Disclaimer: Sämtliche in dieser Story agierenden Charaktere sind Eigentum J.K. Rowlings. Mir gehört nix davon. (Leider!) Diese Geschichte dient allein der Unterhaltung der Leser, Profit aus ihr zu schlagen, widerspricht meinen ausdrücklichen Wünschen.
Kurzinfo
Titel: Der Kern der Magie
Autor: grey-wings
Rating: PG-13 (Änderungen vorbehalten; Warnungen werden an entsprechender Stelle gegeben)
Kontakt: grey-wingsweb.de
Kurze Inhaltsangabe: Post OotP; Harrys Sommer – ohnehin von Trauer und Schuldgefühlen geprägt – wird abrupt unterbrochen, die Schutzzauber im Ligusterweg werden durchbrochen. Die folgenden schmerzvollen Erfahrungen haben nur ein Gutes: ein guter Freund hilft ihm auf etwas unorthodoxe Weise. Aber wann hat sich SB auch jemals an die Regeln gehalten? Bleibt noch die Frage: Was ist dieses seltsame, weiß-leuchtende Zeug tief in Harry drin? Und wieso zur Hölle bekommt er ausgerechnet von seinem verhassten Zaubertränkelehrer Hilfe?
Pairing: schau mer mal
Angefangen Nov. 2004 - ? (Daher warne ich gleich vor: Neue Chaps gibt's immer erst, wenn ich meine Arbeiten fürs Studium beendet habe. Von wegen: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Habe aber einige Chaps vorgearbeitet, brauche nur noch einen vernünftig ausformulierten Schluss. Ach ja, das ist meine erste HP-FF, nur so als weitere Vorwarnung.)
„…" Gespräch
‚…' Gedanken bzw. … (na, das verrate ich später noch)
kursiv Träume, Briefe oder Zitate aus OotP
1. Der graue Vorhang
Der graue Vorhang flüsterte verführerische Worte. Stimmen. So viele Stimmen riefen ihn, lockten ihn, säuselten Unverständliches. Was wollten sie von ihm? Nur noch ein paar Schritte und er wäre durch den Torbogen. Nur einige wenige Schritte und er könnte sie deutlich verstehen, würde sich in die Sicherheit ihrer Farblosen Umarmung fallen lassen können. Nur einige wenige Schritte! Einige wenige Schritte und er würde Sirius wieder sehen.
Sirius.
Sein Gesicht, erst lachend, dann verblüfft. Seine Gestalt, erst voller Energie, dann erstarrt.
Sirius.
Der hinter den Vorhang fiel.
Harry streckte den Arm nach ihm aus, rannte zu ihm, wollte ihn halten, seinen Fehler wieder gutmachen. Er konnte es noch schaffen, nur einige wenige Schritte. Er müsste einfach nur schnell genug sein.
Doch kaum setzte er sich in Bewegung, erschien die Entfernung unüberbrückbar, wurde weiter und weiter. Mit grauenvollem Entsetzen sah er das unklare Wehen des Vorhangs. Nur die erstarrte Gestalt, das verblüffte Gesicht blieben deutlich. Schweiß rann ihm eiskalt am Körper entlang, während er rannte und rannte. Seine Brust schmerzte, als würden sich ihm tonnenschwere Lasten entgegenstemmten, seine Beine brannten vor Anstrengung und seine Kehle fühlte sich an, als würde er Eis atmen. Schneller, er musste schneller werden, immer schneller. Doch die Entfernung wurde umso größer, je mehr er sich anstrengte.
Eine Warnung! Er musste Sirius nur warnen, dann würde er sich vorsehen. Dann würde nichts geschehen. Er würde den Torbogen sehen, sich in Acht nehmen, ihn nicht verlassen. Doch alle Mühe war vergebens, sein Hals wie abgeschnürt.
Jemand hielt ihn fest! Wer wagte es, ihn festzuhalten, wo er doch Sirius warnen musste! Er quetschte alle Luft, die ihm noch zur Verfügung stand, durch seine Lungen nach oben und …
„Sirius!", schreiend fuhr Harry Potter aus dem Schlaf, den Arm noch immer sinnlos vor sich ausgestreckt. Da war nichts als Luft. Leere.
Wimmernd sackte der Junge in sich zusammen, verschloss die Augen vor der Realität und riss sie doch sofort wieder auf. Jede Nacht dieselbe Szene, derselbe Ort. Nie. Nie im Leben hätte er derart leichtsinnig und unverantwortlich in die Ministeriumsabteilung einbrechen dürfen. Hereingelegt von Voldemort, der ihm eine falsche Vision gesandt hatte. Beinahe sehnte sich Harry nach diesen Visionen, die seine Narbe, seinen gesamten Körper schmerzen ließen. Er hatte den Schmerz verdient und musste für seine Schuld an Sirius' Tod, den Verletzungen seiner Freunde, seine eigene Dummheit sühnen.
Erst seine Eltern, die für ihn starben, dann Cedric, der sein Leben lassen musste, weil Voldemort ihn, Harry, für seine Auferstehung auserkoren hatte und jetzt Sirius. Sein Patenonkel, seine einzige Verbindung zu seiner Familie, der einzige Mensch, der Harry liebte, eben weil er Harry war. Nicht wegen irgendeiner Prophezeiung, die er ohnehin nie würde erfüllen können. Er fühlte sich derzeit ja nicht einmal in der Lage, sich gegen seinen Cousin Dudley zu wehren.
Kraftlos starrte er durch das vergitterte Fenster in die leere Nacht, die Einsamkeit der Schuldigen schlug über ihm zusammen wie ein Meer aus Verwünschungen, die alle ihm galten. Er konnte es nur zu gut verstehen. „Sirius, es tut mir leid.", flüsterte er dem hellsten aller Fixsterne entgegen, wartete und wusste doch nicht worauf. „Ich brauche dich. Ich schaffe das nicht. Alles ist so leer." Und kalt, fügte er in Gedanken hinzu.
Seit über einer Woche war er bereits wieder im Ligusterweg, umgeben von seinen Verwandten, die ihn gewissenhaft ignorierten, es sei denn, sie trugen ihm irgendeine sinnlose Arbeit im Garten auf. Da hockte er dann in den Beeten, zupfte Unkraut, versuchte an nichts zu denken, nichts zu fühlen und fröstelte trotz der schwülen Hitze des Sommers. Alles war kalt und er hatte die dunkle Ahnung, ihm würde es im Leben nicht mehr warm werden. Denn worauf sollte er hoffen? Die anderen hofften auf ihn. Und er? Er fühlte sich zerrissener denn je in seinem gesamten Leben. Würde er Täter oder Opfer sein? Und als er an Sirius dachte, wurde ihm das erste Mal in voller Deutlichkeit bewusst, dass er bereits indirekt zum Täter geworden war.
Als die ersten goldenen Schimmer als Vorankündigung der Sonne am Horizont erschienen, wandte Harry sich angewidert ab. Wie konnte sie noch strahlen? Wie konnte sie den Anblick dieser sinnlosen Welt ertragen? Er konnte es nicht.
Wie ein Schatten seiner selbst schlich er unhörbar ins Bad durch einen Flur, der unnormal sauber war. Er sah die dunklen Augenringe, die fahle Haut, die eingefallenen Wangenknochen seines Spiegelbildes – Resultat dessen, dass er seit Tagen kaum noch etwas aß, weder hatte er Lust darauf, noch konnte sein Magen es lange bei sich behalten. Es war offensichtlich, dass inzwischen die größte Angst der Dursleys darin bestand, Harry könnte auf den Gedanken kommen und alle Leute immer wieder darauf hinweisen, er wäre mit ihnen verwandt. Denn im Gegensatz zu diesem respektablen Rest seiner Familie konnte man ihn ohne Bedenken zur Kategorie Freak oder noch schlimmer Psycho zählen. Sein Äußeres passte sich diesem Ruf bestens an. Seine Haut war so blass, als wäre sein gesamter Körper blutleer, zudem ein Körper, der viel zu schmal und knochig war, nur seine Haare sprossen wild umher und bildeten durch ihr Schwarz einen strengen Kontrast zu seiner Blässe. Allein seine Augen behielten ihr tiefes Grün, obwohl das Strahlen lange verschwunden war. Sie zeugten von einer Zerrissenheit, die ihn als einen Menschen kennzeichneten, der zu früh mit der Realität einer schicksalhaften Existenz konfrontiert worden war.
Harry ging zurück ins Bett. Dort schlug er sich die Decke über den Kopf, rollte sich zusammen und fragte sich, wie lang das noch so weitergehen würde. Wie lange würde er es aushalten können? Die Trauer erstickte ihn, schnürte ihm die Kehle ab, heftiger Druck hinter seinen Augen ballte sich zusammen. Doch er konnte nicht weinen. Seitdem er aus Dumbledores Büro gekommen war, hatte er keine Tränen mehr.
Der Gedanke an Dumbledore ließ ihn zusammenfahren. ‚… und der Eine muss von der Hand des Anderen sterben, denn keiner kann leben, während der Andere überlebt …'1, erklang es rau und heiser in seinem Kopf. Er oder Voldemort. Entweder er mordete oder wurde ermordet. In einem Anflug von bitterem Zynismus dachte er, letzteres sei wohl wahrscheinlicher.
Wahrscheinlicher? Es war verdammt noch mal Gewissheit! Fünf Mal war er Voldemort entkommen, dafür waren seine Eltern, Cedric und zuletzt Sirius draufgegangen. Nicht zu vergessen die Verletzungen, die sich seine Freunde bei seinem kindischen, dummen Heldeneinsatz zugezogen hatten. Konnte er nicht ein Mal, ein einziges Mal nur auf Hermine hören? Konnte er nicht ein Mal sein ‚Menschen-Rettungs-Ding' sein lassen? Aber nein! Er war sich ja soooo sicher gewesen! Hätte er doch nur Okklumentik gelernt, hätte er seine Übungen gemacht, hätte er seinen Groll Snape gegenüber überwinden können, dann … Wie oft hatte er diese Liste im Kopf inzwischen schon aufgestellt. Titel: Welche Fehler ich gemacht habe oder warum es meine Schuld ist, dass Sirius starb und meine Freunde verletzt wurden …
Seufzend stand er beim Gedanken an seine Freunde auf und ließ sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch fallen. Er musste ihnen endlich antworten. Bislang hatte er es lediglich geschafft, alle zwei Tage eine beruhigende Nachricht (Bin okay. Nichts Ungewöhnliches. Harry) an Remus Lupin zu schicken, und das auch nur, weil ansonsten der halbe Orden hier aufgetaucht wäre, um zu sehen, ob es Harry auch gut ging.
‚Ja, natürlich würden sie auf ihn Acht geben!', meldete sich erneut die bittere Stimme in seinem Inneren. ‚Schließlich mussten sie auf ihre Chance gegen Voldemort aufpassen.' Er sollte laut Prophezeiung derjenige sein, der den Dunklen Lord, den mächtigsten Zauberer ihrer Zeit, würde ausschalten können? Wenn sie sich da mal nicht irrten! Den einzigen, denen er bislang gefährlich geworden war, waren die Menschen, die ihm nahe standen, und das Gartenunkraut. Nachdenklich nahm er Hermines Brief ein weiteres Mal in Augenschein. Eigentlich hörte es sich nicht so an, als würde sie ihm Vorwürfe machen, aber etwas war seltsam an dem Geschriebenen …
Harry!
Warum meldest du dich nicht? Behandeln dich die Dursleys schlecht? Professor Lupin sagt, dem wäre nicht so, aber mehr Auskünfte konnte oder wollte er uns auch nicht geben. …
Uns? Wer war ‚uns'? Waren Hermine und Ron wieder im Grimmauldplatz? In Sirius' Haus …
Harry brauchte eine Weile, um sich auf die Worte zu konzentrieren, ehe er es aufgab, den Brief weiter zu lesen. Hermine versicherte ihm, er könne immer mit ihr reden („den Ballast von der Seele" oder irgendeinen ähnlichen Mist). Verdammt noch mal! Er wollte nicht reden, sondern einfach Augen und Ohren vor allem verschließen, um sich selbst aus dem Geschehen ausklinken zu können. Manchmal fragte er sich, was passieren würde, wenn er einfach verschwand. Er könnte in der Muggelwelt untertauchen, da wo niemand ihn finden würde … irgendeine Möglichkeit musste es doch geben, diesem ganzen Prophezeiungskram zu entkommen. Wenn er nicht im dritten Schuljahr selbst eine dieser wahren Voraussagen von seiner Wahrsagelehrerin Professor Trelawney erhalten hätte, würde er auch diese neue Prophezeiung schlicht und einfach als Unsinn abtun. Leider war das nicht so einfach, selbst Dumbledore zweifelte nicht an der Echtheit dieser sehr speziellen Prophezeiung.
Ein lautes Rumpeln erklang im Flur, Dudley donnerte mit der Faust gegen Harrys Tür und brüllte, er solle seinen faulen Arsch aus dem Bett heben. Harry verdrehte nur genervt die Augen. Sein bisherigen Erfahrungen mit der Muggelwelt sollten als Gegenargument für seinen vagen Plan schon ausreichen, wenn ihn nicht sogar völlig zum Einsturz bringen.
Allerdings kam Harry allmählich zu der Überzeugung, dass die Zaubererwelt auch nicht mehr das Zuhause war, das er in den vergangenen fünf Jahren darin gesehen hatte. In den letzten Wochen hatte sich seine Perspektive unangenehm schnell verschoben. Natürlich war er ein Zauberer, doch was hatte er davon, ein Zauberer ohne Aussicht auf ein normales Leben zu sein? Die Narbe auf seiner Stirn war lediglich das äußere Merkmal dafür, dass er bereits seit seinem ersten Lebensjahr gezeichnet war. Wahrscheinlich hatte es jemandem Spaß gemacht, mit seinem Schicksal zu spielen. Schicksal, ein reichlich großes Wort für einen durchschnittlichen 15-Jährigen, entschied Harry. Vielleicht würde er in weiteren 15 Jahren etwa halb so viel wissen wie Albus Dumbledore, der einzige Zauberer, den Voldemort je gefürchtet hat. Allerdings bezweifelte Harry, die Chance zu erhalten, so alt zu werden. Voldemort hatte bereits bewiesen, dass ihm keine Anstrengung zu groß war, um ihn in seine Hände zu bekommen.
Eine Viertelstunde später kaute er missmutig an einem trockenen Toast und rupfte mit der freien Hand Unkraut aus dem Boden. Der Retter der Zaubererwelt! Beim Unkrautjäten! Hah! Darin würde er Voldemort um Längen schlagen, sie sollten es wie einen sportlichen Wettkampf austragen. Wer zuletzt mit seinem Beet fertig war, durfte sich selbst umbringen.
Ein Hund bellte in der Nachbarschaft und Harry spürte erneut den Kloß in seinem Hals. „Sirius…"
Erneut legte sich der graue Vorhang um seinen Geist, seine Seele. Selbst gewobene Netze aus Schuldgefühlen, erstickender Trauer und Angst vor der Zukunft spannen ein weiteres Band zu ihrer Undurchdringlichkeit. „Kannst du mir jemals verzeihen?"
Fußnoten:
1 Rowling, JK: Harry Potter und der Orden des Phönix; Carlsen Verlag; Hamburg 2003; S. 987
… wird fortgesetzt …
Please R&R