Es war schon sehr spät am Abend und eigentlich schon längst Zeit zu Bett zu gehen. Doch Severus hatte keine zu Lust schlafen, er war irgendwie noch gar nicht müde, und so hatte er sich an seinen Schreibtisch gesetzt und begonnen einige Arbeiten seiner Schüler zu korrigieren.
Der Federkiel in seiner Hand fuhr immer wieder über das Papier, wo er einiges anstrich und auch oft noch einige Anmerkungen dazu schrieb.
Vom Kamin her hörte er, wie seine Uhr die elfte Nachtstunde mit leisen Glockenschlägen ankündigte, doch er achtete nicht wirklich darauf, zu sehr war er in seine Arbeit vertieft.
Plötzlich klopfte es drei Mal kräftig gegen seine Türe und er hob überrascht seinen Kopf.
Wer mochte das sein? Vor allem um diese Uhrzeit? Er steckte die Feder in die dafür vorgesehene Halterung zurück, erhob sich von seinem Schreibtisch und glitt zur Tür, die er einen Spalt breit öffnete und hinaussah.
„Lucius? Was führt dich zu so später Stunde zu mir?", fragte er überrascht, als er seinen Gegenüber erkannte.
„Brauche ich einen Grund, um einen Freund besuchen zu dürfen?", fragte Lucius ihn und musterte ihn eingehend. Doch als Severus nicht gleich reagierte, deutete er in sein Büro.
„Wie ist es, darf ich reinkommen?"
„Entschuldige. Sicher", sagte Severus, öffnete die Türe ganz und ließ seinen Freund in das Büro eintreten.
„Fühl dich einfach wie zu Hause!", forderte er ihn auf, als dieser seinen Reiseumhang einfach über eine Stuhllehne warf.
Lucius sah sich kurz in dem großen, mit vielen Regalen und Zaubertrankzutaten überfüllten Raum um, verzog missmutig sein Gesicht, bevor er wieder zu Severus zu reden begann.
„Ich hoffe, du bist mir nicht böse, aber unter einem Zuhause verstehe ich wahrlich etwas anderes. Ich kann nicht verstehen, wie du dich in diesem ...", er verzog sein Gesicht erneut und machte eine abfällige Handbewegung, „... Loch wohlfühlen kannst, mein Freund. Ich hätte dir wirklich mehr Geschmack zu getraut!"
„Dieses Loch, wie du es zu nennen pflegst, ist mein Büro und mein Arbeitsplatz. Und ich persönlich fühle mich sehr wohl hier. Aber ich glaube, du bist sicherlich nicht gekommen, um mit mir über die Einrichtung meines Büros zu reden. Habe ich recht?", fragte er abwartend und war zu Lucius getreten, der nun mitten im Raum stehen geblieben war und seinen Freund nachdenklich musterte.
„Da gebe ich dir allerdings Recht. Zumal ich denke, dass ich keine Chance hätte, dir einen anderen Einrichtungsstiel nahe zu bringen", grinste er ihn nun an.
„Der Grund für mein Kommen? Nun, ich hatte einfach nur das Gefühl, ich müsste mich mal wieder mit dir unterhalten. Du warst schon einige Male nicht mehr bei unseren Treffen?", er musterte ihn nun eindringlich und Severus stöhnte auf.
„Sicher und du kennst genau so gut, wie ich, die Gründe dafür. Ich kann während dem Unterricht nicht einfach verschwinden. Das würde sofort auffallen. Warum trefft ihr euch nicht wieder Nachts, wie es bisher immer den Fall war?", knurrte Severus ihn zerknirscht an.
„Ich habe leider keinen Einfluss darauf im Moment, denn der Lord war es jedes Mal selber, der uns die letzten Male gerufen hat", erklärte Lucius ihm jetzt, doch als er Severus fragendes Gesicht sah, hob er beschwichtigend die Hand.
„Keine Sorge, mein Freund. Ich habe dem Dunklen Lord deine prekäre Lage erklärt und du weißt doch, mein Wort zählt sehr viel bei ihm", er hob eine Augenbraue.
„Ja, das weiß ich und ich bin dir auch sehr dankbar dafür. Du weißt, es ist sowieso nicht leicht unter der Nase von Albus Dumbledore. Er überwacht fast jeden meiner Schritte", erklärte er ihm nun.
„Das ist mir durchaus bewusst. Und auch der Grund, warum ich dich bei IHM entschuldigt habe."
Severus nickte kurz dankbar und sah seinen Freund dann einen Moment nachdenklich an, denn für gewöhnlich hatte dieser immer einen Grund und wollte etwas, wenn er auftauchte, vor allem um diese Uhrzeit. So konnte er es nicht glauben, dass es diesmal anders sein sollte.
„Darf ich dir etwas zu trinken anbieten?", fragte er Lucius, als eine Minute des Schweigens zwischen den Beiden eingetreten war.
„Im Moment nicht, Danke", gab er zurück und ging dann an einem der Regale entlang.
„Gut. Warum bist du wirklich hier?", fragte Severus ihn nun direkt.
„Du kennst mich wirklich gut, Severus. Doch diesmal muss ich dich enttäuschen. Ich bin wirklich nur gekommen, um mich einfach nur mit dir zu unterhalten, über alles und nichts. Es war einfach so ein innerer Wunsch, mit dir zu sprechen, da wir uns einige Zeit nicht mehr gesehen haben. Das ist wirklich alles", erklärte Lucius ihm und sah ihn direkt an. Dann ging er an den Regalen in dem Raum entlang, stieß mit dem Finger gegen ein großes Einmachglas, so dass das sich darin befindende Etwas, in einer gelblichen Flüssigkeit, hin und er zu schwimmen begann. Kurz beobachtete er das undefinierbare Etwas, ging dann aber weiter, die anderen Dinge musternd, die sich noch in dem Regal befanden. Langsam strich er mit seiner behandschuhten Hand über den Buchrücken, eines großen alten Buches und betrachtete die goldenen Lettern.
„Eine komische Sammlung, die du hier hast", gab er von sich, sich alles genau betrachtend und immer wieder mal mit den Fingern berührend.
„Alles Dinge, die ich für meinen Beruf brauche", gab Severus kurz als Erklärung.
„Wie macht sich eigentlich Draco? Gibt er sich Mühe?", fragte Lucius und wandte sich wieder zu Severus um.
„Draco? Nun meiner Meinung nach könnte er, wenn er noch ein wenig mehr lernen würde, seine Noten noch ein ganzes Stück verbessern. Doch ich habe manchmal das Gefühl, er denkt in der Beziehung, wie sein Vater damals, als er noch Schüler war: Wozu sich anstrengen, seine berufliche Zukunft steht sowieso schon fest." Über Lucius Gesicht huschte ein Lächeln, bei den Worten seines Freundes.
„Wie der Vater, so der Sohn", gab er süffisant zurück.
„Da könntest du in der Tat recht haben, er hat sehr viel von dir." Severus lehnte sich nun gegen seinen Schreibtisch und verschränkte die Arme vor seine Brust, während er Lucius weiter dabei beobachtete, wie dieser langsam durch sein Büro marschierte und immer wieder Blicke auf die Gegenstände in seinen Regalen warf, mal sehr interessiert und dann wieder geradezu angewidert, wenn er auf eingelegte Fischaugen oder sonstige Tierinnereinen sah.
„Wie geht seine ...", Lucius musterte Severus bei dieser Frage genau, „Ausbildung voran?", wollte er dann wissen und Severus verstand sofort, was dieser meinte.
„Er scheint ein großes Talent zu entwickeln und sehr schnell zu begreifen. Ich bin mir sicher, dass du sehr zufrieden mit ihm sein wirst", war die Antwort des Zaubertränkemeisters, der nun in ein lächelndes Gesicht blicken konnte.
„Ich bin dir sehr dankbar, dass du dich seiner annimmst, Severus. Doch das weißt du ja. Zuhause habe nicht die Möglichkeiten und dieses verdammte Gesetzt, was minderjährigen Zauberern verbietet, außerhalb von Hogwarts und in den Ferien zu zaubern, erleichtert mir meine Erziehung nicht gerade", brummte Lucius missmutig.
„Das verstehe ich nur allzu gut. Sag Lucius, würde es dir etwas ausmachen, wenn ich, während wir uns weiter unterhalten, an einem Trank weiterarbeite? Ich sollte ihn noch fertig machen", fragte er und deutete kurz auf eine kleinen Versuchsanordnung auf einem Tisch, in der Ecke des Raumes. Eigentlich musste er ihn nicht fertig machen, aber er verspürte irgendwie den Wunsch, seine Hände zu beschäftigen.
„Nein, lass dich nicht stören. Mach nur", gab er gleichmütig zurück, woraufhin Severus kurz nickte, zu dem Tisch hinüber ging und Lucius ihm neugierig folgte.
Mit einem kleinen scharfen Messer, dessen Griff aus einem Knochen hergestellt worden war, begann Severus eine Pflanze ganz fein zu zerkleinern, bevor er sich eine Wurzelknolle vornahm, von der er ebenfalls kleine Stücke abschnitt und auch diese in sehr kleine Teile schnitt.
„Ich bewundere deine Fingerfertigkeit, mein Freund. Es ist erstaunlich, wie leicht dir das hier von der Hand geht, ich würde wohl Stunden brauchen und es immer noch nicht so hinbekommen", gab Lucius zu seinem Erstaunen von sich und Severus sah ihn kurz an, bevor er weitermachte.
„Du scheinst zu vergessen, dass ich damit mein Geld verdiene. Ich mache das jeden Tag und es wäre doch erbärmlich von mir, wenn ich es nicht beherrschen würde, nicht wahr?" Severus Lippen kräuselten sich leicht, als er erneut in das Gesicht seines Freundes blickte, der ihn bei seinem Tun genau beobachtete.
„Damit hast du allerdings Recht, doch ich glaube, du beherrscht alles, was du tust sehr gut", gab Lucius nun zurück und erntete von Severus einen kurzen überraschten Blick.
„Ein Lob? Und das aus deinem Mund?"
„Ach Severus, Severus. Du weißt genau, dass ich dich dafür bewundere, was du kannst. Auch..., " er hob eine Augenbraue, „... auch, wenn ich es nie zugeben würde."
Es war komisch für Severus, er war solche Worte von ihm nicht gewohnt und so blieb es nicht aus, dass er ihn doch leicht perplex musterte.
„Sieh mich nicht so an. Auch ich brauche ab und zu jemanden, mit dem ich offen reden kann. Dir wird es doch da wohl auch nicht anders ergehen?", fragte er ihn und setzte sich in den großen bequemen Sessel, der gleich neben dem Tisch stand.
Die zerkleinerten Zutaten in eine kleine Porzellanschale werfend und mit dem Mörser zerkleinernd, sprach Severus weiter.
„Das kommt bei mir so gut wie nie vor. Doch es ehrt mich, dass ich derjenige bin, mit dem du ein offenes Wort reden möchtest", antwortete er ihm. Immer wieder drehte er den Mörser in der Schale und zermalmte die Zutaten, bis diese nur noch feinstes Pulver waren.
Lucius ließ sich nach hinten gegen die Sessellehne sinken und stützte seine Hand am Knauf seines Stockes, ein Schlangenkopf, dessen Maul offen stand und sich daraus eine lange gespaltene Zunge wandt, auf.
„Wie geht es Narcissa?", fragte Severus, als Lucius einige Zeit geschwiegen und ihm nur dabei zugesehen hatte, wie er das Pulver in einer Flüssigkeit aufzulösen begann.
„Sie ist mal wieder unterwegs, Verwandte besuchen. Schon seit ein paar Wochen", knurrte er und machte eine abfällige Handbewegung dabei.
„Oh, das erklärt so einiges. Dann leidet euer Eheleben wohl im Moment gewaltig?", fragte Severus mit einem gespielten Bedauern in der Stimme.
„Eheleben ist gut", sagte er abfällig. „Was das anbelangt, das hole ich mir schon lange woanders. Aber wo wir gerade dabei sind. Wie sieht es denn bei dir mit Frauen aus? Hast du was am laufen?", wollte Lucius nun neugierig wissen.
„Lucius, du weißt wie vielbeschäftigt ich bin. Selbst wenn ich wollte, hätte ich keine Zeit für eine Frau", gab Severus nur knapp zurück und werkelte weiter an seinen Apparaturen herum.
Lucius musterte ihn und er tat ihm fast schon leid, als ihm etwas einzufallen schien.
„Aber sag mal. Damals, du weißt doch noch, an dem einen Abend, nach unserem Treffen, wo ich dich mitgeschleppt hatte, in diesen Pub?", begann er und Severus wandte überrascht den Kopf. Er wusste genau worauf dieser anspielte, doch stellte er sich in dem Moment einfach dumm und tat so, als wisse er nicht, was er meinte.
„Severus, erzähl mir doch nichts. Diese Schwarzhaarige! Du weißt doch, die Kleine, die dich den ganzen Abend angeschmachtet hat", fuhr er fort und konnte ein Grinsen nicht mehr verhindern.
„Was meinst du?", fragte Severus nun nach, während er einen Kolben, mit einer Flüssigkeit darin, zu schütteln begann.
„Jetzt tu nicht so. Du weißt genau was ich meine. Ihr Beide seid an diesem Abend so plötzlich verschwunden. Du willst mir doch nicht weiß machen, dass das Zufall war", Lucius hatte sich wieder nach vorn gebeugt und sah ihn eindringlich an, doch Severus blickte ihn immer noch mit einem Ausdruck an, als wolle er ihm sagen, er hätte keine Ahnung, worüber er überhaupt sprach.
„Du bist und bleibst ein ausgefuchster Hund, Severus. Der Kavalier genießt und schweigt. Nicht wahr?" Grinsend hatte er sich wieder gegen die Lehne sinken lassen und spielte nun mit seinem Stock zwischen den Händen.
„War sie wenigstens gut?", wollte er nach einer kurzen Pause des Schweigens wissen.
Severus blickte ihn mit zusammengepressten Lippen einen Moment an.
„Du gibst wohl nie auf?"
„Nein, mein Freund. Mich würden brennend die Einzelheiten interessieren", bohrte Lucius lächelnd weiter.
„Vergiss es", wehrte er ab.
„Ah! Du gibst also zu, dass du was mit ihr hattest!" Er setzte sich bei diesen Worten wieder auf und deutete mit seinem Finger auf Severus.
„Ich gebe gar nichts ...", begann er, doch als Lucius seine Augenbraue hob und ihn abwartend anstarrte, winkte Severus ab.
„Nun komm schon, lass mich nicht im Ungewissen, du weißt, wie ich es hasse, dir jedes Wort aus der Nase ziehen zu müssen." Lucius Worte klangen schon beinnahe ungehalten und Severus gab mit zerknirschter Miene nach.
„Ist ja gut, du hast Recht. Bist du jetzt zufrieden?"
„Nein, ich sagte doch, ich will Einzelheiten", bohrte er weiter und sah ihm hinterher, als er zum Waschbecken ging, um seine Hände zu waschen. Severus kannte die Hartnäckigkeit, seines Freundes. Doch er selber war noch hartnäckiger und hatte im Grunde nicht vor, ihm etwas zu erzählen. Er war kein Mensch, der solche Erlebnisse heraus posaunte, doch wenn er Ruhe haben wollte, würde er ihm wenigstens etwas liefern müssen, das ihm klar.
„Nun?", hakte er noch einmal nach. Severus trocknete sich die Hände ab und drehte sich wieder zu ihm.
„Einzelheiten also?", begann er und fing an zu überlegen.
„Sie hatte sehr geschickte Finger, die sie überall hatte, bevor ich es überhaupt bemerkte. So hat das Ganze eigentlich auch angefangen, als ich sie dabei erwischt hatte, dass sie mir meinen Beutel mit dem Geld stehlen wollte."
„Sie wollte dich beklauen?", warf Lucius überrascht ein.
„Ja, stell dir vor. Doch das hab ich ihr ganz schnell ausgetrieben und das hat sie wohl dann etwas missverstanden", seine Mundwinkel hoben sich leicht, bei dem Gedanken, an das Geschehene.
Er hielt immer noch das Handtuch in seinen Händen, als er weitersprach.
„Sie wollte das mit mir in Ruhe klären, woanders, wo nicht so viele Leute waren. Sie wollte kein Aufsehen, deswegen. Tja, aber kaum, dass sie die Türe des Zimmers geschlossen hatte, hatte sie erst sich und dann mich ausgezogen", fuhr er fort und hängte das Handtuch wieder an seinen Platz.
„Und den Rest kannst du dir ja denken", wollte er das Thema beenden und ging wieder zu seinem Tisch zurück.
„Ich würde es aber lieber von dir hören, als es mir vorstellen zu müssen!"
