Micha aka Chemistress hat sich vor einiger Zeit mal eine Story gewünscht, in der es um Minerva McGonagall und Septima Vector gehen sollte. Erschwerend kam hinzu, dass sie sich Helen Mirren als „Idealbesetzung" für Vector vorstellte.

Nun gut, ich mag Micha sehr und wollte die Story für sie schreiben. Ich war willig, die Plotbunnies waren es leider nicht. Bis vor kurzem. Da haben die Biester mich förmlich überrannt. (Und aus dem geplanten Oneshot wurde doch ein wenig mehr…)

Gerade noch rechtzeitig, um zumindest einen Teil rechtzeitig zu Michas Geburtstag fertig zu bekommen.

Liebe Micha, ich wünsche Dir alles Liebe zu Deinem Geburtstag und ich hoffe, Du freust Dich ein bisschen über „unser" Geschenk!

Ich habe nämlich alles „zwangsverpflichtet", was nicht bei Drei auf den Bäumen war:

Als da wäre Like a Dame, die mir als Sachverständige für Helen Mirren zur Seite gestanden und sich bis früh um drei mit mir über Helen als Vector ausgetauscht hat.

Ebenso Angie Snape, die sich bereit erklärt hat, als Beta für die Story zu fungieren und sehr wertvolle Anmerkungen und Kommentare hinzugefügt hat.

Und natürlich – ich kann eben nicht ohne sie – mein treues blaues Steinchen Lapislazuli, Vollzeitbeta und Seelenzwilling.

Mr.Spock


Disclaimer:

Die bekannten Personen und Orte gehören JKR und nicht mir. Abgesehen von Septima Vector, die JKR, Helen Mirren und mir irgendwie zu gleichen Teilen „gehört". :)

Und wie immer verdiene ich nicht einen müden Cent an dieser Story. Leider!


Kapitel 1

Am Anfang war die Dunkelheit

Es war eine wolkenlose und ruhige Nacht, die Sterne zogen schweigend ihre Bahnen über der schlafenden Landschaft und der Mond tauchte die Gründe von Hogwarts in ein zartes silbriges Licht. Zwar lag ein Hauch von Kälte in der Luft, der aber nicht darüber hinwegtäuschen konnte, dass es bald Sommer war. Die Schlossuhr zeigte bereits weit nach Mitternacht an.

Professor Septima Vector zog sich die nachtblaue Robe ein wenig enger um die kräftigen Schultern und bahnte sich weiterhin ihren Weg durch das nachtdunkle Schlossgelände. Ein leichter Windhauch spielte mit ihrem silbergrauen Haar und löste einzelne Strähnen aus dem lockeren Haarknoten. Nachdem heute ihre Fünftklässler in Arithmantik geprüft worden waren und der Stress zumindest für sie schon vorbei war, wollte sie sich gerne ein wenig die Füße vertreten und sich ein wenig entspannen. Immerhin hatten die anderen Lehrer und sie in diesem Jahr mit erschwerten Bedingungen zu kämpfen: Mit der Großinquisitorin und ministerialen Spionin Dolores Umbridge, mit der eleganten und stilvollen Flucht des Schulleiters Albus Dumbledore, nachdem er von eben jener Umbridge beschuldigt worden war, eine Armee aus Schülern gegen das Ministerium auszubilden und natürlich mit der Rückkehr von dem, dessen Namen nicht genannt werden durfte, auch wenn das Ministerium diese Nachricht bislang noch immer hartnäckig leugnete. Doch Vector vertraute auf das Wort von Albus Dumbledore. Dumbledore mochte zwar mitunter nicht ganz richtig ticken, wie sie fand, aber nichtsdestotrotz irrte er sich nur äußerst selten. Außerdem vertraute Minerva McGonagall ihm vorbehaltlos und das allein wäre für Vector schon ausreichend gewesen, hatte sie McGonagalls Intelligenz und Courage doch immer sehr geschätzt.

In diese Gedanken versunken merkte sie gar nicht, dass ihr Weg sie inzwischen in Sichtweite von Hagrids Hütte geführt hatte. Ein unerwarteter Lichtschimmer schreckte sie aus ihrer Versunkenheit auf. Von ihrem Platz am Waldrand aus beobachtete sie, wie sich das Schlossportal lange genug öffnete, um sechs schattenhafte Gestalten auszuspucken, bevor es wieder zufiel und der Lichtschimmer erlosch. Verwundert schüttelte Vector den Kopf, sie war häufig spätnachts noch auf den Beinen und ging dann auch gerne draußen ein paar Schritte, doch dabei traf sie für gewöhnlich kaum jemanden. Und nun dieser Auftritt von einem Rudel dunkler Gestalten, das versprach interessant zu werden. Gebannt verharrte sie und beobachtete, was weiterhin geschah. Die Gestalten, allen voran eine kleine pummelige Silhouette, bewegten sich leise zügig auf Hagrids Hütte zu und huschten an den erleuchteten Fenstern vorbei.

„Umbridge", flüsterte Vector erstaunt, „was will die den hier?"

Ein durch die Entfernung nur mäßig gedämpftes Gebrüll ließ sie zusammenzucken und der darauf folgende Knall jagte ihre Herzfrequenz hoch. Hagrids Tür war aufgeflogen und umgeben von einem Rechteck aus gelbem Licht stand Hagrids massige Gestalt auf der Schwelle, brüllte und drohte mit den Fäusten. Die sechs Personen hatten ihn umringt und schossen strahlendrote Blitze auf ihn ab.

„Schockzauber! Sie greifen Hagrid mit Schockzaubern an!", rief Septima verärgert aus und machte sich im Laufschritt auf, um in das Geschehen einzugreifen. Zu ihrer Erleichterung sah sie, wie die Schockzauber von ihm abprallten und vermutete, dass das an seinem Riesenblut liegen musste. Noch immer flogen rote Lichtstrahlen vor der Hütte umher und sie beobachtete, dass Hagrid sich energisch zur Wehr setzte.

Zerfetzte Rufe drangen bis zu ihr hin:

„Sei doch vernünftig, Hagrid!"

„Zum Teufel mit vernünftig, so einfach kriegst du mich nich', Dawlish!"

Septima konnte sehen, wie Fang sich vor seinen Herren warf, um ihn zu verteidigen, bis er schließlich von einem Schockzauber getroffen zu Hagrids Füßen zusammenbrach. Hagrid heulte auf vor Wut, griff sich den Täter und schleuderte ihn einige Meter weit durch die Luft, worauf dieser benommen liegen blieb und nicht wieder aufstand.

Eine weitere Gestalt näherte sich im Laufschritt dem Schauplatz.

„Wie können Sie es wagen! Wie können Sie es wagen!"

„Minerva!", keuchte Septima und versuchte, die aufgebrachte Frau zu sich herüber zu rufen.

„Lassen Sie ihn in Ruhe! In Ruhe, sage ich!", rief Professor McGonagall durch die Dunkelheit. „Mit welchem Recht greifen Sie ihn an? Er hat nichts getan, nichts, was rechtfertigen würde…"

Septima Vector keuchte auf, denn die Gestalten um die Hütte hatten nicht weniger als vier Schockzauber auf die aufgebrachte Professorin abgeschossen. Auf halbem Weg zwischen dem Schloss und Hagrids Hütte wurde sie von den roten Strahlen getroffen, einen Moment lang schien sie zu leuchten und erglühte in einem unheimlichen Rot, bevor es sie von den Füßen riss. Mit einem dumpfen Aufschlag fiel sie zu Boden und blieb reglos liegen.

„Minerva", keuchte Vector entsetzt auf und rannte zu der reglosen Gestalt hinüber, „Minerva!"

„Feiglinge!", brüllte Hagrid, „verdammte Feiglinge! Da, nehmt das und das!" Hagrid schlug einige seiner Angreifer nieder, bevor er sich Fang auf den Rücken warf und mit ihm zusammen die Flucht antrat.

Septima beachtete das Schauspiel vor ihr gar nicht, sie kniete neben der bewusstlosen Minerva.

„Enervate", murmelte sie und richtete ihren Zauberstab auf die auf ihre reglose Kollegin.

„Enervate! Nun kommen Sie schon, Minerva, wachen Sie auf! Enervate! Oh verdammt, Lumos!"

Septimas Zauberstab erstrahlte in goldenem Glanz und erhellte die nähere Umgebung. Septima hielt den Zauberstab dicht über Minervas Gesicht und beobachtete sie.

„Minerva! Können Sie mich hören? Minerva!"

In McGonagalls bleichem Gesicht zuckte nicht der winzigste Muskel, der verriet, dass sie überhaupt noch lebte.

„Minerva, verdammt, nun kommen Sie schon! Enervate! Nun machen Sie schon! Öffnen Sie die Augen!"

Vector seufzte, noch immer lag die stille Gestalt blass und reglos vor ihr.

„Expecto patronum!" Ein silberner Löwe brach aus der Spitze des Zauberstabs hervor und sprang in weiten Sätzen zum Schloss hinauf, um Madam Pomfrey im Krankenflügel zu alarmieren.

Vector streifte sich ihren Umhang ab und hüllte McGonagall hinein, bevor sie Minervas Kopf in ihren Schoß bettete und nachdenklich das bleiche Gesicht betrachtete.

„Wagen Sie es ja nicht, sich einfach davonzustehlen", flüsterte sie und strich eine gelöste Haarsträhne aus Minervas Stirn.

„Wagen Sie es ja nicht, einfach aufzugeben, Minerva. Wir brauchen Sie noch."
Sie legte ihre Hand an Minervas kühle Wange und spähte die dunklen Schlossgründe hinauf, in der Hoffnung, Madam Pomfrey möge auf dem Weg zu ihnen sein.

„Halten Sie durch, Minerva, Poppy ist auf dem Weg hierher, sie wird sich um Sie kümmern." Sanft streichelte sie mit den Fingerspitzen über McGonagalls Wange, beschwor sie mit Worten, Blicken und zarten Berührungen, durchzuhalten, bis Hilfe käme.

„Septima?", erklang es von weitem. „Septima!"

„Poppy, hier sind wir!"

Vector hob zum ersten Mal wieder den Blick von McGonagalls bleichem Gesicht und sah der heranstürmenden Poppy entgegen.

„Ich wollte gerade ins Bett gehen", keuchte diese und strich sich das flatternde Haar zurück. „Was ist passiert?"

„Sie wollte Hagrid verteidigen und ist von vier Schockzaubern gleichzeitig getroffen worden."

„Haben Sie es mit Enervate versucht?"

„Natürlich, ich bin kein Erstklässler mehr!"

„Verzeihung, Septima, ich wollte nur sichergehen."
Sie warf einen kummervollen Blick auf ihre Patientin.

„Zumindest haben Sie sie warm gehalten. Nicht, dass es viel nützen würde, aber schaden wird es sicher nicht. Helfen Sie mir mit der Trage."

Umstandslos beschwor Madam Pomfrey eine Trage herauf und ließ sie sanft neben Minerva auf das kühle Gras sinken.

„Wir sollten sie nicht heftiger durchschütteln als nötig", meinte Poppy und hob den Zauberstab. „Helfen Sie mir mal."

Gemeinsam betteten sie McGonagall mit einem Schwebezauber auf die Trage und machten sich mit ihr auf in den Krankenflügel, die Trage schwebte zwischen ihnen.

„Wie konnte das überhaupt passieren? Wer hat Hagrid angegriffen?"

„Umbridge. Umbridge und ein paar ihrer Schergen vom Ministerium. Solch eine feige Nacht- und Nebelaktion sieht ihr ähnlich!", schnaubte Vector entrüstet und warf wieder einen besorgten Blick auf die stille Gestalt neben ihr auf der Trage.

„Ich war nur zufällig noch unterwegs und bekam von weitem mit, was da ablief, also machte ich mich auf den Weg, um Hagrid beizustehen. Minerva muss wohl auch etwas gehört haben, zumindest kam sie wutschnaubend vom Schloss herunter gerannt, um sie zu stoppen. Ich habe sie noch gerufen, um sie zu warnen, aber sie hat mich wohl nicht gehört. Wenn ich nur ein wenig schneller gewesen wäre…."

„… dann hätte ich jetzt zwei Patienten", beendete Poppy trocken den Satz. „Passen Sie auf die Tür auf!"

Gemeinsam bugsierten sie Minerva in den Krankensaal und auf das nächste Bett.

„Ich muss sehen, wo sie getroffen wurde. Sie ziehen sie aus und ich hole in der Zwischenzeit meine Salben und Tränke."

„Ich glaube nicht, dass Minerva das Recht wäre", wandte Vector ein und verschränkte die Arme vor ihrer üppigen Oberweite.

„Ich glaube nicht, dass Minerva es Recht wäre, wenn wir sie einfach so hier liegen ließen", entgegnete Poppy und verließ den Krankensaal.

„Na schön", seufzte Vector und begann widerwillig damit, McGonagall aus ihren Kleidern zu hexen, darum bemüht, McGonagall die größtmögliche Privatsphäre zu gewähren.

„Septima, wenn Sie nicht hinschauen, was Sie tun, wird das nichts", erklang schließlich Poppys Stimme dicht hinter ihr und Vector machte vor Schreck beinahe einen Luftsprung.

„Mein Gott, Poppy, erschrecken Sie mich doch nicht so."

„Septima, was machen Sie da eigentlich? Ich sagte doch, ich müsste die Verletzung sehen. Nun trödeln Sie hier nicht sinnlos herum."

„Ich denke einfach nur, dass Minerva immer einen solchen Wert auf ihre Privatsphäre legt, dass ich möglicherweise die falsche Kandidatin bin, um Ihnen zur Hand zu gehen. Gibt es nicht jemanden, der mehr helfen könnte?"

„Sicher, ich könnte Snape fragen. Allerdings glaube ich, dass das Minerva noch weniger in den Kram passen würde. Nun reißen Sie sich am Riemen, Sie sind doch sonst nicht so prüde. Ich habe noch nicht viele Leute nackt im schwarzen See schwimmen sehen."

„Da geht es aber um mich, Poppy. Und wenn ich nackt schwimmen gehe, dann ist das meine bewusste Entscheidung. Minerva hat diese freie Wahl nicht."

„Wenn Sie um Ihr kollegiales Verhältnis fürchten, werde ich Minerva gegenüber nichts hiervon erwähnen. Obwohl ich davon überzeugt bin, dass eine so logische Frau wie sie es ist daraus kein Drama machen würde. Und jetzt stehen Sie nicht da herum wie angewurzelt und helfen mir endlich. Und schauen Sie bitte hin, wenn Sie etwas tun!"

Schweigend befreiten die beiden Hexen ihre Patientin von ihrer Robe und Poppy schnalzte missbilligend mit der Zunge, als sie die Verletzung freigelegt hatten.

„Nun sehen Sie sich das mal an! Wie konnten sie ihr das nur antun! Ist nicht das Schlechteste, dass sie bewusstlos ist, ansonsten hätte sie furchtbare Schmerzen."

Auch Septima warf nun einen vorsichtigen Blick auf Minervas geschundene Brust und zog scharf den Atem ein, als sie das verfärbte und entstellte Fleisch sah.

„Du meine Güte", murmelte sie, „das sieht ja aus wie eine Brandwunde."

„Das ist es im Prinzip auch", erklärte Poppy, während sie damit begann, die Wunden zu behandeln. „Hier, halten Sie mal die Salbe für mich."

Automatisch streckte Vector die Hand aus, während sie halb entsetzt, halb fasziniert zusah, wie Poppys geschickte Hände arbeiteten.

„So viele Schockzauber zugleich entwickeln eine enorme Hitze, daher die Brandwunde. Und das Gewebe drumherum ist ordentlich geprellt worden, durch die Wucht, mit der die Flüche aufgeprallt sind. Aber die inneren Schäden machen mir viel mehr Sorgen. Ich hoffe nur, dass die Organe nicht zuviel abbekommen haben, das Herz und die Lunge."

„Können Sie denn etwas dagegen tun?"

„Nicht allzu viel", antwortete Poppy kurz, „deshalb habe ich vorhin auch Severus informiert, er kümmert sich darum, dass die Heiler vom St. Mungos sich Minerva annehmen. Sie müssten eigentlich bald hier sein." Poppy warf Vector einen düsteren Blick zu.

„Auch, wenn es mir lieber wäre, wenn ich Minerva selber behandeln könnte. Aber soweit reichen meine Qualifikationen nicht und ich möchte sie doch lieber in fähigen Händen wissen."

Vector nickte nur und berührte Minerva sanft an der Wange.

„Das ist zwecklos, Septima. Sie wird davon nichts spüren", bemerkte Poppy und warf einen Blick auf Vectors Hand.

„Sind Sie sich da so sicher?"

„Nein", räumte Poppy ein. „Einen solchen Fluchschaden durch einen Schockzauber habe ich noch nie behandelt. Ich hoffe nur für sie, dass sie nichts mitbekommt."

Mit einem sehr geübten Schlenker ihres Zauberstabes legte Poppy einen Verband um Minervas Brustkorb an und hüllte sie in eine Decke.

„Gerade rechtzeitig", bemerkte sie, als es an der Tür klopfte und Severus Snape mit zwei limonengrün gewandeten Männern hereinkam.

„Haben Sie sie transportfertig gemacht, Poppy?"
„Ich habe getan, was ich konnte, ich fürchte nur, ich kann nichts gegen die inneren Verletzungen ausrichten."

Sie richtete das Wort an die Heiler.

„Deshalb glaube ich, es ist besser, wenn Sie sie mitnehmen und stationär behandeln."

„Professor McGonagall hat vier Schockzauber in die Brust bekommen? Alle zeitgleich?"

„Zumindest hat es den Anschein."

„Alle vier Schocker trafen sie zeitgleich", warf Vector ein, „ich habe es gesehen. Und ich hoffe, dass ich so etwas nie wieder sehen muss."

Die Männer nickten und Severus warf einen nachdenklichen Blick auf Vector, was sie aber nicht bemerkte.

„Womit haben Sie sie behandelt?"

Poppy rasselte die Zutatenliste ihrer Salbe herunter, worauf einer der Heiler erstaunt die Augenbrauen hob.

„Das ist ein sehr anspruchsvolles Rezept. Wie sind Sie denn daran gekommen?"
„Wir haben einen ausgezeichneten Lehrer für Zaubertränke", entgegnete sie frostig, „Severus Snape ist eine Koryphäe auf seinem Gebiet und er stellt viele der Heiltränke und Salben für mich her."

„Snape? Sie haben…?"

„Ja, ich habe", entgegnete Snape kalt. „Überrascht Sie das?"

„Nein, ich wollte damit nicht sagen…"

„Können Sie das nicht ein anderes Mal ausdiskutieren?", warf Vector ein und blickte besorgt auf ihre Kollegin hinab.

„Keine Sorge, wir kümmern uns um sie", beruhigte der andere, bislang schweigsame Heiler. Aus seinem Zauberstab flossen lange goldene Strahlen, die McGonagall einhüllten, dann nickte er seinem Kollegen und Snape zu.

„Professor, wenn Sie dann die Appariersperre hier aufheben würden?"

„Apparieren? Sie wollen mit ihr apparieren? In diesem Zustand?"
Vector sah die beiden Männer ungläubig an.

„Ich habe sie auf den Transport vorbereitet", erklärte der schweigsame Heiler und deutete auf die goldene Aureole, die McGonagall umgab. „Der Transport wird ihr nicht schaden, ich habe ein Schutzfeld um sie herum aufgebaut, das Stöße abfängt und dafür sorgt, dass sie nicht durchgeschüttelt wird."

Noch während er sprach, hatten sich die beiden Heiler an Kopf- und Fußende des Bettes aufgebaut und Snape den Apparierschutz aufgehoben.

„Sie können apparieren."

Snape wartete ungeduldig, bis die beiden Männer mit McGonagall verschwunden waren, bevor er den Apparierschutz wieder errichtete.

„Wie kommt es, dass Sie die Appariersperre aufheben können?"

„Sagen wir einfach, Dumbledore hielt es für besser, Vorsorge zu treffen", erwiderte Snape gelangweilt, drehte sich um und verließ den Raum.

Vector sah ihm nach.

„Wenn er nicht so gut in seinem Fach wäre, würde ich diesem ungehobelten Klotz nur zu gerne ein paar Manieren beibringen. Er ist kalt wie ein Eisberg!"

Poppy legte ihr besänftigend die Hand auf den Arm.

„Snape ist nicht so übel, Septima. Sicher, er hat furchtbare Manieren, aber im Grunde seines Herzens ist er ein anständiger Mensch. Sonst würde Dumbledore ihm nicht vertrauen."

Vector zuckte vage die Achseln.

„Kann schon sein. Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber ich bin hundemüde und muss dringend ins Bett."
Vector wandte sich zum Gehen.

„Ich auch. Gute Nacht, Septima."

Poppy tätschelte ihr freundlich den Rücken.

„Gute Nacht, Poppy. Und machen Sie sich nicht zu viele Gedanken."

Im Stillen fügte sie hinzu:
‚Es reicht, wenn ich mir diese Gedanken mache.'

#

Schon am nächsten Tag apparierte Vector ins St. Mungo, um sich nach Minervas Befinden zu erkundigen.

Bei der molligen blonden Empfangshexe verharrte sie und fragte:
„Wo finde ich Minerva McGonagall?"

„4. Stock, 3. Tür, Dilys-Derwent-Station. Aber ich befürchte. Sie verschwenden Ihre Zeit. Sie ist noch immer nicht bei Bewusstsein."

„Das lassen Sie mal meine Sorge sein", entgegnete Vector bestimmt, rauschte durch eine Schwingtür und durch einen schmalen Korridor zum Treppenhaus. Sie stieg bis in den vierten Stock empor und ging auf besagte dritte Tür zu. Diese trug die Aufschrift: „Dilys-Derwent-Station: Schwere Fluchschäden".

Vector holte tief Luft, um sich zu wappnen und drückte die Tür auf. Von weitem drang ein leises Jammern an ihr Ohr und ihre Schritte hallten laut in dem stillen Korridor. Hilfesuchend hielt sie nach jemandem Ausschau, der ihr sagen konnte, in welchem Zimmer sich Minerva befand, da sie keine große Lust verspürte, in jedes Zimmer hineinzusehen.

Schließlich huschte ein limonengrün gewandeter Zauberer über den Flur und Vector rief ihn an:

„Verzeihung, können Sie mir sagen, wo ich Minerva McGonagall finde?"

„Das kommt darauf an, wer Sie sind. Im Grunde darf sie noch keinen Besuch haben."

„Septima Ilyena Vector. Ich habe sie nach dem Angriff gefunden."

„Ich bin Chefheiler Asklepios Astralagos. Ich bin der behandelnde Heiler im Fall Ihrer Freundin. Sie sind doch ihre Freundin?"

„Wenn man bedenkt, dass wir seit über zwanzig Jahren zusammen unterrichten, dann könnte das durchaus zutreffen", erwiderte Vector langsam.

„Schön, sonst dürfte ich Sie gar nicht zu ihr lassen. Sie haben sie gefunden, sagten Sie?"

„Ja, ich war zufällig am Ort des Geschehens. Ich habe mehrmals versucht, sie mit einem Enervate wieder aufzuwecken, aber das nicht geholfen", antwortete Vector bedrückt.

„Damit haben Sie ihr vermutlich das Leben gerettet."

„Wieso? Es hat doch nichts gebracht."

„Die Wucht der Flüche hat ihr Herz beschädigt. Ohne Ihren Gegenfluch hätte es einfach aufgehört zu schlagen, aber Ihre Enervate haben es wieder in Gang gesetzt, wenn Sie so wollen. Es war Glück, dass Sie an Ort und Stelle waren und gleich gehandelt haben, ansonsten hätten wir nicht mehr viel tun können."

Vector erbleichte.

„So schlimm?", flüsterte sie. Astralagos nickte ernst.

„Ich bringe Sie jetzt zu ihr, aber erwarten Sie bitte nicht zuviel. Professor McGonagall ist noch immer ohne Bewusstsein."

Vector nickte schweigend und folgte dem Heiler zu einem kleinen Zimmer am Ende des Korridors.

„Wir haben sie etwas abseits gelegt, damit sie mehr Ruhe hat. Ich lasse sie beide jetzt alleine, aber bleiben Sie bitte nicht zu lange."

„Schon klar."

Astralagos verließ den Raum und Septima rückte sich den Besucherstuhl nahe ans Bett, setzte sich und griff nach Minervas kühler Hand.

„Wissen Sie, Minerva, ich habe Ihren Heiler eben gnadenlos belogen. Ich habe behauptet, wir wären befreundet, sonst hätte er mich nicht zu Ihnen gelassen. Allerdings war das nur eine halbe Lüge", schränkte Septima gleich darauf ein und strich sich eine Strähne des silbergrauen Haars aus der Stirn.

„Ich wäre gerne mit Ihnen befreundet, Minerva. Ich finde Sie sehr sympathisch und ich schätze Ihre Courage und Ihre Intelligenz. Nur für den Fall, dass Sie das noch nicht bemerkt haben sollten."

Sie richtete einen so durchdringenden Blick aus ihren anthrazitgrauen Augen auf die bewusstlose Frau, als wollte sie bis in ihre Seele blicken und Minerva damit aufwecken.

„Wissen Sie, Minerva, für gewöhnlich bin ich kein rachsüchtiger Mensch, aber ich hoffe wirklich, dass ich diese Idioten persönlich in die Finger bekommen werde. Es wäre mir eine wahre Freude, mit ihnen den Boden aufzuwischen." Ein schwaches Lächeln flackerte um Septimas Mundwinkel.

„Aber Ihr Eingreifen war wirkungsvoll, Hagrid konnte entkommen. Allerdings nicht, ohne zuvor noch ein paar kräftige Schwinger auszuteilen. Ich wette, Dawlish hatte das Gefühl von einem Hippogreif überrannt zu werden", fügte sie schadenfroh hinzu, beugte sich etwas vor und zupfte fürsorglich Minervas Bettdecke zurecht.

„Ich soll Sie im Übrigen auch von Poppy grüßen. Sie macht sich Gedanken, weil sie Sie nicht selber behandeln kann, aber ich denke wirklich, dass Sie hier weitaus besser aufgehoben sind. Nichts gegen Poppy natürlich", fügte sie beinahe hastig hinzu, „aber sie sagt selber, dass sie ein solches Ausmaß an Schaden noch nie gesehen hat, geschweige denn behandelt. Ich werde froh sein, wenn Sie wieder bei uns sind, Minerva."

Sie streichelte ein letztes Mal McGonagalls Hand, dann erhob sie sich.

„Ich lasse Sie wohl jetzt besser wieder in Ruhe, damit Sie sich erholen können. Aber machen sie sich keine falschen Hoffnungen", fügte sie verschmitzt hinzu, „heute Abend komme ich wieder und falle Ihnen wieder auf den Wecker." Sie sah auf die stille Gestalt hinab, dann beugte sie sich spontan vor und hauchte Minerva einen Kuss auf die Stirn.

„Dann bis später. Und machen Sie mir keine Dummheiten!"

Nach einem letzten nachdenklichen Blick auf McGonagall wandte Septima sich zum Gehen und verließ leise das St. Mungos.

#

Am Abend kehrte sie zurück und saß neben Minervas Bett, ebenso den Tag danach.

Und jedes Mal erzählte sie ihr, was sich während ihrer Abwesenheit in Hogwarts ereignet hatte, grüßte sie von Madam Pomfrey und diversen anderen Kollegen und bemerkte dabei gar nicht, dass ihre Ausdrucksweise immer vertraulicher wurde.

„Weißt du, Minerva, die Sache in der Mysteriumsabteilung war schon unglaublich. Und wir haben endlich Dumbledore zurück! Nun wissen alle, dass er das ganze Jahr die Wahrheit gesagt hat. Mich würde nicht wundern, wenn er es nun auch noch schaffen würde Umbridge dauerhaft loszuwerden. Der Mann ist immer für eine Überraschung gut."

„Das kannst du laut sagen", kam es heiser vom Bett.

Septima hob ungläubig den Blick und ihre rauchgrauen Augen sahen direkt in die blauen Augen Minervas.

„Minerva! Du… Sie sind wach!"

„Offensichtlich. Wenn du die Güte hättest, mir ein Glas Wasser zu besorgen? Mein Hals ist ganz wund."

„Natürlich." Mechanisch schwang Septima ihren Zauberstab und ließ ein Glas mit Wasser erscheinen. Vorsichtig stützte sie Minervas Kopf, um ihr das Trinken zu erleichtern.

„Danke, aber das bekomme ich wohl noch alleine hin", bemerkte diese mit rauer Stimme und nahm Vector das Glas ab.

„So, jetzt fühle ich mich wieder etwas mehr wie ein Mensch", stellte sie anschließend fest und fixierte Vector.

„Und jetzt würde ich gerne wissen, was genau passiert ist. Mir scheinen ein paar Erinnerungen abhanden gekommen zu sein. Und setz dich um Himmels Willen wieder hin, ich bekomme Kopfschmerzen, wenn ich immer zu dir aufschauen muss."

Septima verbiss sich ein erleichtertes Grinsen, Minerva hatte schon wieder zu ihrer gewohnten Kratzbürstigkeit zurückgefunden und setzte sich gehorsam wieder hin, um McGonagalls Erinnerungen wieder auf den aktuellen Stand zu bringen.

„Vier Schockzauber zugleich? Dann brauche ich mich nicht zu wundern, dass meine Brust sich anfühlt, als hätte Hagrid darauf Stepptanz geübt", murmelte sie anschließend. „Ein Wunder, dass ich noch hier bin."

„Allerdings. Anscheinend wurde dein… Ihr Herz in Mitleidenschaft gezogen. Wenn ich nicht da gewesen wäre, dann…"

„…dann wäre es das vermutlich für mich gewesen", vervollständigte Minerva den Satz und warf Septima einen überraschend strengen Blick zu.

„Willst du nicht endlich dieses dämliche Gesieze lassen? Anscheinend waren wir schon beim ‚du', immerhin versprichst du dich dauernd."

Für einen Moment fühlte Septima sich versucht, dieses Statement einfach zu bejahen, aber dann siegte ihre Wahrheitsliebe.

„Nein, eigentlich waren wir das noch nicht", gab sie zu, „es erschien mir nur einfacher, mich sozusagen auf privater Ebene mit Ihnen zu unterhalten, während Sie bewusstlos waren. Außerdem wäre ich wirklich gerne mit Ihnen befreundet", fügte sie spontan hinzu, „ich mag Sie wirklich sehr, Minerva."

„Da gehe ich doch mal von aus, sonst würdest du nicht hier sitzen", kam es vom Bett zurück. Vector grinste.

„War das jetzt ein ‚ja'?"

„Ich denke schon. Wie lange arbeiten wir jetzt zusammen? Zwanzig Jahre?"

„Zweiundzwanzig."

„Und ich habe dir nie das ‚du' angeboten?" Minerva schüttelte versuchsweise den Kopf, stellte fest, dass er dabei nicht abfiel und versuchte es erneut etwas energischer.

„Kaum zu glauben. Ich muss manchmal wirklich ein Drache sein."

Vector lachte auf, ein so fröhliches und ansteckendes Lachen, dass Minerva unwillkürlich schmunzeln musste.

„War das jetzt auch ein ‚ja'?"

Septima schüttelte lachend den Kopf.

„Dir scheint es ja wirklich besser zu gehen", stellte sie erfreut fest.

„Natürlich, sonst würde ich noch immer im Land der Träume weilen", kam es trocken zurück. „Nichtsdestotrotz werde ich dich jetzt hinauswerfen, ich glaube, ich würde jetzt gerne etwas schlafen. Vielleicht hört Hagrid dann mit seinem Stepptanz auf meinem Brustkorb auf."

Lächelnd erhob sich Septima und wandte sich zum Gehen.

„Ich komme morgen wieder."

„Dann bis morgen."