Die Schlacht war in vollem Gange. Voldemort war gefallen, aber noch immer gaben die meisten Todesser den Kampf noch nicht verloren. Schreie hallten über das Vorland der Schlossschule. Blitze zuckten aus Zauberstäben und verwüsteten weiter die Reste von Vegetation.
Wurmschwanz verharrte noch immer hinter der Deckung, die ihm eine Baumgruppe bot. Bisher hatte er es geschafft, unentdeckt zu bleiben. Er war schon immer ein miserabler Kämpfer gewesen. Ungeschickt und feige hatte er es vorgezogen, Schmähungen zu überhören und jedem offenen Duell auszuweichen. Aber heute hatte er sich auf offenem Schlachtfeld wiedergefunden. Sein Herr und Gebieter Lord Voldemort war tot. Nicht dass er es bedauert hätte, er wusste, dass auch Voldemort ihm nur Verachtung entgegengebracht hatte und ihn nur duldete, solange er ihm nützlich erschien.
Aber er hatte einen mächtigen Beschützer verloren. Jetzt war er auf sich allein gestellt.
Gern hätte er wieder seine Rattengestalt angenommen. Aber sobald er den Schutz der mächtigen Baumstämme verließ, wäre er in offenem Gelände auch als Ratte ein zu sichtbares Ziel gewesen. Und der Zauberstab würde einem Nagetier auch nicht helfen können. Er musste sich schleunigst in Sicherheit bringen. Schon kam das Kampfgetümmel immer näher; er musste fliehen! Hektisch sondierte er das Gelände. Bis zum Waldrand würde er es nicht schaffen, dort kämpften Auroren. Sein Blick blieb an der Peitschenden Weide hängen, deren lange Äste zerborsten und verbrannt unter ihr lagen!
Das war seine Rettung: Niemand würde ihn in der Heulenden Hütte angreifen. Dort wäre er fürs Erste in Sicherheit. Wenn sich die Schlacht entschieden hätte, würde er versuchen, im Schutz der Dunkelheit das Gelände zu verlassen. Er müsste sich dann allein durchschlagen. Ein unbehaglicher Gedanke für die Ratte.
Peter Pettigrew hatte schon lange alle eigenen Wünsche vergessen, war nur noch Diener eines lieblosen, grausamen Herrn gewesen. In seinem Hirn hatten zu lange Rattengedanken, Rattenbedürfnisse, gewohnt.
Vorsichtig, jede Deckung ausnutzend, im Grunde schnürend wie eine elende Kanalratte, sich im Schatten haltend, hatte Wurmschwanz die schwelende, zu Tode verwundete Weide erreicht. Ein letzter Blick zurück zu den Kämpfenden und Pettigrew verschwand im Tunnel. Die niedrigen Wände waren rauchgeschwärzt und eingestürzte Teile mussten überklettert werden. Vor dem mit Schutt teilweise versperrten Eingang der Hütte machte er Halt. Angestrengt mit angehaltenem Atem horchte Wurmschwanz Minuten lang. Kein Geräusch drang aus dem vor ihm liegenden Raum. Immer noch behielt er Deckung und war bereit, sofort wieder abzutauchen, falls die Hütte unerwartet doch noch in Gebrauch sein sollte.
Seinen Zauberstab hatte er gezückt, beabsichtigte aber keinesfalls ihn einzusetzen. Flucht, das hatte er in seinem Rattendasein gelernt, war für ihn die beste Verteidigung.
Auf den ersten Blick war alles in Ordnung. Wurmschwanz schob sich weiter vorwärts, um auch die hintere Fläche der Stube inspizieren zu können.
Er erschrak.
Schnell zog er den Kopf wieder zurück. Er hatte ein Paar Beine auf dem Boden ausgestreckt gesehen. Füße in schwarzen hochgeschnürten Schuhen, schwarze Hosenbeine. Wurmschwanz atmete heftig. Er wartete einen Augenblick.
Nichts geschah. Kein Geräusch deutete darauf hin, dass seine Anwesenheit bemerkt worden war. Drohte ihm Gefahr von der Person in der Hütte?
Er wollte seine Zuflucht nicht so schnell aufgeben. Es lagen genug tote Todesser und Auroren draußen auf dem Kampfplatz. Die Gegenwart von Leichen konnte ihn nicht schrecken. Er musste sich Gewissheit verschaffen.
Leise hob er erneut seinen Zauberstab. Noch immer war es still in der Hütte vor ihm. Wegen eines Toten wollte er nicht auf sein sicheres Quartier verzichten.
Wieder schob er sich vorwärts.
Sah nun auch die schwarze Robe der Person, die reglos am Boden lag. Wurmschwanz betrat den Raum nun aufrecht. Er betrachtete den Mann. Schneeweiße Haut, pechschwarzes Haar. Der Blick aus den halbgeschlossenen Augen ging starr ins Leere. Bräunlich verfärbtes Blut auf den Holzdielen umkränzte den Kopf des Mannes. Blut auch an seinen langen Fingern und als eingetrocknetes Rinnsal in seinem Mundwinkel.
Wurmschwanz kannte den Mann, ein Todesser, ein Weggefährte. Er war nicht berührt, aber auch nicht gefasst, ihn hier vorzufinden.
Konnte ihm der Fund nützlich sein? Mit Genugtuung dachte er, dass er, der erbärmliche Wurmschwanz, der Verhöhnte, doch zumindest noch am Leben war. Während selbst die am höchsten Stehenden auf beiden Seiten der Gegner dies nicht geschafft hatten.
Selbstzufrieden lächelnd nahm er den Anblick des Mannes in sich auf.