Kapitel 2: Fußspuren aus der Vergangenheit
31. Juli 1097
Nur wenige Monate nach seines Vaters Tod und seiner eigenen Krönung, erkrankte
König Lucius Malfoy. Aufgrund der Sorge, dass er nicht überleben würde, beeilte
sich seine Ehefrau, Königin Narcissa, ihrem Sohn eine Frau zu finden, mit der
er, so schnell es die Biologie erlaubte, einen zweiten Erben hervorbringen
sollte. Sie übte tagein und tagaus Druck auf den Prinzen aus, flehte ihn an,
eine Braut für ihn wählen zu dürfen. Der Prinz konnte nicht König werden, bis
eine Ehefrau gefunden war und in diesen Zeiten brachte es nichts jemanden zu
krönen, der am nächsten Morgen umgebracht werden konnte und nichts hinterließ
außer Beratern, die sich zankten und dem englischen Thron, der somit frei war,
für jeden, der ihn haben wollte.
Da ihr Sohn sich weigerte jemanden zu wählen, hatte Narcissa sich dazu
entschieden Fest auf Fest für ihn zu geben, indem sie alle Adligen und ihre
Töchter von überall aus dem Land einlud und somit versuchte eine passende Braut
zu finden, die sein Interesse entfachte. Sie tat das weil sie versuchte nett zu
sein, aber sollte ihr Sohn nicht schon bald jemanden wählen, würde sie jemand
für ihn aussuchen und ihn zu einer Heirat zwingen müssen. Es galt keine
Zeit zu verlieren und ihr Gemahl wurde mit jedem Tag schwächer; Panik wurde ein
unwillkommener Gast in der Burg. Das Land hatte, in den letzten Jahren, so
vielen dunklen Zeiten gegenüber gestanden; es musste noch einmal von vorn
anfangen, aus dieser Verwirrung herauskommen und zum Licht der restlichen Welt
finden.
Die Adligen, die zu diesen Festen eingeladen waren, gaben sich jede denkbare
Mühe, um dem Königshof zu imponieren, nicht nur in der Hoffnung ihre Töchter mit
dem Prinzen zu verheiraten, sondern auch um höheres Ansehen bei der königlichen
Familie zu erringen und somit mehr Macht zu erlangen, was bedeutete, dass diese
Feste auch eine gute Chance für alle darstellten, um damit anzugeben, wie reich
sie waren.
Eine dieser Familien war der Haushalt der Potters.
Bei dieser einen Gesellschaft, die sie ausgerichtet hatte, waren die Potters,
anders als die anderen auf ihrer Einladungsliste, wirklich nur ein letzter
Ausweg, um die Lücken zu füllen. Sie waren eine kleine, schwer arbeitende
Familie, Mann, Frau, Sohn und Tochter. Der Mann der Familie war wohl kaum ein
Edelmann, aber er war ein sehr guter Schneider; die ausgezeichneten Stoffe und
Kleider, die er und sein Sohn herstellten, waren unter den Bauern wohlbekannt,
sie selbst hatte sich aus diesen von ein paar Dienstmädchen ein Kleid machen
lassen, also betätigte er sich zumindest eines respektablen Handwerks und ihm
würde dieses eine Mal die Ehre zuteil, den königlichen Hof zu sehen. Harte
Zeiten erforderten harte Maßnahmen und selbst wenn ihr Sohn ein Mädchen vom
Ende der Liste wählen sollte, dann hatte sie sich doch zumindest
auf der Liste befunden.
Als sie jedoch auf dem kleineren, hölzernen Thron neben dem aufwändigen,
goldenen ihres Mannes saß, begann sie angesichts des fehlenden Interesses ihres
Sohnes – das er jedem Mädchen zeigte, das an ihm vorbeilief – in Panik zu
geraten.
Prinz Draco Malfoy stand auf ihrer linken Seite, ein wenig weiter vorne und sah
vollkommen gelangweilt aus, aber um ganz ehrlich zu sein versuchte er, trotz der
Langeweile, nicht angesichts der Nervosität seiner Mutter zu grinsen.
Jeder der den Thronsaal betrat – einen Raum mit einer so hohen Decke, dass man
die hölzernen Balken, die ihn hielten, nicht erkennen konnte – wurde angewiesen,
bis zum anderen Ende und die Stufen hinauf zu laufen, dorthin wo sich die Throne
und die königliche Familie befanden. Sie sollten sich vor dem König und der
Königin verbeugen, dem Prinzen ein Geschenk überreichen und ihre Töchter vor ihm
knicksen lassen. Der erste Eindruck war der wichtigste, also waren die Geschenke
groß und teuer und die möglichen Bräute in spe waren mit den elegantesten und
raffiniertesten Kleidern herausgeputzt, die sie bekommen konnten.
Draco beobachtete, wie ihm ein Mädchen nach dem anderen gezeigt wurde – während
sich ein riesiger Haufen an Gold und Juwelen zu seiner Rechten, wo sie ihre
Geschenke ablegten, ansammelte – und er wusste, dass jede einzelne, die er mit
einem höflichen Nicken entließ, seine Mutter in den Wahnsinn trieb.
Sie war viel zu einfach zu durchschauen. Jede Gesellschaft war bloß ein
verzweifelter Versuch ihn eine Frau finden zu lassen und fast tat sie ihm leid.
Ja, er wusste, dass das Land in Schwierigkeiten war, falls sein Vater starb und
Draco noch keine Gattin gefunden hatte, aber sein Vater war dem Tod jetzt noch
nicht nahe – besonders, wenn er dort sitzen und ihn genauso unglimpflich beäugen
konnte wie seine Mutter – und wenn er heiraten musste, dann würde er nicht dazu
gezwungen werden, jemanden auszuwählen. Außerdem, sollte sein Vater doch
sterben, wusste Draco, ihm würde kein Leid geschehen. Sein persönlicher Diener
und Leibwächter Sirius Black hatte ihn immer mit seinem Leben beschützt und er
wusste, dass er in guten Händen war. Der besagte Diener stand an der Wand, ein
wenig hinter ihm und seiner Mutter, in voller Uniform und mit der Hand am Griff
seines Schwertes, für den Fall, dass irgendwer einen plötzlichen Sturm auf die
Familie machte, die er geschworen hatte zu beschützen.
Noch dazu war der Fakt, dass sie in einer riesigen steinernen Burg lebten, mit
einer ganzen Armee gleich hinter den Mauern und Wächtern und Soldaten an jedem
möglichen Eingang, eine gute Beruhigung für den Verstand.
Draco nickte wieder einem anderen Mädchen zu und sah gerade noch das ärgerliche
Stirnrunzeln, als sie sich umdrehte und, offensichtlich nicht begeistert durch
Dracos Desinteresse an ihrer Schönheit, die Stufen wieder hinab stieg.
Diesmal musste er grinsen und riskierte einen Blick auf seine Mutter, die ihn
böse anstarrte und er wandte sich wieder den Gästen zu. Er hatte ihre kleine
Liste mit den Leuten, die sie zum Fest einladen wollte, zu Gesicht kommen und
wenn man bedachte wen sie eingeladen hatte, dann musste sie wirklich
verzweifelt sein. Er hatte gesehen, dass sie die Potters – schnell an das Ende
der Liste gekritzelt – eingeladen hatte. Er kannte die Potters nur vom Namen
her, da er seine Mutter ein- oder zweimal die Stoffe erwähnen gehört hatte, die
sie herstellten, aber er wusste, dass sie wirklich niemand Wichtiges waren und,
dass sie solche Personen einlud, brachte ihn beinahe zum Lachen. Seine Mutter
war so voller Stolz, das Einladen von jemand so niedrigem zu einer königlichen
Gesellschaft musste sie ihren Stolz bis zu ihren Zehen hinunterschlucken lassen
haben.
Falls er sich zu jemandem hingezogen fühlen würde, würde er sicherstellen, dass
es ein viel schlichteres Mädchen war, als die, die ihm vorgeführt wurden,
einfach weil er wusste, dass es seine Mutter ärgern würde, aber auch weil die
anderen zu durchsichtig waren. Sie waren nur auf eines aus: Macht. Draco musste
zugeben, dass er ein wenig gespannt war auf die Reaktion der Potters auf die
Einladung hierher. Er glaubte nicht, dass Händler wie sie wirklich wegen Macht
dabei waren, vielleicht aber wegen des Geldes. Alle Bauern brauchten Geld. Egal
aus welchem Grund sie kamen; er freute sich mehr darauf, ihre Tochter zu sehen,
als alle anderen; das bedeutete nicht, dass er sie wählen würde, er hasste diese
ganze Sache mit der aufgezwungenen Heirat, aber nach all dem obligatorischen
höflichen Lächeln und den kokettierenden Blicken die ihm zugeworfen worden
waren, begann Draco auf ein ehrliches Lächeln zu hoffen.
Und außerdem konnte er niemanden heiraten, der besser aussah als er selbst.
Er verneigte sich erneut, als ein anderes Mädchen vor ihm knickste, erwiderte
ihr gezwungenes Lächeln mit einem genauso gezwungenem Lächeln und nickte ihrem
Vater zu, der gefolgt war, sich vor ihm verbeugte und ihr Präsent, eine kleine
Schatulle mit roten Rubinen, neben ihn stellte, wo die hunderte anderen
Geschenke hingelegt worden waren.
Draco seufzte und fing gerade an gründlich genervt zu sein, als ein junges
Mädchen mit langem schwarzem Haar auf ihn zu kam, possierlich knickste und recht
nervös zu ihm auf lächelte. Er lächelte so wie immer zurück und entschied, dass
es das netteste Lächeln gewesen war, das er bis dahin gesehen hatte, während
sich der Vater des Mädchens neben sie stellte und sich vor ihm verbeugte.
„Euer Hoheit, mein Name ist James Potter und dies ist meine Tochter, Fräulein
Holly Potter."
Holly, wie nun bekannt war, knickste noch einmal, bevor sie mit ihrem Vater
weiterging. Das war also die Tochter der Potters. Er konnte spüren, wie der
Blick seiner Mutter sich in seinen Hinterkopf bohrte, als sie auf eine Reaktion
wartete. Nun, das Mädchen war hübsch genug, auf eine schlichte Weise, was gut
war und obwohl ihre Kleider, entgegen seiner Befürchtung, nicht so ausgefallen
waren, wie die der anderen, konnte man sehen, dass sie sehr gut gemacht waren.
Aber das würden sie ja auch sein, da ihr Vater ein Schneide—
Dracos Gedanken stoppten, als James sich umdrehte und jemanden in der Schlange
der Leute, die darauf warteten ihn zu begrüßen, anzutreiben schien; und
plötzlich sprang ein junger Mann hinter einem sehr großen Kleid, dass ein
Mädchen anhatte, hervor, der etwas in seinen Armen hielt, das wie ein langer
dunkelgrüner Samtumhang aussah.
„Harry, du kommst zu spät…", warnte James, zwischen zusammengebissenen Zähnen.
Harry warf seinem Vater einen entschuldigenden Blick zu, bevor er sich umdrehte,
um zu Draco aufzusehen.
In dem Moment, als sich ihre Blicke trafen, schien es Draco, als wären die Musik
und das Stimmengemurmel um ihn herum verklungen. Hätte er seine Augen von den
strahlenden, grünen, die sie im Bann hielten, abwenden können, dann hätte er
sich verwirrt umgeschaut. Er konnte noch immer sehen, wie sich die Leute
unterhielten und die Musiker spielten in seinen Augenwinkeln, also warum konnte
er nur das Blut in seinen Ohren rauschen hören?
Der junge Mann vor ihm blickte ihn weiterhin an, bevor sein Vater, der mitbekam,
dass er sich nicht verhielt, wie sie es geplant hatten, ihm seinen Ellbogen in
die Seite stieß. Er blinzelte, unterbrach den Augenkontakt und verbeugte sich
tief, bis zum Boden.
„Euer Hoheit.", sagte er respektvoll, während er seine Verbeugung hielt, bevor
er sich langsam wieder aufrichtete und seine Augen erneut Dracos eigene suchten;
und Draco war sich sicher, dass sein Herz gerade einen Schlag lang ausgesetzt
hatte, als er zu ihm hinuntersah.
Ohne ein weiteres Wort zu sagen, ging Harry hinüber zu den anderen Geschenken,
die die Gäste gebracht hatten und legte den Umhang sorgfältig über eine Kiste,
die wahrscheinlich auch voller Juwelen war. Draco nahm seine Augen nicht eine
Sekunde lang von ihm und ihm stockte der Atem, doch das bekam er gar nicht mit.
Draco beobachtete Harry, als dieser dafür sorgte, dass sich keinen Falten im
Umhang befanden, bevor er sah, wie er ihn aus den Augenwinkeln anblickte,
bemerkte, wie Draco ihn anschaute und kurz überrascht lächelte. Er neigte,
beinahe entschuldigend, seinen Kopf, bevor er sich umdrehte und zu seinem Vater
zurücklief, der ihm, während sie die Treppen hinuntergingen, auf den Hinterkopf
knuffte, weil er vor dem Prinzen persönlich zu spät gekommen war.
Draco beachtete das nächste Mädchen, das kam, um vor ihm zu knicksen, überhaupt
nicht, sondern verfolgte, wie Harry die Treppen hinunter und in die untere
offene Halle lief, wo die Leute tanzten und alle möglichen Speisen und Getränke
auf den dunklen Holztischen, die an den Wänden standen, aufgebahrt waren.
Was war los? Warum konnte er seine Augen nicht von ihm losreißen? Draco runzelte
über sich selbst die Stirn, doch als die kleine Familie den Rand der sich
sammelnden Tänzer erreichte und James und Holly in der Menge verschwanden, sah
er, zwischen den vielen Gesichtern, wie Harry sich wieder umwandte, um ihn
ansehen zu können, ihre Augen trafen sich und er hielt diesen Blick ein weiteres
Mal. Seine grünen Augen schienen vor allem anderen im Raum aufzufallen und Draco
wollte nie wieder wegschauen, aber er wusste nicht wieso. Plötzlich formte sich
auf Harrys Lippen ein schüchternes Lächeln, als er fortfuhr zu ihm aufzusehen,
selbst als andere Leute vor ihm liefen oder tanzten, wobei er sich des Blickes
in Dracos Augen, den jedes Mädchen im Raum auf sich spüren wollte, nicht bewusst
war.
Noch einmal neigte Harry seinen Kopf, während sein Blick auf Draco ruhen blieb
und er immer noch dieses scheue Lächeln auf seinem Gesicht hatte. Es war kein
Lächeln für irgendwelche königlichen Empfänge, es war auch kein Lächeln, das
beeindrucken sollte, sondern es war ein Lächeln, das genau auf Dracos Augen
gerichtet war und es ging direkt zu seinem Herzen. Es war ein Lächeln, das alle
anderen im Raum, außer ihm, verschwinden ließ und auch ein Lächeln, das in
diesem Moment, als Harry schließlich wegguckte um seinen Vater und seine
Schwester zu finden, von Draco als das schönste Lächeln bestimmt wurde, das
jemals in seine Richtung geworfen worden war.
26. Dezember 2005
Ich werde nicht lange hier bleiben; ich wollte nur aufschreiben, warum ich
seit zwei Wochen nicht hier gewesen bin. Es ist passiert. Nach so langer Zeit,
so vielen Jahren des Wartens, ist er endlich zuhause. Er ist zurück; mein Harry
ist wieder hier bei mir!
Er lebt.
Und mit ihm meine Seele.
Draco legte eilig den Federkiel beiseite, blies die auf Tinte, damit sie
schneller trocknete, bevor er das Tagebuch zuknallte und durch die Decke nach
oben schwebte, da er keine weitere Sekunde von Harry entfernt verbringen wollte,
sich aber schuldig gefühlt hatte, weil er nichts in sein Tagebuch geschrieben
hatte, was seine zweiwöchige Abwesenheit erklärt hätte.
In diesen letzten zwei Wochen seit er ihn in Professor Snapes Büro gesehen
hatte, hatte er nichts anderes getan, als an Harrys Seite zu bleiben, ihn im
Unterricht zu beobachten, zu beobachten wenn er mit seinen Freunden lachte und
ihm beim Schlafen zuzusehen. Draco wollte es sich, mehr als alles andere, in der
Nacht in diesen Armen gemütlich machen, die Wärme seines Geliebten spüren, aber
es war ihm nicht möglich irgend etwas zu tun, außer das sanfte Heben und Senken
seines Brustkorbs zu beobachten und wie er die Bettdecke unter sich festdrückte,
wenn er sich im Schlaf bewegte, um die winterliche Kälte fernzuhalten.
Er würde auf der Bettkante sitzen, mit einem sehnsüchtigen Blick in den Augen
und mehrere Male hatten Fred und George ihm, ohne sein Wissen, durch die Wände
hindurch zugesehen, aber dann war kein Lächeln auf ihren Gesichtern gewesen, sie
hatten beinahe…traurig ausgesehen, bevor sie sich gegenseitig ratlos ansahen und
verschwanden, um die beiden allein zu lassen.
Die Nächte waren immer das Schlimmste für Draco. Am Tag war Harry immer
unterwegs und täglich erfuhr Draco ein paar neue Dinge über das Leben, das Harry
nun lebte. Das neueste war, dass er erfahren hatte, dass er bei Seamus
aufgewachsen war, da die Eltern des irischen Jungen ihn aufgenommen hatten,
nachdem seine eigenen Eltern bei einem Autounfall gestorben waren, als er gerade
11 Jahre alt gewesen war. Aber abgesehen davon, war Draco erheitert und
überglücklich, dass die meisten anderen Dinge irgendetwas mit seinem früheren
Leben – mit ihm – zu tun hatten. Dinge, wie sein Geburtstag am 31. Juli, dem Tag
an dem sie sich zum ersten Mal getroffen hatten. Oder, dass er schon immer ein
gutes Auge für Design gehabt hatte, genauso, wie er in seinem früheren Leben ein
Schneider gewesen war. Er hatte sogar die gleiche Persönlichkeit und dieses
hinreißende Lächeln, das Dracos Knie immer hatte schwach werden lassen.
Und dann war da noch, natürlich auf dem ersten Platz, die Tatsache, dass er sich
zum männlichen Teil der Bevölkerung hingezogen fühlte.
Die Tage glitten vorüber, wie die Schwäne, die den Schwarzen See in der Nähe
bevölkerten und Draco war glücklich einfach da zu sein, das eine Ding ansehend,
nach dem er sich gesehnt hatte, seit…nun, es kam ihm wie eine Ewigkeit vor.
Aber die Nächte; die Nächte waren das Schlimmste.
Da er ein Geist war, brauchte er nicht zu schlafen, aber wenn er dort saß und
seinen Liebsten beobachtete – die Finger nach ihm, der so nahe schien,
ausstreckte, diese jedoch geradewegs durch ihn hindurch fuhren und ihn daran
erinnerten, wie weit entfernt er wirklich war – war Draco, in manchen Nächten,
ein wenig niedergeschlagen.
Alles was ihm in der Nacht blieb, waren seine Erinnerungen und obwohl diejenige
Person, um die sich all diese Erinnerungen drehten, genau vor ihm lag, konnte er
ihn nicht berühren. Er würde ihn nie wieder berühren können. Ganz gleich, wie
sehr sein Herz und seine Seele sich danach verzehrten ihn zu halten, gleich,
dass sein einziger Wunsch war, körperlichen Kontakt mit ihm zu haben, er würde
Harry immer unbekannt bleiben. Er würde nicht mehr sein, als eine Seele, die
neben demjenigen schwebte, zu dem sie gehörte.
Damals, als er sich dazu entschieden hatte, auf der Erde zu bleiben, um darauf
zu warten, Harry noch einmal zu sehen, war sein einziger Wunsch gewesen, ihn
wieder zu sehen, aber er hatte nie daran gedacht, wie er sich fühlen würde, wenn
er ihn dort liegen sähe und nicht berühren könnte. Das war ein deprimierender
Gedanke, aber Draco hatte kein einziges Mal bereut, auf der Erde geblieben zu
sein.
Wie konnte er etwas bereuen, wenn er dadurch Harry wieder sah? Diese
wunderschönen smaragdfarbenen Augen und das jungenhafte Lächeln, das Dracos Herz
überhaupt erst erobert hatte? Selbst falls Draco nie in den Himmel kommen
sollte, war er doch, in diesen kostbaren Momenten mit Harry, dem Himmel so nah,
wie er nur sein konnte.
Und deshalb nahm er, nachdem er durch die Tür zu Harrys Raum gegangen war, in
dem dieser tief und fest schlief, wieder auf seiner üblichen Stelle Platz und
blickte auf ihn hinunter. Harry hatte vergessen die Vorhänge zu zu ziehen und
der Vollmond ließ die Schneeflocken, die draußen langsam herunter fielen, in
einem noch helleren weiß vor dem schwarzen, sternenlosen Himmel leuchten als
sonst.
Draco schaute ihnen einen kurzen Moment lang zu, bevor seine Aufmerksamkeit
wieder zu Harry gezogen wurde, als er sich im Schlaf bewegte, auf dem Rücken
liegend, eine Hand auf dem Kissen abgelegt. Draco lächelte. Er hatte sich selbst
immer mit einer Schneeflocke und Harry mit der Sonne verglichen. Er mochte
seltsam erscheinen, aber in seinem ganzen Leben war Harry der einzige gewesen,
der sein eisiges Verhalten durch nur einen Blick hatte schmelzen können.
Solange, wie er sich daran erinnern konnte, hatte Harry dauernd diesen einen
Traum gehabt. Als Kind hatte er ihn nie verstanden, zum Teufel, selbst jetzt
verstand er ihn nicht, aber als sein bester Freund Seamus Finnegan ihm mit 13
Jahren gesagt hatte, dass er „Jungs mochte", hatte Harry sich dazu entschieden
ihm von dem Traum zu erzählen und seit dieser Zeit hatte Seamus immer gelacht
und ihn damit aufgezogen, wie es möglich sein konnte, das von ihnen beiden nicht
Harry sich zuerst als schwul erwiesen hatte, wenn er, schon praktisch
seit seiner Geburt, davon geträumt hatte Männer zu küssen.
„Einen Mann.", hatte Harry ihn korrigiert.
„Ja, einen Prinzen!", hatte Seamus geantwortet.
Auf der High School, als die beiden Dean Thomas kennen lernten und Seamus und er
nach einem Jahr ein Paar wurden, hatte Harry ihm auch von den Träumen erzählt,
in der Hoffnung eine logischere Erklärung zu bekommen als Seamus Version von:
„Du träumst von einem vergangenen Leben, das muss es sein. Mann, eine Affäre mit
einem Prinzen! Ich wünschte, dass ich so einen Traum hätte."
Die Unterhaltung mit Dean begann ziemlich viel versprechend.
„Also, du hast das geträumt, seit du ein Kind warst?", hatte Dean gefragt.
„Ja?"
„Und ihr küsst euch?"
„Jedes Mal."
„Und wer ist dieser Prinzen-Typ?"
„Das weiß ich nicht, ich weiß nur, dass er ein Prinz ist, aber das war's auch.
Ich hab keine Ahnung wie sein Name ist."
„Wie sieht er aus?"
„Ähm, hellblondes Haar, graue Augen, spitzes Gesicht."
„Hmmm…" Dean hatte kurz nachgedacht, bevor er plötzlich seinen Skizzenblock, den
er immer mit sich hatte, herausgeholt und in seinem Rucksack nach einem
Bleistift gekramt hatte. „Du musst mit alles über diesen Traum erzählen, dann
werd ich ihn malen und an meine Wand hängen!"
Er konnte ihm also auch nicht helfen.
Harry hatte sich nun an diese Träume gewöhnt, aber nachdem er sich vor ein paar
Monaten eingestanden hatte, dass er selbst auch Männer mochte, hatte er den
Traum häufiger gehabt, um die sechs oder sieben Mal pro Monat, anstatt der
üblichen zwei Mal, aber erst seit er nach Hogwarts gezogen war, hatte er den
Traum jede Nacht.
Er war nun seit einem Monat hier und obwohl der stets wiederkehrende Traum ihn
zuerst erschrocken und noch mehr hatte wundern lassen warum er ihn träumte, so
fühlte er sich doch, je häufiger er ihn träumte, als könnte er sich…erinnern.
Als könnte er sich an etwas erinnern, was ihm unbekannt war, aber wenn er nach
den ersten zwei Wochen ins Bett stieg und die Lampen ausschaltete, waren seine
Gedanken schon bei seinem Prinzen. Jede Nacht hoffte er, wieder von ihm zu
träumen, bloß um dieses hingebungsvolle Gefühl der Anbetung zu empfinden und den
Blick dieser schimmernden Augen auf sich zu haben; und jeden Morgen lächelte er
nach dem Aufwachen, wenn dieses Gefühl über ihn hinwegspülte.
Das war genau das, woran er dachte, als er diesmal ins Bett schlüpfte und in der
Dunkelheit die Decke bis über einen Teil seines Kopfes zog, um die winterliche
Kälte fernzuhalten, die in der Burg herrschte. Beim Gedanken an seinen Traum
lächelte er ins Kissen. Es war derselbe, aber er wurde seiner nie müde. Wenn er
aufwachte, erinnerte er sich an alles und es schien immer so wirklich. Wie sie
sich küssten, langsam und sanft, jedes Quäntchen Liebe in den Kuss einfließen
lassend, als hätten sie alle Zeit der Welt und jedes Mal wenn er erwachte konnte
er immer noch seinen Herzschlag rasen fühlen von diesem Sturm der Leidenschaft,
den sein Gehirn ihn hatte spüren lassen. Das Bild seines unbekannten blonden
Prinzen blieb frisch in seinem Gedächtnis, diese grauen Augen, die, obwohl er
glaubte sie wären normalerweise gegen andere zusammengekniffen, wenn sie ihn
anblickten, nichts als Zuneigung zeigten.
Das einzige Problem war, dass wenn er aufwachte und dieses Gefühl der Liebe ihn
völlig überrollt hatte, es auch genauso schnell verschwand und ihm nur ein
leeres Gefühl tief in seiner Brust blieb, als fehle ihm dringend etwas, aber er
wusste nicht was.
Aber trotzdem lächelte er als er seine Augen schloss und sich, mit dem Prinzen
bereits hinter seinen Augenlidern bevor der Traum überhaupt begonnen hatte, dem
Schlaf hingab und war froh, dass er am nächsten Morgen nicht früh aufstehen
musste.
Draco freute sich immer darauf, wenn Harry morgens aufwachte. Er hatte Harry
über seine Träume sprechen hören und er wusste nicht, dass die Person in seinem
Traum Draco war, aber der Blick in seinen Augen, wenn er erwachte, mit seinen
großen Pupillen und dem Ausdruck von völligem Frieden und Liebe auf dem Gesicht,
ließ Draco immer grinsen und der Drang seine Arme um ihn zu schlingen war
ungeheuer stark.
Und als das Morgenlicht durch das Fenster schien, da der Schneefall irgendwann
während der Nacht aufgehört hatte, beobachtete Draco wie Harrys Augen langsam
aufblinzelten und lehnte sich lächelnd über ihn, um zu sehen, was Gedanken an
ihn mit diesen tiefen dunkelgrünen Augen angestellt hatten.
Ein Lächeln erreichte Harrys Lippen aus, als er erwachte und er schloss seine
Augen noch einmal, um das Gefühl der Liebe zu genießen solange er es hatte,
bevor es verschwand. Er hatte wieder von seinem Prinzen geträumt, wie jede Nacht
und das Flattern in seiner Brust und die Wärme auf seinen Wangen, beim Gedanken
daran, ließen ihn sich tiefer unter die Bettdecke kuscheln. Er blickte hinauf
zur Decke, während er sich warm und wohl fühlte, bevor, wie sonst auch, das
Gefühl langsam verschwand und Harry mit einem kleinen Stirnrunzeln über den
Augen nach oben starrte.
Er wünschte das Gefühl würde bleiben. Er hatte noch nie eine wirkliche Beziehung
mit jemandem gehabt. Er hatte versucht mit ein paar Leuten auszugehen, aber es
hielt nie lange an und sie kamen nie weiter als einige Küsse. Da er, bis vor ein
paar Monaten, nie wirklich gewusst hatte, ob er Jungen oder Mädchen mochte,
hatte ihn die Vorstellung einer Beziehung mit irgendjemandem nie gekümmert, bis
jetzt jedenfalls. Das einzige Problem war, dass die Person mit der er eine
Beziehung haben wollte, nicht echt war – er war nur ein Traum und der Gedanke,
dass er sich in einen Traum verliebt hatte, ließ Harry an seinem Verstand
zweifeln.
Als er jedoch nach oben, zu den Balken an der Decke, starrte, während das
Gefühl, das er so liebte, ihn verließ, fühlte er sich, als müsste er nur hinauf
reichen, hinauf in die Luft, damit er den jungen Prinzen ergreifen und bei sich
halten konnte.
Also tat er es. Eine Hand anhebend, streckte er sie nach oben und zur selben
Zeit sprang Draco schockiert zurück.
Er hatte dicht, kaum drei Zentimeter von seinem Gesicht entfernt, über Harry
gelehnt und sich in seinen warmen Augen verloren, wobei er sich nur einen
Augenblick lang gewundert hatte, warum er die Stirn gerunzelt hatte, als er
plötzlich Harrys Hand durch seinen Brustkorb schießen fühlte. Nachdem er
überrascht nach hinten gesprungen war, sah er wie Harrys Hand für einen Moment
dort blieb und sich sanft um die Luft schloss, bevor er sie langsam wieder an
seiner Seite auf dem Bett ablegte.
Harry seufzte. Was dachte er sich nur? Was tat er da? Vielleicht musste
er wirklich jemanden finden mit dem er sich verabreden konnte, denn je länger an
seinen Prinzen dachte, desto weniger wollte er mit jemand anderem ausgehen. Der
Traum verzehrte ihn, vielleicht wurde er tatsächlich schwachsinnig? Noch einmal
seufzend, trat er die Bettdecke beiseite und setzte sich aufrecht hin, ohne
Draco zu bemerken, der am Ende des Bettes stand und seine Faust an die Stelle
hielt, durch die Harrys Hand gedrungen war.
Hatte er gespürt, dass Draco dort gewesen war? Hatte er nach ihm gegriffen?
Draco lächelte sacht und beobachtete wie Harry sich streckte, aufstand und sich
mit einer Hand durchs Haar fuhr.
Er hoffte es, denn vielleicht bedeutete das, dass er für Harry nicht so
unsichtbar war, wie er angenommen hatte.
„Also, dort draußen liegen Tonnen von Schnee. Zeit für eine
Schneeballschlacht!", verkündete Seamus aufgeregt nachdem sie Frühstück in der
Großen Halle gegessen hatten.
Er hatte während der gesamten Mahlzeit auf den Schnee außerhalb eines Fensters
gestarrt und beim Anblick des absolut alles draußen bedeckenden, tiefen Schnees
praktisch gebebt. Seamus hatte eine Schwäche für Schnee und schien mental immer
ein Fünfjähriger zu werden, wenn er welchen sah. Harry war damit aufgewachsen
und obwohl er nicht Seamus kindliche Freude dafür übernommen hatte, liebte auch
er Schnee.
„Wie alt bist du eigentlich?", fragte Dean grinsend seinen Freund.
„Man ist nie zu alt für eine Schneeballschlacht.", erklärte Seamus, bevor er
jeweils einen Arm von Harry und Dean ergriff und sie in den Hauptflur und durch
die großen Holztore hinaus in die Kälte zog.
„Seamus, hier draußen ist es arschkalt!", rief Harry aus und grub seine Hacken
gerade außerhalb der Tore in die Erde, brachte ihn zum halten, versuchte seinen
Arm wegzuziehen und blieb selbst stehen.
„Und wenn schon, dann ist es halt ein bisschen kühl, das macht doch nichts."
Seamus zuckte mit den Schultern. „Ein bisschen Kälte hat noch niemand gescha-"
Genau in diesem Moment fuhr ein frostiger Wind sie an, der kleine Schneeflocken
mit sich brachte und Seamus erstarrte in der Mitte des Satzes, als Harry seine
Arme um sich schlang, da der dünne rote Pullover, den er anhatte, nicht viel an
Wärme produzierte.
Dean und er sahen beide Seamus mit hochgezogenen Augenbrauen an und Seamus
rannte schnell wieder hinein, um das Geräusch seiner eigenen klappernden Zähnen
zu übertönen.
„Na gut, zuerst Mäntel und danach machen wir eine Schneeballschlacht!"
Draco war so neidisch, weil er nicht an der Schneeballschlacht der Jungen, unten
am Dunklen See, teilnehmen konnte. Alles was er tun konnte war ihnen zu folgen,
während sie um den See liefen, sich hinter Bäumen und Büschen versteckten und
versuchten sich gegenseitig zu erwischen. Das Haar aller drei war nass von den
Schneebällen, die sie wieder und wieder abbekommen hatten und ihr Lachen und das
anderer Leute, die sich am Schnee erfreuten, schallte durch die Luft.
Solche lustigen Dinge hatte er nie mit seinem alten Harry tun können. Hätte
jemand sie gesehen, nun, er wollte nicht an das denken, was seine Eltern getan
hätten; wenigstens hatten sie nie von seiner Affäre mit ihm erfahren. Seine
Liebe zu Harry war ein Geheimnis gewesen und genau das war noch etwas auf das er
neidisch war. In diesem Zeitalter schien es keine Rolle zu spielen, wen man
liebte. Er hatte gesehen, wie Dean und Seamus Hand in Hand zum Unterricht
gelaufen waren und keiner hatte auch nur mit der Wimper gezuckt. Wenn es so
gewesen wäre als er noch gelebt hatte, wäre seine Liebe zu Harry okay gewesen,
dann hätte ihr gemeinsames Leben ganz anders ausgesehen. Er hätte
Schneeballschlachten auf den Ländereien mit ihm haben und mit ihm ausreiten
können, anstatt sich heimlich tief im Wald treffen zu müssen; er hätte sogar
ganz simple Dinge tun können, wie gemeinsam zu Abend essen, da der Prinz und der
Sohn eines Schneiders schließlich nicht im selben Raum speisen konnten.
Das lachende Trio hatte sich zu dem begeben, was über die Jahre auf den Namen
Peitschende Weide getauft worden war, einem Baum in der Nähe des Seeufers. Der
Baum hatte bereits zu Dracos Zeiten dort gestanden, obschon sehr viel kleiner
und zierlicher als der 5 Fuß breite Baumstamm von heute, mit arm- und beindicken
Zweigen.
Draco schlenderte hinüber, setzte sich darunter und schaute lächelnd zu wie
Seamus und Harry sich verbündeten und Dean mit einer großen Menge Schneebällen
bewarfen, nachdem dieser einen schwer mit Schnee beladenen Ast über ihnen
ausgeschüttelt hatte.
Er hatte, vor Jahren, viele Stunden mit Harry unter diesem Baum verbracht,
einfach zusammen in der frischen Luft der Sommernacht sitzend. Es war nicht weit
von der Burg, versteckt hinter fensterlosen Mauern und es war ein Ort, an dem
sie sich unbemerkt hatten treffen können, von dem sie sich meistens nicht einmal
entfernt hatten. Draco war mit seinen Pflichten und Harry mit seinem Beruf
beschäftigt, daher hatten sie wenig Zeit gehabt, um allein zu sein, also saßen
sie normalerweise nur gemeinsam dort, in den Armen des anderen und ließen die
Welt an sich vorüberziehen.
Dracos Lächeln fiel jedoch von seinem Gesicht, als er daran dachte, welche
anderen Erinnerungen mit diesem Baum zusammenhingen. Immerhin, war er eines der
wenigen Dinge, die er vor seinem Tod zuletzt gesehen hatte. Er entschloss sich
nicht von seinen Erinnerungen überwältigt zu werden und sah wieder nach oben, um
das geliebte Gesicht zu finden, als plötzlich…
„Harry? Hey, Harry, geht's dir gut? "
Seamus und Dean rannten zu Harry, der am Ufer auf seine Knie zusammengebrochen
zu sein schien und wild ins Wasser starrte; und mit panischem Blick schoss Draco
vom Baum davon und rannte ebenfalls zu ihm.
Er erreichte ihn Sekunden nach Seamus und Dean, während Seamus sich an eine
Seite hockte und Dean auf der anderen stand. Draco hetzte vor ihn, seine Füße
durchstießen gerade so das Wasser und ohne darüber nachzudenken streckte er
seine Hände aus, um ihn an den Schultern zu halten, nur um zu erkennen, dass er
ihn natürlich nicht berühren konnte, seine Hände fuhren einfach durch ihn
hindurch und Harry erschauerte.
„Hey", sagte Seamus sanft und seine Hand streichelte Harrys Rücken als er
zitterte, „Hey, komm schon, schüttle es ab.", lockte er in mit vorgetäuschter
Ruhe in der Stimme, aber Harry wandte seine Blick nicht von dem Wasser vor ihm
ab und seine Augen waren voller Furcht.
Was passierte hier? Warum fühlte er sich plötzlich als wäre alles was er je
geliebt hatte einfach verschwunden; als hätte er ein großes Loch in seiner
Brust? Harry fühlte nicht einmal, dass Seamus ihn an den Schultern schüttelte,
er starrte nur auf das teilweise gefrorene Wasser, außer Atem, als plötzlich ein
stechender Schmerz durch seine Stirn schoss und er nach vorne in den Schnee
fiel, die Hände auf die blitzförmige Narbe auf seiner Stirn gepresst.
Er bemerkte nur kurz, dass Seamus und Dean seinen Namen riefen, bevor er durch
den Schmerz in seinem Kopf eine Stimme hörte, die er nicht erkannte.
-„Lass mich mit dir sterben." -
Dann war der Schmerz weg.
Er blinzelte langsam, nahm seine Hände von seinem Kopf und setzte sich auf seine
Hacken, während er mit verwirrtem Blick auf das stille Wasser sah.
„Harry?", fragte Seamus, scheinbar atemlos und Harry drehte sich zu ihm.
„Geht…geht es dir gut?"
Harry saß einen Moment da und dachte nach. „Ja…entschuldige, mir geht's gut,
ich…ich hatte nur dieses echt komische Gefühl.", sagte er langsam und schaute
zum See zurück, der einige gefrorene Stellen hatte und die, die es nicht waren,
kräuselten sich sacht im Wind.
Er war in Ordnung, er fühlte sich nun okay. Der Schmerz war verebbt und aus
welchem Grund auch immer die Furcht da gewesen war, sie war ebenfalls weg. Aber
trotzdem…Harry runzelte die Stirn; hatte er eine andere Stimme gehört? Was hatte
sie gesagt? Oder hatte er sie sich nur eingebildet? War dort überhaupt eine
Stimme gewesen? Er konnte sich nicht daran erinnern, es schwand aus seinem
Gedächtnis.
„Vielleicht sollten wir aufhören herumzutoben?", schlug Dean Seamus vor. „Lasst
uns wieder hinein gehen."
Harry sah weiterhin den See an und ein fassungsloser, finsterer Blick schob sich
auf sein Gesicht. „…Ja…ja okay.", sagte er verwirrt, während Seamus seinen Arm
ergriff und ihm half aufzustehen.
Als die drei weggingen, stand Draco schließlich auf, mit ungläubigem Verstehen
im Blick.
Aber…aber er konnte doch nicht wissen…
Er starrte auf die Fußspuren, die sie im Schnee hinterlassen hatten, bevor er zu
ihren Rücken hoch schaute.
Das ist unmöglich; er konnte es auf keinen Fall wissen…auf keinen Fall…
Draco warf der Peitschenden Weide einen Blick zu, dann drehte er sich um und
schaute auf den See zurück, wobei seine Augen groß waren, durch die unangenehmen
Gedanken, als er sich an seine eigenen Fußspuren aus der Vergangenheit
erinnerte. Er war an diesem Baum vorbei gerannt, zu genau dieser Stelle…Harry
war zu der Zeit schon tot gewesen…also wie…woher wusste er…
Spürte er, dass dies der Ort war, an dem Draco sich ertränkt hatte?