FINALE
4. August, Norwich
Mein geliebter, unvernünftiger (oder plötzlich doch vernünftiger?) Severus,
obwohl ich glaubte, all das emotional hinter mir gelassen zu haben, tut es doch weh. Aber nun ist es vorbei und ich werde weiter nach vorne schauen und gehen und hoffen, daß du dann irgendwann vor mir stehst.
Weil ich sicher gehen möchte, daß du es dir, was die Behandlung durch Schwester Rebecca betrifft, nicht plötzlich doch anders überlegst, werde ich dir nicht mehr schreiben, solange du noch die Pflege benötigst. Vielleicht wird dich das anspornen, ihren Anweisungen so Folge zu leisten, daß du so schnell wie möglich entlassen werden kannst.
Severus... ich kann es kaum erwarten, dich endlich vor mir zu sehen. Ich habe Angst und bin gleichzeitig aufgewühlt, wie ein... ach egal. Was auch immer ich als Vergleich heranziehen könnte, kann es nicht wiedergeben.
Die Sehnsucht danach, dich endlich zu fühlen, zu berühren, dir in die Augen zu sehen, ist so groß, daß sie beinahe weh tut.
Ich werde mich in meiner Arbeit vergraben bis du mir die Nachricht zukommen lässt, daß es so weit ist...
Ich liebe dich so sehr
Deine Hermine
Als Rebecca Garner das Zimmer betrat, um Professor Snape die nächste Mahlzeit zu bringen, war er nicht in seinem Bett. Sie suchte nach ihm, konnte ihn aber nicht mehr finden. Wie sollte sie das nur Miss Granger erklären, ging es ihr durch den Sinn, aber dann hörte sie schon wieder die Stimmen anderer Patienten, die nach ihr riefen und die ihre Hilfe bereitwillig annahmen. Sie fand den Schrank in dem sie seine Sachen weggeschlossen hatte, geöffnet vor. Schnell sagte sie dem Oberarzt bescheid und machte sich dann mit einem „er muß es selber wissen"-Achselzucken, wieder an ihre Arbeit.
Hermine stand in ihrem Labor, ihrem eigenen Labor. Nein – sie korrigierte sich gedanklich – es war Justins und ihr Labor gewesen und für einen Moment erschien es ihr, als könne sie ihn am Kessel stehen sehen, als wende er sich zu ihr um und lache sie auf seine unwiderstehliche Art und Weise an. Wie erschreckend anders war sein Gesicht gewesen, als er im Ministerium über ihr gewesen war und sie gewürgt hatte. Konnte das alles wirklich erst einen Monat her sein? Sollte sie dieses Labor aufgeben? Oder würde sie es fertig bringen, es wirklich zu „ihrem" Labor zu machen?
Sie ging zum Kessel hinüber, füllte Wasser ein und entzündete das Feuer darunter. Endlich war sie alleine hier. Ihre Aufpasserin war nicht mehr notwendig. Alle waren verhaftet. Die Gefahr war vorbei.
Hermine wußte nicht, ob sie aus Erleichterung oder aus Niedergeschlagenheit seufzte.
Severus vorletzter Brief hatte weh getan.
Sie musste beinahe darüber schmunzeln, wie ungehalten er als Patient war, aber das änderte nichts daran, daß seine unwirschen, unnötig direkten Worte über die Szenen im Denkarium ihr einen Stich versetzt hatten, den sie so hart nicht erwartet hatte. Sie versuchte, sich klar zu machen, daß ihn der Gedanke daran, daß es diese Szenen gab, ebenso bestürzen mussten wie sie, aber das gab ihm nicht das Recht, so mit ihr zu sprechen...
... sprechen ... wenn es das wenigstens wäre...
Sie kämpfte, schon seit sie wieder hier war, mit sich selbst, ob sie ihn in St. Mungos aufsuchen sollte, aber letztendlich entschied sie immer wieder, daß es besser war, ihn in seiner derzeitigen Stimmung nicht zu treffen. Sie konnte nur hoffen, daß ihre Worte in ihrem letzten Brief ihn erreicht hatten, daß er sie verstanden hatte.
Hermine ertappte sich dabei, wie sie mit den Fingerspitzen beinahe zärtlich über den Rand des Kessels strich, in dem langsam die Hitze des Feuers hochzog. Doch noch war er nicht glühend – nur sehr warm – angenehm warm.
Sie legte, ohne darüber nachzudenken, beide Hände an die Seiten des Kessels und ließ die aufsteigende Wärme durch die Handflächen in ihre Hände, ihre Arme steigen. Erst jetzt, als sie dabei vor Wohligkeit ein leichtes Beben durchlief, stellte sie fest, daß ihr kalt war. Eigenartig. Nach diesen endlosen unerträglich heißen Tagen, hatte der plötzliche Regen die Luft so klar gespült, daß es beinahe kalt geworden war.
Als sie das leise Rascheln der Robe hinter sich hörte, wußte sie, daß sie keine Angst haben brauchte. Es war so, als kenne sie genau dieses Rascheln so genau, daß sie wissen konnte, wessen Robe es war. Sie schloß die Augen. Bildete sie es sich ein, wie so oft in den letzten Tagen?
Nein... da war es wieder...
Die Luft im Raum veränderte sich und sie spürte, wie die wohlige Wärme des Kessels sich auf ihrer Haut langsam in gefährliche Hitze verwandelte. Sie ließ den Kessel los und richtete sich wieder ganz auf – ohne sich umzudrehen.
„Hermine..."
Seine Stimme war leise, warm und ein klein wenig heiser.
Der Klang ihres Namens schien in ihrem Magen ein ganzes Volk von Schmetterlingen in Bewegung zu setzen. Ihr wurde schwindelig, aber sie unterdrückte das Bedürfnis, sich irgendwo festzuhalten.
Sie blieb so lange stehen, ohne das etwas geschah, daß sie plötzlich das Gefühl hatte, sie habe es sich wirklich eingebildet und er war gar nicht hier. Doch in eben diesem Moment hörte sie ihn wieder. Noch leiser als beim ersten Mal.
„Hermine..."
Diesmal klang es fast wie eine unsichere Frage, als befürchte er, daß sie nicht wollte, daß er hier war. Das Gegenteil was so sehr der Fall, daß sie nicht wagte, sich zu regen, oder sich gar umzuwenden.
Erst als sie seine Robe erneut rascheln hörte, und befürchtete, er könne gehen, wenn sie sich nicht regte, wandte sie sich unendlich langsam um.
Dort stand er. Ein wenig wackelig offensichtlich, aber er war da.
Hermine hatte vergessen, wie groß er war, wenn er einem gegenüberstand.
Und sie hatte nicht einmal geahnt, wie diese Augen aussehen würden, wenn sie von soviel Wärme erfüllt waren. Er atmete kaum und war so unbewegt, daß man ihn für eine Statue hätte halten können.
Wie lange standen sie nun schon so, ohne sich gerührt zu haben? Hermine konnte es nicht sagen.
Aber sie erkannte, daß er zwar hergekommen war, daß er aber keinen einzigen weiteren Schritt in ihre Richtung fertig bringen würde. Es war absolut offensichtlich, daß er nicht entlassen worden war, sondern das Krankenhaus ohne Zustimmung verlassen hatte. Aber sie konnte und wollte ihm das jetzt nicht vorwerfen...
Und so ging sie zu ihm.
Als sie ihn das letzte Mal gesehen hatte, hatte er gelegen, nun musste sie weit zu ihm aufsehen und er sah mit soviel unsicherer Zärtlichkeit auf sie herab, daß sie erneut erbebte.
„Hermine...", diesmal war es nur ein Hauch, kaum hörbar, eine geflüsterte Liebeserklärung, die nur dieses einen Wortes bedurfte.
Sie hob ihre Hand und berührte mit ihren Fingerspitzen seine Wange, seine Lippen, während ihr, ohne daß sie es bemerkte, vor Freude ein paar stille Tränen übers Gesicht liefen.
Als er ihre Hand von seinem Gesicht nahm und festhielt, sich vorbeugte und ihr die Tränen von den Wangen küsste, zerbrach die Wand zwischen ihnen endgültig.
Mit einem unendlich erleichtertem Aufseufzen schlang Hermine ihre Arme um ihn und zog sich an ihn heran, als wolle sie ihn nie wieder loslassen. Er schwankte ein wenig, hielt sie aber trotzdem.
Für einen Moment hielt er die Umarmung so fest er konnte, aber dann löste er sich ein wenig von ihr, um ihre Gesicht mit den Händen fassen zu können. Er sah ihr so tief in die Augen, daß sie das Gefühl hatte, ihm bis in die Seele sehen zu können. Er suchte nicht lange in ihrem Blick, bis er gefunden zu haben schien, wonach er so intensiv gesucht hatte. Fassungslosigkeit, Glück und Rausch zugleich erfüllten sein gleichzeitig trotzdem so ernstes Gesicht, als er ihr mit seiner noch nicht ganz wiederhergestellten und trotzdem so samtigen Stimme sehr bestimmt sagte: „Keine Briefe mehr..."
Hermine lachte leise und umfasste seine Hände, die noch ihren Kopf hielten.
„Keine Briefe mehr...", stimmte sie ihm zu und als ihre Lippen sich endlich zu einem sehnsüchtigen Kuß fanden, der die Kluft zwischen ihnen schloß, die die Unberührtheit geschaffen hatte, beendeten sie ihn erst, als den beiden Meistern der Zaubertrankmagie der Geruch eines zu heiß gewordenen Kessels in die Nasen stieg.
Leise lachend setzte Snape sich, der Erschöpfung Tribut zollend, auf den Stuhl der neben dem Tisch stand und sah Hermine zu, wie sie das Feuer löschte.
Kurz bevor es ausging, zog er etwas aus der Tasche.
„Warte"
Hermine blickte zu ihm und sah den Umschlag in seiner Hand, den er ihr entgegenstrecke.
„Verbrenn ihn..."
Langsam griff Hermine nach dem verschlossenen Umschlag und betrachtete ihn zögernd.
Severus lachte wieder leise.
„Es steht nichts darin, das ich dir nicht auch selber sagen könnte, Hermine."
Jetzt lächelte sie ebenfalls, nahm den Kessel von der Feuerstelle, ließ das Feuer noch einmal höherschlagen und warf den Brief hinein.
Und während sie sich vor dem Zaubertrankmeister auf den Boden gesetzt und ihren Kopf in seinen Schoß gelegt hatte, um gemeinsam mit ihm zu beobachten, wie der Brief zu Asche wurde, flüsterte sie noch einmal: „Keine Briefe mehr..."
OoOoO
ENDE
OoOoO
Liebe Leser...
Wir haben versprochen, daß wir am Ende dieser Geschichte offen legen, wer wir sind und daher lösen wir das „Rätsel" nun für die, die noch nicht darauf gekommen waren – oder es gar nicht erraten konnten, weil sie vielleicht noch gar nichts anderes von uns gelesen haben:
ARIKAITAS ist rückwärts gelesen nichts anderes als SATIA KIRA – unsere Namen unter denen wir schon seit einer kleinen Ewigkeit Stories posten. „Kira Gmork" ist hier auf mit vielen Stories vertreten, genauso wie ich, „Satia Entreri" es bin. Wer also noch etwas anderes von uns lesen möchte, ist dazu herzlich eingeladen – wir würden uns freuen!
Diese Geschichte ist nun zuende erzählt und es wird in dieser Linie keine Briefe mehr geben. Die beiden liegen sich endlich in den Armen.
Wir danken euch sehr fürs Mitleiden, Mitfiebern, Aufregen, Mitfreuen und Lachen.
Aber wenn es euch so geht, wie es uns gegangen ist, dann denkt ihr euch: Und was machen wir jetzt, wenn es nicht mehr jeden Tag Briefe gibt?
Wir wussten es schon, bevor dies hier zuende geschrieben war. Wir haben ein neues Projekt gestartet.
Wir hatten eine Menge Spaß bei Norwich / Glen Strathfarrar, aber selbst wir haben irgendwann keinen Grund mehr erkennen können, warum die beiden sich nicht endlich aufsuchen.
Und weil wir das für eine zweite „Runde" vermeiden wollten, ist die Ausgangssituation der neuen Geschichte eine vollkommen andere!
Also ACHTUNG:
Wir haben eine zweite Brief-Story gestartet – aber wir müssen euch warnen – und zwar SEHR...
Norwich / Glen Strathfarrar ist süß, romantisch, ein bisschen verzweifelt und kompliziert aber mit einer sehr positiven Grundstimmung (auch wenn da jetzt der eine oder andere protestieren wird –ggg-)
Unsere neue Geschichte ist anders...
Sie ist böse...
Sie ist tiefschwarz...
Und sie ist erschreckend... sogar nach unseren Maßstäben...
Wir würden uns trotzdem (oder gerade deswegen?) freuen, wenn wir euch auch bei unserem zweiten Arikaitas-Projekt begrüßen dürften, das wir in diesem Moment, gleichzeitig mit diesem letzten Kapitel, online stellen:
Arikaitas proudly presents:
„MALFOY ISLAND"...