Kapitel 26 - Rückkehr nach Rata Sum

Ich erinnere mich nicht daran, wie ich auf Alvenns Tod reagiert habe. Habe ich geschrien? Bin ich zusammengebrochen wie viele andere dort? Oder bin ich zu Eis erstarrt, unfähig mich zu rühren? Ich weiß es nicht.

Irgendwie muss ich jedoch in das Hospiz zurückgelangt sein, denn ich erwachte neben Arrhakesh, in meiner üblichen Position. Bizarrer weise war mein erster Gedanke nach dem Erwachen, dass ich den Gestank nach Knoblauch doch tatsächlich vermissen würde, wenn ich ohne Kesh loszog. Doch das Gefühl geschwollener Augen holte mich viel zu schnell in die Realität zurück, und ich drückte mein Gesicht in das Fell der Charr, als die Tränen erneut zu fließen begannen.

Es war nicht fair, dass ausgerechnet Alvenn hatte sterben müssen. Natürlich bedrückte ihr Tod mich, da ich immer geglaubt hatte, eine besondere Verbindung zu ihr zu besitzen. Doch das war nicht alles, was mich derart nach unten zog. Wir befanden uns im Krieg, und im Krieg starben Leute. Nur hatte ich mir bis zu diesem Tag nie wirklich Gedanken darüber gemacht, dass auch Kinder zu diesen Leuten zählten. Kinder wie Alvenn, die ihr ganzes Leben noch vor sich hatten und sterben mussten, weil andere Idioten irgendeinen Krieg ausfochten und alles zerstörten, was ihnen in den Weg kam.

Das war ein Problem, womit nicht nur Tyria zu kämpfen hatte, sondern auch meine Heimat. Wie oft hatte ich von Flüchtlingen gelesen, von ganzen Landstreifen, die vollkommen niedergebombt worden waren. Hunderte, Tausende von Toten wurden in den Nachrichten betrauert. Aber erst in diesem Moment wurde mir klar, wie viele Kinder davon betroffen waren. Und Alvenn war nicht das einzige Kind, das in Löwenstein sein Leben verloren hatte. Unzählige wurden unter Trümmern verschüttet, verbrannten wehrlos in den Feuern, wurden von Querschlägern getroffen oder starben einfach, weil sie jemandem im Weg standen. Wie viele waren totgetrampelt worden bei dem Versuch, der Hölle zu entkommen? Und wie viele waren womöglich noch jünger gewesen als Alvenn? Hatten sie lange leiden müssen? Hatte Alvenn lange leiden müssen?

Ich verstand nicht, warum ein kleines Mädchen sterben musste und ein Mann wie Connor stattdessen leben durfte. Es schien mir einfach nicht richtig, aber was konnte ich denn dagegen tun? Lange hatte ich mich nicht mehr so wehrlos gefühlt wie in diesem Augenblick, als ich meinen Gedanken ebenso wie den Tränen freien Lauf ließ.

Eine warme Hand strich sanft über meinen Rücken und ich hörte beruhigendes Murmeln, ohne die Worte zu verstehen. Arrhakesh wusste Bescheid; vermutlich hatte ich ihr am Vorabend noch davon berichtet. Sie hatte zu den Kindern nie eine solche Bindung gehabt wie ich, aber Aidan war für sie wie ein Bruder. Sein Schmerz war auch ihr Schmerz, denn die Charr kannte meinen ehemaligen Lehrer lange genug um zu wissen, wie sehr er an seinen Kindern hing.

Es dauerte lange, bis ich an diesem Tag aufstand, denn ich brauchte Keshs Nähe einfach, um Alvenns Tod zu verarbeiten. Wir redeten nicht über sie, überhaupt wechselten wir kaum ein Wort bis zum Mittag. Aber ich konnte bei Arrhakesh auf der Pritsche liegen und meinen Gedanken nachhängen, und wann immer ich aus meinem Schlummer erwachte, war sie da, um mir über den Rücken zu streichen. Eine derart sanfte Seite hatte ich bei Kesh vorher so nie kennen gelernt, und es überraschte mich, dass sie kein Wort über ihre Nekromantie oder ihre Experimente verlor. Seitdem wir in Götterfels angekommen waren, hatte sie nicht ein Wort über ihre Ratten verloren oder andere gedrängt, ihnen nach ihrem Ableben die Seelen zu überlassen. Aber ich durfte nicht vergessen, dass sie mehrfach schon an der Schwelle zum Tod gestanden hatte und noch immer erschöpft sein musste von all den physischen Verletzungen, die nur langsam heilten. Ganz abgesehen von den psychischen Wunden, die sie womöglich davongetragen hatte. Arrhakesh war zwar ein äußerst schräger Vogel, dennoch kam auch sie irgendwann mal an ihre Grenzen.

Am Mittag dann konnte ich einfach nicht mehr liegen. Meine Beine kribbelten, wann immer ich sie still hielt, und mein Kopf drehte sich nur um deprimierende Gedanken, sodass ich dringend eine Ablenkung brauchte – und Kesh ihre Shrimps. Lennar war zwar enttäuscht, dass ich nur noch wenige Tage für ihn arbeiten würde, aber er war ohne mich klar gekommen, also würde er es auch wieder schaffen. Bis zu meiner Abreise wollte ich meine Arbeit aber noch gut machen, und zu meinem Glück waren die Skale seit meinem letzten Rundgang wieder in größeren Zahlen zurückgekehrt, sodass ich einige Ablenkung darin fand, ihnen das Handwerk zu legen.

Diesmal war ich auch wesentlich besser vorbereitet, hatte meine Rüstung angelegt und hatte meine Umgebung mehr im Blick. Außerdem hatte ich zu meinem Erstaunen die Hilfe von Aragh, der mich zwar noch immer nicht wirklich ansah, geschweige denn mit mir sprach, aber er schoss zielgenau und schnell die Skale ab, die mir entwischten oder zu nah an meinen Rücken herankamen. In nur wenigen Stunden hatten wir das Dreifache der Tiere erlegt im Vergleich zum ersten Mal, und die Konzentration und Kraft, die diese Aktion forderte, vertrieben alle anderen Gedanken aus meinem Kopf.

Als ich schließlich schwer atmend und von Dreck und Schweiß überströmt vor Lennar stand, um mir meine Belohnung abzuholen, schrie mein Körper geradezu nach mehr, um bloß keine negativen Gedanken zuzulassen. Der Weg zurück nach Götterfels konnte gar nicht schnell genug gehen, und Arrhakesh schien fast schon beleidigt, dass ich nach dem Abliefern der Shrimps sofort wieder aufbrechen wollte.

Ich aber hatte ein bestimmtes Ziel im Kopf, zu dem es mich hinzog, und das waren die Schmiedeöfen von Götterfels. Die Menschen dort grüßten, als sie mich wieder erkannten, und an diesem Tag stand ich nicht einfach nur herum und sah zu. Schnell war ich in einige leichte Aufgaben eingewiesen worden, feuerte die Schmelzöfen an, reinigte Rohre und Schläuche für die Blasebälge und schleppte schwere Rüstungen und Waffen von einer zur anderen Seite. Natürlich ließ man mich nicht selbst schmieden, dafür fehlte mir die jahrelange Lehre. Aber für körperlich anstrengende Nebenarbeiten war ich gerade gut genug, und mit jeder Faser die schmerzte, begrüßte ich diese Arbeit mehr und mehr.

Es hatte noch einen anderen Nebeneffekt, denn für meine Hilfe bot sich einer der Schmiede, Rian an, meine Rüstung auszubessern. Das gute Stück, das Narru mir vor Ewigkeiten geschenkt hatte, wies mittlerweile unzählige Beulen und Schrammen auf und hätte schon viel früher einer ordentlichen Wartung bedurft, vor allem in Anbetracht der Reise, die ich plante. Daher kam mir das, was Rian plante gerade recht, und im Gegenzug musste ich nicht einmal etwas bezahlen.

Dem jungen Schmied bei seiner Arbeit zuzusehen war äußerst faszinierend, und immer ansprechender fand ich den Gedanken, selbst das Schmiedehandwerk zu erlernen, wenn sich die ganze Aufregung um Scarlet und Löwenstein gelegt hatte. In Löwenstein würde ich sicher jemanden finden, der mich in die Lehre nahm, oder ich blieb hier, wo man mein Gesicht schon kannte…

Kurz ließ ich meine Träumereien abschweifen, doch dann war ich beinahe entsetzt über mich selbst. Das hier war noch immer ein Computerspiel! Nicht mein Körper, und auch nicht meine Welt. Während die Erinnerung an mein altes Leben mit jedem Tag mehr verblasste, musste ich mich immer öfter dazu zwingen, an dem festzuhalten, was mir noch blieb. Versuchte ich, mir mein Gesicht ins Gedächtnis zurückzurufen, sah ich nur die dunkle Haut mit den vielen hellen Flecken, die roten Locken und die gewaltigen Ohren. Nur noch undeutlich war da das Gesicht eines Menschen, und letztendlich hätte es jedem gehören können. Aber solange ich mich an meinen Namen erinnerte und wusste, wohin ich eigentlich gehörte, gab es Hoffnung. Das redete ich mir zumindest ein, während die Hitze der Schmiede meine Haut zum Glühen brachte und das helle Klingen von Stahl meine Ohren erfüllte.

Ich gehörte nicht hierher. Diese von Krieg, Drachen und anderen Monstern zerfressene Welt war nichts, was ich auf Dauer würde aushalten können. Aber könnte ich denn einfach so in mein altes Leben zurückkehren? Wieder ein Mensch sein, zur Arbeit gehen, vielleicht sogar wieder dieses Spiel spielen als wäre nichts geschehen? Wartete mein Körper noch dort auf mich?

Mir graute vor dem Gedanken, nicht mehr in die Welt der Menschen zurückkehren zu können, schlichtweg weil es mich dort nicht mehr gab. Eher klammerte ich mich an die Hoffnung, irgendwann einfach aufzuwachen aus einem viel zu langen Schlaf mit einem viel zu genauen Traum. Möglicherweise lag ich ja im Koma und träumte wirklich nur, während mein Körper von Maschinen am Leben gehalten wurde.


Rian hatte meine Rüstung schließlich ausgebessert und auf Hochglanz poliert, sodass sie aussah wie am ersten Tag. Die Zeit im Funkenschwärmersumpf lag schon so lange zurück, und ich erinnerte mich nur noch an wenige Details. Aber mir wurde deutlich, wie sehr ich vor allem Nahraija und Narru vermisste. Ich sandte ein kurzes Stoßgebet zur Ewigen Alchemie, dass ich mit meiner Vermutung Recht behielt und beide innerhalb der nächsten Woche in Maguuma finden würde.

Es dunkelte schon, als der Schmied seine Arbeit für den Tag endgültig niederlegte, doch wo er aufhörte, fingen andere erst an. Die Feuer der Schmiede schliefen nicht, und bis in die tiefe Nacht gab es für mich Arbeit. Kesh war schon längst im Land der Träume, als ich im Hospital ankam, und meine Augen fielen zu, kaum dass mein Kopf die Unterlage berührte.

Die Auswirkungen meiner harten Arbeit spürte ich erst, als ich am nächsten Tag nach einer traumlosen Nacht erwachte, doch es war die gute Art von Schmerz. Denn sie erinnerte mich an das, was ich alles geleistet hatte, und auch wenn jede noch so kleine Bewegung mich innerlich wimmern ließ, schleppte ich mich in die Außenbezirke Krytas und flickte Fallen und Netze gemeinsam mit Lennar. Die Zeit verflog im Nu, und als ich mittags in die Hauptstadt zurückkehrte, erwartete mich eine Überraschung.

Arrhakesh hatte sich nach draußen an die Sonne geschleppt und saß auf einer der Holzbänke vor dem Hospiz. Obwohl sie einiges an Gewicht verloren hatte, schien sie noch immer viel zu groß für die Bank, wie sie im Dämmerschlaf dort hing. Der Schwanz zuckte gelegentlich hin und her, und das Narbengewebe auf ihrer linken Gesichtshälfte glitzerte im Sonnenlicht, als hätte man ihr dort auch etwas aufgetragen. Nicht, dass die Wunden jemals besser heilen würden, immerhin hatte Kesh sie schon seit sie ein Junges war, womöglich linderte es aber das unangenehme Ziehen, das die Charr hin und wieder beklagt hatte.

Einige ihrer Bandagen waren ganz entfernt worden, damit das heilende Gewebe etwas frische Luft bekam, und neben der Bank lehnten Krücken aus Holz, um das gebrochene Bein zu stützen. Die Schiene war bereits eine große Hilfe, aber es würde dennoch einige Zeit dauern, bis Kesh das Bein wieder würde belasten können. Grinsend quetschte ich mich neben sie auf die Bank und atmete einen ungewohnt frischen Geruch ein. Anscheinend hatte Kesh mit Hilfe der Heilerinnen ein Bad genommen, auch ihre Haare waren gewaschen und zu neuen Zöpfen geflochten. Ohne den ganzen Dreck kamen die roten Spitzen und Strähnen viel besser neben dem tiefen Schwarz zur Geltung, und ich konnte mich nicht erinnern, wann ihr gesamtes Fell jemals so geglänzt hatte. Bevor sie Götterfels verließ, musste sie sich unbedingt etwas von den menschlichen Pflegeprodukten mitgeben lassen.

Kesh öffnete ein Auge und blinzelte im Halbschlaf auf mich herab, während sie mein Grinsen erwiderte. Die Shrimps, die ich ihr vor die Nase hielt, stellte sie achtlos neben sich, und streckte ihr Gesicht wieder in die Sonne. Das musste ein wundervolles Gefühl sein, nachdem sie so viele Tage in ihrer fensterlosen Kammer verbracht hatte, und wir schwiegen lange, während wir das Chaos der Welt für eine kurze Zeit ausblendeten.

Irgendwann berichtete ich Kesh von der Schmiede und der Anziehung, die sie auf mich hatte, und sie schlug ebenfalls vor, irgendwann eine Lehre anzufangen. Sie machte zwar einige Witze darüber, dass eine kleine Asura wie ich so schwere Arbeiten erledigte, die eigentlich für Schmiede mit der Muskelkraft von Norn gedacht waren, aber sie schien die Idee tatsächlich zu mögen. Im Gegenzug versuchte ich mich an Neckereien über Charr und Nekromantie, und dass es mir nicht gelang, machte die Sache nur noch lustiger für beide.

Keiner von uns redete über die anderen, oder über meinen bevorstehenden Aufbruch. Wir waren einfach nur zwei Freunde, die den schönen Tag genossen, während die eine dann doch ihre Shrimps aß – diesmal zum Glück ohne Knoblauch – und die andere sich dutzende Zöpfe in die Haare flocht, nur um sie dann wieder aufzudrehen und neu zu flechten. Die Menschen, Sylvari und Asura, die uns passierten, waren plötzlich keine Flüchtlinge und Verwundete mehr, sondern einfach Besucher oder Bewohner dieser Stadt, die ebenfalls das Wetter genossen. Irgendwann wurde mir klar, dass es tatsächlich die Einstellung war, die die meisten hier an den Tag legten. Während die Verletzungen abklangen und Unterkünfte errichtet wurden, wünschte ein Großteil sich einfach nur das normale Leben zurück. Und genau das war es, was man nicht nur vorzutäuschen versuchte, sondern in der Tat umsetzte so gut es die Umstände zuließen. Man lebte sein Leben, suchte sich Arbeit, bot Unterstützung an wo sie gebraucht wurde. Die Geräusche, die in der Stadt erklangen, waren keine Schmerzensschreie und Schluchzer der Trauer mehr. Es waren Marktschreier, die nach und nach wieder ihre Ware feilboten, etliche Gespräche, die auf der Straße und in Türrahmen geführt wurden, und die sich nicht nur um irre Sylvari und ihre Armeen drehten.

Nach all den dunklen Tagen fielen die Aschehaufen in den Ecken kaum noch auf und es erklang wieder Lachen in den Straßen von Götterfels. Noch war die Welt nicht wieder in Ordnung, aber vielleicht waren wir auf dem richtigen Weg.


Der Aufbruch erfolgte ohne große Worte. Am Abend zuvor hatte ich noch alles vorbereitet, mir ein paar letzte Münzen in der Schmiede verdient und die nötigsten Vorräte so weit möglich aufgestockt. Jetzt ging gerade hinter schweren Wolken die Sonne auf, und Arrhakesh machte sich sogar die Mühe, mich humpelnd bis vor die Tür zu begleiten. Sie hatte Gefallen daran gefunden, an die frische Luft zu kommen und sich zu bewegen, auch wenn es ihr sichtlich Schmerzen bereitete und sie nur langsam und mit großen Mühen voran kam. Immerhin versprach sie mir, wieder springen zu können wie ein Junges wenn wir uns das nächste Mal sahen – was hoffentlich in der Wachsamen-Feste der Fall sein würde.

Laranthir hatte ich schon seit über einem Tag nicht gesehen, aber er hatte mir versichert, dass er sich um Kesh kümmern würde, vor allem, was ihre Shrimps betraf. Und auch, wenn er mir nicht wie jemand schien, der sein Wort nicht hielt, wusste ich, dass Kesh es auch alleine aushalten würde. Sie hatte die Flucht aus Löwenstein überlebt, da würden ein paar Tage ohne Shrimps sie nicht mehr umbringen.


Die ersten dicken Regentropfen fielen vom Himmel, als ich mich ein letztes Mal von der Charr verabschiedete und sie mich so feste umarmte, dass mir fast die Luft weg blieb. Aber erst, als ich die Tore von Götterfels passierte und mit gesenktem Kopf den Hang nach Königinnental herabstieg, senkte sich meine Stimmung beachtlich.

Ich war noch nie zuvor eine derart lange Strecke ohne Begleitung unterwegs gewesen, und in Kryta kannte ich mich außerhalb der Hauptstädte nicht besonders gut aus. Zumal Kessex schon zu Friedenszeiten eine unruhige und nicht ungefährliche Gegend war, betrachtete man neben gewaltigen Moskitos und Trollen auch die Banditen und Zentauren, die sich gerne dort herumtrieben. Immerhin wusste ich dank meiner täglichen Besuche bei Lennar noch mit meinem Hammer umzugehen, und wenn ich auf der Hauptstraße blieb, würde ich es wohl irgendwie bis zum Hain schaffen. Aber es würde ein paar Tage dauern, und ich hatte niemanden bei mir, um mich zu unterhalten oder mir die Zeit zu vertreiben…

Ein dicker Regentropfen fiel genau in meinen Nacken und floss kalt meinen Rücken hinunter, sodass ich meine Arme enger um mich schlang. Das Wetter war die letzten Tage so schön gewesen, warum musste es ausgerechnet heute regnen? Wenigstens würden die Straßen in Götterfels nun auch von den letzten Staubresten freigewaschen werden, nur ich konnte diese Extradusche nicht wirklich gebrauchen.

Dieser eine Tropfen brachte mich gleichzeitig auch dazu, den Bick zu heben. Die Hauptstraße hob sich deutlich von der Umgebung ab, und ich würde wohl gar nicht so alleine reisen müssen wie befürchtet. Bis tief in das Tal sah ich einzelne Personen und kleine Gruppen in beide Richtungen reisen, denn sie alle waren wie ich angewiesen auf den Fußweg, solange keines der Portale ersetzt wurde.

Bei dem Wetter liefen die meisten in gekrümmter Haltung, wobei kaum einer ohne Schutz unterwegs war so wie ich. Viele hatten Schirme aus Holz oder Stoff über ihren Köpfen gespannt, die Wägen geschützt mit riesigen Planen. Nur die Zugtiere schüttelten missmutig ihre Köpfe hin und her, denn sie fragte niemand, ob ihnen der Regen etwas ausmachte. Fast schon fühlte ich mit ihnen.

Mit dem Blick in der Ferne übersah ich eine rutschige Stelle am Boden und fiel geradewegs mit dem Hinterteil in den Schlamm. Es spritzte zu allen Seiten, und als ich mich aufzurichten versuchte, sah ich auf der Brücke genau über mir eine kleine Katze sitzen, die mich gehässig angrinste. Wenigstens sie hatte ihren Spaß.

Vorsichtig stand ich auf, strich vergeblich etwas Matsch von meinem schmerzenden Hinterteil und setzte mich wieder in Bewegung, diesmal aber mehr auf Pfützen und Schlamm zu meinen Füßen bedacht. Es war noch früh am Morgen, aber ich hatte jetzt schon das Gefühl, dass der Tag nicht mehr schlimmer werden konnte. Doch das Gefühl hatte mich auch vorher schon getäuscht.

Kurz nach der Brücke gelangte ich an eine Abzweigung, und ein Wegweiser teilte mir mit, dass ich nach Osten zur Garnison von Shaemor und nach Westen zu den Shaemor-Feldern gelangen konnte. Ich wusste, dass der Hain ziemlich genau südlich von Götterfels lag, aber ich wollte auch die Hauptwege nicht verlassen – also hielt ich mich westlich. Irgendwie würde ich schon wieder nach Süden kommen.

Der Weg führte mich über eine große, mit Blumen und Girlanden verzierte Brücke, die sich bei dem Regen allerdings in eine einzige Rutschfalle verwandelte. Eine weitere Abzweigung führte mich südlich, zu einer gewaltigen Wasserpumpanlage, deren drei mehrere Mann breite Rohre jedoch stark beschädigt worden waren. Es sah aus, als hätte jemand versucht, die gesamte Anlage niederzubrennen, und vereinzelt konnte ich erste Reparaturversuche erkennen. Doch bei dem Regen war kein Mensch hier beschäftigt. In einer provisorischen Arbeiterhütte brannte Licht und ich hörte gedämpfte Geräusche, was förmlich dazu einlud, sich dazu zu gesellen, aber es war noch viel zu früh für mich, um eine Pause einzulegen. Auch wenn die Trockenheit verführerisch schien.

Hinter den Rohren erstreckten sich recht große Hügel, und ein schmaler Trampelpfad führte geradewegs hindurch. Ich wollte keine Zeit verlieren, indem ich zu lange außen herum lief, also nahm ich den von großen Espen gesäumten Weg, nur um dann an einer steilen Klippe zu stehen. Es führte auch ein Pfad nach unten, doch tümmelten sich dort Gruppen von Banditen – deren Aufmerksamkeit ich gerne vermeiden wollte. Seufzend rutschte ich den Hang auf der anderen Seite hinunter, was hatte ich schließlich zu verlieren? Meine Hose war ohnehin schon voll mit Matsch, und wenigstens dämpfte der Regen meine Geräusche.

Es war nur dem zerklüfteten Grund zu verdanken, dass keiner der Banditen meinen Abstieg bemerkte, und dort konnte ich mich auch vor einer Patrouille verstecken, die dicht an mir vorbei zog. Am Flussbett musste ich mich schließlich entscheiden, ob ich den Umweg zur Brücke in Kauf nahm, oder geradewegs in ein Skalnest lief. Schwer seufzend entschied ich mich für die Skale, die glücklicherweise in ihrer Unachtsamkeit schnell überlistet waren. Das Wasser entfernte zusätzlich etwas von dem Schlamm, der mittlerweile an meinem ganzen Körper haftete.

Mittlerweile spürte ich die Nässe schon nicht mehr, und es war mir egal, ob sie von oben oder von unten kam. Wenigstens war es nicht zu kalt, sodass ich nicht Gefahr lief, mich zu erkälten. Und nicht weit vom Fluss entfernt stieß ich bereits wieder auf die Hauptstraße, die durch eine größere Siedlung führte – Tonteich, wenn ich den Schildern Glauben schenken durfte. Hier wurden Soldaten der Seraphen trainiert, in allen möglichen Künsten vom Umgang mit Schwert und Schild bis hin zum Schießen, und die armen Soldaten hatten genauso wenig Schutz vor dem Wetter wie ich. Ohne Gnade brüllten die Seraphen auf ihre Schüler ein, während der Regen von den Laternen tropfte und ein leiser Donner sich im Hintergrund zusammenbraute.

Doch ich lief weiter, und die Steinschlucht, die sich um mich herum aufbaute, bot mir etwas Schutz vor dem Wetter, während ich die Grenze nach Kessex überquerte. Die Steine waren ab einer bestimmten Stelle mit breiten Holzstreben verstärkt worden, um einen Einsturz zu verhindern, und wie ein Tor markierten sie das Ende des Durchgangs an einem Plateau, auf dem man bei gutem Wetter sicher einen fabelhaften Blick über die Gegend hatte – abgesehen von dem riesigen Turm der Albträume, der inmitten von alldem stehen musste. Jetzt aber versperrte mir dicker Nebel die Sicht, gespickt von gespenstischem Leuchten hier und da, sodass ich nichts tun konnte als dem Weg zu folgen. Hier war es nicht so leicht wie in Götterfels, einfach eine Abkürzung zu nehmen, denn die gesamte Gegend bestand aus Seen und Ruinen, und Krait. Vor allem auf eine Konfrontation mit Letzteren hatte ich zugegebenermaßen wenig Lust. Außerdem hatte Scarlet einen Großteil der Toxischen Allianz zwar nach Löwenstein abgezogen, um ihre neue Eroberung zu halten, aber möglicherweise befanden sich noch einige von ihnen hier.

Die Straße führte mich durch Fort Salma, ein beeindruckendes Gebilde aus glänzend weißem Stein, gespickt mit Kriegswaffen aller Art. Es war kein Wunder, dass dieses Fort der Toxischen Allianz bisher ohne Probleme standgehalten hatte, und bei einem weiteren Angriff wären die Seraphen, die mir das Tor öffneten, definitiv auf alles vorbereitet und könnten Belagerern wochenlang stand halten.

Im Fort selbst erlaubte ich es mir, eine kleine Mittagsmahlzeit einzunehmen und für einen kurzen Moment dem Regen zu entkommen. Was im Grunde sinnlos war, denn bis auf das Innere meines Rucksacks gab es keinen trockenen Fleck mehr an meinem Körper, aber wenigstens prasselte nun nichts mehr auf mich ein bis auf die Worte der Anderen um mich herum.

Man konnte hier auch seine Vorräte aufstocken, als hätte man sich hier extra für die ungewohnte Reisesituation neu aufgestellt, und sicher profitierten einige davon. Ich war auch bei weitem nicht die einzige Reisende, von einer kleinen Gruppe an einem anderen Tisch überhörte ich, dass sie auf den Weg nach Götterfels waren. Dass dieser Weg plötzlich so gut besucht war stellte sich als mein Glück heraus, denn es gab eine breite Auswahl an Speisen und die Preise für das Essen waren erschwinglich genug, dass ich kein schlechtes Gewissen deswegen bekam.


Man hatte mich nach dem Bezahlen gewarnt, dass auf dem nächsten Abschnitt der Straße Zentauren nicht unüblich wären, da die von mir gewählte Route mitten durch ein Zentaurenlager lief, aber ich hatte Glück. Die Seraphen hatten das Lager soweit eingenommen, dass eine Passage problemlos und sicher war, und patrouillierten eine ganze Strecke der Straße entlang. Danach allerdings sah ich immer mehr Zentauren und Überbleibsel von ihren Waffen, die von den Seraphen zerschlagen worden waren. Nachdem ich mit Aragh fast so etwas wie eine seltsame Freundschaft geschlossen hatte, schmerzte mich der Gedanke, einen von ihnen bekämpfen oder gar töten zu müssen. Zu meinem Glück begegneten mir auf der Hauptstraße nur zwei von ihnen, und während ich dem einen erfolgreich aus dem Weg gehen konnte, beäugte mich der andere zwar misstrauisch, zog aber seines Weges als er merkte, dass ich nicht vor hatte ihm zu schaden.

Ich hatte noch immer genug vom Kämpfen und vom Tod, und sinnlos Feinde machen war das letzte, was ich jetzt gebrauchen konnte. Kurz machte der Weg einen Schwenk zu einem der Seen, und das Geräusch von Regen auf Wasser hatte etwas wundervoll Beruhigendes. Sicher hätte man in dem See früher ein Bad nehmen können, wenn der Turm der Allianz nicht gewesen wäre – und die Skale, die am vergifteten Ufer auf ihre Beute lauerten.

Besonders beeindruckend war eine gewaltige Zentaurenhochburg, das nicht weit von der Straße lag. Sie war viel größer als alle, die ich zuvor gesehen hatte, und weit besser abgesichert. Mannsdicke, angespitzte Pfeiler ragten aus dem Boden hervor, waren aber nicht groß genug, die beängstigenden Katapulte zu verstecken, die nur auf einen Einsatz warteten. Die Außenbarrikaden zeigten etliche Brand- und andere Kampfspuren, als hätten die Menschen schon häufig versucht, das Lager anzugreifen. Bisher war es aber niemandem gelungen, und ich hoffte wirklich, dass dieser Krieg bald ein Ende nehmen konnte. Wussten Zentauren und Menschen überhaupt noch, weshalb sie sich bekriegten? Der Donner grollte zur Antwort, lauter als zuvor.

Bis zum Abend hatte ich mich zum Süden von Kessex durchgearbeitet. So weit unten war ich auch schon eine Weile niemandem mehr begegnet, entweder hatten die anderen alternative Routen genommen oder bereits einen Platz zum Rasten gefunden. Als die Straße plötzlich am Wasser endete, und das andere Ufer durch den Nebel nicht in Sicht war, hatte ich schon keine Hoffnung mehr auf eine ordentliche Bleibe für die Nacht. Das Gewitter schien näher zu kommen, und das Donnergrollen wurde stetig lauter. Immer häufiger durchzuckten helle Blitze den Nebel um mich herum. Doch als ich mich etwas umsah, stieß ich auf eine Hütte mit einem kleinen Ruderboot daran, und tatsächlich öffnete eine stämmige Frau die Tür und lächelte mich an. Sie trug eine fleckige Schürze und ein Kopftuch, und der Kochlöffel in ihrer Hand hätte genauso gut ein Schwert sein können, ihrer Haltung nach zu urteilen.

„Könnte ich mir das Ruderboot borgen?" Begann ich anstelle einer Begrüßung, und die Frau lachte ausgiebig.

„Und wer bringt's zurück, wenn Ihr auf'er anneren Seite seid?" Sie lachte weiter, während ich noch nach einer Antwort suchte. „Ich weiß doch, warumma hier seid. Na los, ich bring Euch rüber, is' schließlich mein Job."

Ohne zu zögern schnappte sie sich einen Regenmantel, legte den Kochlöffel behutsam auf die Ablage und schloss die Tür. Im Boot stellte sie sich mir als Emma vor, während sie mit geübten Stößen vom Ufer wegsetzte und uns gekonnt durch den Nebel navigierte. Die Skale, die dabei um uns herum schwammen, bekamen allesamt einen kräftigen Ruderstoß auf den Schädel, sodass keines der Tiere sich zu nah heran traute.

Emma arbeitete schon seit Jahren als Fährenfrau, da sich auf der anderen Seite ein großes Handelslager befand und noch immer keine ordentliche Brücke gebaut worden war. Was gut so war, laut Emma, denn sonst würde man ihr den Job nehmen, den sie erstaunlicherweise zu mögen schien.

Sie erzählte so viel von sich, dass sie gar keine Zeit mehr hatte, mir Fragen zu stellen, denn schon bald hatten wir das andere Seeufer erreicht und ich kletterte aus dem wackeligen Kahn heraus. Ich zahlte Emma die Münzen, die sie mir nannte, und winkte ihr zum Abschied, und schnell war sie wieder im Nebel verschwunden.

Auch ohne die schweren Wolken wäre jetzt keine Sonne mehr am Himmel zu sehen gewesen, und ich war froh darüber, dass nach einem steilen Anstieg das Lager in Sicht kam, von dem Emma gesprochen hatte. Es war in der Tat ein Lager, wie ich es zuvor noch nicht gesehen hatte. Zuerst kamen riesige orangene Zelte in Sicht, die ich kurz darauf den Tengu zuordnen konnte – gewaltigen Vögeln auf zwei Beinen, denen ich zuvor nur in Löwenstein begegnet war. Dann sah ich Sylvari, die sich unter einem natürlichen Blättervorsprung niedergelassen hatten, und gleich gegenüber stand im krassen Gegensatz dazu das klobige Gebäude einer Kru, die hier wohl ihre Forschungsarbeiten betrieb.

Die Lager schienen nicht nur für wenige Nächte gedacht zu sein, und trotz der Verschiedenheiten sah es so aus, als würden alle miteinander klar kommen – lange Essenstafeln standen mitten im Weg, und Golems liefen emsig zwischen den Tenguzelten und dem Krugebäude hin und her.

Begrüßt wurde ich von einem Tengu, der sich mir als Genzhou Krallenreißer vorstellte. Er lud mich in eines der großen Zelte ein, das wohl sowas wie das Touristenlager für Reisende war. Verschiedenste Lager waren in dem geräumigen Zelt aufgeschlagen worden, und ich war bei weitem nicht die einzige. Viele Menschen, aber auch Sylvari und Norn saßen hier beisammen. Die Asura schliefen wohl eher ein paar Schritte weiter bei der Kru.

Genzhou sprach die gängige Sprache, allerdings mit einem starken Akzent und mit gehobenen Worten und Rätseln, denen nur schwer zu folgen war. Deswegen war ich froh, als er sich wieder seinem Wachtposten zuwandte und ich es mir im Zelt gemütlich machen konnte. Ein großes Feuer brannte in der Mitte, und es gab eigens Holzständer zum Trocknen von Umhängen und dergleichen. Ein Großteil meiner Kleidung flog gleich auf diesen Ständer, bis ich fast nur noch in Unterwäsche dort saß und mich in eine etwas kratzige, aber immerhin trockene Decke mummelte, die man mir reichte. Aus meinem Rucksack nahm ich Brot und Käse, außerdem etwas Wasser, um meinen knurrenden Magen zu füllen. Dabei beobachtete ich, wie der Rauch nach oben stieg und durch eine winzige Öffnung im Zelt entwich, die so konzipiert war, dass kein Wasser nach innen gelangte. Frische Luft kam immer wieder durch die schmale Öffnung an einer Wand hinein, wenn jemand das Zelt betrat oder verließ, aber dennoch war es schön warm. Auch jetzt, als die kühle Abendluft sich über Kessex breitmachte und das Gewitter über uns alles gab.

Der starke Regen prasselte so laut auf die Planen, dass es schwer war, sich zu unterhalten, aber mir war auch gar nicht danach. Ich war froh, mich nach dem Essen an einen Platz nah am Feuer legen und die Augen schließen zu können, um am nächsten Tag hoffentlich bei besserem Wetter möglichst früh wieder aufzubrechen.


Vom Ireko Handelslager, wie es sich nannte, war es keine Stunde mehr bis zum Caledon-Wald. Schnell sprossen die ersten Bäume aus dem Boden und es dauerte nicht lange, bis sich die Landschaft beachtlich veränderte, während ich beobachtete, wie die Sonne langsam aufging. Der sandige Boden wich grünem, sumpfigen Grund, die Krait wichen den überlebensgroßen Leuchtkäfern. Einer davon hielt mir seinen leuchtenden Pollensack, der fast größer war als ich mitten ins Gesicht, als ich einen Farn aus dem Weg schieben wollte. Vor Schreck fiel ich fast wieder auf mein Hinterteil, doch glücklicherweise waren diese Käfer hier zahm, im Gegensatz zu den Moskitos.

Obwohl ich endlich im Maguuma-Dschungel angekommen war, trennte mich noch ein ganzer Tagesmarsch vom Hain. Die Straßen hier waren aber wenigstens gepflastert, denn immer wieder prangten Löwengarden-Festen, die das sumpfige Umland mit Brücken und ordentlichen Straßen versehen hatten, an den Wegrändern, um ihre Truppen besser durch die Gegend manövrieren zu können.

Mit dem Wetter hatte ich tatsächlich mehr Glück. Am Morgen hatte der Nebel noch über dem Land gehangen, aber gerade am Mittag kämpfte sich die Sonne wieder durch. Überall glänzten noch die Pfützen und das nasse Moos an den Steinen, doch das Laufen war wesentlich angenehmer, wenn einem nicht ständig etwas in den Rücken tropfte und die Kleidung durch den Regen das Dreifache wog.

Meine Mittagsrast machte ich in der Caledon-Freistatt, die nicht nur ausgezeichnetes Hühnerfrikassee anbot, sondern auch noch zu ausgezeichneten Preisen. Zu verdanken war das Isond, die alle Handelsgeschäfte hier überwachte und gleichzeitig auch noch leidenschaftlich gerne kochte. Sie war also verantwortlich dafür, dass ich mit einem vollem Bauch und guter Laune weiter zog, und neben mir waren jetzt auch wieder viele andere Reisende unterwegs.

Doch die gute Laune verflog etwas, als ich mich auf der Straße nach Metrica befand und den Pfad suchte, der zum Hain abzweigte. Ich musste wohl den richtigen Weg verpasst haben, denn wenn ich weiter der Straße folgte, würde ich nicht mehr lange im Caledon-Wald bleiben. Ich hatte aber auch wenig Lust, den ganzen Weg zurückzulaufen, um eventuell doch noch eine Abzweigung zu finden. Also hatte ich keine andere Wahl als wieder einmal einem Trampelpfad zu folgen, der so zugewuchert und düster war, dass er unheimlich wirkte. Die Ruine, die ich bald darauf sah, tat auch nicht viel zur Besserung bei – sie war über und über mit leuchtendem Moos überwuchert und in jeder noch so kleinen Ecke lungerten Skritt. Dabei handelte es sich offensichtlich nicht um die liebe und süße Art wie bei Cherry und Flint, sondern eher um die angriffslustigen Wesen, die auf der Suche nach Beute und glänzenden Sachen waren. Und wie ich meine Situation auch bedachte, es führte kein Weg um diese Ratten herum.

Die ersten von ihnen konnte ich noch durch einen großen Felsen umgehen. Doch einer ihrer Flaschenwerfer war aufmerksam genug und hatte mich gesehen, noch bevor ich ihn wahrgenommen hatte, und mit einem spitzen Schrei warf er seine Gebräue nach mir. Die erste Flasche zerschellte nur knapp vor meinen Füßen, und ein braun stinkender Sud breitete sich vor mir aus. Die zweite zersplitterte an meiner Schulter, und wo der Schleim meine Haut berührte, blieb ein Gefühl der Taubheit.

Ich ließ nicht zu, dass die Ratte noch eine dritte Flasche nach mir warf, sondern ignorierte das Kribbeln und schwang meinen Hammer. Einen Skritt zu bekämpfen war anders, als Skale zu töten, denn Skale waren für mich nur Tiere. Skritt hingegen hatten offensichtlich Gefühle und mussten nicht zwingend böse sein, dafür war Cherry das beste Beispiel. Als mein Hammer diesen Skritt also am Kopf traf und er bewusstlos zu Boden fiel, beließ ich es dabei. Er atmete offensichtlich noch, und ich wollte ihn nicht töten. Jemand würde sich schon um ihn kümmern, aber mein Problem waren die anderen Skritt, die er mir seinem Ruf alarmiert hatte.

Zwei weitere eilten zu mir, mit rostigen Schwertern bewaffnet. Sie zu besiegen war nicht schwer, das Problem an der Sache war, sie nicht zu töten. Ich war vorsichtig, versuchte, nicht zu viel Kraft in meine Hiebe zu stecken, und kassierte dadurch selbst etwas ein. Natürlich hatte ich meine Rüstung nicht angelegt, aber ich lernte auch nie dazu. Ich schaffte es, die erste Kämpferin mit einem gezielten Stoß meines Ellenbogens gegen die Schläfe außer Kraft zu setzen, und bohrte dem anderen mein Knie in die Magengegend. Das machte ihn lange genug kampfunfähig, dass ich fliehen konnte, und ich murmelte eine Entschuldigung, während ich aus den Ruinen rannte, um nicht noch mehr Skritt zu begegnen.

Irgendwann hatte ich den Weg wieder gefunden, auch wenn er nicht mehr gepflastert war. Stattdessen lief ich jetzt auf hart getretenem Sand, und der Pfad war von etlichen Brücken gespickt, da sich unter mir der Sumpf befand. Die Brücken waren für Sylvari typisch aus rein pflanzlichem Material und wuchsen aus dem Boden, als würden sie leben. Hauptsache, sie waren stabil genug, mich zu tragen, aber im Grunde war ich einfach nur froh, mich wieder auf einem gut besuchten Weg zu befinden. Irgendwann musste ich mir von Nahraija oder irgendwem mal erklären lassen, wie die Hauptroute durch den Caledon-Wald lief.

Der Abend dämmerte, und ich legte einen Schritt zu. Die Leuchtkäfer um mich herum spendeten ausreichend Licht, aber die Nacht wollte ich im Hain verbringen, und um das zu schaffen, musste ich noch einiges an Weg bewältigen. Endlich sah ich ihn, den gewaltigen Baum, der die Sylvari und ihre Schöpferin beherbergte. Ich ignorierte die schmerzenden Beine und die Wunde am Arm, die das rostige Schwert der Skritt mir zugefügt hatte, und rannte die Rampe hinauf, bis ich im Zentrum angekommen war.

Die etlichen verschiedenen Lichter, Gerüche und Geräusche waren mir von den vielen Besuchen noch immer so vertraut, und ich hatte keine Schwierigkeiten damit, das Heim ausfindig zu machen, das Nahraija zugedacht war. Die wenigsten Sylvari dekorierten ihr Heim, da es von den meisten nur zum Schlafen genutzt wurde und ohnehin nicht wirklich groß war. Doch Nahraija hatte überall in jedem noch so kleinen Eck Pflanzen aller Arten stehen oder hängen, und die Farbenpracht in diesem kleinen Raum war größer als im ganzen Rest des Hains.

Nahraija selbst schlief auf einer erhöhten Plattform tief und fest, ohne Decke, da die Temperatur hier meistens angenehm warm war. Ich hatte nicht vor, sie jetzt noch zu wecken, und war selbst erschöpft von der Reise, weswegen ich meinen Rucksack samt Hammer in die Ecke stellte, mich meiner Schuhe entledigte und mich einfach zu der Sylvari dazu legte. Sie war nicht so warm und kuschlig wie Arrhakesh, dafür roch sie wesentlich frischer und schnurstracks befand ich mich ebenfalls im Land der Träume.


Als ich erwachte und mich ausgiebig streckte, schien das auch Nahraija dazu zu bewegen, die Augen zu öffnen. Ich setzte mich aufrecht neben sie, und sie tat es mir gleich, noch mit ganz verschlafenen und vernebelten Augen. Mehrere Herzschläge lang starrte sie mich einfach nur an, als wüsste sie nichts mit der Situation anzufangen. Dann weiteten sich ihre Augen plötzlich, und mit einem fröhlichen „Szallejh!" stürzte sie auf mich und riss uns mit ihrer stürmischen Umarmung beide vom Bett, sodass wir kullernd auf dem Boden landeten.

Schmerzhaft spürte ich die Stichwunde der Skritt an meinem Arm, die ich wohl doch noch einmal genauer untersuchen lassen müsste, doch erst einmal musste ich Nahraijas Fragen beantworten.

„Wie schön, dass Ihr hier seid! Wie geht es Euch? Was ist nach Löwenstein mit Euch passiert? Und wie geht es Kesh?" Dabei gab sie mich nur widerwillig frei, sodass wir uns beide auf dem Boden aufsetzen konnten. Ich richtete eine Pflanze auf, deren Pott wir aus Versehen mit umgeschmissen hatten, und tätschelte sie entschuldigend.

Im Schnelldurchlauf erzählte ich ihr die relevanten Details. Dass Arrhakesh während der Flucht schlimm verletzt worden war, wir uns aber nach Götterfels hatten retten können. Dass sie dort beinahe gestorben wäre, sich aber wieder gefangen hatte und auf dem Wege der Besserung war. Lennar und Aragh ließ ich aus, denn sie hätten nur für noch mehr Fragen gesorgt, aber ich berichtete von meinem Plan, den Portaltransport zu begleiten und dann den Rückangriff auf Löwenstein zu unterstützen.

Während ich erzählte, sah sie mich die meiste Zeit mit großen Augen an, während sie in ihre bunten Kleider schlüpfte und sich die dunklen Blätter am Kopf glatt strich und immer mal wieder Gegenfragen stellte. Als sie soweit war, verließen wir das kleine mit Pflanzen geschmückte Heim, das sich selbst innerhalb einer großen Pflanze befand, und machten uns an den Abstieg in die etwas tiefer gelegenen Ebenen. Den Rucksack ließ ich dort, denn er wäre an diesem Ort nur unnötig Last.

„Und Ihr? Wie seid Ihr aus der Hölle entkommen?"

Nahraija zuckte die Schultern. „Levinny und ich… wir sind einfach gerannt. Und hatten Glück, vermute ich? Ich habe uns mit meiner Elementarmagie die Angreifer vom Leib halten können, die Orientierung war Levinnys Aufgabe. Irgendwie sind wir am Ende an der Blutstromküste rausgekommen, und später bin ich mit einem großen Schiff gemeinsam mit anderen Flüchtlingen nach Maguuma… Aber es war furchtbar! All das Geschrei und der Staub. Wer macht so etwas?"

„Scarlet." Antwortete ich trocken, als würde das irgendwas erklären. „Ist Levinny auch hier im Hain?"

Die Sylvari schüttelte den Kopf. „Nein, sie ist an der Küste geblieben. Ich habe sie nicht gefragt, was sie vor hat, dafür war ich zu geschockt. Aber seitdem ist sie nicht zum Hain zurückgekehrt. Nicht, dass das für sie was Besonderes wäre – Levinny hat auch vor dem Angriff nur wenig Zeit hier verbracht. Ich glaube, " sie fing an zu flüstern, als wäre es ein großes Geheimnis, und lehnte sich ganz dicht zu mir, „ich glaube, sie ist eine von den Lautlosen."

Ich lachte. „So ganz unrecht habt Ihr damit vermutlich nicht."

Das entlockte ihr ein zufriedenes Nicken, als hätte sie schon lange genau darauf spekuliert. Dass Levinny in Wirklichkeit gar keine Sylvari war, sondern ein Mensch von einer anderen Welt, hätte ich ihr natürlich nicht sagen können. Aber ich war mir sicher, dass Levinny keine Verbindung zum Traum hatte und die Stimme der Blassen Mutter nicht in ihrem Kopf hören konnte – oder etwa doch?

Es war schon enttäuschend, dass ich sie hier wieder nicht antreffen würde. Ein Teil von mir hatte gehofft, sie wäre zum Hain zurück, doch jetzt, wo ich mit Nahraija darüber sprach, schien mir der Gedanke abwegig. Was auch immer sie in ihrer freien Zeit trieb; dass es wenig mit dem Hain zu tun hatte, war mir vor längerem schon aufgefallen. Immerhin war sie nie hier gewesen, wenn ich nach ihr gesucht hatte, und ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie mir damit nur aus dem Weg ging. Wenn Nahraija den Verdacht gefasst hatte, dass Levinny eine Lautlose war, dann war ihr Verhalten vermutlich vorher auch schon ähnlich gewesen.

Die fröhliche Sylvari führte mich zu einem der großen gemeinschaftlichen Plätze, an dem ein ausgiebiges Frühstück serviert wurde. Obwohl ich keine der ihren war, wurde ich genauso herzlich mit allem versorgt wie alle anderen auch – frisches Obst, Säfte und noch warmes Gebäck. Das wunderbare am Hain war, dass niemand etwas bezahlen musste. Überhaupt war die ganze Struktur dieser Stadt faszinierend, zusammen mit der Tatsache, dass es so gut funktionierte. Diejenigen, die arbeiten wollten, taten dies, und alles, was erwirtschaftet wurde, stand der Allgemeinheit zur Verfügung. Und scheinbar reichte es aus, ohne dass auch nur einer hungern musste.

Aber vermutlich wollten die meisten Sylvari auch arbeiten, statt einfach nur den ganzen Tag durch den Hain zu laufen und die Welt zu bewundern. Zumindest kleine Tätigkeiten, Aushelfen auf den Feldern, das Züchten der Farnhundwelpen, Herstellen solcher Speisen wie diese, die ich jetzt genießen durfte. Wenn niemand von einem verlangte, dass man arbeiten musste um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, machte die Arbeit wohl auch wesentlich mehr Spaß.

Während dem Frühstück redeten wir über die Pläne für die kommenden Tage. Nahraija meinte, mich bis nach Rata Sum begleiten zu wollen, dann aber wieder zum Hain zurückzukehren. „Scarlets Angriff hat auch von uns einige Opfer gefordert, zumal sie eine von uns ist. Das wirft kein so gutes Licht auf den Rest der Sylvari."

Sie wollte also im Hain bleiben, zumindest bis Löwenstein wieder eine freie Stadt war, und die Ausbildung der Neugeborenen unterstützen, da man glaubte, Scarlet sei als Sprössling durch das System gefallen und nicht engmaschig genug betreut worden. Nur so hatte sie sich dem Wahnsinn hingeben können, und das galt es in Zukunft zu verhindern.

„Was ist denn ohne die Portale der schnellste Weg nach Rata Sum?" fragte ich zwischen zwei Bissen von einem Teilchen mit Fruchtfüllung.

Nahraija überlegte eine Weile. „Wir könnten den südwestlichen Ausgang nehmen, zur Befleckten Küste hin. Da war ich bisher noch nicht, aber von dort aus gelangen wir ohne Probleme nach Metrica. Und soweit ich weiß, ist es keine besonders gefährliche Gegend."

Ich wusste von der Existenz dieser sumpfigen Gegend, denn von Rata Sum aus hatte man je nach Wetterlage einen recht guten Blick nach Osten hin, doch auch ich war selbst noch nie dort gewesen. Es gab einige wenige Krus, die ihre Forschungen dort trieben, hauptsächlich wohl weil kaum einer dort entlang reiste und sich niemand an zwielichtigen Experimenten störte.

„Dann machen wir es so."

Nachdem wir unsere Mahlzeit beendet und uns noch mit einigen anderen über verschiedene Themen geredet hatten (faszinierend, wie man von Scarlet auf das Wetter und dann wieder zum Thema Winterfest kommen konnte!), kehrten wir zu den Wohnebenen zurück und ich ließ Nahraija nach meinem Arm sehen. Durch das rostige Schwert war Dreck in die Wunde gelangt, und sie hatte sich etwas entzündet, doch die Sylvari hatte eine schnelle Lösung dafür. Sie trug eine dunkelrote, stark riechende Salbe auf die Wunde auf und verband sie mit einem sauberen Tuch, mit dem Versprechen, das dass die Entzündung innerhalb kürzester Zeit herausziehen würde. Schmerzen hatte ich keine, wenn ich nicht gerade am Arm herum drückte, also beließ ich es dabei.

Bevor wir aufbrachen, schlüpfte ich in meine Rüstung, denn ich wusste nicht, was uns an der Küste erwarten würde. Dann schulterte ich meinen Rucksack und Nahraija nahm ihren Stab, und ich ließ mich von ihr zum südwestlichen Ausgang führen.

Bis zu diesem Moment war mir nicht bewusst gewesen, dass es im Hain mehrere Ausgänge gab, und vermutlich existierten noch weitere, die nur den Sylvari vertraut waren. Dieser Ausgang unterschied sich aber nicht von dem Richtung Caledon, es handelte sich auch um eine sich schmal nach unten windende Rampe, die von fluoreszierenden Wurzeln und Moos beleuchtet wurde. In die Rinde an einer Seite war ein Handlauf eingeschlagen worden, sodass man beim Abstieg nicht den Halt verlor, und unten boten dicht zum Boden hängende Farne einen natürlichen Sicht- und Wetterschutz von außen.

Nahraija schob einige der Farne zur Seite, sodass ich mich hindurch bücken konnte, und schlüpfte dann selbst hindurch. Wir hatten einen direkten Blick auf das Meer, und Holzstege führten vor uns entlang, da der sumpfige Grund nicht passierbar gewesen wäre. Erst nach einer Weile verliefen sich die Stege im Sand, und der Boden wurde fester und griffiger.

„Kein Wunder, dass sich hier niemand aufhält." Stieß ich hervor, während ich durch den Sand stapfte, „hier würde ja kein Gebäude halten."

„Wahrscheinlich wird der Strand auch regelmäßig überschwemmt, wenn ich die Muscheln und all das ganz weit hinten betrachte."

Die Küste hatte Ähnlichkeit mit der Splitterküste im Funkenschwärmersumpf, denn dort war es auch unmöglich, sich durch den Sand zu manövrieren ohne sich die Knöchel zu brechen. Doch dort waren die Unebenheiten den Kämpfen gegen Tequatl geschuldet gewesen, hier war es einfach eine Folge des Wetters.

„Was meint Ihr, haben die Hylek die Splitterküste mittlerweile wieder zurückerobert? Tequatl macht ja jetzt keine Probleme mehr."

„Gut möglich! Vielleicht sollten wir unsere Freunde dort einfach nochmal besuchen. Ist schon lange her, damals mit Narru, oder?"

Ich schüttelte den Kopf bei dem Gedanken daran. „Damals, als meine Probleme nur aus dem verdammten Training bestanden. Mir war zu dem Zeitpunkt gar nicht bewusst, wie gut es der ganzen verdammten Welt damals noch ging."

Damals war ich auch nur damit beschäftigt gewesen, mich in einem fremden Körper zurecht zu finden und zu lernen, nicht an jeder Ecke von irgendwem umgehauen zu werden. Eigentlich hatte ich Glück gehabt, denn wenn ich ein Jahr später nach Tyria gekommen wäre, mitten in Scarlets Chaos – wie lange hätte ich hier überlebt?

Ganz automatisch verlagerte ich das Gesicht von Entropie auf meinem Rücken. Narrus und Aidans Trainingsstunden waren erfolgreich gewesen, denn der Hammer war tatsächlich wie ein zusätzlicher Teil meines Körpers geworden. Ich mochte noch lange kein Meister sein, aber ich konnte kämpfen, und ich hatte eine äußerst gute Waffe. Mit meinem Hammer konnte ich weit mehr als nur einen Nagel in die Wand klopfen, wobei gerade das bei der Struktur von Entropie sogar recht schwer geworden wäre.

Der Gang über die Küste blieb beschwerlich, und wir kamen nur langsam voran, doch die Gegend war bis auf wenige Tiere unbewohnt. Die Krabben, die hier hausten, hatten mehr Angst vor uns als wir vor ihnen und verschwanden sofort im Sand, wenn sie uns kommen sahen, und eine der besagten Krus sahen wir nur aus der Ferne. Ich konnte nicht einmal erkennen, was genau sie testeten, aber die unzähligen Bohrer, die in der Erde steckten, ließen vermuten, dass sie vom Grund Proben entnahmen oder etwas in der Art.

Kurz nach Mittag kam der Würfel von Rata Sum in Sicht, und schon bald darauf hielten wir uns nördlich, um nach Metrica zu gelangen. Der Übergang lag versteckt innerhalb eines Höhlensystems, und hätte Nahraija mich nicht auf den zugewucherten Eingang hingewiesen, wäre ich daran vorbei gelaufen. Die Höhle selbst erkannte ich aus dem Spiel, denn sie befand sich im Startgebiet nahe Soren Draa und war voll von kleinen Feuerelementaren.

Auch wenn keiner der Elementare sich an uns zu stören schien, versuchten wir doch so schnell wie möglich aus der Höhle herauszukommen, denn die Temperaturen darin überstiegen die heißeste Sauna. Einmal wäre ich auch beinahe in einen kleinen Lavabach gelaufen, doch mal wieder rettete mich die Sylvari vor Schlimmerem. Irgendwann würde sie mir die Gelegenheit geben müssen, ihr Leben vor etwas Großem zu retten, damit ich all das wieder wett machen konnte, doch den Gedanken behielt ich für mich. Sie hätte mich ja doch nur mit Neckereien darüber beschüttet.

Tatsächlich kamen wir Nahe Soren Draa wieder ans Tageslicht, und mein Herz machte Freudensprünge, wieder hier zu sein. Nur noch wenige Schritte trennten uns von Rata Sum, und ich rannte beinahe die Stufen zum Portal hinauf. Nahraija folgte mir mit einem breiten Grinsen, auch wenn sie mich auf der anderen Seite des Portals aufhielt.

Die heiße Dschungelluft wehte mir ins Gesicht und zu allen Seiten hin erstreckte sich der wunderbare Ausblick in die Täler und das Meer, und für einen Moment vergaß ich, weshalb ich eigentlich hergekommen war.

„Ich werde noch jemanden besuchen, und dann zum Hain zurückkehren." Meinte Nahraija schließlich, während sie mich zum Abschied umarmte.

„Vielen, vielen Dank, dass Ihr mich begleitet habt! Und passt auf Euch auf, ja? Ich hole Euch, sobald wir Löwenstein von der Irren befreit haben."

Sie lachte schallend und kniete sich zu mir, um auf Augenhöhe zu sein. Dann streckte sie mir die Hand entgegen, forderte mich auf, das gleiche zu tun, und ließ einen kleinen Gegenstand in meine Handfläche fallen.

Als sie die Hand wieder entzog, erkannte ich eine kleine, runde Eichel, an der teilweise noch nasser Sand klebte.

„Wo habt Ihr die gefunden?"

„Im Strand an der Küste. Ich fand es so ungewöhnlich, sie dort am Meer zu finden, deswegen wollte ich sie Euch geben. Ich glaube, sie ist etwas Besonderes!"

„Danke." Erwiderte ich mit einem Lächeln, entfernte vorsichtig den Sand mit meinen Fingern und packte die Eichel dann behutsam in meinen Rucksack. Etwas sagte mir, dass ich diesen kleinen Gegenstand irgendwann noch brauchen würde, und er nahm nicht viel Platz weg, warum sollte ich ihn also nicht behalten?

Nahraija lief zu den unteren Ebenen, auch wenn ich nicht wusste, wen sie dort besuchen wollte. Mir standen nun mehrere Optionen zur Verfügung: Ich konnte nachsehen, ob Narru in Rata Sum war, oder nachfragen, wie weit es um den Bau der Portale stand und wie viel Zeit mir vor der Abreise blieb. Ich konnte zur Kru von Kekk und Ronnée, oder aber… Mein Blick wanderte zu den Portalen im Westen des Würfels, und wie automatisch trugen mich meine Beine dorthin, während ich mich Stück für Stück meiner Rüstung entledigte. Im Dschungel war es viel zu heiß dafür, und in der Stadt hatte ich sicher keine Verwendung für einen derartigen Schutz.

Ein ganz besonderes Portal hatte es mir angetan, und die Erinnerungen versetzten meinem Herzen einen Stich. Ich wusste ja, dass Zojja nachtragend war, aber konnte es sein, dass sie mich noch immer von der Liste gestrichen hatte? Oder war ihre Schmollzeit mittlerweile vorüber?

Az stand wie immer mit seinem Pad vor dem Portal und überwachte jeden, der zu Zojjas Labor wollte.

„Hey, Az."

Überrascht hob er den Kopf und ich konnte schwören, ein kurzes Lächeln erkennen zu können, als er mich erkannte.

„Darf ich mittlerweile wieder rein?"

Er sah auf sein Pad, scrollte ein wenig und schüttelte dann den Kopf. „Leider nein. Nicht mal für Euch macht Zojja eine Ausnahme, wie es aussieht. Keine zweite Chance."

Frustriert stapfte ich auf den Boden. „Wie nachtragend kann jemand eigentlich sein? Und das alles nur wegen ein bisschen Pergament…" Doch ich sah nicht ein, diese Niederlage einfach so einzustecken und abzuhauen. Az hatte die Liste, aber ich hatte einen Plan.

Verwirrt sah der Asura mir zu, wie ich ein paar Schritte zurück ging, um dann plötzlich Richtung Portal zu stürmen, die Rampe hinaufzulaufen und direkt auf die wabernde Masse zuzusteuern. Im Augenwinkel sah ich noch, wie er erschrocken die Arme in meine Richtung hob, um mich aufzuhalten, doch ich war schneller als er. Schon berührte mein Kopf die Membran und wäre schon bald auf der anderen Sei- ZWUMMM.

Ein elektrisches Knistern erfüllte meine Ohren, als ich mit einer solchen Wucht zurückgeworfen wurde, dass ich noch einige Meter über den Boden schlitterte und der Hammer auf dem Stein Funken schlug. Mein Kopf schmerzte und mein Gesicht war heiß und spannte, wie bei einem schlimmen Sonnenbrand. Ein schützendes Kraftfeld, natürlich. Wer hätte das erwartet.

Die Asura um mich herum starrten fassungslos auf mich herunter, und ihre Blicke sprachen Bände. Natürlich gab es ein Kraftfeld, das wusste vermutlich jedes Kleinkind. Dass Az mich nicht auslachte, sondern nur mitleidig ansah, machte die Sache zusätzlich noch schlimmer.

Ich hustete, stand auf und klopfte mir den Staub von den Klamotten. Meine Stirn brannte noch immer, und meine Haare fühlten sich an, als würden sie zu allen Seiten abstehen, wie nach einem Griff in die Steckdose. Vermutlich taten sie das auch und ließen mich noch mehr aussehen wie der letzte Idiot.

Ein Schnauben war alles, was Az von mir noch als Antwort bekam, dann stapfte auch ich die Rampen hinunter. Hauptsache weg von den Schaulustigen. Aber sie alle würden noch blöd schauen, denn ich war mir sicher, dass ich einen Weg zu Zojja finden würde. Mir fehlte nur noch der richtige Plan.


_ A.N.:_


Kurzfassung: Ich danke euch für eure Treue und Ausdauer! Ihr seid die Besten

Langfassung für die, die jetzt noch lesen möchten:

Ich weiß, dass es nicht einfach ist mit mir. Zumindest, was die Zeitspanne betrifft, die oft zwischen dem Upload mehrerer Kapitel liegt… Ich möchte immer sagen, dass es besser wird, aber vermutlich wird es das nicht. Mein Leben ist und bleibt chaotisch, und es kommt immer wieder etwas Neues. Jetzt heißt das für mich Abschlussarbeiten, Prüfungen und meine Hochzeit. Aber es gibt Hoffnung! Denn auch wenn es dauert, ich mache weiter. Keine Angst, so schnell lasse ich euch mit Szallejh und ihrer Geschichte nicht in Ruhe, nein, nein! Denn es liegen noch einige spannende Abenteuer vor uns, und ich freue mich schon wie ein kleines Kind auf das, was jetzt bald kommen wird.

Wenn ich daran denke, dass wir nicht einmal die Hälfte von dem durch haben, was ich noch alles schreiben möchte – oh Gott, was habe ich getan? :D

Aber gerade weil wir schon so viel geschafft haben, muss ich jetzt doch mal was los werden. Ich wäre nicht hier, wenn ich nicht jeden einzelnen von euch hätte. Alle, die mir regelmäßig Feedback geben, Kommentare schreiben und fragen, wann das nächste Kapitel kommt – ihr haltet mich am Laufenden und seid meine Motivation. Aber auch jeder von euch, der einfach nur diese Geschichte liest und ihr treu bleibt, auch wenn ich eure Namen nicht kenne – DANKE! Dass ihr so geduldig mit mir seid und trotzdem noch immer diese Reise mit mir bestreitet.

Lasst mich euch versprechen, dass ich diese Reise zu einem Ende bringen werde. Es wird lange dauern, und es wird noch einiges auf uns zukommen. Aber es wird ein Ende geben. (Tatsächlich ist das letzte Kapitel schon seit zwei Jahren geschrieben, der Plan steht also schon komplett. Ich muss nur mal den Hintern hoch kriegen und schreiben.)

Ehrlich. Ich bin so dankbar für jeden einzelnen von euch, ganz besonders natürlich wie immer Leo.

Und wer von euch das hier auch liest: Danke. Danke dafür, dass Du da bist. Genau Du. Du bist fantastisch.

Eure Sza