Der Besuch – Teil 2
Es klopfte an der Tür. Nicht normal, so wie es sich anhörte, wenn anständige Leute anklopften, sondern laut und ungeduldig. Okay... es mochte daran liegen, dass er sich dabei Zeit gelassen hatte, sich vom Sessel zu erheben und gemächlich das Wohnzimmer, sowie den Flur zu durchqueren, nachdem Hermine ihn aufgefordert hatte, doch bitte die Tür zu öffnen, weil sie mit dem Tischdecken noch nicht fertig war – aber musste man deshalb so aufdringlich gegen das unschuldige Holz hämmern? Okay... es war windig und es regnete in Strömen draußen und das Vordach war zu klein, um einen nennenswerten Schutz zu bieten, aber wozu hatten die Kretins... äh... die werten Besucher denn Zauberstäbe? Diese jungen Leute waren wohl einfach zu faul zum Zaubern.
Nun denn – länger konnte er es nicht hinauszögern, ohne es sich mit Hermine zu verscherzen. Er atmete noch einmal tief durch und drückte die Klinke herunter. Die Tür flog ihm entgegen, so dass er einen Schritt rückwärts machen musste, wobei die Kante trotzdem nur um Haaresbreite seine Stirn verfehlte.
Ein kalbgroßes, wuscheliges Wesen auf vier Beinen schoss wie ein geölter Blitz durch den schmalen Spalt zwischen ihm und der Tür und streifte dabei das nasse Fell an seinem Hosenbein ab.
Dem Wuschelblitz folgten – fast ebenso eilig - drei Zwerge, während man schon gedämpft Hermines freudige Begrüßungsrufe aus der Küche hörte. Die ersten beiden Zwerge meisterten die Lücke ohne Probleme, das dritte und kleinste Zwerglein prallte frontal auf sein Bein und krallte sich an seiner Hose fest, um nicht umzufallen. Erst als es sein Gleichgewicht wieder gefunden hatte, folgte es so schnell es seine kurzen Beine trugen seinen Brüdern, beziehungsweise der Schlammspur, die diese auf den Dielen hinterlassen hatten.
Er sah dem letzten Zwerg hinterher, bis dieser aus seinem Blickfeld verschwand, erst dann wandte er sich dem Rest der Besucher zu.
„Hallo Severus!", sagte Ginny, strahlte ihn an und stellte sich auf die Zehenspitzen um ihn zu umarmen und auf die Wange zu küssen.
„Hallo Ginevra", entgegnete er würdevoll, was ihr Lächeln noch breiter werden ließ.
„Du erlaubst...?", fragte sie, zog ihren Zauberstab heraus und richtete ihn auf sein Hosenbein.
„Kümmere dich lieber um den Boden!" Er zeigte anklagend auf die matschigen Fußabdrücke. „Das fehlte mir noch – als Einbeiniger zu enden", grummelte er, sich wieder der Türöffnung zuwendend.
„Hallo Severus", sagte Harry – mit deutlich weniger Begeisterung, als seine Frau zuvor.
Snape zog die Türe weit auf und machte eine dezent übertriebene, einladende Handbewegung. „Harry Potter", sagte er und versuchte, dabei genau denselben Tonfall zu treffen, mit dem er seinen ehemaligen Schüler früher im Unterricht anzusprechen pflegte. „Welch Glanz in unserer bescheidenen Hütte."
Harry verdrehte die Augen und trat ein. „Ich freu mich auch, dich zu sehen", seufzte er.
Mittlerweile hatten sich alle im Wohnzimmer versammelt wo Hermine und ihre alten Freunde sich mit viel Gedrücke und Geküsse begrüßt hatten. Die Zwerge schälten sich aus ihren Stiefeln, Mänteln und Mützen – oder wurden herausgeschält. Zum Vorschein kamen ein dunkelhaariger und ein etwas kleinerer rothaariger Junge, die beide eher ihrem Vater ähnlich sahen und ein noch kleineres Mädchen, das mit seinen roten Locken und den dunklen Augen mehr Ähnlichkeit mit einem kleinen Kobold hatte, als mit ihren Eltern.
„Jetzt sagt mal ordentlich guten Tag zu Severus", wies Ginny ihre Kinder an. „Nachdem ihr ihn an der Tür halb über den Haufen gerannt habt, ist zur Wiedergutmachung eine anständige Begrüßung fällig."
„Guten Tag, Severus!" sagte der größte Sprössling und sah dem Angesprochenen ohne zu blinzeln in die Augen.
„Hallo Albus", entgegnete Snape. Er verwendete wieder den jahrelang perfektionierten Unterrichtstonfall, was dem Jungen aber unverschämterweise ein Grinsen entlockte.
Der mittlere Zwerg musterte seine bunt geringelten Socken, während er eine unverständliche Begrüßung murmelte.
„Guten Tag, Frederik", sagte Snape.
Das kleine Mädchen trat einen Schritt vor und baute sich - die Hände in die Hüften gestemmt – vor ihm auf. „ICH hab keine Angst vor dir!", verkündete sie nach einem abfälligen Blick auf ihren Bruder.
„Ach wirklich?" Snape ging in die Hocke, um auf gleiche Höhe mit den Koboldaugen zu kommen. „Du weißt aber schon, dass ich kleine Kinder fresse...?", raunte er. „Vor allem Lilys, die schmecken besonders gut."
Die beiden Frauen sahen ihn tadelnd an.
„Severus!", sagte Harry vorwurfsvoll, während seine Tochter vorsichtshalber einen Schritt zurück trat und sich versicherte, dass ihre Mutter in Reichweite war.
„Stimmt ja gar nicht!", rief sie, wobei ihr leicht zittriges Stimmchen verriet, dass sie sich da nicht hundertprozentig sicher war. „Meine Mama sagt, du bist eigentlich ganz lieb."
„Ginny!", sagte Harry noch vorwurfsvoller und schüttelte den Kopf.
Snape zwinkerte Kleinen zu und stand gerade im Begriff, sich wieder zu erheben, als der Hund – der sich scheinbar ebenfalls zur Begrüßung aufgefordert fühlte – ihn schwanzwedelnd ansprang und aus dem Gleichgewicht brachte. Um nicht rücklings auf dem Boden zu landen, stützte er sich mit beiden Händen rückwärts ab, was zu Folge hatte, dass er diese nicht zur Abwehr einsetzen konnte, als die Hundezunge seinem Gesicht zu nahe kam.
„Pfui Teufel!" rief er entrüstet, sich zur Seite auf die Knie rollend, was den Hund zu noch mehr Euphorie anstachelte und Lilly ein vergnügtes Quietschen entlockte.
Albus nutzte die Gelegenheit, stürzte sich von hinten auf Snape und versuchte, ihm auf den Rücken zu klettern und seine Schwester, von so viel Mut animiert, unterstützte die Attacke auf der Vorderseite. Hermine und Ginny lachten, während Harry das Geschehen mit misstrauisch gerunzelter Stirn verfolgte.
„Kommt, setzten wir uns", sagte Hermine zu ihren Freunden und zu Fred, der keine Ambitionen zeigte, sich an dem Gerangel zu beteiligen. „Ich denke, damit wird er locker alleine fertig."
„Kannst du mir verbindlich zusichern, dass wie dieses Haus später auch wieder mit drei Kindern und einem Hund verlassen?", fragte Harry Hermine, als Snape seinen drei Angreifern, die noch immer nicht locker ließen androhte, sie in extra schleimige Knallkröten zu verwandeln.
„Aber ja", sagte Hermine. „Ginny – vielleicht solltest du lieber deinem Mann mal nahe bringen, dass Severus eigentlich ganz lieb ist."
Ginny schmunzelte. „Ich kann zwar Gedächtniszauber, aber es scheint mir dann doch ein bisschen unmoralisch, sein Gehirn zu manipulieren."
„Da hast du Recht – völlig unmoralisch", sagte Snape, der in diesem Moment an den Tisch trat. Albus hatte er im Nacken gepackt und die kichernde Lily unter den Arm geklemmt, während der Hund noch immer aufgeregt um alle drei herumwuselte. „Realitätsverlust ist außerdem nicht gesund für Helden."
Harry schüttelte resigniert den Kopf. „Du kannst es einfach nicht lassen, oder?"
„Ich weiß nicht, was du meinst", sagte Snape und ließ sich auf dem Stuhl neben Harry nieder, nachdem er die Kinder bei Hermine abgestellt und den Hund zu Ginny weiter geschoben hatte.
„Severus – kuck mal böse!", rief Albus. „Kuck mal böse!", echote seine kleine Schwester. Sogar der zurückhaltende Fred, der im Gegensatz zu seinen Geschwistern die skeptische Haltung seines Vaters gegenüber dessen ehemaligen Lehrer zu teilen schien, wartete jetzt – wo der Tisch zwischen ihm und Snape stand – gespannt auf das Ergebnis dieser Aufforderung.
„Siehst du Harry", sagte Snape und warf einen grimmigen Blick in die Runde, der sofort Gekicher auslöste, „deine Sprösslinge haben Spaß mit mir... im Gegensatz zu dir."
„Den hab ich auch", beteuerte Harry seufzend. „Ich lache eigentlich ununterbrochen, seit ich hier bin... hab mir nur selbst einen Zwerchfelllähmfluch verpasst, damit du mich nicht durchschaust."
„Ich bin gerührt! So viele Mühe, extra für mich..." Snape sah Harry lächelnd an, „...und völlig umsonst. Ich hab dich schon immer mühelos durchschaut."
Irgendwas stimmt nicht. Es dauerte ein paar Sekunden, ehe Harry es begriff – das Lächeln seines ehemals schlimmsten Feindes wirkte ehrlich. Es fehlte die ansonsten latent vorhandene spöttische Note.
„Kuck noch mal böse!", rief Lily fordernd und beendete damit den verwirrend unwirklichen Augenblick... und sie brachte ihren Vater damit erheblich zum Grübeln, ob dieser Moment tatsächlich stattgefunden hatte, oder nur seiner Einbildung entsprungen war.
Ende