18. High on Emotion

Nymphadora Tonks war eine resolute Frau, und wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann konnte man sie kaum wieder davon abbringen. Sie hatte nicht gedacht, dass sie sich in ihrer Meinung täuschen konnte, aber ein Severus Snape hatte sie eines besseren belehrt. Nachdem sie – buchstäblich – am harten Boden der Realität gelandet war, sah sie die Welt (und ihr traurigerweise nicht existentes Liebesleben) von einem anderen Winkel.

Tonks schnüffelte. Wieso konnte Severus sie nicht auch mögen? War sie wirklich so abstoßend? Es war so unfair. Sie hatte sich auf die erste Beleidigung verliebt, aber Severus gab ihr noch nicht einmal eine Chance.

Tonks ballte ihre Hände zu Fäusten. Sie würde ihm schon noch zeigen, was er verpasste.

Damit machte sich Tonks auf den Weg zum Krankenflügel, um Harry, der sich auch erkältet hatte (wie Hermione und Ron, die sie zufällig im Gang gesehen hatte, ihr erzählt hatten), einen Besuch abzustatten.

"Armer Junge..."

Severus Snape war ziemlich high on emotion an diesem Montagmorgen. Er konnte Punkte wegen Zuspätseins von Gryffindor abziehen – und das sogar zwei Mal. Granger und Weasley waren alles, was Severus brauchte, dass er sich wieder besser fühlte nach dem Horror beim Aufstehen. Nun war alles, was er noch benötigte, um als glücklicher Zauberer zu sterben, dass Harry Potter es wagte, sogar noch später als seine treuen Anhängsel aufzukreuzen oder noch besser: er müsste zurückreden, wenn er dem Jungen sagte, dass er seinen (zugegebenermaßen sehr nötigen) Schönheitsschlaf etwas zurückschrauben sollte. Die Gryffindor-Punkte wären schneller im Negativ als das Balg denken konnte, dass der Tränkemeister unfair war.

Severus gackerte böse, was Hermione dazu veranlasste, einen Schritt nach hinten zu machen. Ron nahm ihren Arm und zog sie zu ihren Plätzen. Er murmelte etwas, dass Snape noch seltsamer war und dass er nicht in seiner Nähe sein wollte, wenn endlich alle seine Tassen den Schrank verließen. Hermione nickte betäubt; das machte Sinn. Aus die Maus also für die Aussicht auf einen verliebten Snape.

"Wo ist unsere Lieblingsberühmtheit überhaupt?" fragte Snape dann und beäugte sie kühl. "Ist ihm nicht nach einer – praktischerweise gekürzten – Zaubertränkestunde zu Mute?"

"Falls Sie Harry meinen, Sir", sagte Hermione wobei sie versuchte, das Knurren aus ihrer Stimme zu halten, "der ist krank. Ron und ich haben ihn ins Krankenzimmer gebracht. Darum haben wir auch-" Sie wollte noch hinzufügen, dass sie darum auch nicht rechtzeitig da sein konnten, aber Snape schnitt ihr geschmeidig das Wort ab.

"Ja, darum hat euer Haus auch zwanzig Punkte verloren. Hat der liebe Potter den Weg zum Krankenflügel nicht alleine gefunden? Seltsam, wenn man bedenkt, wie oft er schon bei Pomfrey war, nicht wahr? Er müsste sich dort doch schon fast Zuhause fühlen. Oder war er zu krank? Muss wohl der Ruhm sein, der ihm endlich zu Kopf gestiegen ist, eh?" Snape grinste selbstzufrieden und ließ das Kichern der Slytherins sein wundes Ego heilen. Da habt ihr's. Er war noch immer das unangenehmste Lebewesen auf Erden, und kein anderes Lebewesen würde sich in ihn verlieben wollen.

Snape hob eine herablassende Braue in Rons Richtung, forderte ihn heraus, zurückzureden, aber dieses Mal war Hermione schneller. Sie bedeckte den Mund des Rotschopfes mit ihren Händen und verhinderte dadurch weitere Punkteabzüge – nun ja, zumindest Punkteabzüge, die Rons Schuld waren.

Bevor Snape zu seinem Tisch zurückging, grinste er höhnisch und meinte gedehnt: "Und weitere zwanzig Punkte von Gryffindor für dieses offene Betatschen in meiner Zaubertränkeklasse. Bitte, für unser aller Willen, versuche deine Hände bei dir zu behalten, Miss Granger." Hermione lief knallrot an und zog ihre Hände zurück. "Braves Mädchen."

In der Zwischenzeit wurde Harry aus seinem (zuvor noch) ungestörten Schlummer gerissen als ein plötzliches Krachen, ein mädchenhaftes Kreischen und dann ein paar gehetzte Entschuldigungen erklangen. Nennt es seine neu erwachten Wahrsage-Fähigkeiten, er wusste einfach, dass Tonks ihm gerade einen Besuch abstattete.

Er schlug ein verschwommen sehendes Auge auf und wurde mit einer bekannten Ansicht begrüßt: Eine knallbunte Tonks war inmitten einem Haufen zerbrochenen Stücken (Harry konnte nicht sagen, was der Metamorphmagus vorhin zerschlagen hatte) und versuchte, jemandem ihr Missgeschick zu erklären – in diesem Fall, Madam Pomfrey.

"Kannst du nicht etwas leiser sein?" zischte die Matrone. "Du wirst den armen Harry sicher aufwecken, wenn du deine tollpatschigen Hände nicht bei dir behalten kannst."

"Ich wollte nicht-"

"Zu spät!" schnappte Pomfrey als sie einen Blick zu dem liegenden Jungen warf. "Er ist schon wach! Bist du jetzt glücklich?" Sie stemmte ihre Hände in die Hüften und schnaubte verärgert.

"Es tut mir leid", sagte Tonks und klang dabei den Tränen schrecklich nahe. "Ich wollte nur-"

"Es ist in Ordnung, Madam Pomfrey", sagte Harry und kämpfte sich umständlich in eine sitzende Position. "Ich habe nicht geschlafen." Er lächelte über Tonks' dankbaren Blick.

Pomfrey starrte ihn finster an. "Na schön", sagte sie und beäugte die beiden misstrauisch. "Du hast fünf Minuten. Harry braucht seine Ruhe. Nachdem der verflixte Poltergeist beinahe meine gesamten Zaubertränkevorräte zerstört hat, müssen wir wieder auf die Muggel-Variante des Heilens zurückgreifen. Und Schlaf ist, wie jeder wissen sollte, die beste Medizin." Mit einem grimmen Gesichtsausdruck drehte sich Pomfrey auf ihrem Absatz um, ging wieder in Richtung ihres Büros und ließ die Bruchstücke mit einer achtlosen Bewegung ihres Zauberstabes verschwinden.

"Ist nicht Lachen die beste Medizin?" versuchte Harry die Stimmung ein wenig zu entspannen. "Nicht, dass Pomfrey das wissen würde..." Seine Stimme verlor sich, als er realisierte, dass Tonks ihm nicht einmal zuhörte. Sie hatte einen verlorenen Ausdruck auf ihrem Gesicht und ihr Kiefer zitterte leicht. Harry hoffte, dass sie nicht anfangen würde, zu weinen – er wusste nicht, ob er nicht auch in Tränen ausbrechen würde, nun da sein Freundin-Plan nicht zur Realität werden würde.

"Was ist los?" fragte er schniefend.

"Nichts", sagte Tonks schnell. "Überhaupt nichts. Wie geht's dir?" Sie reichte dem Jungen ein Taschentuch, was er dankbar annahm.

"Mir ist nur ein wenig schwindelig und-" Harry stoppte da er seine eigene Stimme nicht mehr über Tonks' plötzliches Schluchzen hören konnte.

"Es tut mir leid", flennte sie. "Es tut mir so leid, dass ich dich geweckt habe mit meinem tollpatschigen-" schluchzte sie.

"Ist schon okay", sagte Harry unwohl.

"Nein, ist es nicht. Poppy hat Recht... Ich bin ein tollpatschiger Idiot... Ich kann nicht mal fünf Minuten irgendwo sein ohne das totale Chaos auszulösen... Kein Wunder, dass er mich nicht mag-" Und hier brach Tonks komplett zusammen. Sie fiel neben Harrys Bett auf die Knie und vergrub ihr Gesicht in den gestärkten Laken. Ihre Schultern bebten und ihre orangefarbenen Zöpfe hüpften.

Harry war momentan mit der Situation etwas überfordert. Eine Sekunde schlummerte er noch friedlich vor sich hin, und in der nächsten sah er sich mit einem flennenden Bündel Verzweiflung konfrontiert. Vorsichtig legte er eine Hand auf Tonks' Kopf und fühlte wie sie sich kurz verspannte, dann aber unter der zärtlichen Berührung entkrampfte.

"I-ich will nicht klagen und dir alle meine Probleme aufbürden, Harry", schluchzte die kleine Hexe. "Du hast schon genug zu tun mit..."

"Schule?" schlug Harry vor als Tonks still wurde. "Kein Voldemort mehr, erinnerst du dich?"

Tonks kicherte trocken. "Ich hab's tatsächlich vergessen. Wie peinlich; nicht, dass das so eine Überraschung ist..."

"Hey", versuchte Harry seine weinende Freundin zu beruhigen. "Du kannst es mir sagen, weißt du? Was ist los? Ich meine, es hat dich doch früher auch nicht gestört, tollpatschig zu sein – was dir wirklich steht."

"Aber er – er will nicht..." Tonks zog einen zitternden Atemzug ein. "Das erste Mal als er mich gesehen hat, hat er gesagt, ich wäre ein tollpatschiger Idiot... und ich habe nichts gemacht, um dieses Image zu verbessern..."

"Er?" fragte Harry vorsichtig. Er fühlte Ärger im Paradies. "Wer ist er? Vielleicht kann ich dir helfen."

"Ich kann's dir nicht sagen", schniefte Tonks. "Du hasst ihn. Dann wirst du mich auch hassen. Aber ich bin ein tollpatschiger Trottel, also sollte es sowieso nichts machen, weil mich ja eh schon jeder hasst..."

"Das ist nicht wahr", widersprach Harry. "Du hast haufenweise Freunde. Und du könntest jeden haben, den du willst", fügte er hinzu, da er das irgendwo mal gelesen hatte.

"Aber nicht den, den ich will!"

'Ist das nicht immer so?' dachte Harry. "Wen willst du denn? Ich bin mir sicher, dass ich ihn nicht hasse."

Tonks wurde ruhig, schniefte noch ein paar Mal, und dann drehte sie ihren Kopf, um Harry mit glitzernden Augen anzusehen. "Er ist..."

"Er ist...?" stocherte Harry, ein leichtes Zwirbeln im Magen. Und als Tonks' Augen zuckten, wusste Harry es plötzlich (dank seiner unglaublichen Wahrsage-Fähigkeiten). Natürlich; Harry hasste ihn; der mysteriöse Mann wagte es, Tonks beim ersten Sehen als 'tollpatschigen Idioten' zu bezeichnen... Es machte alles Sinn. Harry wurde von Mitleid ergriffen.

"Es ist Snape, nicht wahr?" fragte er sanft. "Er ist derjenige, den du willst."

"Wie-?" Tonks war verwirrt und setzte sich auf die Fersen, weil ihre Knie langsam weh taten. "Woher weißt du das?"

"Muss wohl meine Innere Trelawney sein", witzelte der Junge – mehr oder weniger erfolgreich.

"Toll. Jetzt bin ich nicht nur ein tollpatschiger Idiot, sondern auch noch durchsichtig!" Tonks brach wieder zusammen und heulte los. Kurz wunderte sie sich, wo ihr Entschluss hin war, Severus zu zeigen, was er vermisste, wenn sie noch nicht mal vor Harry ihr Gesicht wahren konnte, aber das schrieb sie schnell emotionalen Stress zu. In den Armen eines Mannes aufzuwachen und nun beinahe in denen eines anderen zu weinen brauchte schließlich ein wenig Anpassung.

"Rede nicht so über dich. Und du bist nicht durchsichtig, Tonks, ich kenne dich nur zufällig sehr gut", sagte Harry tröstend. "Und wenn Snape dich genau so gut kennen würde wie ich, dann würde er mit dir zusammen sein wollen, da bin ich mir sicher."

"Aber er will mich nicht", flennte Tonks.

Harry wusste nicht, was er darauf antworten sollte. "Es gibt viele Männer, die-"

"Ich will niemand anderen", sagte Tonks so ruhig wie sie konnte. "Verstehst du denn nicht, Harry?" Sie fing den Blick des Jungen auf und versuchte die Bedeutung ihrer Worte zu übermitteln. "Ich liebe ihn."

'Oh nein', dachte Harry schwach.

Ähnliche Gedanken schossen durch Severus Snapes Kopf als er nach hinten stolperte. Er ignorierte die verwirrten Blicke, die er von den Schülern erhielt, blockierte die gewisperten Fragen ob nun Neville Longbottoms Zaubertrank falscher als je zuvor war, wenn man ihn anhand Snapes Reaktion beurteilte.

Es war seine Siebtklässler-Zaubertränkeklasse, Gryffindor und Slytherin – wie konnte es auch anders sein? Neville Longbottom, Personifikation der Tollpatschigkeit (die selbst jemanden wie Tonks Welten zurück ließ), hatte in seinem Leben noch nie einen einzigen Trank richtig hinbekommen. Und da Granger mit Parkinson zusammen arbeiten hatte müssen, war es auch keine große Überraschung, dass er auch dieses Mal den Trank versaut hatte.

Es existierte eine große Anzahl von Wahrheitsseren (die berühmteste war natürlich Veritaserum), und eine Siebtklässer-Zaubertränkeklasse sollte fähig sein, etwas Komplexeres als die einfachste von allen zu brauen. Longbottom war nicht dazu fähig gewesen. Er war jedoch fähig gewesen, etwas anderes an dieser Stelle zu brauen – einen Trank, der eine ganz andere Wahrheit zeigte.

"Zehn Punkte", begann Snape, ballte seine zitternden Fäuste, und Neville zuckte zusammen als er an den drohenden Punkteabzug dachte, "für Gryffindor."

"Aber das ist nicht fair!" rief Ron, bevor sein Gehirn sich ganz um die Information winden konnte. Dann grinste er nervös als Snape seinen dunklen Blick in seine Richtung schweifen ließ und eine Braue hob. "Zehn Punkte für Gryffindor?" wiederholte er und äußerte damit die Überraschung aller anwesenden Schüler.

"Es werden gleich zehn Punkte von Gryffindor sein, falls du deinen Mund nicht sofort schließt, Mr. Weasley."

"Ja, Sir", sagte Ron wie betäubt.

Neville war noch immer gelähmt.

Snape brauste Richtung Tafel, sein Umhang wehend. Als er an Neville vorbeirauschte, fiel der Junge steif aus seinem Sitz und landete mit einem harten Knall am Boden.

"Neville!" rief Hermione und eilte zu seiner Seite wie der hilfreiche Gryffindor, der sie war. Sie schnappte seinen Kragen und schüttelte ihn, aber er erwachte nicht. Musste wohl zuviel Schock für sein Herz gewesen sein.

"Professor", sagte Hermione schnell. "Darf ich Neville ins Krankenzimmer bringen? Ich habe meinen Trank bereits-"

"Ich werde Mr. Longbottom rüberbringen", unterbrach Snape das Mädchen und überraschte sie somit so sehr, dass sie sprachlos war, was, was weithin bekannt ist, etwas sehr, sehr Rares war. "Ich vertraue darauf, dass niemand versuchen wird, einen Mitschüler umzubringen während ich weg bin? Stellt eure Tränke fertig und füllt eine Probe für mich ab."

Snape zauberte eine Liege her, hob den augenscheinlich versteinerten Jungen darauf und verließ dann das Klassenzimmer wobei die Liege vor ihm herschwebte.

Severus' Atem beschleunigte sich als er sich dem Krankenflügel näherte. Sein Verstand raste und er war sich nicht sicher, ob sein Gehirn alles richtig verarbeitet hatte, was er gesehen hatte. Er war das unangenehmste Lebewesen der Welt, das war todsicher, deswegen hatte er nicht glauben können, dass sich tatsächlich jemand in ihn verlieben könnte – und dann auch noch solch eine wunderschöne junge Hexe! Wie konnte Tonks nur das Verlangen spüren, ihn zu lieben? Ja, sie mochte vielleicht tollpatschig sein (und er bedauerte es sogar, sie einen Idioten genannt zu haben), aber sie war doch nicht blind!

Oder etwa doch...? Es würde sicherlich ihre dauernden Unfälle erklären.

Severus schob diese Gedanken beiseite. Nein, Tonks war schon fein, er hatte sogar etwas gefühlt als er an diesem Morgen in ihren Armen erwacht war. Niemand vor ihr hatte sich je die Mühe gemacht, um sein Wohlergehen sicherzustellen – außer Dumbledore, aber der zählte nicht, weil der Schulleiter sich um alle Menschen sorgte.

In den Armen eines anderen Menschen aufzuwachen war für den säuerlichen Tränkemeister ein ziemlicher Schock gewesen. Jedoch hatte er Tonks' Wärme auch genießen können, genauso wie ihre beruhigende Präsenz... und ihren Geruch.

Die Duftnote, die sie trug, war alles was es brauchte, um Severus' kleinen Traum platzen zu lassen. Er hatte sofort die Verbindung zwischen Tonks und seinem geheimen Verehrer gezogen. Bei der Erkenntnis war er wütend geworden. Wie konnte sie es nur wagen, ihn mit ihren verdammten Liebesbriefen zu terrorisieren? Severus hatte danach keinen einzigen ruhigen Augenblick mehr. Er nahm es nicht sehr gut auf, wenn sich jemand über ihn lustig machte.

Es war nicht bevor er die Szene gesehen hatte, die sich durch Nevilles Wahrheitsserum vor seinen eigenen Augen ausbreitete, dass er realisierte, was Tonks' wahre Gefühle waren. Er hatte nicht aufhören können, an sie zu denken, und obwohl er sich nicht sicher war, wieso er ausgerechnet diese Wahrheit sah, hätte Severus nicht dankbarer sein können. Und wenn es nicht seine Prinzipien gäbe (und die Tatsache, dass er diese ohnehin schon gebrochen hatte an diesem Tag indem er Longbottom zehn Punkte gab), würde er Potter auch ein paar Punkte zukommen lassen, da er da war für seine...

Er war sich nicht sicher, was es bedeutete. Bedeutete es überhaupt irgendetwas; das schnelle Schlagen seines Herzens, das Schwitzen seiner Handflächen, das Flattern seiner Nerven? Er wünschte sich, dass er eine kurze Frage an den "Frag Dumbledore"-Sozialservice schicken könnte – der alte Einmischer würde sicher wissen, was man in dieser Situation zu tun hatte.

Tonks lächelte traurig und steckte die Decke fest um Harrys schlafende Form. Selbst nach Voldemorts Niedergang lud sich der Junge viel zu viel auf – nicht, dass er eine große Wahl gehabt hätte, wenn Tonks ihn praktisch angegriffen hat. Sie konnte sich einfach nicht anders helfen. Mit seinen glasigen Augen und seiner geröteten Nase erinnerte der Junge sie so sehr an Severus, dass einfach alles aus ihr herausgesprudelt kam. Nun wusste Harry es, aber es machte nicht wirklich etwas aus, da er ein Geheimnis bewahren konnte.

Eine Tür knarrte auf, und Tonks drehte sich um, Madam Pomfrey erwartend. Jedoch war es nicht die Tür zum Büro der Krankenschwester, die aufschwang, sondern die, die auf den Gang führte. Und es war auch nicht Madam Pomfrey, die den Krankenflügel betrat, sondern Tonks' einziger Schmerzens- und Sorgengrund – und die Ursache ihres generell eher bemitleidenswerten Zustandes.

Sie wusste (irgendwo, tief in ihren gegenwärtig schwammartigen Hirn), dass sie atmen musste, um den nötigen Sauerstoff aus der Luft zu holen, um zu überleben, aber Tonks fand nicht die Kraft, dies zu tun, als dunkle Augen ihre suchten. Es wurde keine geheime Botschaft übermittelt – zumindest dachte Tonks das -; ihre Blicke hielten sich nur für einige Momente und als der Augenkontakt brach, konnte Tonks sagen, dass Severus' Blick keine Wut und keinen Ekel hielt wie an diesem Morgen, sondern etwas ganz anderes.

Schließlich sah Tonks die Liege, die mitten in der Luft flog und Neville Longbottom trug. Sie hatte den Jungen vorher gar nicht bemerkt, wegen Severus' unglaublicher Aura – kurzzeitig musste sie wohl für alles außer ihn blind gewesen sein.

Severus ließ die liegende Figur auf das nächste Bett schweben und ging dann direkt in Pomfreys Büro. Nur Sekunden später erschien die Schwester in vollkommenem Professionalitätsmodus.

"Du bist noch hier?" fragte sie scharf als sie Tonks erblickte, die bei ihren harschen Worten zusammenzuckte. Wenn wir schon von ungewünscht sprachen...

"Severus? Du geh auch gleich", sagte Pomfrey brüsk und machte scheuchende Bewegungen. "Ich brauche Ruhe und Frieden, um die ganze Arbeit zu erledigen, also raus mit euch beiden."

Tonks blinzelte und sah, wie sich die Tür vor ihrer Nase schloss. Wann hatte sie den Raum verlassen? Seufzend drehte sie sich um, zu gehen, nur um dann von Severus' sehr naher Präsenz überrascht zu werden – sie konnte seinen warmen Atem beinahe an ihrer... nun ja, ihrer Stirn fühlen; sie war schließlich recht klein.

Severus öffnete seinen Mund, und für einen verrückten Moment dachte Tonks, er würde sie küssen – oder sie anschreien, weil sie ihm den Weg versperrte, was sowieso Unsinn war, da Tonks ja mit dem Rücken zur Tür stand, die zurück zum Krankenzimmer führte.

"Ich muss mit dir reden", sagte Severus und fügte nach einer Sekunde des Zögerns ein "privat" an.

Zu sagen, dass Tonks überrascht war, wäre eine Untertreibung gewesen. Severus wollte, nein, er musste mit ihr reden; und dazu noch privat? Tonks fühlte sich als ob sie sich Neville in seinem beinahe gelähmten Zustand gleich anschließen könnte. Träumte sie? Aber nein; an Severus' Ausdruck beurteilt tat sie das nicht.

"Nun?" fragte er ungeduldig.

Tonks fühlte wie ihr Temperament aufstieg. Sie war ernsthaft verleitet, in seine... nun, seine Brust zu schnauben, und ihn einfach so wegzuwischen. Jedoch liebte sie ihn und sie hatte diesen sehr ungesunden Wunsch, all die Aufmerksamkeit, die er ihr freiwillig gab, aufzusaugen.

"In Ordnung", hörte sie sich sagen, bevor Severus schon wegrauschte und dabei klar erwartete, dass sie ihm folgte. Stirnrunzelnd ging sie ihm nach. Sie musste joggen, um mit seinem brüsken Tempo Schritt zu halten.

"Hast du jetzt keine Klasse zu unterrichten?" keuchte sie als sie bei einer Tür ankamen, die, wie Tonks wusste, zu Severus' persönlichen Gemächern führte, obwohl es nicht genau dieselbe Tür wie an diesem Morgen war. Sie musste nicht wirklich fragen, warum er eine neue Tür hatte.

"Die werden schon eine Stunde ohne meine Aufsicht überleben", murmelte der Tränkemeister und führte eine Bewegung mit seinem Zauberstab aus, um die Anti-Eindringlings-Banne zu deaktivieren. "Zumindest hoffe ich es nicht."

Das Schloss klickte, die Tür schwang auf und offenbarte einen Raum, mit dem Tonks schon ein wenig vertraut war. Als sie letzte Nacht hineingestürmt war, hatte sie nur Augen für ihren kranken Liebling gehabt, aber nun konnte sie das Zimmer in seiner gesamten spartanischen Schönheit ansehen. Ein komfortabler Armsessel (von dem sie reizende Erinnerungen hatte), zwei weitgestreckte Regale, die bis obenhin mit Büchern und eingelegten Tränkezutaten gefüllt waren, und ein fröhlich knisterndes Feuer. Auf der anderen Seite des Raumes war eine weitere Tür, die wahrscheinlich ins Schlafzimmer führte.

Tonks wartete nicht darauf, eingeladen zu werden, sondern machte einfach einen vorsichtigen Schritt nach vorne. "Okay, spuck es aus, Snape. Was willst du?" fragte sie neutral. Trotz des warmen Feuers lief es ihr kalt den Rücken hinunter und sie wickelte ihre Arme um ihre Mitte. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, mit Severus alleine zu reden.

"Snape?" wiederholte er mit einem leichten Stirnrunzeln als ob das Wort ihm absolut neu wäre; vielleicht war es das auch, wenn es aus Tonks' Mund kam.

"Das ist dein Name, erinnerst du dich?" Tonks schloss ihre Augen kurz. "Das ist sinnlos. Ich weiß nicht einmal, was ich hier tue, und du scheinst auch nicht vorzuhaben, mir den Grund irgendwann in naher Zukunft zu sagen. Und jetzt beschwerst du dich, weil ich dich mit dem Namen angesprochen habe, wie du es immer wolltest. Es wäre besser, wenn ich einfach-" Sie schüttelte ihren Kopf, senkte ihren Blick und wollte schon wieder gehen als sich plötzlich Finger um ihren Oberarm schlossen. Tonks schaute noch einmal nach oben, und Severus wurde leicht rot und ließ sie ruckartig los.

"Würdest du bleiben und zuhören? Es wird nicht länger als fünf Minuten brauchen. Danach steht es dir frei zu gehen", sagte Severus mit leicht bittenden Augen. "Du möchtest dich vielleicht setzen", fügte er hinzu und deutete auf den Armsessel.

Tonks seufzte in Ergebenheit, ließ sich in den Sitz hineinplumpsen und hob ihre Brauen erwartend – ein weiteres Runzeln auf der Stirn als sie sah, wie Severus trocken schluckte.

Der dunkelhaarige Mann lief hin und her, viele Sekunden vergingen, und Tonks war knapp davor, zu sagen, dass er nur noch zwei Minuten hätte, als Severus einen tiefen Atemzug machte und sprach. "Es tut mir leid."

Eine sehr lange Pause kam danach, und es war sehr nett von ihm, dass er Tonks Zeit gab, diese vier Worte zu verdauen.

"Ich hätte dich nicht einfach rausschmeißen sollen nach... nun ja..."

"Verstehe", sagte Tonks. "Aber das ist nicht mehr wichtig."

"Es ist nur..." Severus suchte nach Worten und rieb seine Schläfen. "Ich verstand nicht. Die Briefe, die du geschrieben hast", (Tonks wurde rot), "und als ich realisierte, dass du es warst habe ich einfach... Ich meine, es gibt nicht viele, die es interessiert, was mit mir passiert... Ich war vor Wut geblendet, als ich realisierte, dass du diese Nachrichten geschrieben hast... Ich dachte du wärst..." Er schnitt sich ab und machte dann ein wütendes Geräusch – ob es nun für ihn selbst oder Tonks bestimmt war, wusste sie nicht. Der gesamte Mann wurde mit jeder Sekunde verwirrender. Worüber genau plapperte er da? Tonks war dabei, ihre Frage zu äußern, als Severus weitererklärte.

"Ich dachte, es wäre alles ein Witz gewesen – so einfach."

Tonks keuchte auf, komplett von der Beichte überrascht. Wie konnte er nur-? Sie würde doch nie-! "Mit den Gefühlen anderer Menschen spielt man nicht!" sagte sie scharf, unfähig zu verstehen, wie jemand so etwas auch nur in Erwägung ziehen konnte. Als Severus einseitig lächelte, fühlte sie wie ihr Herz brach.

"Wie kannst du sagen, dass du mich liebst, wenn du mich nicht einmal kennst?" fragte er sanft.

"Was? Wann habe ich-" Tonks' Ausdruck änderte sich als Horror aufging. "Hast du mich mit Harry reden hören?" wisperte sie. 'Großartig. Einfach großartig! Jetzt denkt er, dass ich weinerlich bin', flennte sie still.

"Es war eher ein Unfall, da Longbottom dafür verantwortlich war... aber das ist nebensächlich. Antworte mir", sagte er, bevor er ein "bitte" anhängte.

"Uh", sagte Tonks, nur um Zeit zu gewinnen. "Du fragst, warum ich dich liebe? Das ist eine schwierige Frage... Es ist einfach passiert. Erinnerst du dich an das erste Mal, wo wir uns begegnet sind?" Severus nickte und rieb seinen Ellbogen, wo noch immer ein blauer Fleck zu sehen war. "Ich war von dir beeindruckt und deine Stimme hat mich sofort überwältigt. Von da an hat es sich einfach entwickelt. Irgendwie schnell, ich weiß, aber so war's. Und nun, tja, du weißt schon..."

"Und was, wenn ich es nicht wissen würde?"

"Nun, dann würde es auch nichts machen, da es ja nichts verändern wird, richtig? Ich habe vielleicht Gefühle für dich, aber diese Gefühle werden nicht erwidert..." Sie suchte in Severus' Gesicht nach einem Anhaltspunkt. Sie hatte Gefühle für ihn, aber warum musste er mit ihr reden, wenn er nicht auch etwas für sie fühlte? Severus errötete, und Tonks grinste triumphal. Zwei Mal hintereinander! Wow.

"Ich-" Er schnitt sich selbst ab, bevor er noch zu stottern anfing. "Schwöre aufs Grab deiner Mutter, dass du es ernst meinst mit dieser ganzen... Affäre."

Tonks hörte das verzweifelte Verlangen in seiner Stimme. Wie lange musste er sich schon danach gesehnt haben, dass seine Einsamkeit endete?

'Nicht mehr länger', schwor sich die Hexe leise, lehnte sich in ihrem Sitz nach vorne und fixierte Severus mit einem nüchternen Blick. "Ich kann nicht", sagte sie (Severus sah gleichzeitig überrascht, miserabel und wütend aus), "meine Mutter lebt noch."

"Oh", sagte Severus und Erleichterung versuchte sich auf sein Gesicht zu kämpfen.

"Ich bin aber dazu bereit", fuhr Tonks mit einem Lächeln fort, "auf das Leben meiner künftigen Kinder zu schwören."

Drei Wochen, Dumbledores Rückkehr und zahlreiche geheime Treffen später, war der früher griesgrämige Severus Snape so glücklich wie er werden konnte. Er hatte einen Lebensvorrat an Pepper-up-Trank für sich (und Tonks') privaten Gebrauch gebraucht, er hatte Potter und Co. hinterlistig ein paar Punkte zuspielen können (indem er nicht so viele abzog wie zuvor) und er lebte ein friedliches Leben mit einer Nymphadora Tonks in den Hogwarts-Kerkern.

Severus lächelte so weit die Winkel seines Mundes raufgehen wollten und stieß die Tür zu seinen Gemächern auf. Er erstarrte sofort als ohrenbetäubende Musik und die Stimme seiner Geliebten ihn beinahe nach hinten schleuderte.

Tonks sprang herum wie ein Känguru mit Koordinationsproblemen (Severus schätzte, dass sie dachte, sie würde tanzen), etwas wie ein Mini-Engorgio-Zauber-Gerät war in einer Hand und sie sang recht schrecklich.

"Well, here we go again! Living in a world that others cannot share! Yeah, here we go again! We are moving from a spark to a flame! I am hiiigh-"

"Was du nicht sagst", murmelte Severus und schloss die Tür.

"-on emotion! Hiiigh again! Your love will find the way!" endete sie dramatisch und ließ sich in den Armsessel fallen, den sie sehr lieb gewonnen hatte. Ihre Augen glitzerten als sie Severus anschaute, ihre Wangen von der Anstrengung gerötet. Sie deutete ihren Zauberstab auf ihre Kehle und murmelte ein "Reducio" um ihre Stimme wieder auf Normalvolumen zu bringen. "Wie war dein Tag, Schatz?" fragte Tonks und legte das Mikrofon beiseite.

'Es wird schlimmer', dachte Severus, weil wenn immer sie ihn diese bestimmte Frage stellte, sie etwas von ihm wollte, das er ihr nicht geben wollte.

"Fein", sagte er langsam, und während Tonks noch high on emotion war, war er schon high on Aufmerksamkeit.

"Das ist nett!"

"Warum fragst du?" Severus war noch immer misstrauisch; aus alter Gewohnheit.

"Einfach so. Ich brauche doch keinen Grund, um an deiner Gesundheit interessiert zu sein, oder?"

"Ich schätze nicht."

Tonks seufzte verträumt, lehnte sich zurück und schloss ihre Augen. "Sev?"

Der Flash von Ekel wegen des noch immer irgendwie gehassten Spitznamens welkte nach 0,271828 Sekunden, was einen neuen Rekord darstellte. "Ja?"

"Erinnerst du dich an das erste Mal, als wir uns trafen?"

"Wie könnte ich das vergessen?" fragte Severus zurück, doch es war kein Biss in seinen Worten. "Es war nur ein paar Flure weiter..."

"Hm", machte Tonks und lächelte bei der Erinnerung. "Du bist über mein Bein gefallen." Sie kicherte, und Severus fühlte ein Aufflackern von Ärger, das schnell wieder ausgepustet wurde, als Tonks mit einem liebevollen Lächeln zu ihm aufblickte. "An diesem Tag bist du über mich gefallen, und ich konnte nicht aufhören, mir zu wünschen, dass du mir verfallen würdest..."

Da war eine Pause, in der Severus überlegte, wie er seine Gefühle am besten ausdrücken sollte. Er endete damit, dass er einfach sagte, was ihm zuerst durch den Kopf ging.

"Manche Wünsche werden wahr."

Ende-

A/N: Hermione endet wahrscheinlich mit Ron, Harry wird für eine Zeit betrübt sein, aber dann wird er auch Liebe finden. McGonagall beschließt, Dumbledore braucht eine strikte Diät – keine Süßigkeiten mehr. Peeves zieht zu Myrthe (Peeves will Kinder und schlägt vor, dass sie ein paar der jüngeren Schüler umbringen, aber Myrthe ist nicht wirklich so scharf aufs Elternsein). Lupin gewinnt in der Lotterie, kündigt seinen Job und zieht nach Quebec. Er spendet das Meiste des Geldes, aber behält genug, um sicherzustellen, dass er ohne Sorgen leben kann. Tonks übernimmt VGDK ganz, zieht in Severus' (nun magisch vergrößerte) Gemächer. Snape und Tonks werden nicht herausfinden, dass drei Gryffindors für ihre Vereinigung zu beschuldigen sind.

That's all, folks!-

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