Anmerkungen der Autorin:
Betaleserin war wieder die einzigartige Alraune. /verbeug/ B/N: Bitte sehr, gern geschehen! knuddel
Ich entschuldige mich für die lange Wartezeit, aber ich habe es tatsächlich geschafft die Geschichte zu vollenden. Danke an alle, die das Blind Date bis hierher gelesen haben und hoffentlich ihren Spaß dabei hatten. Ich freue mich auch weiterhin über Reviews.
Liebe Grüße an Jana und Malina ;)
Viel Spaß beim Lesen.
Das Blind Date
von Tante Hildegard
Kapitel 7 (III): Noch einmal der Kater
„Sehen Sie", wisperte der Rotschopf triumphierend und knuffte seinen Sitznachbarn in die Seite, „Hubert ist eine ganz normale Katze!"
„Also normal würde ich das nicht nennen" spöttelte daraufhin einer der alten Männer, der die Worte des Jungen aufgeschnappt hatte. Sowohl der Schwarze, als auch der Rotschopf, entschlossen sich, die empörende Bemerkung des Alten zu ignorieren, statt dessen brummten sie unisono: „Guten Abend, Direktor."
„Ah, Severus, mein Lieber, wie ich sehe feierst du ein Wiedersehen mit deinen ehemaligen Schülern. Grüß euch, Harry und Draco und natürlich Ron", frohlockte der Direktor und zwängte sich ungefragt mit an den Tisch. „Er hier ist übrigens mein guter Freund Pierce Cobbet. Wir treffen uns gelegentlich im Drei Besen, um eine Partie Zauberschach zu spielen. Der Greis mit dem Gehstock äugte derweil interessiert zum Rotschopf, dann zum Schwarzen und wieder zurück. Bevor auch er einen Platz am Tisch einnahm, lächelte er dem Jungen wohlwollend zu und nickte.
Alle mußten enger zusammenrücken, damit die lästigen alten Herren noch in die Runde paßten, infolge dessen der Blonde unbehaglich zappelte, weil er zwischen dem Direktor und dem bebrillten Kuppler eingeklemmt war. Ein verschämtes Schweigen legte sich über die kleine Versammlung, nur der Hamster, aus seiner magischen Betäubung erwacht, rumorte aufgeregt in seinem Käfig und scharrte Wolken aus Streu nach draußen.
„Was ist das?" erkundigte sich der Direktor und der Kuppler gab freudig Antwort.
„Professor Snapes Laborhamster."
„Aha, der berüchtigte James" gackerte der Direktor und zwinkerte erst dem Schwarzen, dann dem Kuppler zu. „Soweit ich gehört habe, war unsere Miss Nightingale sehr um seine Gesundheit besorgt."
Der Kuppler bekam stechende Augen.
„Dem Tier geht es ausgezeichnet!" schnaubte der Schwarze. „Wenn meine Gesundheit nur halb so gut wäre-„
„Sind Sie krank?" polterte der Rotschopf und versuchte im gleichen Atemzug desinteressiert zu klingen. Sein Kopf sah aus wie eine rote Rübe, die plötzlich blaß wurde.
„Keine Sorge, Ron. Severus geht es glänzend, aber er neigt zu dramatischen Auftritten.", beschwichtigte der Direktor und veranlaßte den Kuppler zu unverhohlenem Grinsen.
Zur Auflockerung der Situation nestelte der Kuppler ein kleines Päckchen unter dem Tisch hervor, wobei er versehentlich einen Ellenbogen in die Rippen des Blonden stemmte, der pikiert gurgelte. „Das hier", posaunte er heiter, während er das Päckchen in der Luft schwenkte, „ist eine neue Erfindung der Weasley Zwillinge – Prophetenkekse." Er öffnete die quittengelbe Verpackung und ließ sie herumgehen, auf daß jeder sich einen Keks oder besser eine braune Oblate herausnahm.
Nach einigen Sekunden in denen die Runde mißtrauisch auf die Gebäckstücke linste, verlangte der Kuppler: "Los! Wer will der Erste sein?"
Erstaunlicherweise schob sich der Blonde einen Keks in den Mund. „Grmf! Blubbug pfarrr ok. Naaaaargh?", gluckste und blubberte er unverständlich. Als Nächster kaute der Direktor seinen Keks, prophezeite sich selbst einen ersten Platz bei der Weltmeisterschaft der Akkordeonspieler." Der Alte mit dem Gehstock jodelte ein fremdländisches Lied in dem es von Wäldern und Hirschen wimmelte und der Kuppler höchst selbst rezitierte eine Gebrauchsanweisung für zusammenfaltbare Gartenmöbel. Die Gruppe johlte vor Lachen, sogar der Schwarze. Anschließend vertilgte der Rotschopf seinen Prophetenkeks, machte Eulenaugen und sprach auf Phönizisch über die erotische Anziehungskraft schwarzhaariger Männer mit großen Nasen. Mir schien, daß das Phönizische eine unerwünschte Nebenwirkung der Kekse war. Sicher hätte der Schwarze die Informationen auf Englisch sehr viel aufregender gefunden. So musterten er und der Direktor ihn lediglich besorgt, während alle anderen ausgelassen krähten. Für sie klang das Gesagte in etwa wie „Blubbug", aber was sollte man auch von Menschen erwarten. Katzen hingegen waren linguistisch hoch begabt, obwohl sie nicht sprechen konnten und ihre Biologie eine Zeichensprache verhinderte. Man konnte mit einem Schwanz eben nicht alles machen und mußte außerdem jene Unglückseligen bedenken, die ihre Schwänze im Autoverkehr einbüßten oder auf Manx geboren wurden.
Der Junge schien sich gar nicht bewußt zu sein, was er gerade erzählt hatte und kicherte albern. „Und jetzt Sie", spornte er den Schwarzen an, der widerwillig den Keks zwischen seine Lippen schob. Mit einem Schlag entspannte sich sein grimmiges Gesicht, was ihm einen noch bedrohlicheren Ausdruck verlieh. Unter der gelblichen Haut hingen die Muskeln schlaff und bedeutungslos. Er artikulierte einige Gutturale und Knacklaute, die in der englischen Sprache nicht vorkamen, dann verstummte er und blinzelte zur Seite, zum rothaarigen Jungen, als ein Lächeln über seine Lippen tanzte und bis in die Augen vordrang. Es war eins von diesen Lächeln, die so hoffnungslos ehrlich waren, daß man sich ihrer beinahe schämte, denn sie nicht zu erwidern, fühlte sich unmoralisch an, als ob man kleine, pelzige Tiere quälte.
Der Rotschopf schmunzelte großmütig, da er die mimischen Ausfälle des Schwarzen nicht ignorieren konnte, doch die Beklommenheit eines Mannes, dessen Latein am Ende war, merkte man ihm deutlich an. Als nächstes küßte ihn der Schwarze sehnsuchtsvoll und, obwohl sich ihre Lippen nur langsam trafen, schien der Rotschopf überrumpelt zu sein. Er hielt still und spielte Totes-Tier, in der Hoffnung niemand würde ihn wahrnehmen.
In fasziniertem Schweigen bestaunten die Anderen den sich bietenden Anblick. Keine Sekunde später, die Lippen der beiden Männer hatten sich gelöst, schnappte der Schwarze aus seiner Trance und klappte überrascht mit den Lidern. Dann erinnerte er sich, was soeben geschehen war und funkelte den Kuppler vorwurfsvoll an. Er wirkte blutleer.
„Was haben sie in die Kekse gemischt, Potter?"
„Gar nichts!" quietschte der Kuppler, während er seine Brille zurück auf die Nasewurzel schob. „Die sind Freds und Georges Erfindung, ich habe nichts damit zu tun, aber, öhm, ich kann den Erfindern bescheid sagen, damit sie, äh, Küsse bei den Nebenwirkungen auflisten." Es klang nach der Wahrheit.
Indessen sprang der Rotschopf mit fahrigen Bewegungen von seinem Platz, murmelte, daß er aufs Klo müsse, und schwankte zur Herrentoilette.
Eins, zwei, drei ... „Ich muß auch mal", knirschte der Schwarze, wie ich erwartet hatte. Kaum war er verschwunden, gackerten die Alten und der Kuppler. Aus einem unerfindlichen Grund klang es obszön. Nur der Blonde starrte schockiert Löcher in die Luft. Für mich gab es kein Halten mehr. Wie ein Pfeil schoß ich aus meinem Versteck hervor, zurück unter meine angestammte Bank. Der Stiefel war noch da und roch unverdächtig. Von dort tippelte ich begeistert zur Toilette hinterher, wobei ich mich an die Wände und Möbelstücke preßte, um in deren Schatten besonders unauffällig zu sein. Auf leisen Samtpfoten erreichte ich flink die Tür und schob meinen Kopf durch einen Spalt, um zu lauschen.
Der Rotschopf stand, mit dem Rücken mir zugewandt, vorm großen Standspiegel in der Ecke. Für einen Londoner Innenarchitekten wäre die Herrentoilette des Drei Besen wahrscheinlich ein Alptraum in mintgrün gewesen, aber meine Futterfrau fand sie bezaubernd. Katzen per se interessierten sich nicht für Raumgestaltung, solange der Inhalt ihres Futternapfs überzeugen konnte. Daran hielt ich mich. Der vergoldete Rahmen des Spiegels war mit geschnitzten Putten, Fruchtgirlanden und, seltsamerweise, tanzenden Skeletten übersäht. Ein Kristalleuchter hing von der Decke herab, so niedrig, daß der Schwarze fast mit dem Kopf daranstieß und ein Auge verlor. Er fluchte.
„Ich kann nichts für die Kekse—", begann der Mann, unterbrach sich jedoch selbst.
Einen Augenblick grübelte ich, ob ich es wagen sollte, zu einer der Kabinen hinter ihren Rücken zu sausen, während sie wegsahen, aber es schien mir zu riskant. Der Zauberer hatte mich schon einmal angegriffen, ich mußte mein Glück nicht unbedingt herausfordern.
Sie standen stumm im Raum und musterten sich gegenseitig im Spiegel. Der Rotschopf wirkte nervös und schreckhaft, als hätte er nicht vorausgeahnt, daß der Schwarze ihm folgen würde. Ach, die unschuldige Jugend! Ich fürchtete schon, daß keiner von beiden ein Wort über die Lippen bekäme, da brach der finstere Mann den Bann.
„Hören Sie, Weasley, da unser Treffen sich mittlerweile in einen Volksauflauf verwandelt hat, bin ich ihnen nachgegangen. Was ich Ihnen sagen will, muß ja nicht gleich ganz Hogwarts mitanhören."
Der Junge grunzte. Ob er damit Zustimmung, Abneigung oder sonst etwas ausdrücken wollte, blieb fraglich. „Wieso sollte Harry uns verkuppeln wollen? Ich kann das nicht glauben."
„Potters Gründe kann ich Ihnen schwerlich liefern, vielleicht war es Dumbledores Zutun. Was glauben Sie, warum der alte Schnüffler draußen am Tisch sitzt? Für einen Zufall halte ich das nicht."
„Direktor Dumbledore hat auch von dem Blind Date gewußt?" polterte der Junge anklagend.
„Darauf, Mr. Weasley, möchte ich meinen Allerwertesten verwetten. McGonagall wird ihn bestens informiert haben."
„Aber", blubberte der Rotschopf, „welchen Grund sollte Dumbledore haben, um Sie und mich ..."
„Ich weiß es nicht, beim besten Willen, ich weiß es nicht. McGonagall will mich unter die Haube bringen -stellen sie sich das vor! -, weil sie sich davon verspricht, daß ich ein aufgeschlossener, liebenswürdiger Kerl würde, aber bei Dumbledore habe ich keine Ahnung", sagte der Schwarze bitter und fügte spitz hinzu: „Finden Sie mich schon ein bißchen liebenswürdig?"
Der Junge entschloß sich die Frage zuüberhören, statt dessen löste er sich vom prächtigen Spiegel, drehte an einem Wasserhahn und wusch sich enthusiastisch die Hände, begleitet von den bohrenden Blicken des Schwarzen. „Fast die ganze Schule weiß also von unserem Treffen!" krähte er resigniert.
„Ja", lachte der Schwarze freudlos, „wie die Geier lauern sie draußen auf uns und wollen den Verlobungstermin erfahren."
„Na ja" murmelte der Junge aufgebracht, „ alles in Allem kommen wir doch ganz gut miteinander zurecht, wenn man vom ersten Schock absieht ..."
„Ich kann mir lebhaft vorstellen, daß Sie und Potter sich alles ganz fabelhaft überlegt haben, aber es ist für mich nicht akzeptabel. Wenn sie geglaubt haben, ich würde für Sie den Lückenfüller spielen, den netten Kumpel, dann haben Sie sich getäuscht."
Bevor der Junge sich erklären konnte, wurde ihm das Wort abgeschnitten. „Was für eine Beziehung haben Sie sich denn vorgestellt? Dachten Sie, wir könnten uns gelegentlich zum Schachspielen treffen? Ist Ihnen das platonisch genug?"
„Aber ich wollte doch nur ... wegen der Prophezeiung", brabbelte der Rotschopf verstört.
„Wegen der Prophezeiung brauchen Sie sich nicht zu sorgen. Wenn dieser Abend beendet ist, werden Sie mich nie wieder zu Gesicht bekommen und Nightingale kann sich ihre Prophezeiung in den Hintern schieben!"
„So funktioniert das aber nicht!" protestierte der Junge hysterisch und wandte sich vom hellblauen Waschbecken ab.
„Ach? Sie sind nicht schwul und sie haben kein Bedürfnis danach mit ihrem alten, fiesen Tränkelehrer etwas anzufangen, also warum sollte es nicht funktionieren?" blaffte er.
„Weil ..."
Der Schwarze winkte unwirsch ab. „Hören Sie auf, Weasley. Gönnen Sie mir wenigstens einen Rest an Selbstachtung. Sie wollen von mir, daß ich eine absurde Freundschaft mit Ihnen beginne, um Sie davor zu bewahren, daß Sie sich möglicherweise in mich verlieben könnten. Wie soll ich mich dabei fühlen? Erwarten Sie Dankbarkeit von mir für Ihr hehreres Angebot meine Präsenz zu tolerieren?"
„Ich ..."
„Ich werde mir das nicht antun, ... Ronald. Du vergißt, daß ich nicht du bin. Für mich hat sich an der Bedeutung der Briefe nie etwas geändert, ich wußte von Anfang an daß du ein Mann bist. Du verlangst zu viel von mir. Ich kann dich nicht ansehen und so tun als ob ich nur dein netter Bekannter sein wollte. Erwarte das nicht von mir." Mit geradezu quälender Langsamkeit strich der Schwarze dem Jungen über die Wange, daß nur die Fingerspitzen behutsam über die Haut huschten, dann wandte er sich ab und lief steifbeinig zur Tür. Eilig zog ich den Kopf zurück, drückte mich in eine Ecke neben dem Türrahmen und hoffte, daß er mich nicht umbringen würde. Er bemerkte mich nicht einmal. Als er verschwunden war steckte ich erleichtert wieder den Kopf durch den Türspalt, um nach dem Jungen zu sehen. Sein Gesicht war ganz weiß. Er tigerte minutenlang von einer Ecke des Raumes zur anderen, hin und zurück. Mir war ganz schwindlig vom Zusehen, er benahm sich wie ein Haustier mit Käfigkoller. Plötzlich hielt er inne und starrte erschrocken zu mir herab. Obwohl ich hätte weglaufen könnten, trappelte ich vorsichtig auf ihn zu, dabei mied ich Fliesenböden für gewöhnlich, erst recht, wenn sie mintgrün waren. Der Rotschopf kniete sich auf den Boden und kraulte zaghaft meinen Kopf, dann begannen ihm Tränen über die Wangen zu laufen.
„Was soll ich machen?" schluchzte er und wischte sich mit der Hand übers Gesicht, ehe er mit verzweifelter Inbrunst weiter mein Fell tätschelte. „Er will nicht!"
Irgendwie hatte der Junge das Gespräch mit dem Schwarzen falsch interpretiert, aber auf einen Kater hörte sowieso niemand, also zuckte ich nur mißbilligend mit dem Augenlid.
„Wenn Harry nun recht hat?" fragte der Junge mich, obwohl ich weder wußte, wer Harry war, noch, was er gesagt hatte. „Ich meine, kann ich mich in Snape verliebt haben oder ist das nur wegen der Prophezeiung? Ich lasse mich von keinem zwingen auch nicht vom Schicksal. … ich weiß nicht, was wahr ist oder was ich mir einbilde." Ein Heer von Gefühlen kämpfte auf seinem sommersprossigen Gesicht um die Vorherrschaft; es sah gruselig aus. Ich katzbuckelte um seine kniende Gestalt herum im Kreis und fühlte, wie er langsam ruhiger wurde. Wenn er sich nicht beeilte, war der schwarze Zauberer längst auf und davon.
Tock. Tock. Tock. Der Alte mit dem Gehstock nahte heran und riß den rothaarigen Jungen aus seinen Überlegungen. Es schnaufte und klapperte, ehe sich die Tür einen spaltbreit öffnete und ein runzeliges Gesicht hereinlugte. „Entschuldigung", schnatterte der Alte. „Stört es Sie, wenn ich reinkomme und eine rauche? Draußen ist es so kalt und Rosmerta hat eigentlich Rauchverbot im Drei Besen erteilt, wegen—" Er hielt er inne und inspizierte mich seufzend. Anschließend hoppelte er über die Fliesen, wobei sein Gehstock einen müden Rhythmus trommelte, öffnete die Tür einer Kabine und setzte sich ächzend nieder. „Meine Beine erlauben mir nicht mehr, lange zu stehen", krächzte er und lächelte den Jungen freundlich an, während seine Hände auf dem Knauf des Gehstocks ruhten, den er zwischen seine Knie gestellt hatte. In einer Gewandtasche fischte er nach einer Zigarre.
„Sie sehen nicht glücklich aus", verkündete der Alte das Offensichtliche.
Der Rotschopf preßte seine Lippen fest aufeinander, bis sie nicht mehr als ein weißer Streifen waren, doch nach ein paar Sekunden, schüttelte er ergeben den Kopf. „Er will mich nach heute Abend nie mehr sehen!" wimmerte der Junge.
„Freut Sie das nicht, immerhin haben Sie selbst mir erst vor einer Woche erklärt, wie sehr Sie ihn hassen?"
„Ich hasse ihn aber nicht", murmelte er bedrückt.
„Nicht?"
Er schüttelte wieder den Kopf. „Es ist kompliziert."
„Inwiefern?"
Der Junge blinzelte verlegen zu dem alten Mann in der Kabine, dann seufzte er: Ich weiß nicht ... vielleicht so, als ob aus einer Scheibe plötzlich eine Kugel geworden ist."
„Ähm", räusperte sich der Alte und kratzte sein Kinn. „Sie möchten ihn also wieder sehen?" Endlich schob er sich die Zigarre in den Mund, selig daran saugend.
Beklommen stand der Junge im Raum und nickte kaum merklich.
„Wo genau liegt Ihr Problem, junger Mann? Ich verstehe das nicht", paffte der Greis.
„Nein!", fluchte der Junge, „weil Sie immer noch auf der Scheibe stehen und keine Ahnung von der Kugel haben, darum", und der Alte verlor merklich an Selbstgefälligkeit. „Seit der Prophezeiung bin ich nicht mehr wie früher. Mit einem Mal bin ich ein Seher! Mit einem Mal muß ich feststellen, daß die Frau, die ich liebe, in Wirklichkeit Snape ist, der Schrecken meiner Schulzeit. Ich weiß jetzt, daß man Männer lieben kann – wow! - auf so was wäre ich früher nicht gekommen. Und jeder versucht sich in mein Leben reinzuhängen und mir zu sagen, was ich machen soll. Ich weiß es aber nicht! Ich weiß überhaupt nichts mehr, aber ich will nicht, daß es einfach aufhört, nicht mehr. "
„Entschuldigung", nuschelte der Alte mit gesenktem Kopf.
„Ich meine, seit ich 16 bin, ist er in meinen Träumen gewesen. Er kann doch jetzt nicht einfach so tun, als wäre nichts passiert, und verschwinden, mich mit allem alleine lassen."
„Haben Sie ihm das gesagt?"
„Nein, wieso?"
„Wissen Sie, junger Mann, es ist nicht meine Absicht Ihnen kluge Ratschläge zu geben, aber wenn Sie seit vielen Jahren von diesem Mann träumen, sollten Sie ihm das wenigstens sagen, auch wenn ich nicht recht begreife, warum ..." brummelte der Alte und zwirbelte nachdenklich den Bart. „...warum Sie einerseits von ihm träumen, aber sich anderseits sträuben ... Was für Träume waren das denn?"
Wie ein erschrockener Vogel plusterte sich der Rotschopf auf, um dann regelrecht in sich zusammenzufallen und bockig mit dem Fuß zu scharren. „Es waren vielleicht gar keine normalen Träume, sondern Visionen", behauptete er. „Dazwischen besteht ein Unterschied."
„Das mag schon sein, aber wo steht geschrieben, daß Visionen nicht zeigen können, was man will? Ich gebe offen zu, keine Ahnung vom Wahrsagen zu haben, aber ich lebe schon eine Weile und weiß, daß Menschen ihr Schicksal zum großen Teil selbst bestimmen. Außerdem wissen Sie ja gar nicht mit Sicherheit, ob es nur Visionen waren. Könnte doch sein, daß Sie ganz normale Teenagerträume hatten."
„Seit wann träumen Teenager von Sex mit ihrem Lehrer?" keifte der Junge.
Ein unverschämtes Grinsen zog den Bart des Alten auseinander. „Seit es Lehrer gibt, schätze ich." „Gnah."
„Jedenfalls sollten Sie mit ihm darüber reden und klären, was für eine Art Träume Sie die letzten Jahre gehabt haben. Ich meine, war es schrecklich?"
„Gnah."
„Bitte?"
„Nein", murmelte der Junge so leise, daß selbst ich Schwierigkeiten hatte ihn zu verstehen, aber der Alte nickte wissend.
„Versuchen Sie zu vergessen, daß Sie ein Seher sind, dann fühlen Sie sich von ihren Träumen nicht zum Handeln gedrängt. Meine Meinung ist, wenn Sie die Vorstellung mit einem Mann zusammenzusein abstößt, dann lassen Sie es bleiben, wenn Sie ihn aber lieb haben, dann haben Sie ihn halt lieb. Mit der Zeit wird sich die Unsicherheit legen und es wird normal sein."
„Finden Sie es ... normal?" fragte der Junge besorgt.
Der Alte blinzelte verwundert und entgegnete ernst: „Was ich finde, spielt gar keine Rolle. Sie können nicht leben in der Hoffnung, es jedem recht zu machen. Sehen Sie, Albus zum Beispiel ist eigentlich immer alleine gewesen und kaum einer fand das normal, weil niemand es für sich selbst vorstellen konnte, aber viele große Zauberer sind allein und ich meine das nicht tragisch. Sie haben besseres zu tun als der Rest von uns. Es gibt viele Arten zu lieben und die meisten davon verstehe ich ehrlich gesagt nicht." Mit einem unbestimmten Wackeln des Kopfes drückte er seine Zigarre auf dem Klopapierhalter aus und entfernte den Fleck mit einem Zauberspruch. Blauer Dunst waberte durch den Raum, ließ einen asthmatischen Husten in mir aufsteigen. „Nun, wenn wir einmal dabei sind, ich glaube, Albus hält viel von Ihnen und Herrn Snape. Haben Sie seine stechenden Augen bemerkt, als er Sie beide zusammen am Tisch gesehen hat?" Der Alte kicherte, aber es klang mehr nach einem Röcheln. „Ich habe Albus von unserer Begegnung letzte Woche erzählt, da wußte ich noch nicht, daß er Sie kennt und Sie würden mir nicht glauben, wenn ich Ihnen sage, wie überrascht und niedergeschlagen er war. Falls Sie also einen Fürsprecher suchen, weil Sie denken, Ihre Familie hätte Probleme mit Ihrer Partnerwahl, dann sitzt mindestens einer davon draußen am Tisch und, ich denke, Herr Potter und der Blonde böten sich auch an."
„Malfoy?"
„Ein Malfoy, eh?" krähte der Alte fröhlich. „Sieh an."
Sie schwiegen und musterten einander, dann, richtete sich der Junge auf, wie von der Tarantel gebissen, und rannte nach draußen. Ich hörte den Alten brummen, dann flitzte ich hustend an ihm vorbei, zurück in den Gastraum. Ich wollte keine Sekunde verpassen! Gerade setzte ich der Junge wieder neben den schwarzen Zauberer, der eine Leidensmiene vor sich her trug. Währenddessen parlierte der zweite Greis über Orpheus' Geschichte. „Orpheus gehörte früher zu einer Tür in Hogwarts. Professor Teresias, ein Wahrsagelehrer, der vor etwa 200 Jahren an der Schule unterrichtet hat, brachte den Türklopfer mit und nagelte ihn an seine Bürotür." Der Alte lächelte amüsiert und strich sich über den Bart. „Nach Teresias Tod, blieb Orpheus in Hogwarts, bis die neue Wahrsagelehrerin es nicht mehr mit ihm aushielt, weil er ihre prophetische Gabe in Zweifel zog, und ihn als Wächter an den früheren Inhaber des Drei Besen verkaufte."
Ich kaute zur nervlichen Beruhigung an meinem Lederstiefel unter der Bank, weil ich bemerkte, wie der Rotschopf zögerlich unterm Tisch nach der Hand des schwarzen Zauberers tastete. Er fand sie und hielt sie fest.
„Was macht denn Pierce so lange auf der Toilette?" wunderte sich der Direktor voll kindlicher Freude. „Er wird doch nicht an seiner Zigarre erstickt sein? Ich gehe am besten mal nachsehen, damit wir heute noch zum Schachspielen kommen." Er winkte und schlurfte gebeugt davon. Der Schwarze stand unter Schock. Seit der Junge seine Hand genommen hatte, verharrte er bewegungslos, aber mit leicht rasselndem Atem. Im Hamsterkäfig war mittlerweile kaum noch Streu, das meiste davon lag ringsherum auf dem Tisch.
„Meine Tochter hat sich so was zu Weihnachten gewünscht", ächzte der Blonde, einen schmähenden Zeigefinger auf James gerichtet.
„Und?" fragte der Kuppler unterkühlt.
„Dieses Tier riecht! Es macht Dreck-"
Damit zog er das Mißfallen des schwarzen Zauberers auf sich, der aus seiner Starre erwachte und fauchte: „Mein Hamster riecht genau so wie ein ordentlicher Hamster riechen sollte, Draco!"
Der Rotschopf wandte sich ungläubig zu ihm um, auch er hatte sich, seit er die fremde Hand ergriffen hatte, kaum bewegt. Stumm betrachtete er das gelbliche Gesicht, in dem zwei schwarze Augen furchtsam funkelten. Er ließ die Hand los und lachte so sehr, daß er seinen Mund verzweifelt gegen die Schulter des Schwarzen drückte, um die Lautstärke zu dämpfen. „Entschuldige" keuchte er atemlos ins Zaubererohr, „jetzt weiß ich, warum Clark so vernarrt in dich ist. Und ich dachte, es wären die Tränkekessel!" Vergnügt quietschend drehte er sich wieder zum Tisch, wobei er erneut nach der Hand tastete, sie verfehlte und statt dessen den Oberschenkel tätschelte. Der Kuppler stierte erwartungsvoll zu ihnen, nur der Blonde wirkte immer noch verstört.
„Sag mal, Harry" druckste der Rotschopf, „du wolltest mich und Professor Snape doch nicht wirklich verkuppeln, oder? Ich meine, warum solltest du so etwas tun."
„Ja, warum?" pflichtete der Blonde bei.
„Öhm."
„Ja?"
Der Kuppler hüstelte verlegen. „Also, als Angelica dir die Prophezeiung gemacht hat, bin ich später noch einmal zu ihr gegangen. Ich habe gesagt, sie soll mir die Sache mit dem finsteren Mann noch mal erklären und so." Weil dem Rotschopf die Augen aus den Höhlen quollen, erklärte er rasch weiter: „Ich brauchte doch irgendeinen Vorwand, um noch mal zu ihr zu gehen, sonst hätte sie mich vielleicht rausgeschmissen aus dem Zelt. Äh, also ich, äh, mag sie."
„Sie und Nightingale?" stotterte der Schwarze erschüttert.
„Warum nicht?" schnappte der Kuppler beleidigt. „Was paßt Ihnen denn nicht an Angelica? Sie ist eine tolle Frau."
„Du bist mit ihr zusammen und hast mir nichts gesagt?" fragte der Rotschopf.
„Na ja, wir sind nicht direkt zusammen ... sie weiß gar nicht, daß ich sie mag."
„Hä?"
Der Kuppler seufzte. „Sie denkt einfach, daß ich ihr bei der Erfüllung der Prophezeiung helfen will, aber ich hatte nie vor dich mit Snape, …Professor Snape, zu verkuppeln, bis du nachts vor meiner Tür standest und mir die Briefe unter die Nase gehalten hast. Seit Percy habe ich dich nicht mehr so traurig gesehen und die Briefe waren so offensichtlich von Snape, ich meine, ich konnte nicht fassen, daß du es nie bemerkt hast."
„Du hast es gleich gemerkt!" rief der Rotschopf fassungslos.
„Ja, und danach hatte ich eine existentielle Krise, bis ich Angelica zufällig in Hogwarts getroffen habe, auf dem Weg zu Hermine. Sie hat mir den Kopf gewaschen." sagte der Kuppler verträumt. „So wie in den Briefen hast du seit Jahren mit keinem mehr geredet und ich dachte, wenn es Snape sein soll, dann soll er es halt sein. Einen Versuch wäre es wert. Dann habe ich versucht dir einzureden, sein Freund zu werden."
Nach einigen stillen Minuten grummelte der Rotschopf schüchtern: „Mmmphf".
„Den Kopf kannst du mir morgen immer noch abreißen. Ich werde mich jetzt am besten verkrümeln und Malfoy mitnehmen. Mach, was du für richtig hältst, es ist dein Leben." Er zuckte mit den Schultern und scheuchte den empörten Blonden von der Bank. „Komm Malfoy, wir gehen einen Hamster kaufen für deine Tochter."
„Auf keinen Fall, Potter! Wieso versuchst du, Professor Snape und Weasley zusammenzubringen?"
„Erzähle ich dir draußen." Wie ein zänkisches Ehepaar schlenderten sie zur Tür, der Kuppler lobpries den Hamster als Haustier schlechthin und genoß dabei sein Leben in vollen Zügen. Als er die Hand auf die Klinke legte, hörte ich ihn beiläufig darauf hinweisen, daß die Schwester des Rotschopfs keinen Freund habe, danach waren sie verschwunden. „Vergiß es, Potter!" trötete es von draußen. Orpheus trällerte: „Na, wo gehen wir denn hin, ihr zwei Hübschen?" Ein kurzer Tumult brach los, dann wurde es mucksmäuschenstill und die zwei Männer am Tisch warfen sich besorgte Blicke zu. Der Schwarze schaute fragend auf die Hand über seinem Knie.
„Bitte", flüsterte der Junge. „ich will nicht, daß plötzlich alles vorbei ist." Mit gerunzelter Stirn betrachte ihn sein Gegenüber. „Wenn es irgendwas mit der Prophezeiung zu tun hat ..."
„Ich bin ein Seher, da hat man mit Prophezeiungen zu tun" lächelte der Rotschopf keck.
Der Schwarze rollte mit den Augen, wischte die fremde Hand von seinem Knie. „Vielleicht habe ich mich vorhin nicht deutlich genug ausgedrückt. Es wird keine Freundschaft geben, weil ich damit nicht umgehen kann und es wird nichts anderes geben, weil ich nicht will, daß mich jemand berührt, der eigentlich keine Lust dazu hat."
„Was?"
„Ich brauche kein Mitleid oder jemanden, der mit mir Händchen hält, um der Meinung seiner Freunde genüge zu tun", grollte der Schwarze erschöpft.
Der Junge eiferte: „Das tue ich doch gar nicht!"
„Was tust du dann? Versuch einfach zu verstehen, daß ich nicht in deiner Nähe sein will, weil es mir zeigt, was ich beinahe hätte haben können, wenn ich nicht Severus Snape wäre. Für ein paar Wochen bin ich wirklich glücklich gewesen und jetzt ist es vorbei. Das ist nicht deine Schuld. Aber wenn du drei Stunden länger hier sitzt, werde ich davon nicht jünger, nicht schöner und vor allem nicht weiblicher. Auf die Prophezeiung kann ich verzichten."
„Ach, kannst du das?" schnaubte der Rotschopf zornig. „Aber ich kann das nicht!" Mit militärischer Entschlossenheit packte er das Knie des Schwarzen und mit der anderen Hand dessen Arm. „Alles was ich will ist ein bißchen Zeit", raunte er, „die kannst du mir doch geben." Er drückte ihm einen flüchtigen Kuß auf die Wange, hielt inne und küßte seine Lippen. „Jahre vorher zu wissen, was man will, bevor man sich bewußt ist, überhaupt etwas zu wollen, ist nicht so einfach wie es sich anhört. Ich finde dafür, daß ich erst seit einer Woche weiß, in wen ich mich verliebt habe, schlage ich mich ganz wacker."
Seliges Unverständnis spiegelte sich auf dem Antlitz des Zauberers, er nickte. „Du hast dich verliebt?" fragte er, um ganz sicher zu gehen. Der Junge bekam wieder ein hochrotes Gesicht und lächelte verlegen.
„Seit wann?"
„Äh, ich weiß nicht genau. Lange."
„Dir ist klar, daß ich das nicht verstehe, oder?"
„Ja", grinste der Rotschopf schüchtern. „Ich erzähle dir alles, wenn ich soweit bin. Darf ich einfach hier sitzen?"
„Nun, ich wüßte nicht was dagegen spricht. Vorrausgesetzt das alles ist kein blöder Scherz …"
Der Junge zerrte den Arm des Schwarzen zu sich rüber und klammerte sich daran fest. Ach, bei der Großen Katze, verliebte Menschen wirkten immer so ungeschickt, aber ich seufzte glücklich, denn Katzen waren von romantischer Natur und legten wert auf Harmonie in dem menschlichen Haushalt, den sie dazu erkoren hatten, ihren Futternapf zu füllen. Ich überlegte, was es am nächsten Morgen Schmackhaftes geben würde, als ich mich zufrieden unter meiner Bank langstreckte.
In der nächsten Stunde rutschten die Zwei eng zusammen, hielten Händchen, tranken Whiskey und sagten gar nichts. Ihre roten Gesichter wirkten entspannt und wunschlos glücklich. Sie kicherten ohne erkennbaren Grund, warfen sich verliebte Blicke zu oder untersuchten die Linien ihrer Handflächen und waren bald sternhagelvoll. Die lästigen alten Männer, die in einer Ecke Schach gespielt hatten, waren bereits gegangen, als Junge und Zauberer, sich gegenseitig stützend und umklammernd, zur Tür taumelten. Der Schwarze schielte auffällig heimlich nach dem Loch in der Robe des Jungen, unter dem nackte Haut hervorschimmerte. Der seekranke Hamster im Käfig tat mir leid. Sie gackerten und lachten, daß sie am nächsten Morgen neben dem Katzenjammer auch noch Muskelkater im Bauch haben würden. Die Futterfrau hatte ihnen aus geheimnisvollen Beweggründen keine Klarer-Kopf-Schwämmchen gegeben, wie sie es sonst tat, bevor die Betrunkenen sich auf dem Heimweg den Hals brachen. Mir fiel auf, daß Orpheus erstaunlich still war. Jemand hatte ihm Paketklebeband über den Mund gekleistert und er äugte den zwei Betrunkenen medusenhaft und gleichzeitig mit einem Ich-wußte-es-von-Anfang-an Blick hinterher. Ich spielte mit meinem Stiefel und überlegte, ob ich draufpullern sollte, ließ es aber lieber bleiben. Alternativ träumte von der schönsten rotfelligen Katze, die mir je begegnet war, und erwachte jäh, als mich die Traumfrau mit Baßstimme anschnurrte. Ach du heiliger Futternapf! Ein Kater! Ich kollabierte.
Ende
