies meinen Blick suchend über die Leute schweifen. Ich hoffte er verstand den Wink mit dem Zaunpfahl das ich nicht interessiert war und auf jemanden wartete.

Leider hatte es nicht den Anschein das es zu ihm durch drang, denn er kam noch einen Schritt näher und sein Grinsen wurde noch ekliger, wenn das überhaupt möglich war. Er war nicht besonders alt, vielleicht 200, wenn überhaupt, das verriet mir seine Aura.

"Was meinst du, willst du vielleicht mit auf mein Zimmer kommen und ein bisschen Spaß haben?"

Lasst uns mal ehrlich sein, ich war nicht wirklich schwer zu kriegen. Ich liebte Sex und Sex mit einem Vampir war eine ganz andere Liga, doch auf so eine niveaulose Anmache würde doch noch nicht einmal das dümmste aller weiblichen Wesen anspringen. Zu seiner Verteidigung muss ich gestehen das er nicht ganz hässlich war. Er hatte ein ebenes maskulines Gesicht und seine Statur war auch nicht von schlechten Eltern. Doch leider war ich so was von überhaupt nicht in der Stimmung.

"Nein. Ich bin vergeben. Aber danke für das Angebot."

Lüge, aber egal.

Das war nett. Leider war Keran nicht da um mein gutes Benehmen bezeugen zu können, ich hatte schließlich danke gesagt.

Ich dachte ernsthaft dass es eine klare Ansage gewesen war die ich gemacht hatte, als ich mich umdrehte und das weite ergriff, einzig und allein aus dem Grund dem Ärger aus dem Weg zu gehen der sich sonst sicher bald automatisch ergeben hätte.

Ich bin ein braves Mädchen, kontrolliere meine Gefühle und bewahre meinen Stolz

Ja das war der Gedanke den ich hatte bevor ich einen Augenblick später eine Hand auf meinem Arsch spürte.

Und Schwups schon waren alle guten Vorsätze aus dem Fenster geflogen, mein Hirn schaltete sich aus und die Furie durfte ans Steuer.

In einer blitzartigen Bewegung wirbelte ich herum und rammte dem Mistkerl meine Faust auf den Kiefer so dass ich es knacken hören konnte. Ein befriedigendes Geräusch. Er war so abgelenkt von meinem Hintern gewesen das er den Angriff wohl nicht hatte kommen sehen. Zu meinem Glück.

"Miese Schlampe!" nuschelte er als er sich seinen Kiefer wieder auf den richtigen Platz rückte und zum Gegenschlag ausholte.

Doch kam der Schlag nie bei mir an.

Keran stand vor mir und hatte die Faust des Mannes, die mich treffen sollte, in einem eisernen Griff mit seiner eigenen Hand abgefangen.

Wo der jetzt so schnell her kam konnte ich beim besten Willen nicht sagen. Selbst für meine Augen war das zu schnell gewesen. Das machte mir schon manchmal ein bisschen Angst.

"Wage. Es. Nicht." Kerans Worte waren leise.

Der Cowboy vor ihm knurrte bedrohlich und das war sein großer Fehler gewesen. Spätestens jetzt war mir klar das dieser Kerl kein bisschen Verstand unter seinem lächerlichen Hut versteckte. Keran war alt. Und alles an seiner Haltung und Aura zeigte das mehr als nur deutlich.

Mein Macher tat nichts weiter als seine Hand zuzudrücken die immer noch die Faust des Mannes umklammerte. Das reichte aus. Es knirschte und knackte und vor Schmerzen schreiend ging er auf die Knie. Blut begann in einem Rinnsal an seinem Arm hinunter zu laufen.

Ich spürte eine abartige Erregung als ich mir den matschigen Klumpen vorstellte der jetzt am Ende seines Armes hing und ich konnte mir ein selbstgefälliges Grinsen nicht mehr verkneifen.

Er war mein verdammter Held.

"Wenn du sie auch nur noch einmal falsch ansiehst werde ich dir deine Eingeweide durch den Hals rausziehen. Hast du das verstanden?"

Ha! In you´re face bitch.

Ich konnte mir grade noch so zurück halten das laut zu sagen.

Vor Schmerzen stöhnend konnte der Cowboy nicht viel tun und nickte nur hastig mit dem Kopf.

Keran löste seinen Griff, und wie ich es mir schon in meinem Kopf ausgemalt hatte, hing nur noch ein matschiges etwas an der Stelle wo noch vor kurzem seine Hand war. Solch eine Verletzung ist selbst für einen Vampir nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, denn schließlich musste er sich nun eine ganz neue Hand wachsen lassen. Autsch.

Erst jetzt fiel mir die kleine Menge auf die sich gebildet hatte. Einige schauten amüsiert, andere hofften auf eine spannende Verlängerung und die Sterblichen unter ihnen sahen ziemlich grün im Gesicht aus.

Keran ging an mir vorbei ohne mich eines Blickes zu würdigen und schnappte nur ein kurzes "komm" in meine Richtung.

Das war nicht gut. Ganz und gar nicht. Ich fühlte eine Welle des Zornes über mich schwappen, doch kam sie nicht von mir, sondern von ihm.

Scheiße.

Er war sauer auf mich und ich konnte nicht einmal etwas zu meiner Verteidigung sagen was nicht nach einem 14-jährigen pubertierenden Mädchen geklungen hätte.

Er hat mir an den Hinter gefasst was war das denn bitte für eine Begründung?! Ich hatte ihn zuerst angegriffen, vor min. 20 Zeugen, in einer öffentlichen Einrichtung, wahrscheinlich auch noch mit Überwachungskameras. Verdammte Kacke. Wie habe ich diesen Bockmist bloß schonwieder verzapft? Ich hoffte nur inständig das Keran mit mir etwas liebevoller als mit dem Cowboy umgehen würde, wenn ich der Konsequenz ins Auge blickte. Denn ich wusste eine Bestrafung würde kommen.

Wir erreichten einen Fahrstuhl und er drückte ungeduldig den Rufknopf. Ich stand hinter ihm und wusste nicht recht was ich tun oder sagen sollte um die Situation aufzulockern.

" Es tu..." Aber ich wurde mitten in meinem Satz unterbrochen.

"Sei still dummes Kind"

Oh Mist war der sauer.

Der Fahrstuhl kam, wir stiegen ein und Keran drückte einen der obersten Knöpfe. Am liebsten wäre ich im Erdboden versunken. Wenn es so zwischen uns war fühlte ich mich wieder wie ein kleines Kind welches gleich mächtig Ärger mit ihren Vater bekommt und nicht wie die unsterbliche Killermaschine die ich war.

Als wir unsere Etage erreicht hatten öffneten sich die Fahrstuhltüren und ein langer schummriger Gang erstreckte sich vor uns. Mein Macher führte mich zu einer Tür mit der Nummer 322 und ließ mich ein.

Es war ein Suite mit min zwei Zimmern, einem Bad, eine kleine Küchenzeile und einem gemütlichem Wohnbereich soweit ich auf den ersten Blick erkennen konnte. Die Innendekoration war, natürlich, in dunklem rot und schwarz gehalten. Da wo die Fenster sein sollten hingen schwere Vorhänge die einfach nur ein Stück Wand verdeckten.

Mit einem kurzen "Setz dich" befahl mir Keran mich auf der gemütlich ausschauenden Couch zu platzieren. Ich kam dem sofort nach, nicht erpicht darauf ihn noch wütender zu machen.

Meine Augen verfolgten jede seiner Bewegungen, ich war darauf eingestellt das er jeden Augenblick anfangen würde mich anzubrüllen oder irgendwelche Dinge durch die Gegend zu pfeffern.

Doch zu meiner großen Überraschung blieb beides aus. Er kam mit katzenartigen Bewegungen auf mich zu und ließ sich neben mich auf der Couch nieder. Ich senkte schnell meinen Blick, da ich nicht die Enttäuschung in seinen Augen sehen wollte.

"Sieh mich an mein Kind."

Seine Stimme war ruhig und gelassen und passte überhaupt nicht zu den aufgewühlten Gefühlen die ich von ihm empfing. Ich tat wie mir befohlen und ich glaube ich zuckte etwas zusammen als ich das brennen in seinen Iriden sah.

Er kam noch ein Stückchen näher an mich ran gerutscht so dass sich unsere Knie berührten. Ohne den Blickkontakt abzubrechen nahm er meine beiden Hände in seine und hielt sie sanft fest.

Wäre ich ein Mensch gewesen, wäre mir der Schweiß aus allen Poren geschossen und ich hätte sicherlich einen Herzinfarkt bekommen. Das war nicht sein übliches Verhalten und es machte mir eine scheiß Angst. Mit brüllen und Wut konnte ich umgehen, aber das?

"Hör mir jetzt gut zu!" Er wartete nicht darauf das ich ihm eine Antwort gab und fuhr gleich fort.

"Der Freund von dem ich dir erzählt habe, den wir morgen besuchen, ist nicht irgendein gewöhnlicher Vampir. Er ist weitaus älter, stärker und einflussreicher als ich. Niemand, und ich meine NIEMAND, steht über ihm in der neuen Welt. Wenn er es wollte könnte er König von jedem beliebigen Staat werden. Er trägt den Namen des Todes selbst, er hat seinen Ruf mehr als nur verdient und Dallas ist seine Stadt."

Kurz war die stille Frage in meinem Kopf was das jetzt bitte mit meinem kleinen Ausrutscher in der Lobby zu tun hatte, als er auch schon weiter sprach.

"Wenn du dort die Kontrolle verlierst, werde ich nicht in der Lage sein dich vor den Konsequenzen zu schützen. Godric ist genauso wenig ein Fan von Respektlosigkeit wie ich es bin und würdest du in seinem Territorium einen Kampf wie den gerade da unten anzetteln, dann würde das ernsthafte Folgen für dich nach sich ziehen. Gerade weil du als ein Gast unter seinem Dach hausen wirst. Er ist ein fairer und gerechter Mann und doch hat auch er seine Grenzen. Verstehst du was ich dir sage?"

Ich nickte langsam weil ich gerade durch meinen trockenen Hals nicht wirklich einen anständigen Ton rausgebracht hätte.

"Du weißt du bedeutest mir zu viel als das ich es ertragen könnte wenn dir etwas passiert. Also BEFEHLE ich dir als dein Macher, dich verdammt nochmal zusammen zu reißen."

Keran war nicht wirklich der ´ich spreche über meine Gefühle´ Typ und gerade deshalb waren die wenigen Momente in denen er es dann doch tat so kostbar.

Mit einem liebevollen Lächeln das ich nicht wirklich unterdrücken konnte beugte ich mich vor und gab ihm einen sanften unschuldigen Kuss auf die Lippen.

"Ich liebe dich auch."

An seinem Mundwinkel zuckte es verdächtig.

"Nun ich glaube nicht mehr für lang Phoenix!"

Er erhob sich und schlenderte rüber zur Küchenzeile um etwas aus dem Kühlschrank zu holen. Er warf mir eine Flasche mit einer roten Flüssigkeit darin zu, die ich mit Leichtigkeit auffing. TruBlood stand darauf und ich wusste das es sich um das synthetische Blut handelte. Seitdem das Produkt auf dem Markt war hatten wir nie auch nur einen Gedanken daran verschwendet es auch zu konsumieren, denn ganz ehrlich gesagt, es stank schon durch die Flasche wie Hundescheiße.

"Als Strafe für dein unreifes Verhalten wirst du dich die nächsten zwei Monate davon ernähren, während ich mir jetzt erst einmal den Zimmerservice kommen lasse."

Nicht sein verdammter ernst.

"ZWEI MONATE? Warum pfählst du mich nicht gleich? Von sowas kann man doch nicht leben!"

Oh ja melodramatisch sein war auch eines der Dinge die ich besonders gut konnte.

Er lachte lauf auf und war jetzt anscheinend wieder bester Laune.

"Weil es nicht halb so viel Spaß machen würde mein Herz. Wenn es klopft schick die Dame bitte in mein Zimmer."

SADIST!