Disclaimer: Die Rechte an allen bekannten Personen, Orten, Zaubersprüchen usw. gehören natürlich J.K. Rowling.
Der Rest ist von mir - ich schreibe nur zum Vergnügen, und ziehe keinerlei finanziellen Vorteil hieraus.
Ich wünsche Euch viel Spaß beim Lesen - und ich würde mich sehr freuen, wenn Ihr mich wissen lasst, ob's Euch gefallen hat.
Kapitel 1 – Sprechstunde
Professor Snape saß hinter dem massiven Schreibtisch seines Büros, und starrte missmutig aus dem Fenster, auf die Silhouette der Bäume, die sich scharf und schwarz gegen das schwache, rötliche Licht der untergehenden Sonne absetzte.
Wenn man seinen Blick hätte deuten wollen, wäre der Verdacht nahe gelegen, dass er einen tiefen Groll gegen diese Bäume hegte – was selbstverständlich nicht den Tatsachen entsprach, da seine Gedanken bei etwas - beziehungsweise jemand - völlig anderem waren.
Dieser Jemand war – wie jeder, der Professor Snape ein wenig näher kannte, unzweifelhaft vermutet hätte – eine jener Kreaturen, die der Meister der Zaubertränke mit großer Hingabe verachtete: Ein Schüler – und noch dazu ein äußerst aufsässiger Vertreter dieser widerlichen Spezies.
Das Ungewöhnliche an diesem speziellen Schüler war, dass er nicht regulär mit Erreichen des entsprechenden Alters in Hogwarts aufgenommen worden war, sondern erst mit dreizehn. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er mit seinem Vater - einem russischen Diplomaten, im Ausland gelebt.
Die Mutter des Jungen war schon vor Jahren gestorben. Sie war Schottin gewesen, eine geborene McKenzie, und somit selbstverständlich in Hogwarts zur Schule gegangen. Ihre Familie – eine alteingesessene Zauberersippe - war seit Generationen befreundet mit Dumbledores Familie.
Auch nachdem Diana McKenzie den jungen russischen Zauberer Dimitri Ogareff geheiratet hatte, und ihm in seine Heimat gefolgt war, hatte sie den Eulenkontakt mit Albus nicht abreißen lassen.
Der Direktor hatte es schließlich dann auch möglich gemacht, dass Dianas Sohn, der vor Kurzem mit seiner erwachsenen Schwester nach Großbritannien zurückgekehrt war, mitten unter dem Schuljahr, in die dritte Klasse aufgenommen wurde.
Und nun hatte er, Snape, den Burschen auf dem Hals, da dieser ausgerechnet dem Haus Slytherin zugeordnet worden war.
Alexander Ogareff war ein Kind, dass schon vom Naturell her in völligem Gegensatz zu seinem Hauslehrer stand: Blond, sommersprossig, von eher stämmiger Statur, vorlaut, immer zu lustigen Streichen aufgelegt – eine wahre Frohnatur, sehr beliebt bei den anderen Lehrern, und ein ständiges Ärgernis in den Augen des Zaubertränkemeisters.
Nicht nur dass es dem Kerl an Begabung und Interesse fehlte – er nahm die hohe Kunst des Tränkebrauens einfach nicht ernst, was an sich schon frevelhaft genug gewesen wäre – nein, dieser kleine sture Bengel wagte es auch noch, ihm, seinem Lehrer, offen zu widersprechen, und hatte sich bisher auch nicht durch diverse Strafarbeiten und unzählige Einschüchterungsversuche davon abbringen lassen.
Vor einigen Tagen hatte ihm der aufmüpfige Wicht mitgeteilt, dass seine große Schwester ihn zu sprechen wünsche, und fragen ließe, ob es Professor Snape am Freitag Abend recht wäre.
Obwohl es in Hogwarts eher unüblich war, dass die Erziehungsberechtigten der Schüler persönlich vorsprachen, hatte er nach anfänglichem Zögern zugestimmt – was allerdings hauptsächlich auf einige subtile Drohungen des Schulleiters zurückzuführen war, der irgendwie Wind von dieser Zögerlichkeit bekommen hatte.
Nun saß er hier, am Freitag Abend - anstatt gemütlich mit einem Buch und einem Glas Wein in seiner Wohnung - in seinem Büro, und wartete auf Ogareffs Schwester. Genauer gesagt wartete er bereits seit einer halben Stunde, denn die Dame verspätete sich zu allem Überfluss auch noch, und Unpünktlichkeit war etwas, dass er auf den Tod nicht ausstehen konnte.
Diese Frau war scheinbar genauso unmöglich, wie ihr kleiner Bruder.
Eine weitere Viertelstunde später war ein energisches Klopfen an der Bürotür zu hören.
Snape, dessen Stimmung inzwischen fast die Grenze zum Gemeingefährlichen überschritten hatte, gab ein kurzes, bellendes „HEREIN!" von sich, murmelte das entsprechende Passwort, um die Tür zu entriegeln, und harrte mit zornfunkelnden Augen, der Person, die gleich sein Büro betreten würde.
Die Frau, die gleich darauf zielstrebig auf ihn zukam, entsprach nicht im mindesten der Vorstellung, die er von der Schwester seines Schülers gehabt hatte.
Zum einen war sie wesentlich älter, als erwartet, des weiteren hatte sie rein äußerlich absolut keine Ähnlichkeit mit ihrem Bruder.
Ihr Gesicht, das nicht eine einzige Sommersprosse vorzuweisen hatte, wurde von dichten, schwarzen Haaren umrahmt, die ihr glatt und seidig über die Schultern fielen. Die hohen Wangenknochen und die dunkelbraunen Augen gaben ihrem Aussehen einen interessanten exotischen Anstrich. Lediglich die Andeutung des überheblichen Grinsens, das ihre Mundwinkel umspielte, wies leichte Parallelen zu Alexander Ogareffs Gesichtszügen auf.
Snape wartete provozierend lange damit, ihr einen Sitzplatz anzubieten - er ließ gerade so viel Zeit verstreichen, das es noch nicht direkt als grobe Unhöflichkeit ausgelegt werden konnte. Das gab ihm außerdem Zeit, sie zu taxieren.
„Sie sind Professor Snape, nehme ich an...?", sagte sie gelassen, und zog fragend eine Augenbraue hoch, während sie auf dem Stuhl Platz nahm, auf den er schließlich mit einer schweigenden, halbwegs einladenden Geste gedeutet hatte.
„Scharf kombiniert!", sagte Snape bissig. „Nachdem sie sich an dem Ort befinden, an dem sie vor einer knappen Stunde einen Termin mit dem Lehrer ihres Bruders gehabt hätten, muss ich wohl genau der sein. Außerdem ist es unter zivilisierten Menschen üblich, sich selbst zuerst vorzustellen, wenn man den Bereich eines Anderen betritt."
„Wie überaus nachlässig von mir! Mein Name ist Tamara Ogareff, und ich bin wirklich sehr erfreut, ihre Bekanntschaft zu machen, Professor", sagte die Besucherin spöttisch, und zog auch noch die zweite Augenbraue hoch – was umgehend zwei bis drei Falten mehr auf die zorngefurchte Stirn des Zaubertränkemeisters trieb.
„Hätten sie nun, nachdem sie mich über eine Dreiviertelstunde warten ließen, eventuell auch die Freundlichkeit, mir mitzuteilen, was sie von mir wollen", sagte Snape ölig, „die Spannung wird nämlich langsam unerträglich."
„Oh – bitte verzeihen sie die Verspätung", sagte Tamara lächelnd, „ich war pünktlich hier, aber zuerst habe ich bei Direktor Dumbledore etwas Zeit verplaudert und auf dem Weg zu ihrem Kerker traf ich meinen Bruder und ein paar seiner Freunde – das hat mich noch mal etwas aufgehalten."
Das schlug doch dem Kessel den Boden aus! Dieses Weib besaß noch nicht einmal den Anstand, wichtigere Gründe für ihr Zuspätkommen vorzuschieben – sie gab offen zu, das sie nur getrödelt hatte.
„Nachdem sie nun mein Büro nach all den netten Plaudereien doch noch gefunden haben...", schnarrte Snape, „würde ich vorschlagen, sie nennen mir nun den Grund ihres Hierseins. Ich hatte eine Stunde für dieses Gespräch reserviert – sie haben also noch genau fünf Minuten!"
„Ein zivilisierter Mann wie sie wird doch eine Dame nicht einfach hinauswerfen", sagte Tamara in tadelndem Ton, aber immer noch ironisch lächelnd. „Nur wegen einer kleinen, harmlosen Verspätung..."
„Vier Minuten!", sagte Snape eisig. „Sie vergeuden ihre Zeit!"
„Sascha hat recht – sie sind wirklich ein ...außergewöhnlicher Mann", sagte Tamara freundlich.
„Wer zum Teufel ist Sascha?", fragte Snape gereizt.
„Mein kleiner Bruder – Alexander", sagte Tamara.
„Sie sind aber doch sicher nicht den weiten Weg von was-weiß-ich-woher gekommen, um eine spitzfindige Bemerkung ihres Bruders zu überprüfen, Miss Ogareff", sagte Snape barsch.
„Nein – eigentlich wollte ich sie darum bitten, ein wenig Nachsicht mit Sascha zu haben", sagte Tamara ruhig. „Es ist nicht leicht für ihn, sich hier einzugewöhnen – das Leben, das er bisher geführt hat unterscheidet sich erheblich von dem, was in Hogwarts von ihm erwartet wird."
„Dann wird er sich eben etwas mehr um Anpassung bemühen müssen", sagte Snape grob. „Ich kann nicht jeden in Watte packen, der Schwierigkeiten hat, seine eigenen Bedürfnisse dem Alltag dieser Schule unterzuordnen."
„Warum sind SIE eigentlich Lehrer geworden?", fragte Tamara ungläubig, und zum ersten mal, seit sie sein Büro betreten hatte, machte sich deutlicher Unwillen auf ihrem Gesicht breit.
Das wiederum verschaffte Snape das erste Hochgefühl seit ihrem Zusammentreffen.
„Ihre Zeit ist um!", sagte er höhnisch lächelnd und wies auf die Tür.
Zu seinem größten Erstaunen stand sie widerspruchslos auf, was umgehend ein Siegerlächeln (das man mit Fug und Recht überheblich nennen konnte) auf Snapes Gesicht zauberte, während er sich zufrieden, mit verschränkten Armen in seinem Sessel zurücklehnte.
Dieses Lächeln wiederum gefror jedoch auf der Stelle, als sie – anstatt den Weg zur Tür einzuschlagen – zu einem der Wandregale ging, wo sie interessiert die Inhalte seiner Einmachgläser studierte.
„Was soll das werden, Miss Ogareff?", zischte Snape ungehalten.
„Hübsche schleimige... Dinger haben sie da", sagte Tamara ohne sich umzudrehen.
„Ich glaube, sie haben mich nicht verstanden", sagte Snape in dem leisen, gefährlichen Ton, der bei seinen Schülern gewöhnlich Symptome wie Blässe, Angstschweiß, oder zumindest Gänsehaut hervorrief, „die Sprechstunde ist vorbei - und sie verlassen nun bitte mein Büro!"
„Sie wollen mich also wirklich rauswerfen?", fragte sie, scheinbar nicht im Mindesten eingeschüchtert, und wandte sich mit einem amüsierten Grinsen zu ihm um.
„Erfasst!", sagte Snape knapp.
„Und was machen sie, wenn ich nicht gehe?", fragte Tamara neugierig, während sie gemächlich zu ihm herübergeschlendert kam.
Ihre lasziven Bewegungen, und vor allem die Tatsache, dass sie sich nun auch noch auf SEINER Seite des Schreibtisches anlehnte, und mit einem unverschämten, wissenden Lächeln auf ihn heruntersah, verschlugen Snape für einen kurzen Moment die Sprache.
„Hat es ihnen die Sprache verschlagen, Professor Snape?", gurrte Tamara prompt.
„Raus!", knurrte Snape, aber in seiner Stimme lag ein winziger Hauch von Unsicherheit.
„Nein!", sagte Tamara, setzte sich schwungvoll auf seinen Schreibtisch und schlug elegant die Beine übereinander, wobei ihr langer, gewickelter Rock bis zur Mitte des Oberschenkels auseinander klaffte, und somit einen interessanten Einblick gewährte.
„Wenn sie nicht sofort machen, dass sie von meinem Schreibtisch runterkommen, und aus diesem Raum verschwinden...", fauchte Snape.
„Ja - was machen sie denn dann mit mir?", unterbrach ihn Tamara, und legte sich nun direkt vor ihm auf den Tisch.
Den Kopf bequem auf die linke Hand gestützt sah sie den fassungslos vor ihr sitzenden Mann ernst und aufmerksam an.
„Haben sie völlig den Verstand verloren?", sagte Snape belegt.
„Nein – durch aus nicht - nur ein wenig die Beherrschung", schnurrte Tamara, „aber das ist ja auch kein Wunder, oder?"
„Was...?", krächzte Snape.
„Solcherart zur Schau getragene Dominanz, gepaart mit einer ordentlichen Portion Arroganz, bringt mich immer etwas aus der Fassung", sagte Tamara, „vor allem bei einem so attraktiven Mann, wie ihnen", fügte sie mit einem verschwörerischen Lächeln hinzu.
Snape schob mit einem hässlichen, schnarrenden Geräusch seinen Stuhl zurück und stand auf.
„Bringt sie mein kleiner Kontrollverlust etwa so durcheinander?", fragte Tamara mitleidig, die sich inzwischen auf den Rücken gerollt hatte. Die Arme locker nach oben ausgestreckt, das schwarze Haar wie ein Fächer um ihren Kopf ausgebreitet lag sie da und schaute ohne irgendein Anzeichen von Scheu direkt in Snapes zornig zusammengekniffene schwarzen Augen, und bedachte ihn auch noch mit einem spöttischen Schmunzeln.
„Gemessen an ihrem Verhalten könnte einem ihr Bruder direkt normal vorkommen", sagte Snape grimmig, „und jetzt hören sie auf, sich lächerlich zu machen und steigen von meinem Tisch herunter – und zwar SOFORT!"
Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen zog er den Zauberstab aus dem Umhang.
„Ts ts ts – sie gehen ja wirklich bis zum Äußersten", sagte Tamara vorwurfsvoll, beeilte sich aber, seiner Aufforderung Folge zu leisten.
Nachdem sie sich mit raschen, geschmeidigen Bewegungen aufgesetzt und den Tisch verlassen hatte, stand Tamara nun vor Snape - eigentlich viel zu nah – aber auch er wich keinen Schritt zurück.
„Vielen Dank, für dieses aufschlussreiche Gespräch, Professor Snape", sagte sie unverschämt herzlich, und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. „Man sieht sich...", fügte sie beiläufig hinzu, drehte ihm den Rücken zu, und verließ, ohne sich noch einmal umzudrehen, den Raum.
„Nicht, wenn ich es irgendwie vermeiden kann!", knurrte Snape ihr hinterher.
Immer noch vor sich hinlächelnd betrat Tamara das Büro des Direktors.
Dumbledore sah ihr erwartungsvoll entgegen.
Ihm gegenüber saß eine streng aussehende Dame, mit dunklem, zu einem voluminösen Knoten geschlungenem Haar. Über den Rand ihrer Brille hinweg fixierte auch sie die Besucherin.
„Und...?", fragte Dumbledore neugierig. „Wie finden sie ihn? Wird es gehen?"
„Oh – ich finde er ist ein arroganter, eingebildeter, unhöflicher Kotzbrocken, aber irgendwie auch süß – und ja, es wird gehen!", sagte Tamara vergnügt.
„Süß?", sagte die strenge Dame ungläubig zu Dumbledore. „Sie redet doch nicht etwa von Severus...?"
„Ich fürchte doch", sagte Dumbledore lachend. „Minerva - darf ich dir Tamara Ogareff vorstellen? Tamara – dies ist meine Stellvertreterin und gute, alte Freundin, Professor McGonagall."
„Ich freue mich sehr, sie kennen zu lernen - Alexander spricht oft von ihnen", sagte McGonagall lächelnd, „aber erklären sie mir doch bitte, was zum Teufel man an Professor Snape süß finden kann."
„Oh – er ärgert sich auf sehr dekorative Weise", sagte Tamara grinsend.
„Aus diesem Blickwinkel habe ich es noch gar nicht betrachtet...", sagte McGonagall nachdenklich.
„Sie schicken mir eine Eule, ob alles klar geht, Albus?", fragte Tamara.
„Das mache ich, meine Liebe – sie können sich auf mich verlassen", sagte Dumbledore.
„Meinst du wirklich, du wirst das so ohne weiteres hinkriegen?", fragte McGonagall skeptisch, nachdem Tamara gegangen war. „Er wird sich bestimmt mit Händen und Füßen wehren."
„Das mach' ich schon", sagte Dumbledore mit einem schelmischen Lächeln, „glaub mir – ich weiß schon, wie ich ihn rumkriege."
Tags darauf bekam Snape eine Einladung des Direktors, am Abend auf ein Gläschen Wein vorbeizuschauen, der er ohne Argwohn und auch nicht gerade ungern nachkam.
Immerhin war Dumbledore der einzige Mensch in Hogwarts, der ihm völlig vertraute.
Wenn der alte Mann auch manchmal etwas anstrengend sein konnte, so war er doch ein sehr gebildeter und vor allem ein sehr weiser Gesprächspartner, und Snape begegnete ihm mit großem Respekt.
Außerdem hatte der Schulleiter einen ausgezeichneten Geschmack, was die Auswahl seiner Weine betraf.
Im Bezug auf den Wein sollte Snape Recht behalten, und auch das Gespräch verlief an diesem Abend zunächst in gewohnt angenehmer Weise, bis der Direktor anfing, über seltsame Dinge zu sprechen.
„Wie ist eigentlich Ihre Meinung zum Thema Erwachsenenbildung, Severus?", fragte er den erstaunten Snape. „Nehmen wir einmal an, jemand hätte in seiner Kindheit nicht die Möglichkeit gehabt, alles zu erlernen, was ihm wichtig erscheint", fuhr er fort, „meinen sie, er könnte diese Defizite als Erwachsener noch aufholen?"
„Ich denke schon - wenn dieser jemand es ernsthaft genug versucht...", sagte Snape.
„Würden sie sagen, das gilt für jede Fachrichtung?", erkundigte sich Dumbledore.
„Es gibt sicher Fähigkeiten, die man sich im Kindesalter leichter aneignen kann, aber grundsätzlich ist man sicher nie zu alt, um etwas neues zu lernen", sagte Snape.
„Meinen sie, es gibt auch Dinge, die man besser erst als Erwachsener lernen sollte?", fragte Dumbledore.
Snape legte die Stirn in Falten, und sah den Direktor mit leichtem Misstrauen an. Er fragte sich, worauf dieses Gespräch hinauslaufen sollte, denn es war mittlerweile ziemlich klar, dass Dumbledore eine bestimmte Absicht verfolgte.
„Wenn man davon ausgeht, dass erwachsene Menschen eine gewisse geistige und moralische Reife mitbringen - was leider nicht immer der Fall sein dürfte – ja", sagte er vage, „das wäre eigentlich Voraussetzung für so manchen Lehrstoff."
„Wie zum Beispiel bei den schwierigeren Lektionen in Verteidigung gegen die dunklen Künste...?", fragte Dumbledore interessiert. „Oder bei den komplizierteren, gefährlicheren Zaubertränken...?"
„Worauf wollen sie eigentlich hinaus, Albus?", fragte Snape mit etwas genervtem Unterton.
„Mir war so, als hätte ich sie schon einmal klagen hören, dass viele ihrer Schüler ihr Unterrichtsfach nicht ernst genug nehmen...", sagte Dumbledore beiläufig.
Zwischen Snapes Augenbrauen bildete sich eine steile, zornige Falte, als er seinen Vorgesetzten ansah.
„Es wäre doch sicher reizvoll, einmal jemanden zu unterrichten, der die nötige Reife mitbringt, nicht war?", sagte Dumbledore mit einem freundlichen Lächeln.
„Was soll die Frage?", sagte Snape knapp.
„Ich habe da eine Anfrage, von einer erwachsenen Person, ob es möglich wäre, bei uns eine Art komprimierten Nachhilfeunterricht zu bekommen", erklärte Dumbledore. „Diese Person hat es bedauerlicherweise versäumt, die Prüfungen in den Fächern Zaubertränke und Verteidigung ordnungsgemäß abzulegen - was nun einer bestimmten Zusatzausbildung entgegensteht, die sie machen möchte."
„Was genau ist denn gemeint, mit komprimiert?", fragte Snape skeptisch.
„In etwa den Stoff der letzten beiden Schuljahre in einem..., na ja, ...nennen wir es mal Intensivverfahren, auf die Zeitspanne der Sommerferien zu verteilen", sagte Dumbledore.
„Und wer, bitte, soll das tun?", fragte Snape leise und unbehaglich.
„Ich dachte, dass sie...", meinte Dumbledore.
„Oh nein!", sagte Snape energisch.
„Severus – sie verbringen als einziger von meinen Lehrkräften die gesamten Ferien in Hogwarts", sagte Dumbledore beschwörend, „ein bisschen Gesellschaft könnte ihnen doch hierbei nicht schaden."
„Ich lege keinen Wert auf Gesellschaft!", schnaubte Snape.
„Sie würden mir wirklich einen großen Gefallen tun...", sagte Dumbledore ernst.
Snape sah aus, als hätte er gerade herzhaft in eine Zitrone gebissen.
„Das gäbe ihnen auch die Möglichkeit, endlich einmal Verteidigung gegen die dunklen Künste zu lehren – das wollten sie doch schon lange", sagte Dumbledore. „Die Person, um die es sich handelt, hat auch schon einige Vorkenntnisse – es geht eigentlich nur um den letzten Schliff, um die beiden Prüfungen ablegen zu können."
Snape starrte seinen Vorgesetzten immer noch schweigend, und mit einem unverändert verbiesterten Gesichtsausdruck an.
„Severus – ich wäre ihnen sehr dankbar, wenn sie mich in dieser Sache unterstützen könnten", sagte Dumbledore sanft.
„Um wen handelt es sich?", fragte Snape barsch.
„Die Dame ist Anfang Dreißig...", begann Dumbledore.
„Eine Frau?", fragte Snape ungläubig.
„Ja, eine Frau – ist das etwa ein Problem für sie?", sagte Dumbledore belustigt.
„Nein..., natürlich nicht...", sagte Snape zögernd.
„Wie gesagt, die Dame ist Anfang Dreißig und wenn mich nicht alles täuscht, bringt sie einiges an Erfahrung und auch reichlich Begabung mit", sagte Dumbledore. „Sie wird während der Ferien hier in Hogwarts wohnen, damit sie nicht ständig hin und her apparieren muss. Die Prüfung kann sie dann kurz vor Beginn des neuen Schuljahres ablegen – das habe ich alles schon in die Wege geleitet."
Dumbledore machte eine kurze Pause und sah seinen Zaubertränkelehrer treuherzig an.
„Sie müssten sie nur ein paar Stunden am Tag unterrichten, und am Anfang vielleicht ein bisschen aufpassen, das sie sich nicht im Schloss verläuft", fuhr er fort.
„Hm...", machte Snape, der immer noch alles andere als begeistert aussah.
„Werden sie das für mich tun, Severus?", fragte Dumbledore, und blickte dem anderen dabei tief in die Augen.
„Na schön – ich mach's!", seufzte Snape und verdrehte die Augen.
„Ich wusste, sie würden mich nicht hängen lassen!", rief Dumbledore begeistert. „Ich werde Tamara gleich eine Eule schicken..."
„WAS? ... WEM?", bellte Snape.
„Tamara Ogareff – ich glaube, sie haben sie schon kennen gelernt", sagte Dumbledore freundlich.
„Ja - ich habe sie kennen gelernt, und - ich werde diese Frau auf keinen Fall unterrichten!", fauchte Snape.
„Sie haben mir gerade zugesichert, dass sie es tun würden", erinnerte ihn Dumbledore.
„Sie haben mich reingelegt, Albus!", zischte Snape. „Das können sie nicht ernsthaft von mir verlangen - dieses Weib ist völlig durchgeknallt!"
„Aber, aber – Severus – gleich zwei Unterstellungen auf einmal", sagte Dumbledore beschwichtigend. „Tamara mag ein wenig unkonventionell sein – das gebe ich ja zu – aber nichts desto trotz möchte ich, dass sie die Möglichkeit erhält, ihre Prüfungen nachzumachen. Und ich möchte, dass sie ihr dabei behilflich sind, da ich niemanden wüsste, der besser hierfür geeignet wäre."
„Kann schon sein, dass ich dafür geeignet bin, mit einer Wahnsinnigen fertig zu werden", knurrte Snape, „ nur ist es leider so, dass sie, nachdem ich sie erwürgt habe, keine Prüfungen mehr ablegen können wird."
„Severus, nun sein sie doch nicht albern!", sagte Dumbledore leicht vorwurfsvoll.
„Warum hat sie überhaupt Nachholbedarf – da wo sie herkommt gibt es doch sicher auch eine Schule", fragte Snape gereizt, hauptsächlich um Zeit zu gewinnen, bis ihm etwas Besseres einfiel, um sich aus der Affäre zu ziehen.
„Das schon, aber scheinbar hatte Tamara einige ...Meinungsverschiedenheiten mit ihren Lehrern, und wurde deshalb zu den Prüfungen in den beiden besagten Fächern nicht zugelassen", sagte Dumbledore.
„Na wunderbar!", sagte Snape sarkastisch. „Mit anderen Worten - sie hat den Abschluss nicht gemacht, weil sie ein aufsässiges, unverschämtes Weibsbild ist! Dazu kann man wirklich nur eines sagen: Selber schuld!"
„Mag sein, aber ich glaube, sie hat wie jeder andere auch, eine zweite Chance verdient – oder nicht, Severus?", sagte Dumbledore scharf.
...Treffer...!
Snape senkte den Kopf.
„Severus...?", sagte Dumbledore leise aber fordernd.
„Schon gut – ich habe es verstanden", sagte Snape rau.
„Ich verlange nicht, dass sie das tun – ich bitte sie darum", sagte Dumbledore ruhig.
„Das läuft auf das Gleiche hinaus – mir ist durchaus bewusst, dass ich in ihrer Schuld stehe, Albus", sagte Snape verbittert.
„Ganz so dramatisch sollten sie das nicht sehen, mein Freund", sagte Dumbledore. „Ich werde in diesem Fall auch ein Nein von ihnen akzeptieren – gutheißen, oder gar verstehen, würde ich das jedoch absolut nicht."
„Sie können aufhören, mich zu überzeugen – ich kapituliere!", sagte Snape resigniert.
„Danke, Severus! Mir ist durchaus bewusst, was sie das an Überwindung kostet", sagte Dumbledore. „Versuchen sie doch, es als Herausforderung zu sehen – das wird sicher eine interessante Erfahrung für sie werden."
„Ja – ganz bestimmt!", sagte Snape sarkastisch.
„Irgendwie sehen sie so aus, als ob sie noch ein Glas Wein vertragen könnten", sagte Dumbledore lächelnd.