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Jenseits von Hogwarts
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Disclaimer für diese Geschichte: Die Welt von Harry Potter gehört J. K. Rowling. Alle Rechte verbleiben bei ihren Inhabern.
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„Wenn ihr uns stecht, bluten wir nicht? Wenn ihr uns kitzelt, lachen wir nicht? Wenn ihr uns vergiftet, sterben wir nicht? Und wenn ihr uns beleidigt, sollen wir uns nicht rächen?"
(Shylock; William Shakespeare: Der Kaufmann von Venedig, Dritter Aufzug, Zweite Szene)
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Anmerkungen: „Jenseits von Hogwarts" war meine erste Fanfiction. Ohne die Unterstützung meiner Beta Fanny Jute wäre sie in dieser Form nie zu Stande gekommen. Dankeschön!
Inzwischen (2015) habe ich die Geschichte radikal überarbeitet. Ich denke, das Lesen lohnt auch für die, die sie in ihrer alten Form kannten.
„Jenseits von Hogwarts" ist nicht als siebter Band gedacht. Die Geschichte schließt zwar unmittelbar an Band sechs an, ihr Schwerpunkt liegt aber nicht auf der Jagd nach den Horkruxen und der Vernichtung Voldemorts, sondern auf dem Schicksal und den inneren Konflikten der handelnden Personen, insbesondere Severus, Lucius und Draco, aber auch Harry.
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Kapitel 1
Die Probe
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Vollkommene Schwärze. Schwärze und Kälte. Moder. Feuchtigkeit.
Als Draco Malfoy die Augen aufschlug, war er völlig orientierungslos. Es machte keinen Unterschied, ob er die Augen öffnete oder schloss – ihn umgab absolute Finsternis.
Wo war er?
Seine Hände glitten hastig über rauen Stein – und da erinnerte er sich wieder. Er war beim Dunklen Lord. In dessen Schloss. In dessen Kerker.
Draco stöhnte leise. Er wusste nicht, wie lange er schon hier war. Seit er mit Severus und den anderen Todessern von Hogwarts geflohen war, hatte er den Dunklen Lord überhaupt noch nicht zu Gesicht bekommen. Sie waren in der Nähe des Schlosses appariert und dann sofort zu ihrem Herrn geeilt, doch nur Severus und Greyback hatten mit ihm sprechen dürfen. Die anderen Todesser hatten derweil im düsteren Korridor vor der geschlossenen Tür gewartet, alle, trotz ihrer teils erheblichen Verletzungen, in Hochstimmung nach der Tötung Dumbledores. Alle – außer Draco, der sich zitternd an der Wand hatte zu Boden gleiten lassen, blicklos ins Nichts starrend.
Er hatte versagt. Er würde bestraft werden.
Seine schlimmsten Befürchtungen hatten sich bestätigt, als Severus nach einiger Zeit, die Draco wie eine Ewigkeit vorgekommen war, aus der Tür zu Voldemorts Thronsaal getreten war, die Carrows beiseite genommen und hastig mit ihnen geflüstert hatte. Sekunden später waren die Geschwister zu Draco geeilt, hatten ihn gepackt und ohne ein Wort der Erklärung in die Kerker geschleppt.
Hier saß er nun seit wer weiß wie vielen Tagen, in einer feuchten, kalten und vollkommen finsteren Zelle, ohne in all der Zeit jemanden gesehen oder gesprochen zu haben. In regelmäßigen Abständen wurden ein Krug Wasser und ein Teller mit wenig appetitlichem Essen durch eine Klappe in der Tür geschoben, und ab und an leerte sich der stinkende „Toiletten"-Kübel auf magische Weise. Das war alles.
Draco stöhnte erneut und rollte sich auf die andere Seite. Das schimmelige Stroh unter seinem Körper raschelte dumpf.
Nur nicht wach sein. Schlafen ... Vergessen ...
Ein hässliches Kreischen zerriss die Stille. Ein Lichtstrahl huschte über den schmutzigen Boden, erreichte Dracos Körper, sein Gesicht.
Überrascht und erschrocken rollte er sich herum, so dass er die Tür in den Blick bekam. Seine Augen hatten sich so sehr an die Dunkelheit gewöhnt, dass er nichts als zwei verschwommene schwarze Flecken vor hellem Hintergrund erkennen konnte.
Einer der Flecken setzte sich in Bewegung, näherte sich zögernd seinem Lager.
„Draco ...?"
Er zuckte zusammen und richtete sich hastig auf. Die Stimme klang überanstrengt, dennoch so vertraut ...
Aber – das ist unmöglich!
„Vater ...?"
Mach, dass es wahr ist ... Bitte ...
Die Tür schloss sich hinter der dunklen Gestalt.
Finsternis. Dracos Augen versuchten vergeblich, sie zu durchdringen.
„Vater, bist du das?"
Er hörte ein leises, schleifendes Geräusch, das langsam näher kam. Jemand tastete sich unsicher an der Wand entlang auf ihn zu. Ein leichter Stoß traf seine Knie.
„Draco."
Eine Hand fuhr flüchtig über seinen Körper, schloss sich um seinen Arm – eine vertraute Hand.
„Vater!"
In diesem Moment war es Draco völlig egal, wie sein Vater aus Askaban entkommen, warum er plötzlich mit ihm in den Kerkern des Dunklen Lords gefangen war. Er war einfach nur unendlich froh, ihn wiederzuhaben.
Stumm vor Glück und Überraschung spürte Draco, wie der eisige Klumpen in seinem Magen zu schmelzen begann, der ihm in den letzten Tagen die Luft zum Atmen genommen hatte. Er fing an zu schluchzen, leise erst, dann immer heftiger und unkontrollierter.
Vater ... Er ist ... Ich habe ihn wieder ... Hoffentlich regt er sich jetzt nicht über die Heulerei auf ...
Aber es kam kein Tadel. Sein Vater schwieg. Dann zog er Draco an sich und schloss ihn in die Arme.
Draco weinte noch heftiger und klammerte sich an ihn wie ein kleines Kind. Es war ihm dabei fast egal, wie würdelos sein Verhalten war und wie wenig es den Ansprüchen des Hauses Malfoy entsprach.
Die langen Haare seines Vaters kitzelten ihn am Hals. Eine große Hand streichelte seinen Rücken. Sein Vater drückte ihn an sich und hielt ihn minutenlang fest, bis Draco sich endlich etwas beruhigt hatte.
Schließlich zerteilte die Stimme seines Vaters die Stille. „So haben wir also beide versagt, du und ich", sagte er heiser, „und der Dunkle Lord wird uns strafen, wie er es für angemessen hält."
Das war es nicht, was Draco hatte hören wollen. Die Kälte kroch erneut in sein Herz. Er löste sich aus der Umarmung und wich ein Stück zurück.
„Ich ... Es tut mir leid. Aber ... Ich konnte es einfach nicht. Ich stand vor Dumbledore und er ... er war so absolut überzeugt davon, dass ich ihn nicht töten würde. Und plötzlich wusste ich, dass er Recht hatte. Ich konnte es nicht." Die Erinnerung würgte ihn in der Kehle und ließ seine Stimme gepresst und unsicher klingen.
„Es war die letzte Chance, das Ansehen unserer Familie beim Dunklen Lord wiederherzustellen."
„Vater, es tut mir so leid, aber" –
„Ich mache dir keinen Vorwurf, Draco. Diesmal nicht. Ich hatte in Askaban ausgiebig Zeit zum Nachdenken, und mir ist klar geworden, dass ich einige Fehler begangen habe, was dich betrifft."
Diesmal war Draco sprachlos vor Erstaunen. Sein Vater hatte ihm gegenüber noch nie einen Fehler zugegeben. Askaban musste ihn in der Tat sehr angegriffen haben.
Draco schämte sich fast für die plötzliche Schwäche des Mannes, der ihm immer als unverrückbarer Fels in der Brandung erschienen war.
Er tastete nach der Hand seines Vaters. Als er dabei dessen Handgelenk streifte, erklang ein nur mühsam unterdrückter Aufschrei. Draco zuckte erschrocken zurück.
„Vater, was ist? Bist du verletzt?"
„Ich ... habe einen Teil meiner Strafe bereits erhalten. Es ist bereits einige Tage her, dass der Dunkle Lord mich und meine in Askaban inhaftierten ... Kameraden befreien ließ. Er hatte also Zeit, sich mir zu widmen. Um präzise zu sein: Severus hat den größten Teil der Arbeit erledigt."
Das erklärte, warum seine Stimme so überanstrengt klang.
Er muss sich vor Schmerzen heiser gebrüllt haben.
Severus.
Dracos Hauslehrer und Patenonkel, der ihn jahrelang protegiert hatte, nur um ihn im vergangenen Schuljahr ständig in der Ausführung seiner Aufgabe zu behindern. Allerdings hatte Severus ihm auch das Leben gerettet, nachdem Potter ihn fast umgebracht hätte. Draco hatte vor dieser neuen Information nicht mehr gewusst, wie er zu Severus stand, aber jetzt ...
Severus hat meinen Vater gefoltert.
Nichts war mehr sicher in dieser Welt.
Furcht stieg in Draco auf wie ein böser Geist, der sich seines Körpers und seiner Seele bemächtigte.
Doch es war nicht sein Vater, um den er Angst hatte – er hatte Angst um sich selbst. Sein Vater hatte darin versagt, die Prophezeiung über Harry Potter und den Dunklen Lord an sich zu bringen und sie ihrem Herrn zu übergeben. Eine wichtige Aufgabe, zweifellos, aber nicht annähernd so wichtig wie die Tötung Dumbledores, bei der er selbst versagt hatte. Wie würde der Dunkle Lord ihn bestrafen?
„Was ... was wird er mit uns machen?", flüsterte Draco. Er konnte die Angst in seiner eigenen Stimme hören.
Sein Vater zögerte. Er tastete nach Draco und fand seine Schulter, sein Gesicht, sein Haar. Er strich Draco über den Kopf. Im ersten Moment schämte Draco sich tatsächlich für sein fettiges und verdrecktes Haar, in dem sogar Strohhalme steckten, ehe ihm bewusst wurde, wie lächerlich dieses Gefühl war und er sich sehnsüchtig in die tröstende Berührung lehnte.
„Ich weiß es nicht", sagte sein Vater endlich. „Möglich, dass er sich damit zufrieden geben wird, mich zu quälen und dich zum Zusehen zu zwingen. Vielleicht wird er dich auch zwingen, mich zu foltern – oder umgekehrt. Vielleicht wird er auch einen von uns töten – oder uns beide. Aber was immer auch geschieht, was immer er von dir verlangt: Wenn sich für dich eine Möglichkeit bietet, zu überleben, will ich, dass du sie ergreifst. Hast du mich verstanden?"
„Aber – Vater ..."
Draco war entsetzt. Das konnte er nicht von ihm verlangen!
Ich könnte niemals ...
„Ob du mich verstanden hast, will ich wissen."
„Ja, Vater, aber" –
„In diesem Fall dulde ich keinerlei Widerspruch. Denk' an deine Mutter. Willst du, dass sie uns beide verliert? Nein? Dann tu', was immer der Dunkle Lord dir befehlen wird."
Draco sagte nichts mehr. Sein Vater hatte Recht.
Aber ... Wenn ... Wie soll ich ...? Ich kann doch nicht ...
Endgültig von seiner Angst überwältigt, fing er wieder an zu weinen.
‚Mädchen!', sagte eine verächtliche Stimme in seinem Kopf.
Was um alles in der Welt würde sein Vater von ihm denken? Er legte viel Wert auf Selbstbeherrschung und Härte.
Doch sein Vater nahm ihn erneut in die Arme und schwieg.
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Lucius Malfoy wurde von einem hässlichen Kreischen geweckt. Es klang, als ob Fingernägel über eine Schiefertafel gezogen würden. Es war nicht laut, aber seine angespannten Sinne reagierten auf jedes ungewohnte Geräusch.
Ein Lichtstrahl zerschnitt die Schwärze, wurde breiter und blendete ihn. Angestrengt blinzelnd versuchte er, seine Augen an die plötzliche Helligkeit zu gewöhnen.
Sie sind da ... Es geht los.
Fahrig schüttelte er den in seinem Schoß schlafenden Draco, der nur langsam zu sich kam. Im Lichtschein, der durch die geöffnete Tür auf das Gesicht seines Sohnes fiel, sah Lucius, dass Draco ihn benommen anlächelte. Dann, als den Jungen die Erkenntnis überfiel, wo sie sich befanden und was ihnen bevorstand, erstarrte das Lächeln auf seinem Gesicht zu einer Grimasse der Angst.
In der Tür erschien eine schwarze Gestalt. Im Gegenlicht konnte Lucius nicht erkennen, um wen es sich handelte.
Er kannte fast alle Todesser, nur die nicht, die während seiner Gefangenschaft in Askaban dem Dunklen Orden beigetreten waren. Er hatte viele Jahre lang das Vertrauen des Dunklen Lords in außergewöhnlichem Maße genossen, sowohl vor dessen Sturz im Herbst 1981 als auch nach dessen Wiederkehr im Sommer 1995.
Nun, das ist vorbei ...
Nicht nur sein Versagen in der Mysteriumsabteilung diskreditierte ihn für alle Zeiten. Der Dunkle Lord war auch hinter seinen leichtfertigen und eigenmächtigen Umgang mit dem Riddle-Tagebuch gekommen. Er hatte Lucius seinen Zorn darüber in den vergangenen Tagen ausgiebig fühlen lassen. Lucius hatte seine Chancen im Dunklen Orden verspielt, Einfluss und Macht für immer verloren.
„Der Dunkle Lord will euch sehen." Eine tiefe, melodische Stimme, in der unterschwelliges Bedauern mitschwang.
Avery.
Jim Avery senior war ein langjähriger Freund von Lucius' Vater und früher vor allem als Heiler für den Orden tätig gewesen. Auch er stand derzeit nicht in der Gunst des Dunklen Lords.
Lucius erhob sich mühsam. Noch immer schmerzte jede Faser seines Körpers.
Und jetzt geht es schon wieder los ...
Er flüsterte seinem Sohn, der sich inzwischen ebenfalls vom Boden aufgerappelt hatte, hastig zu: „Reiß dich zusammen. Versuch', keine Schwäche zu zeigen! Der Dunkle Lord will dich am Boden kriechen sehen, aber gleichzeitig verachtet er nichts so sehr wie Schwäche."
Avery nahm sie an der Tür in Empfang. Er lächelte Lucius unsicher zu. „Tut mir leid", sagte er leise.
Lucius zuckte resigniert die Schultern.
Eine zweite schwarz gekleidete Gestalt wartete im Korridor auf sie. Lucius erkannte voll Abscheu den Werwolf Fenrir Greyback. Greyback grüßte ihn mit einem knappen Nicken. Lucius erwiderte den Gruß ebenso knapp. Die Abneigung war gegenseitig.
Er ist ein Monster. Ein echtes Monster.
Und Lucius konnte nichts tun, um ihn von Draco fernzuhalten.
Zügig durcheilten sie die düsteren Gänge, Avery vorne weg, die Malfoys in der Mitte und Greyback als Nachhut.
Lucius hatte Mühe, das Tempo zu halten. Sein Körper hatte in den letzten Tagen einiges mitmachen müssen. Der Dunkle Lord war nicht gerade sanft mit ihm umgegangen, ebensowenig wie Severus, den ihr Herr mit der Ausführung seiner Rache beauftragt hatte. Jeder Atemzug und jeder Schritt jagten eine neue Welle der Pein durch Lucius' Glieder.
Doch er bemühte sich, seine schlechte Verfassung so gut es ging zu verbergen. Ihm war der schockierte Blick nicht entgangen, mit dem Draco seine verschmutzten und zerrissenen Roben – er trug immer noch die graue Gefängniskleidung Askabans – und, vor allem, sein bleiches, stoppelbärtiges und ausgezehrtes Gesicht gemustert hatte.
Nach einigen Minuten erreichten sie eine steinerne Treppe und daran anschließend einen breiten, von grünlich brennenden Fackeln erleuchteten Korridor, der gerade auf eine große und schwere, eisenbeschlagene Holztür zuführte. Zwei Lucius unbekannte Todesser standen zu beiden Seiten Wache.
Als die vier auf sie zueilten, öffneten die Wächter die Türflügel, und einer von ihnen rief laut: „Die Gefangenen Lucius und Draco Malfoy und ihre Bewacher Avery und Greyback, mein Lord!"
Sie betraten den Saal hinter Avery. Wie in einer Kathedrale schimmerte das Mondlicht durch hohe, bunt verglaste Bogenfenster. Die Decke des weiten Raumes, gestützt von schlanken, mit Ornamenten verzierten Säulen, war im Dämmerlicht nur zu erahnen.
Direkt gegenüber der Tür saß der Dunkle Lord auf seinem hochlehnigen Thronsessel. Seine roten Augen glommen in dem nur schwach von Kerzen und Fackeln erleuchteten Raum. An seiner Seite stand Severus Snape. Ein halbes Dutzend Todesser lauerte im Hintergrund auf seinen Einsatz.
Lucius glaubte, unter den Kapuzen und Masken auf der einen Seite Crabbe, Goyle und Nott zu erkennen – die Väter, nicht die Söhne. Dass sie ihre Gesichter verbargen, deutete er als Zeichen ihres schlechten Gewissens. Er und Remigius Nott waren seit ihrer Schulzeit befreundet. Gleiches galt für ihre Söhne. Crabbe und Goyle senior hatten ihn damals ebenso begleitet und beschützt, wie es ihre Söhne bei Draco getan hatten.
Lucius' Magen krampfte sich zusammen, als er zwei der anderen Todesser als Bellatrix und Rodolphus Lestrange identifizierte. Bella, da war er sicher, würde ihn und sogar ihren Neffen Draco mit Begeisterung foltern, wenn für sie die leiseste Aussicht bestand, dadurch die Gunst ihres Herrn zurückzuerringen. Sowohl sie als auch ihr Mann waren unmaskiert.
Die sechste und siebte Person konnte Lucius nicht sicher einordnen.
Mulciber vielleicht? Und Rookwood? Rabastan ist diesmal jedenfalls nicht dabei.
Auch diese beiden trugen Masken und Kapuzen.
„Nun ...", ertönte die kalte und hohe Stimme des Dunklen Lords. Lucius erschauerte unwillkürlich. Seine Nackenhaare stellten sich auf. „Willkommen zu Hause. Wie ihr seht, habe ich ein Empfangskomitee für euch zusammengestellt. Alle hier erwarten gespannt euren Auftritt. Ich denke, wir sollten sie nicht länger auf die ... Folter spannen und den Tanz eröffnen. – Severus!"
Der Angesprochene trat einen Schritte vor und richtete seinen Zauberstab auf Lucius. Für eine Sekunde trafen sich ihre Blicke. Severus' Gesicht war zu einer undurchdringlichen Maske erstarrt. „Crucio!", sagte er kalt.
Eine unsichtbare Faust traf Lucius in die Brust, schmetterte ihn zu Boden. Der Schmerz breitete sich wie ein rasendes Feuer in ihm aus. Jede andere Wahrnehmung wurde von den wütenden Flammen hinweggefegt, die an allen Fasern seines Körpers rissen.
Er schrie, aber der Schmerz hatte so vollkommen von ihm Besitz ergriffen, dass er sein eigenes Schreien nicht einmal wahrnahm.
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Draco war vor Entsetzen erstarrt.
Er sah auf seinen Vater, dessen Körper wie von Krämpfen geschüttelt wurde und der unaufhörlich schrie, auf Severus, der mit ausdrucksloser Miene den Zauberstab auf sein Opfer gerichtet hielt.
Alles, was sein Vater ihm über Selbstbeherrschung gesagt, alles, was seine Tante Bella ihn über Okklumentik im Angesicht des Dunklen Lords gelehrt hatte, wurde aus seinem Bewusstsein gewischt.
Oh bitte, lass das enden, mach, dass es aufhört!, dachte er verzweifelt und war gleichzeitig davon überzeugt, dass das, was sich vor seinen Augen abspielte, nicht wahr sein konnte. Es war ein böser Traum, nichts weiter, und gleich würde er die Augen öffnen und –
„Genug!"
Die emotionslose Stimme des Dunklen Lords befreite Draco aus seiner Erstarrung.
Severus ließ den Zauberstab sinken. Dracos Vater sackte zusammen wie eine Marionette, deren Fäden man zerschnitten hatte.
„Vater ..."
Er hatte schreien wollen, doch aus seinem Mund kam nur ein fast unhörbares Flüstern.
Zögernd machte er zwei Schritte auf die reglos am Boden liegende Gestalt zu.
Dann blickte er sich voll Angst nach dem Dunklen Lord und Severus um. Doch keiner von beiden machte Anstalten, ihn zu hindern. Sie sahen ihn nur an, mit gleichermaßen ausdruckslosen Gesichtern.
Draco wandte sich wieder seinem Vater zu.
„Vater!"
Stöhnend öffnete dieser die Lider. Er musste blinzeln, der Schmerz hatte ihm Tränen in die Augen getrieben. Doch als Draco sich zu ihm hinabbeugte und ihn berühren wollte, schüttelte er kaum merklich den Kopf. Draco zog seine Hand so hastig zurück, als ob er sich verbrannt hätte.
Keine Schwäche zeigen!, schoss es ihm durch den Kopf.
Langsam drehte er sich wieder zum Dunklen Lord um.
Ein zynisches Lächeln umspielte die Lippen ihres Herrn.
„Eine kleine Übung zu Demonstrationszwecken", sagte der Dunkle Lord. Er klang beinah heiter. „Hast du den Cruciatus-Fluch schon einmal angewandt? An einem Menschen, meine ich?"
Draco schüttelte stumm den Kopf. Die Angst würgte ihn so heftig, dass er nicht sprechen konnte.
Er wusste, was kommen würde.
„Nun", fuhr der Dunkle Lord noch immer lächelnd fort, „ich bin mir sicher, dass dein Vater dir gerne dabei helfen wird, deine magischen Fähigkeiten zu vervollkommnen. – Steh auf, Lucius!"
Dracos Vater erhob sich mühsam. Er brauchte drei Anläufe, um auf die Füße zu kommen.
Der Anblick zerriss Draco das Herz.
„Draco!" Der Dunkle Lord sah ihn scharf an.
Draco fühlte seine Eingeweide zu Eis erstarren.
„Du bist an der Reihe. Wie in der Schule, nicht wahr, Severus? Der Lehrer macht es vor, und die Schüler machen es nach." Ein bösartiges Vergnügen schwang in der kalten Stimme.
Draco schluckte und sah seinen Vater an. Dieser erwiderte seinen Blick und nickte leicht.
Plötzlich fühlte Draco eine Hand auf seiner Schulter. Severus stand neben ihm und drückte ihm seinen Zauberstab in die Hand, der Draco vor Tagen von Amycus Carrow abgenommen worden war.
„Tu', was der Dunkle Lord dir befohlen hat", sagte Severus kalt. Und dann, mit einem Blick zu Lucius und so leise und rasch, dass Draco sich nicht sicher war, ob er tatsächlich gesprochen hatte: „In euer beidem Interesse."
Er fühlte, wie Severus' Hand kurz seine Schulter drückte. War sein Hauslehrer auf ihrer Seite?
Doch Draco hatte keine Zeit, nachzudenken.
„Worauf wartest du?", ertönte die gefährlich sanfte Stimme des Dunklen Lords in seinem Rücken.
Draco straffte die Schultern und hob seinen Zauberstab. Er sah seinen Vater nicht an, fixierte ersatzweise einen Punkt an der Wand knapp über dessen' Kopf.
„Crucio!"
Wie von einer unsichtbaren Peitsche ins Gesicht getroffen, zuckte sein Vater zurück. Doch mehr geschah nicht.
Ich bin nicht entschlossen genug. Ich will ihm nicht wirklich wehtun, dachte Draco verstört. Ich kann das nicht tun.
Doch schon war Severus wieder neben ihm. „Mit Überzeugung, Malfoy! Na los. Du warst doch sonst immer mein bester Schüler." Severus' Stimme triefte vor Hohn. Aber zwischen den Zähnen zischte er Draco zu: „Er wird ihn töten, wenn du es nicht tust!"
Ihn töten? Vater töten?
Und plötzlich wusste Draco, was er zu tun hatte.
„CRUCIO!", schrie er, und seine Stimme war voll Hass.
Es war Hass auf den Dunklen Lord. Ihn wollte er foltern, ihn wollte er töten!
Doch er hatte den Zauberstab auf seinen Vater gerichtet.
Diesmal gelang es. Der Hass und der Wunsch, einen anderen leiden zu machen, waren so stark in Draco, dass sein Vater von der Wucht des Fluches mehrere Meter zurückgeschleudert wurde und gegen die Wand prallte. Wieder schrie er und wieder wand er sich am Boden, doch diesmal war es sein eigener Sohn, nicht Severus, der ihn folterte.
„Genug! Hör' auf!"
Nur undeutlich nahm Draco wahr, wie seine Hand zur Seite geschlagen, der Zauberstab aus seinen Fingern gerissen und der Fluch unterbrochen wurde.
Severus eilte an ihm vorbei zu der zusammengesunkenen Gestalt an der Wand und sank neben ihr auf die Knie.
„Er ist bewusstlos, mein Lord. Aber er lebt."
Entsetzt starrte Draco ihn an.
Aber ... Habe ich ...?
„Du hättest ihn fast getötet!" Diesmal klang Severus' Stimme erregt. Jede Ironie war aus ihr verschwunden.
„Nun, Severus ... Was erwartest du beim ersten Versuch? Du bist zu streng mit deinem Schüler. Man muss auch Fehler machen dürfen."
Halb betäubt drehte Draco sich zu ihrem Herrn um. Dieser hatte sich auf seinem Thronsessel vorgebeugt und blickte ihm gerade in die Augen. Auf seinem Gesicht lag ein lauernder Ausdruck.
„Der Junge hat Talent. Und um Lucius wäre es nicht allzu schade. Er hat einmal zu oft versagt."
„Dennoch, mein Lord, wäre es Verschwendung, ihn so sinnlos ... krepieren zu lassen." Der spöttische Tonfall war in Severus' Stimme zurückgekehrt. „Er könnte für uns auf eine weit nützlichere Weise sterben."
Etwas in Draco bäumte sich bei diesen Worten auf. Dennoch war ihm bewusst, dass Severus gerade um das Leben seines Vaters verhandelte, aus welchen Gründen auch immer er das tat.
„Ich hoffe, Severus, dass allein deine Sorge um eine möglichst nutzbringende Verwendung von Lucius deine Erregung eben verursacht hat?", zischte der Dunkle Lord. Beim Ton seiner Stimme überlief es Draco eiskalt. „Sieh mir in die Augen!"
Severus erwiderte den durchbohrenden Blick ihres Gebieters. Draco fand es erstaunlich, dass irgendjemand dem Dunklen Lord so gelassen begegnen konnte.
Schließlich nickte ihr Herr und entließ Severus aus dem Bann seines Blickes. Stattdessen fixierte er nun Draco.
„Ich denke, es reicht für heute. Aber wir werden uns bald wiedersehen."
Seine funkelnden Augen bannten Draco, bohrten sich in seine Seele hinein. Der geistige Kontakt war gleichzeitig entsetzlich und erregend.
Fasziniert starrte Draco das bleiche Gesicht seines Herrn an, die ebenmäßigen Züge, die geschlitzten roten Augen, den fein geschwungenen, lippenlosen Mund. Er fand es plötzlich schön, dieses marmorkalte Antlitz, schrecklich und verführerisch. Eine Aura der Macht, der Unangreifbarkeit umgab den Dunklen Lord wie eine knisternde Wolke.
Er ist groß. Wahrhaft groß.
Und plötzlich verbeugte Draco sich tief, sank auf die Knie und kroch zum Thron seines Herrn, küsste den Saum seiner Robe.
„Ah ... Sehr schön." Draco hörte die Befriedigung in der metallisch kalten Stimme. „Wie ich schon sagte, du hast Talent. Und jetzt geh'. – Severus, sorg' dafür, dass die beiden in ihre Zelle zurückgebracht werden."
Severus winkte Avery, der seinen Zauberstab auf Dracos immer noch bewusstlosen Vater richtete, ihn wortlos in die Höhe steigen ließ und zur Tür dirigierte. Gemeinsam verließen sie den Thronsaal.
Benommen folgte Draco Severus, Avery und seinem schwebenden Vater durch die Gänge des Schlosses. Sein Geist war im dunklen Nebel von Angst und Schock versunken. Er fühlte sich seltsam fremd in seinem Körper. Tatsächlich kam er sich momentan eher wie ein unbeteiligter Beobachter vor.
Schließlich standen sie vor ihrem Verlies. Severus bewegte seinen Zauberstab. Die Tür schwang auf. Ebenso wortlos setzte er zwei Fackeln in Brand. Dann ließ Avery Dracos Vater durch den Eingang schweben und vorsichtig zu Boden sinken.
Von Severus vorwärtsgeschoben, betrat Draco den Kerker. Die Tür schloss sich hinter ihnen.
Severus ließ Draco los und beugte sich über dessen Vater.
„Enervate."
Dracos Vater schlug übergangslos die Augen auf. Zitternd versuchte er, in eine sitzende Position zu gelangen. Doch seine Arme schienen zu schwach, den Körper zu stützen, und so sank er wieder auf den Boden zurück.
Draco hatte einen dicken Kloß in der Kehle.
Severus packte Dracos Vater unter den Achseln, zog ihn zur Wand hinüber und lehnte ihn dagegen.
Sein Vater hatte die Augen wieder geschlossen und schien in die Bewusstlosigkeit abzudriften.
„Du bleibst hier!", sagte Severus, und schlug ihm mit der flachen Hand ins Gesicht.
Draco zuckte zusammen.
Severus schlug noch einmal zu. Diesmal hatte Draco den Eindruck, dass er es dabei bewusst vermied, die blutigen Schürfwunden zu treffen, die sich sein Vater unter dem Cruciatus auf dem Steinfußboden zugezogen hatte. Der Schlag schien auch nicht sehr hart zu sein.
Sein Vater öffnete die Augen. Er sah Severus verwirrt an.
„Ist er ... Habe ich ihn schwer verletzt?", fragte Draco beklommen.
„Dein Fluch hat ihn sehr erschöpft. Wie du weißt, kann der Cruciatus, wenn er ausreichend stark ist und lange genug aufrechterhalten wird, einen Menschen töten oder ihm den Verstand rauben."
Draco war entsetzt. „Er ist ... Er ist doch nicht ... verrückt, oder?"
Das könnte ich mir nie verzeihen! Nie!
Severus schüttelte den Kopf.
Draco atmete erleichtert auf.
„Nein, keine Sorge. Er ist nicht verrückt. Aber sein Geist und seine Seele sind genauso in Mitleidenschaft gezogen worden wie sein Körper. Doch er wird sich wieder erholen – falls der Dunkle Lord ihm Gelegenheit dazu lässt."
Severus zog eine Phiole hervor und entkorkte sie. „Trink", sagte er leise zu Dracos Vater. Als dieser nicht reagierte, hob Severus das Gefäß an dessen Lippen, zwang ihm mit sanfter Gewalt den Kopf in den Nacken und sorgte dafür, dass er das Gebräu hinunterwürgte.
„Was ist das?", erkundigte Draco sich nervös.
„Ein Stärkungstrank. Er ist allgemein in Gebrauch für Menschen, die nach einem Unfall oder ähnlichem unter Schock stehen."
Der Zaubertränke-Lehrer blitzte mit einem Mal durch den Todesser durch. Für einen Augenblick fühlte Draco sich zurück nach Hogwarts versetzt.
„Der Hauptbestandteil ist Mandragora. Ich habe ihn mit Digitalis purpurea und Türkispulver verstärkt. Wir benutzen den Trank hier häufig, um ... Besucher wieder auf die Beine zu bringen, die durch die Folter stark geschwächt wurden."
Der Hogwarts-Lehrer verschwand und vor Draco stand wieder der Todesser Severus, die Rechte Hand des Dunklen Lords.
Ein würgendes Geräusch unterbrach ihr Gespräch und ließ sie beide zu Dracos Vater hinunterblicken.
Severus ging neben seinem Opfer in die Hocke und sah ihm prüfend ins Gesicht.
„Weißt du, wer ich bin, Lucius?"
Dracos Vater nickte mühsam. „Severus Snape, Meister der Zaubertränke, Rechte Hand des Dunklen Lords" –
„Das genügt mir, danke." Ein dünnes Lächeln war auf Severus' Lippen erschienen.
„Könnte ich ... könnte ich vielleicht etwas zu trinken bekommen, bitte?"
Der demütig flehende Ton in der Stimme seines Vaters versetzte Draco einen Stich.
Jim Avery trat zu ihnen und hielt Dracos Vater einen Becher an die Lippen. Er trank in gierigen Zügen.
„Danke", sagte er schließlich matt.
Avery füllte den Becher abermals und reichte ihn Draco. „Nur Wasser, kein Veritaserum und auch kein Gift", sagte er mit einem leichten Lächeln, als er Dracos zweifelnden Blick bemerkte.
Die Wärme, die er in der Stimme des Todessers zu hören glaubte, den er seit seiner Kindheit als Onkel Jim, ihren Hausheiler und besten Freund seines Großvaters kannte, löste etwas in Draco. Er begann, leise zu weinen, und ließ sich neben seinem Vater zu Boden sinken.
So eine verdammte Scheiße! Das hier ist alles so ... so ein Wahnsinn!
Avery drückte ihm wortlos den Becher in die Hand. Erst als das Wasser seine vor Trockenheit klebrige Zunge berührte, merkte Draco, wie durstig er war. Er leerte den Becher und gab ihn seinem Nennonkel zurück, der ihn erneut für seinen Vater und dann noch einmal für Draco füllte.
„Danke."
Noch immer liefen ihm stumme Tränen übers Gesicht. Angst und Erschöpfung, Scham und Reue ließen ihn endlich in lautes Schluchzen ausbrechen.
„Vater, es tut mir so leid! Ich hätte das nicht tun dürfen!"
Sein Vater hob müde die Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. Dann sagte er leise, mit zitternder Stimme: „Du hast genau das Richtige getan. Wenn es auch nur irgendeine Chance gab, dass wir beide diesen Ort lebend verlassen könnten, dann hast du sie uns eben geschaffen."
Draco sah ihn perplex an.
Severus nickte bestätigend. „Lucius hat recht. Der Dunkle Lord war wütend auf ihn, weil er bei einer wichtigen Aufgabe versagt hat. Unser Herr hatte fest damit gerechnet, dass Lucius ihm zu der Prophezeiung verhelfen würde. Stattdessen hat dein Vater es geschafft, sich mit einem ganzen Trupp von Todessern nach Askaban verfrachten zu lassen, von wo wir sie erst vor wenigen Tagen befreien konnten, und nur dank der Verwirrung, die Dumbledores Tod ausgelöst hat. – Und dank der tatkräftigen Unterstützung durch die Dementoren, natürlich." Severus lächelte dünn.
„Für den Dunklen Lord war das verpatzte Unternehmen im Ministerium eine persönliche Kränkung der schlimmsten Art. Dazu kommt noch, dass er kürzlich entdeckt hat, dass dein Vater ihn vor einigen Jahren aus eigennützigen Gründen hintergangen und dabei unwissentlich ein magisches Objekt zerstört hat, das für unseren Herrn von höchster Bedeutung war. Entsprechend zornig ist er auf deinen Vater.
Dir, Draco, hatte er allerdings eine Aufgabe anvertraut, bei der er von vorneherein wusste, dass sie mit größter Wahrscheinlichkeit deine Kräfte übersteigen würde. Sie war auch weniger ein Test für dich, sondern vielmehr eine Prüfung meiner Loyalität gegenüber dem Dunklen Lord. Als ich Dumbledore getötet habe, war für unseren Herrn endgültig klar, dass ich auf seiner, auf der Dunklen Seite stehe. Er hat nie damit gerechnet, Draco, dass du Dumbledore töten würdest. Hättest du allerdings meine Hilfe angenommen ..."
Draco schluckte unbehaglich.
„Nun, sei's drum. Du bist dennoch näher an die Erfüllung deiner Aufgabe herangekommen, als er erwartet hatte. Dementsprechend ist unser Herr auch nicht wütend auf dich – höchstens insofern, als du der Sohn von Lucius bist, der ihn extrem verärgert hat. Aber mit deinem Verhalten eben hast du den Zorn des Dunklen Lords besänftigt. Ich glaube nicht, dass du momentan noch etwas von ihm zu befürchten hast. Das Ganze war auch weniger als Strafe für dich gedacht, es war mehr eine Probe deines Gehorsams. Gut möglich, dass deine Ergebenheit den Dunklen Lord auch ein bisschen mit Lucius' Versagen ausgesöhnt hat. Denn der, den er wirklich bestrafen wollte, ist dein Vater."
„Ich hoffe", ließ sich Dracos Vater mit heiserer Stimme vernehmen, „dass sich sein Zorn allmählich abgekühlt hat."
Draco war verwirrt.
Ein ganzes Jahr lang hatte er sich damit abgequält, eine Möglichkeit zu finden, Dumbledore zu ermorden. Der Dunkle Lord hatte ihm wiederholt gedroht, sowohl ihn selbst als auch seine Eltern zu töten, wenn er bei dieser Aufgabe versagte. Zwei seiner Mitschüler waren bei seinen stümperhaften, auf den Direktor gezielten Mordversuchen nur knapp mit dem Leben davongekommen. Draco selbst war am Ende des Jahres völlig fertig mit den Nerven und mehrmals versucht gewesen, vom Astronomieturm zu springen oder sich im See zu ertränken. Und jetzt sagte Severus, ihr Herr hätte nie ernsthaft erwartet, dass Draco Dumbledore töten würde.
War das die Vorstellung des Dunklen Lords von einem gelungenen Spaß? Ihn ein Jahr lang in ständiger Todesangst zu halten und dann kommentarlos zum nächsten Thema überzugehen?
Es klopfte. Auf ein lautes „Herein!" von Severus betrat Antonin Dolohow die Zelle. Vor ihm schwebte ein Tablett mit einem Krug, Bechern und einem Laib Brot. Mit einem knappen „Descendo!" ließ er es zwischen Draco und dessen Vater auf den Boden knallen.
Dolohow sah Severus erwartungsvoll an. Dann ließ er seine Augen über Dracos erschöpft an der Wand lehnenden Vater gleiten. Etwas Hungriges lag in diesem Blick, das erneut Furcht in Draco aufsteigen ließ.
„Du kannst gehen", sagte Severus kühl.
Deutlich erkannte Draco die Enttäuschung in Dolohows Zügen. Der Todesser drehte sich um und schloss wortlos die Tür hinter sich.
Severus nickte zufrieden. „Das hier" – er klopfte auf das hölzerne Tablett – „ist eindeutig ein gutes Zeichen. – Aber ich muss jetzt gehen. Esst, schlaft, und vielleicht sieht morgen schon alles besser aus für euch."
Er schenkte Draco ein schmales Lächeln und nickte dessen Vater kurz zu. „Gute Nacht."
Bevor sie etwas erwidern konnten, hatte sich die Kerkertür hinter ihm und Avery geschlossen.
SSSSSSS
